Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Also: Kooperationsverbot weg! Mehr Einheitlichkeit! Mehr Transparenz, auch zwischen den Bundesländern! Zu Recht erwarten die Menschen in Deutschland, dass wir von einem Bildungsföderalismus wegkommen, der eigentlich nichts weiter ist als Kleinstaaterei. Blind wird meistens nicht geschaut, was in anderen Bundesländern passiert, Hauptsache, wir machen es ganz anders und erfinden das Rad wieder neu. Davon haben die Menschen in Deutschland die Nase voll. Sie wollen vergleichbare Abschlüsse, vergleichbare Schulformen und nach Möglichkeit auch Schulen, die den gleichen Namen haben und nicht zig unterschiedliche Schulnamen und Schulformen in Deutschland.

Wenn wir so vorangehen und mehr Einheitlichkeit in Deutschland herstellen, mehr Transparenz schaffen und die Hausaufgaben in Berlin zuerst selber machen, dann können wir auch im zweiten Schritt erreichen, dass wir das Kooperationsverbot wegbekommen und dass der Bund sich an zusätzlichen vernünftigen Bildungsprojekten in den Bundesländern beteiligt.

[Beifall bei der CDU]

Das Wort für die Linksfraktion hat jetzt der Kollege Zillich.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP hat in ihrem Antrag in der Tat ein wichtiges Thema, ein handfestes Ärgernis aufgegriffen. Ich beschränke mich heute auf die Grundlinie der Forderung und werde nicht auf Details eingehen. Das können wir im Ausschuss tun. Es geht um das Kooperationsverbot, das nun einmal absurd ist. Deswegen muss es weg.

[Beifall bei der Linksfraktion und der FDP]

Meine Partei hat das im Bundestag mehrfach beantragt und seinerzeit auch nicht der Verfassungsänderung zugestimmt. Insofern ist unsere Position dazu klar.

Das Kooperationsverbot konserviert eine Situation, die die Bildungschancen der Kinder beeinträchtigt. Wir haben in der Bundesrepublik eine Situation, in der die Bildungsinstitutionen – die Schulen, Hochschulen und Kindergärten – strukturell unterfinanziert sind. Sie sind schlechter ausgestattet als in anderen vergleichbaren Ländern. Das gilt nicht nur für Berlin, sondern für alle Bundesländer. Die Berliner Industrie- und Handelskammer – nicht gerade eine Vorfeldorganisation meiner Partei –

[Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Kommt noch!]

hat eingeladen, um deutlich zu machen, dass genau das das Problem unseres Bildungssystems ist. Die Bildungsinstitutionen sind unterfinanziert. Das liegt maßgeblich daran, dass wir keine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern bei der Finanzierung erreichen. Natürlich haben die Länder ihre eigene Verantwortung. Das ist uns bewusst. Wir wissen auch, dass wir in dieser Wahlperiode im Gegensatz zu anderen Bundesländern im Bildungsbereich nicht gekürzt haben und dass wir im Ländervergleich eine gute Schüler-Lehrer-Relation haben. Dennoch ist wichtig, dass all das unter dem Vorzeichen einer strukturellen Unterfinanzierung der Bildungsinstitution diskutiert wird. Das sieht man beispielsweise an den Schulgebäuden – nicht nur in Berlin. Kein Bundesland kann diese Unterfinanzierung allein aufholen. Den immensen Betrag, der dafür erforderlich ist, kann kein Bundesland aufbringen. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Ländern. Diese gemeinsame Anstrengung wird durch das Kooperationsverbot verhindert.

Es ist richtig, wenn in diesem Zusammenhang das Bildungspaket als ein krudes Beispiel für diese Situation angeführt wird. Es ist in der Tat absurd, dass Bildungsanstrengungen durch Einzelgutscheine, die die Jobcenter verteilen, finanziert werden, anstatt das Richtige zu tun, das nicht diskriminierend ist und den Kindern tatsächlich hilft, nämlich die Bildungsinstitutionen so auszustatten, dass sie in der Lage sind, die Kinder individuell zu fördern, wie es ihre Aufgabe ist. Das geschieht aufgrund des Kooperationsverbots nicht. Deswegen hat die Bundesregierung nicht die Kraft aufgebracht, den Finger in die Wunde zu legen und die richtige Lösung umzusetzen. Wenn dieses Thema in den gemeinsamen Treffen der Bundesländer nicht auf die Tagesordnung kommt, bleibt alles Gerede von einer „Bildungsrepublik Deutschland“ und von „Vorfahrt für Bildung“ halbherzig. Das ist das zentrale Hemmnis, weswegen wir keinen Schritt weiterkommen.

Der Antrag spricht zu Recht davon, dass man aus Fehlern lernen muss. Es war in der Tat ein Fehler, das ins Grundgesetz zu schreiben. Es gab aber einen konkreten politischen Anlass, den ich hier noch einmal nennen will. Die CDU-Ministerpräsidenten haben sich

[Mieke Senftleben (FDP): Und Herr Beck!]

angesichts des IZBB-Programms und der Situation, dass die rot-grüne Bundesregierung sich seinerzeit für den Ausbau der Ganztagsschulen ausgesprochen und Geld dafür ausgegeben hat, gegen die Ganztagsschulen gestellt und eine Klarstellung im Grundgesetz gefordert. Mit den Folgen leben wir jetzt. Deswegen ist es wichtig, dass wir der CDU – auch durch die Art unserer Diskussion – die Chance geben, aus Fehlern zu lernen. Ein gemeinsames Signal dieses Hauses zu diesem Thema wäre richtig. Ob eine Bundesratsinitiative viel Aussicht auf Erfolg hat, muss man gesondert diskutieren. Es ist aber wichtig, dass wir im Ausschuss versuchen, zu einer gemeinsame Positi

on des Berliner Parlaments zu kommen. Das wäre im Interesse Berlins.

[Beifall bei der Linksfraktion und der FDP – Beifall von Michael Müller (SPD)]

Vielen Dank, Herr Kollege Zillich! – Für die Fraktion der Grünen hat nun der Kollege Mutlu das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schicke vorweg, dass wir den Antrag unterstützen. Gleichzeitig irritiert mich die Debatte ein bisschen. Landauf, landab sagen sozialdemokratische Politikerinnen und Politiker, sie fänden das Kooperationsverbot falsch – das sehen wir auch so –, aber Frau Tesch eiert hier rum. Auf der anderen Seite haben wir eine CDU, die auf Bundesebene an dem Kooperationsverbot festhält, aber der bildungspolitische Sprecher der CDU stellt sich hier hin und sagt, das sei ein Fehler gewesen. Späte Einsicht finde ich gut. Lassen Sie uns hier im Haus – wie bereits Herr Zillich sagte – den vorliegenden Antrag als Grundlage für eine gemeinsame oder einvernehmliche Bundesratsinitiative nutzen. Dabei sollte es egal sein, ob man jedem einzelnen Spiegelstrich zustimmen kann und ob eine solche Initiative Aussicht auf Erfolg hat. Das ist wichtig, weil das Kooperationsverbot schädlich ist und die Kleinstaaterei fördert. Davon haben wir genug.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Ich appelliere natürlich auch an meine Kollegin Senftleben. Die FDP ist auf Bundestagsebene Koalitionspartner. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Bundespartei in diesem Sinn aktiv wird und sich gegenüber dem Koalitionspartner durchsetzt! Das ist eine elementare Sache. Die Vorrednerinnen und Vorredner haben verschiedene Beispiele für die behindernde Wirkung des Kooperationsverbots für Bildung und Innovation genannt. Das Bildungspaket ist nur ein Beispiel.

Wir haben uns von Anfang an gegen das Kooperationsverbot eingesetzt, weil wir sofort gesehen haben, dass das so nicht gehen kann. Das Verbot des Einflusses des Bundes in der Bildungspolitik – egal, ob die Zuständigkeit bei den Ländern liegt oder nicht – ist zum Schaden einer Verbesserung der Bildungslandschaft. Leider hat uns die Zeit recht gegeben.

Ich kann nur hoffen, dass die Debatte nicht nur hier im Haus geführt wird, sondern auch in anderen Parlamenten, wir uns mit einer Zweidrittelmehrheit durchsetzen und die Verfassung an dieser Stelle korrigiert wird. Dieser Fehler, der im Rahmen der Föderalismuskommission in die Verfassung gekommen ist, muss korrigiert werden. In diesem Sinne werden wir den Antrag in den Beratungen begleiten und unterstützen. Wir hoffen, dass jede Fraktion, die hier zu dem Antrag Stellung genommen hat – Frau Tesch hat nur rumgeeiert –, sich in ihren jeweiligen Gremien auf allen Ebenen dafür einsetzt, denn weder die FDP noch die

Grünen erreichen allein eine Zweidrittelmehrheit. Wir müssen gemeinsam zu einer Mehrheit kommen, um dieses Verbot aufzuheben. – Ich danke Ihnen und hoffe, dass wir im Ausschuss einen einvernehmlichen Beschluss fassen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Mutlu! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann wird so verfahren.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Antrag

Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre

Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/3930

Das ist die Priorität der Fraktion der SPD mit dem Tagesordnungspunkt 28. Ich habe den Antrag vorab federführend an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen überwiesen. Ich stelle hierzu Ihre nachträgliche Zustimmung fest. – Für die Beratung stehen den Fraktionen wieder jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Neumann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin ist Stadt der Frauen. Wir kämpfen seit Langem erfolgreich gegen gesellschaftlich bedingte Benachteiligung, für die Emanzipation von Frauen. Gerade haben wir das bundesweit beispielhafte Landesgleichstellungsgesetz ein weiteres Mal verbessert. Wir haben in Berlin das umfassende „Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm“ und Gleichstellungsstrategien für die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche durchgesetzt. Heute geht es um das „Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit in Forschung und Lehre“, ein politisches Glanzlicht, das zehn Jahre erfolgreich besteht. Berlin ist auch wegen dieses Programms auf Bundesebene führend in der Gleichstellungspolitik im Bereich von Hochschule und Wissenschaft. Dafür möchte ich allen danken, die daran gearbeitet, dazu ihren Beitrag geleistet haben!

Beeindruckend sind die positiven Entwicklungen, die in den vergangenen Jahren durch das Programm erreicht werden konnten. Die Zahlen sprechen für sich. Schon seit einiger Zeit geht es nicht mehr vor allem um den Anteil weiblicher Studierender, hier waren wir schon in vollem Umfang erfolgreich. In Berlin kann man spätestens seit zehn Jahren davon ausgehen, dass die Hälfte aller Studierenden Frauen sind.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Für die weitere Entwicklung nicht nur in Wissenschaft und Hochschulen ist entscheidend, wie sich die Entwicklung bei den Höherqualifizierten darstellt. Hier sind die Frauen noch immer im hohen Maß unterrepräsentiert. Wer aber Frauen in Führungspositionen von Wirtschaft und Verwaltung stärken will, muss deren wissenschaftliche Qualifikation fördern. Das geht nicht ohne Hartnäckigkeit und langen Atem. Auch in Berlin sind wir bei den wissenschaftlichen Höherqualifizierten noch nicht am Ziel. Die Entwicklung ist aber positiv. Ich weise hier auf die Zahlen in der Begründung unseres Antrages hin. Der Anteil von Frauen ist seit dem Jahr 2000 angestiegen: bei Promotionen von 38,2 auf 46,9 Prozent; bei den Habilitationen von 23,6 auf 32,2 Prozent; bei den Professorinnen von 13,5 auf 24,5 Prozent. Aber wir wollen die Hälfte. Zum Vergleich: Auf Bundesebene beträgt der Anteil von Professorinnen nur 18,2 Prozent, in Berlin dagegen 24,5 Prozent. Der Abstand ist beträchtlich und zeigt, dass Berlin, dass diese Koalition, dass auch unser Senat auf dem richtigen Weg sind. Das ist gut so!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Nach mehrfachen, früheren Verlängerungen gilt das „Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit in Forschung und Lehre“ jetzt für den Zeitraum von 2008 bis 2011. Es ist also bis zum Ende des Jahres befristet und bedarf der Verlängerung.

Mit unserem Antrag fordern wir den Berliner Senat auf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eine Verlängerung von 2012 bis 2015 erfolgen kann. Es müssen die finanziellen und organisatorischen Bedingungen für die weitere positive Entwicklung gesichert werden, und zwar jetzt! Die Hochschulen benötigen noch im Sommersemester 2011 Planungssicherheit. Deshalb dieser Antrag.

In den Beratungen des Ausschusses für Frauen, Wirtschaft und Technologie wurde etwas spöttisch die Frage aufgeworfen, warum wir denn einen Parlamentsbeschluss brauchen würden. Ob der Senat nicht von sich aus die erforderlichen Maßnahmen treffen könne? Ob wir unserem Senat etwa nicht über den Weg trauten? – Natürlich vertrauen wir diesem Senat, und wir sind sicher, dass er alles tun wird, um das erforderliche Programm fortzusetzen. Uns geht es aber darum, auch öffentlich zu machen, dass die wesentlichen Entscheidungen hierfür im Parlament, nicht in der Exekutive fallen. Zugleich soll deutlich werden, dass wir mit einem positiven Beschluss die politische Verantwortung für die Bewilligung der erforderlichen finanziellen Mittel übernehmen.

Mir ging es – und mir geht es – auch darum, ein erfolgreiches Projekt in dieser Stadt hier im Parlament hervorzuheben und für die weitere Zukunft abzusichern. Mit diesem Projekt sichern wir weitere Schritte zur Gleichstellung von Männern und Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen, nicht nur auf unterer und mittlerer Ebene, sondern auch dort, wo wirklich wirtschaftliche und gesellschaftliche und damit auch politische Macht ist. Wir wil

len die gleichberechtigte Teilhabe auf allen Ebenen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat nun Frau Görsch das Wort. – Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aber liebe Frau Neumann, warum denn wieder nur diese Lippenbekenntnisse und keine klaren Aussagen? Statistik hin, Statistik her, das haben Sie ja schon in Ihrem Antrag geschrieben.

Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre – dieses Thema ist nach wie vor aktuell und brisant zugleich. Durch das Berliner Programm, das im November 2000 beschlossen wurde, dann jeweils verlängert bzw. erweitert wurde, ist viel erreicht worden. Berlin hat dieses Programm mit jährlich 3 398 000 Euro gefördert. Die Prozentzahlen der Frauen haben sich allmählich erhöht, wie aus dem Antrag ersichtlich.

Gegen den Antrag der Fortführung des Berliner Programms ist wohl nichts einzuwenden. Auch die CDUFraktion wird diesem Antrag ihre Zustimmung nicht verweigern, denn die Bundesregierung hat in ihrem Programm die Position von Frauen in der Wissenschaft und Forschung gestärkt und fördert die Frauen mit konkreten Maßnahmen besonders in den Bereichen IT und Technik. Die Bundesregierung hat auch in dieser Legislaturperiode erhebliche Mittel für die Forschung und Entwicklung vorgesehen. Besonders auch in der Frauenförderung. Maßnahmen und Ideen zur Gleichstellung von Frauen in Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind immer willkommen und sollten auch in Berlin konsequent umgesetzt werden.

[Beifall bei der CDU]

Dass Frauen in Spitzenpositionen bei den Professuren noch immer unterrepräsentiert sind, ist allgemein bekannt. Unsere Aufgabe in der Politik sollte es sein, die Förderziele und -schwerpunkte zu überdenken. Dieser Antrag von Rot-Rot ist für mich im Wahljahr ein Schaufensterantrag ohne Inhalt.

[Beifall bei der CDU – Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion): Warum stimmen Sie ihm dann zu?]

Wer ist denn zuständig, wer ist verantwortlich, wenn nicht dieser Senat? Allgemein wird von der Überwindung struktureller Hemmnisse in dem Antrag gesprochen. Was sind denn bestehende strukturelle Hemmnisse? Angesichts der hohen Fördersumme über das letzte Jahrzehnt hätte das längst schon überwunden sein können. Ich spreche hier nicht von Quotierung, die wir nach wie vor ablehnen.

[Zuruf von Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion)]