Protocol of the Session on January 27, 2011

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und zwar nicht nur in Bezug auf Frühjahr, Sommer und Winter, die auf uns zukommen, sondern auch in Bezug auf die Zeit nach 2017, liebe Frau Hämmerling! Denn eins ist klar: Wir werden bis zum Jahr 2017 höchstens für ein Viertel des Betriebs neue Züge zur Verfügung haben, und zwar schlicht wegen der fehlenden vorhandenen Kapazitäten, wie hier ebenfalls mehrfach dargestellt wurde. Fallen Sie doch nicht darauf rein, was die Deutsche Bahn Ihnen irgendwo darstellt!

Wir jedenfalls bestehen darauf, dass der Vertrag erfüllt wird und dass für die Zukunft, auch nach 2017, die Deutsche Bahn Vorsorge trifft. Das lassen Sie uns mal gemeinsam, auch gern durch die Vertreterinnen und Vertreter im Deutschen Bundestag, bewegen! Da zähle ich durchaus dort auf Sie als Opposition.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Senatorin! – Wegen Zeitablaufs hat nun die Fragestunde ihr Ende gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Verbraucherpolitik und Lebensmittelsicherheit in Berlin: klare Vorschriften, wirksame Kontrollen, mehr Transparenz

Antrag der SPD und der Linksfraktion

Für die gemeinsame Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die SPD-Fraktion in Person von Frau Monteiro. – Bitte schön, Frau Monteiro, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im heuten „Tagesspiegel“ las ich, dass die Eierwirtschaft nach dem Dioxinskandal um unser Vertrauen wirbt. Gut, kann man feststellen. Wie will die Eierwirtschaft das nun tun? Will sie die Namen der Betriebe, die dioxinbelastete Futtermittel verfüttert haben, veröffentlichen? Will sie die Eigenkontrollen verbessern? – Nein! Sie startet in den nächsten Tagen eine Anzeigenkampagne, die vermitteln soll, dass Verbraucher „mit gutem Gefühl“ Eier aus Deutschland kaufen können. Man achte auf die Wortwahl: Eier mit gutem Gefühl kaufen, nicht essen.

Wir erinnern uns: Der Verkauf der Eier war wegen des Skandals um mehr als 20 Prozent zurückgegangen. Herr Meyer von der FDP sprach heute davon, dass wir mit dem Thema zu spät dran seien. Aha! Ist das Problem der Lebensmittelsicherheit schon gelöst? Ist der Skandal vollständig aufgeklärt? Sind die Konsequenzen gezogen, ist eine Wiederholung ausgeschlossen? Bei jedem Lebensmittelskandal frage ich mich – wie bestimmt viele andere Verbraucher –: Wann kommt der nächste? – Dieser Sachverhalt deutet darauf hin, dass es sich nicht um einen einmaligen Vorgang handelt – Herr Isenberg hat vorhin auch darauf hingewiesen –, sondern dass es hier um ein grundsätzliches Problem geht und dass wir alle gemeinsam unsere Hausaufgaben noch nicht ausreichend erledigt haben.

Aber vorweg sei gesagt, es gibt auch eine gute Nachricht für die Berlinerinnen und Berliner: Bei 100 Prozent der Berliner Legehennenbetriebe lag die Dioxinkonzentration in Eiern und Futtermitteln weit unter den zulässigen Grenzwerten.

[Gelächter bei den Grünen – Christian Gaebler (SPD) zu den Grünen: Es werden auch Eier von außerhalb nach Berlin gebracht! Auch wenn Sie es nicht glauben!]

Der Insider und die Eierwirtschaft wissen, dass wir in Berlin nur einen einzigen Legehennenbetrieb haben. Aber immerhin!

[Felicitas Kubala (Grüne): Und über den reden wir heute!]

Es gibt noch eine zweite Nachricht: Auch im weiteren Sinn sind wir nicht von diesem Skandal betroffen. Zum Glück, mag man sagen. Auch bei den Lebensmitteln, die in anderen Bundesländern erzeugt worden sind und die in Berlin verkauft werden oder worden sind, sind bisher keine dioxinbelasteten gefunden worden. Trotzdem und gerade deshalb führen die Berliner Veterinär- und Lebensmittelämter verstärkt Kontrollen auf Dioxin durch.

Die heutige Aktuelle Stunde steht unter dem Motto: „Klare Vorschriften, wirksame Kontrollen, mehr Transparenz“. Wer will dem widersprechen? Aber was heißt das tatsächlich? Die aufgeregte Atmosphäre zeigt schon, dass hier die Meinungen auseinandergehen.

[Gelächter bei der CDU und bei den Grünen – Andreas Gram (CDU): Ich nehme gleich Baldrian!]

Nehmen wir uns vielleicht ein bisschen Zeit, in die Historie zurückzuschauen! – Ich freue mich, dass Sie so gut gelaunt sind. Hoffentlich sind es die Verbraucher auch! – Vielleicht werfen wir alle gemeinsam einen beruhigenden Blick zurück in die Geschichte, in das Jahr 1920. Damals entstand nämlich der erste Erlass einer Verordnung über Mischfutter, die verhindern sollte, dass Mischfutterhersteller Abfälle vermischen und Großhändler wertlose Futtermittel importieren. Vielleicht nicht ganz uninteressant, woher unsere heutigen Verfahrensweisen stammen! Diese Verordnung erlaubte die Verwendung von maximal drei Komponenten zur Herstellung von Mischfutter, und – das ist das Interessante – jetzt setzte eine Argumentation ein, die uns auch heute nicht ganz unbekannt erscheint: Die Warenströme innerhalb Europas, Mischfutter aus Skandinavien mit über 20 Komponenten, hoben die Wirkung dieser Verordnung auf, und 1927 wurde ein Futtermittelgesetz verabschiedet, dessen Logik wir noch heute folgen: Die Hersteller melden Komponenten an. Jeder Produzent kann im Prinzip jeden Stoff anmelden. Dann beginnt die Prüfung und Nachweisführung über Unbedenklichkeit bzw. die Festlegung von Grenzwerten, bis zu denen die Komponente als unbedenklich gilt.

Heute sprechen wir nicht über drei oder 20 Komponenten, sondern über unendlich lange Listen von Futtermittelzusatzstoffen. Wir reden über technologische Zusatzstoffe, z. B. Konservierungsmittel, Antioxidationsmittel, Emulgatoren, Stabilisatoren, Säureregulatoren, Silierzusatzstoffe. Wir sprechen über sensorische Zusatzstoffe, z. B. Aroma- und Farbstoffe. Wir sprechen über ernährungsphysiologische Zusatzstoffe wie Vitamine, Aminosäuren und Spurenelemente, über zootechnische Zusatzstoffe, z. B. Verdaulichkeitsförderer und Darmflorastabilisatoren, und viele andere Zusatzstoffe, deren Namen ich nicht mal aussprechen kann. Dann beginnen Kommissionen zu prüfen, zu testen, zuzulassen, und am Ende dieses Verfahrens haben wir dann die Probleme, die wir auch jetzt wieder beobachten können.

Aus der Opposition höre ich Rufe nach einer Erhöhung der Zahl der Kontrolleure.

[Henner Schmidt (FDP): Herr Isenberg hat das vorhin auch gefordert!]

Ja, wir können die Zahl der Lebensmittelkontrolleure erhöhen – immer und immer wieder –, aber wir werden dadurch den Wettlauf um sichere Lebensmittel nicht gewinnen, denn wenn die Kontrolleure tätig werden, sind die Futtermittel bereits produziert und verfüttert, die Lebensmittel produziert, ausgeliefert und oftmals auch schon beim Verbraucher angekommen. Wir sollten also grundsätzlicher herangehen, an den Anfang der Lebens

mittelproduktionskette, nämlich an die Produktion von Futtermitteln. Wir brauchen eine Positivliste, was in Tiernahrung enthalten sein darf.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Dann bleiben immer noch genug Umweltgifte und Risiken, aber es wäre ein wesentlicher erster Schritt.

Klare Vorschriften sind notwendig. Wir alle kennen die zahlreichen Richtlinien und Verordnungen der EU, Richtlinie über den Verkehr mit Futtermittel-Ausgangserzeugnissen, Richtlinie über unerwünschte Stoffe in der Tierernährung, Richtlinie über bestimmte Erzeugnisse für die Tierernährung, Richtlinie über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen und viele mehr. Die Frage ist: Sind diese Richtlinien tatsächlich klar, sind sie klar genug?

Dieser Skandal hat eine gute Seite, und zwar die, dass sich die Länder und der Bund endlich zusammengerauft haben, denn viele Fragen diskutieren wir schon seit langem. Leider war bisher keine Einigung möglich. Es wurde ein gemeinsamer Aktionsplan verabschiedet, der u. a. die Meldepflicht für die Untersuchungsergebnisse auch privater Labore vorsieht. Wir hatten auch in diesem Fall das Problem, dass bereits im März 2010 belastete Proben gefunden, aber die Ergebnisse nicht veröffentlicht wurden. Hier sehe ich auch noch eine Lücke bei der Aufklärung. Was ist mit diesen Lebensmitteln passiert? Da sind auch Teigwaren, Soßen usw. produziert worden. Hier möchte der Verbraucher wissen: Wo sind diese Ausgangsstoffe gelandet?

Der Aktionsplan sieht weiterhin eine Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe mit bestimmten Qualitätsanforderungen vor. Er sieht eine Trennung der Produktionsströme, einmal in Lebensmittel und auf der anderen Seite in industrielle Produktion, vor. Er sieht eine Verpflichtung zur Absicherung des Haftungsrisikos für Futtermittelunternehmer vor – gleich zu Beginn des Skandals gab es ja die Entschädigungsdiskussion. Es soll eine Dioxindatenbank aufgebaut und der Strafrahmen für Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz auf den Prüfstand gestellt werden.

Der wichtigste Punkt besteht für mich in der Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes – aus einer KannRegelung soll jetzt eine Muss-Regelung werden. Bei der Diskussion um die Einführung des Smiley hier in Berlin haben viele gefragt, ob wir solche Informationen über die Lebensmittelproduzenten und verarbeitenden Betriebe überhaupt veröffentlichen dürfen. Ja, im Sinne des Verbrauchers müssen diese Verstöße öffentlich gemacht werden!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Lebensmittelwarnungen sollen über eine Internetplattform www.lebensmittelwarnung.de veröffentlicht werden. Ein Blick auf die Homepage der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz verrät, dass wir gerade bei diesem Skandal vorbildlich Informationen

bereitstellen – beispielsweise darüber, wie Verbraucher belastete Erzeugnisse erkennen können. Da sind wir in Berlin schon sehr weit.

Neben diesem Aktionsplan gab es einige Punkte, auf die sich die Länder nicht verständigen konnten. Hier sind die A-Länder unter Führung Berlins sehr weit vorangegangen, worüber ich sehr froh bin, weil wichtige Themen angefasst wurden. Es stellt sich stets die Frage, ob es um Einzelfälle geht, um kriminelle Energie oder ob es etwas mit der grundsätzlichen Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und den dort ablaufenden Prozessen zu tun hat. Die A-Länder haben vorgeschlagen, dass ein kritischer Blick auf die generelle Entwicklung in der Futtermittel-, Agrar- und Ernährungswirtschaft geworfen wird, dass entstandene Strukturen und Verflechtungen beleuchtet werden und, das ist das Wichtigste, dass die Frage nach ethischer und moralischer Verantwortung gestellt wird. Dieser grundsätzliche Diskurs, den wir führen wollen und den wir unbedingt brauchen, damit wir nicht über den nächsten Skandal in der Lebensmittelindustrie diskutieren müssen, soll nicht nur mit Vertretern der Lebensmittelwirtschaft und der Futtermittelindustrie geführt werden – wie es bisher oft der Fall war –, sondern unter Einbeziehung von Vertretern aus den Bereichen Umweltschutz, Tierschutz, Verbraucherschutz. Das ist ein ganz wichtiger Ansatz, und auch Kirchen und Religionsgemeinschaften sollen einbezogen werden.

All das kann uns nicht von der Verantwortung entbinden, die wir als Verbraucher haben. Die Erzeugung sicherer und wertvoller Lebensmittel hat ihren Preis, und das sollten wir, die Verbraucher, nicht an der Ladentheke vergessen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Monteiro! – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Goetze das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die erste wichtige Nachricht dieser Aktuellen Stunde ist, wenn man das Niveau und die Kontroverse, auf die sich die Koalition gerade noch bei der Festlegung von Themen einigen kann, die, dass da nichts mehr ist, was die Stadt bewegt. Die Rede, die gehalten wurde, entstammt dem falschen Manuskript – die hätten Sie vielleicht im Lebensmittel- oder Verbraucherschutzausschuss des Bundestages halten können, aber nicht im Berliner Abgeordnetenhaus.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Nicht so oberlehrerhaft!]

Hier geht es um das, was die Koalition und der Senat zu verantworten haben. Der Rede zufolge gibt es da offenbar gar nichts.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Weil wir so gut sind, Herr Goetze!]

Das ist aber ein Irrtum. Der Titel der Aktuellen Stunde – Klare Vorschriften, wirksame Kontrollen, mehr Transparenz – entspricht offenbar Ihrem eigenen Arbeitsprogramm. Das sind offensichtlich die Sachen, die Sie noch vorhaben und die Sie in den vergangenen zehn Jahren nicht zustande gebracht haben.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der Arbeitsauftrag an Sie bedeutet also: Endlich klare Vorschriften schaffen, endlich wirksame Kontrollen durchführen, mehr Transparenz beim Verbraucherschutz schaffen!

Vor einiger Zeit hatten wir in Berlin einen riesigen Putengammelfleischskandal, und die Konsequenzen daraus sind bis heute nicht gezogen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Den wollten Sie herbeireden, den Skandal!]

Bevor der nächste Skandal über uns hereinbricht, muss gehandelt werden!

Wo stehen wir heute? – Seit einigen Wochen erlebt die Nordhälfte Deutschlands einen immensen Dioxinskandal; die Futtermittelsicherheit steht im Fokus, rund 150 000 Tonnen dioxinbelastetes Futter wurden in Umlauf gebracht, und wie viel Schaden dieses Futter auf den Irrwegen von Niedersachsen über Rotterdam nach Schleswig-Holstein und in über 550 landwirtschaftlichen Betrieben angerichtet hat, das wissen Sie nicht. Das wissen Sie auch für Berlin nicht, und das ist das eigentliche Problem, das wir heute besprechen müssen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]