Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

[Beifall bei der SPD]

Ein weiteres Thema ist die Gewalt gegen Frauen. Gewalt gegen Frauen ist ein internationales Phänomen. Gewalt gegen Frauen ist etwas, was uns sowohl in der Vergangenheit beschäftigt hat als auch in der Gegenwart beschäftigt. Gewalt gegen Frauen ist nicht nur international, sondern auch etwas, das in nationale Bereiche hineinspielt, wenn nämlich Besonderheiten, wie etwa Genitalverstümmelung oder Zwangsehen, durch Migration auch in Berlin ein Thema sind.

In dem Zusammenhang möchte ich ganz besonders erwähnen, dass ich mich über die Patenschaft der türkischstämmigen Schauspielerin Sibel Kekilli gegen Zwangsverheiratungen freue. Sie will sich dafür einsetzen, dass dieses Thema stärker ins Bewusstsein kommt. Wir haben in Berlin bereits einiges in dem Bereich getan, sind aber dennoch ganz am Anfang und müssen weiter tätig sein. Positiv ist anzumerken, dass selbst die türkische Zeitung „Hürriyet“ vor zwei Tagen gemeldet hat, dass es Zwangsverheiratungen gibt und dass sie zumindest vor diesem

Thema nicht mehr die Augen verschließt. Das ist ein Fortschritt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Rainer-Michael Lehmann (FDP)]

In dem Zusammenhang will ich auch kurz erwähnen, dass es die rot-grüne Bundesregierung war, die Frauen in der Ehe Grundrechte zurückgegeben hat, indem sie gesagt hat: Auch die Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die das Konzept: Wer schlägt, der geht! durchgesetzt hat. In Berlin funktioniert dies auch wirklich gut, und man kann von hier aus allen Beteiligten nur herzlich danken, dass sie sich einsetzen und den Frauen dort helfen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Zu den Anträgen will ich nur kurz erwähnen, dass die paritätische Besetzung der Vorstände und der zweiten Führungsebene ein wesentliches und vorrangiges Thema ist, das uns die nächsten Jahre beschäftigen wird. Es geht darum, dass in diesen Bereichen tatsächlich Stellen frei werden, und es ist eine Chance und Herausforderung zugleich, dafür zu sorgen, dass diese Stellen auch wirklich mit Frauen besetzt werden, so lange bis es paritätisch besetzt ist, das heißt, die Hälfte in diesen Bereichen auch wirklich Frauen sind.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]

Weiter ist es wichtig, die öffentlichen Mittel dort einzubringen und dort einzusetzen, wo sie frauen- und gleichstellungspolitische Kriterien erfüllende Unternehmen beanspruchen können. Es geht darum, dass Unternehmen in ihrer Politik, in ihrer unternehmerischen Tätigkeit, frauenpolitische Ziele aufnehmen müssen, damit es den Frauen in Berlin insgesamt besser geht. Das wollen wir den Unternehmen auch schmackhaft machen. Da müssen wir uns § 13 des Landesgleichstellungsgesetz genau anschauen, wie wir das noch effektiver gestalten können und wo wir insbesondere noch darauf achten können, dass diejenigen Unternehmen, die danach gefördert werden, sich auch tatsächlich daran halten.

Ein weiterer Punkt, der in den Anträgen erwähnt und auch sehr wichtig ist, ist der Opferschutz. Tatsächlich spielt der Opferschutz immer wieder sowohl international als auch national eine große Rolle. Hier müssen wir an der Seite derjenigen stehen, die wirklich die Opfer sind, die die Schwächeren sind und unseren Schutz brauchen. Dabei geht es natürlich um die Frauen, aber nicht nur. Es geht auch um die Kinder, die meistens ebenfalls von der Gewalt betroffen sind. Opferschutz ist ein sehr wichtiger Punkt. Daran hängt auch die Bleibemöglichkeit der in erster Linie zwangsprostituierten oder zwangsverheirateten Frauen.

Dafür wollen wir kämpfen, und dafür müssen wir Mehrheiten organisieren. Wir in Berlin sind bereits auf dem

richtigen Weg und haben schon die eine oder andere Initiative in Gang gebracht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Nun komme ich kurz zu meinem Ausblick: Auch in Zukunft wird sich nur dort etwas zum Besseren ändern können, wo wir hinschauen und wo wir die richtigen Maßnahmen treffen. Sich für Frauenrechte einzusetzen, ist wie gegen den Strom zu schwimmen. Es schärft die Sinne, und es stärkt die Muskeln. Nur eines darf Frau nicht: Aufhören, denn dann gehen wir unter. In diesem Sinne geht der Kampf weiter!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bayram! – Für die CDUFraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Görsch. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist mir Freude und ungewohnt zugleich, in dieser Aktuellen Stunde zum 8. März, dem Internationalen Frauentag zu sprechen. Freude ist es deshalb, weil es wichtig und unverzichtbar ist, dass die Lösung der Probleme der Frauen zu den Kernaufgaben unserer Politik gehören, weil wir Frauen überall und immer wieder die Stimme gegen Benachteiligung erheben und uns gegen Gewalt wehren müssen,

[Beifall bei der CDU – Jutta Leder (SPD): Deshalb gibt es so viele Frauen in der CDU!]

und weil wir in diesem Kampf erfolgreich sein werden.

[Christian Gaebler (SPD): Naja, bei der CDU ist da noch einiges zu tun!]

Ungewohnt ist es deshalb, weil ich selbst in meinem Leben nie Benachteiligung und Gewalt erfahren habe, weil ich zwar um mein familiäres Glück und geschäftliche Erfolge, aber nie um meinen Platz in Familie und Beruf kämpfen musste, weil es eine Zeit in meinem Leben gab, in der eine Lösung dieser Probleme näher war als heute, und weil ich das Ziel kenne.

Ist der Frauentag die richtige Form, um auf die Probleme international hinzuweisen, oder handelt es sich dabei um ein Überbleibsel aus dem letzten Jahrtausend? Die Entstehung des Internationalen Frauentags reicht circa 100 Jahre zurück.

[Dirk Behrendt (Grüne): Hört, hört!]

Manche Forderungen und Fragen sind gleichwohl aktuell geblieben. Die Initiierung des Frauentages geht auf die Sozialistin Clara Zetkin zurück,

[Zuruf von der SPD: Sozialdemokratin!]

die Festlegung auf den 8. März basiert auf einem Streik russischer Textilarbeiterinnen, einer der Auslöser der Februar-Revolution. Das ist allgemein bekannt.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Der Protest gegen herrschende Zustände in der Gesellschaft war in beiden Fällen der Auslöser.

[Beifall von Lars Oberg (SPD)]

Die Frauen forderten damals das Wahlrecht, Schutz für Schwangere, gleichen Lohn für gleiche Arbeitsleistungen, und sie wendeten sich gegen den Krieg. All das sind alte Hüte, ist Schnee von gestern. Aber ist das alles längst erledigt? Ist der Internationale Frauentag ein überholtes Relikt aus vordemokratischer Zeit, aus der Epoche der hemmungslosen Industrialisierung?

Wir leben in Deutschland, in einer Demokratie, sind verankert in der Europäischen Union, mitten im Gender Mainstreaming, einem Politikprinzip, das strukturelle geschlechtsspezifische Benachteiligungen auf allen Ebenen vermeiden soll. Aber auch so sieht die Realität aus: Frauen machen die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Sie leisten fast Zweidrittel der Arbeitsstunden, erhalten ein Zehntel des Welteinkommens und besitzen weniger als ein Hunderstel des Weltvermögens. Jene Anteile mögen hierzulande leicht zum Guten verschoben sein, aber sie verbessern den Durchschnitt nicht signifikant. Frauen in der Welt sind Frauen unter der Burka – einem Symbol patriarchalischer Unterdrückung –, sie sind gesichtslos, rechtlos, entwürdigt. Dafür müssen wir Anteilnahme und Hilfsbereitschaft erwecken, und sie aus unserer Sicherheit heraus darin bestärken, ihrer Unterdrückung nicht zu unterliegen. Frauen unter dem Kopftuch von Muslimen beherrscht, an die wahre Freiheit in der Religion und unter dem Kopftuch glaubend, sind sie sind oft Leugnerinnen der globalen Verantwortung der Geschlechterfrage. Ungleich ist die Stellung der Geschlechter auf den Finanz- und Arbeitsmärkten, Frauen sind zunehmend von Diskriminierung und Frauenarmut bedroht, sie sind weiterhin Opfer von kriegerischen Auseinandersetzungen und häuslicher Gewalt, Aids, Frauen- und Mädchenhandel sowie Zwangsprostitution. Nur mit klarem politischen Willen und dem in wahrsten Sinne des Wortes notwendigen finanziellen Mitteln können diese Probleme angefasst werden. Frauen in Deutschland sind – trotz unseres hoch entwickelten Industriestaats – oft arm. Als alleinerziehende Mütter stehen sie oft vor dem Existenzminimum.

Große deutsche, von Männern dominierte Unternehmen sind nicht frauenfeindlich, sondern fast frauenfrei gern unter sich in den Aufsichtsräten und in den Führungsetagen, zu 89 % mit männlichen Entscheidungsträgern besetzt, die oft über neue gesellschaftliche Strukturen entscheiden. Dies ist trotz zweier problembewusster weiblicher CDU-Mitglieder an den Schalthebeln der deutschen Politik noch nicht grundsätzlich anders geworden. Deshalb hat der Internationale Frauentag nicht an Brisanz und Aktualität verloren.

[Beifall bei der CDU und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Das Motto des Frauentages 2007 lautet: „Weitergehen! Zwei Schritte vor. Keinen zurück.“

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]

Dem DGB als Erfinder dieses Mottos haben dabei wohl kaum auf Grün geschaltete Ampeln vor dem geistigen Auge gestanden, sondern es geht wohl eher sehr frei auf ein Wortspiel nach Lenin zurück, der in seinem Buch mit ähnlichem Titel eine scharfe Auseinandersetzung mit Opportunismus und Organisationsfragen führt. Opportunismus werden wir uns als Frauen im Kampf um Teilhabe an der Macht nicht leisten wollen. Davon zeugen auch die Anträge, die heute auf der Tagesordnung stehen.

Menschenhandel zu bekämpfen und dabei vor allem die Frauen und Mädchen als die häufigsten Opfer zu schützen und ihre Rechte auszubauen, ist in meinen Augen selbstverständlich.

[Beifall bei der CDU und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es darf dabei aber nicht übersehen werden, dass Frauen nicht selten freiwillig kommen und manchmal sogar selbst Mittäter sind. Darüber hinaus funktioniert das System des Menschenhandels nur auf ambivalenter Basis der Bedarfsträger. Einerseits wären da die Bereitsteller der sexuellen Dienstleistung, die Geld verdienen wollen, andererseits sind da die Männer, die ihr Geld für diese Dienstleistung ausgeben. Finanzamt und Sozialversicherungsträger verdienen an diesem Geschäft immer mit. Nur dort, wo Bedarf vorhanden ist, haben Handel und Geschäft gleich welcher Art ihre Marktchance. Es wird demnach nicht genügen, dem Antrag entsprechend durch Beratung und Schutz die Symptome zu lindern und sich das Gewissen damit zu beruhigen, dass die aus dem Handel abgeschöpften Gewinne für die Betreuung von Opfern genutzt werden. Wenn an den Ursachen des Problems nicht gearbeitet wird, wird das Problem bestehen bleiben. Allein eine strafrechtliche Verfolgung ist Bestandteil einer opportunistischen Haltung, die der DGB laut seinem Motto „Weitergehen! Zwei Schritte vor. Keinen zurück“ gerade nicht mehr will.

Wir sind im europäischen Jahr der Chancengleichheit. Gleiche Chancen in Karriere und Weiterbildung können die Voraussetzung für mehr Frauen auch in den Aufsichtsräten schaffen, bis hin zur Geschlechterparität bei der Besetzung von Vorständen und Führungsebenen. Die Hilfe einer Datenbank zur Feststellung des Reservoirs von qualifizierten Frauen, die für Positionen on the top geeignet sind, kann eine gute Basis sein.

[Mieke Senftleben (FDP): Das haben sie nicht nötig, die qualifizierten Frauen!]

Gleiches gilt für verbesserte Wirksamkeit und Kontrolle nach § 13 LGG. Trotzdem warne ich davor, in die Leitungen von Unternehmen hineinzuregieren.

Der Wille zum Gestalten und zur Teilnahme an der wirtschaftlichen Entwicklung, der Wille zu diesem Stück Macht muss von den Frauen selbst kommen. Die Quote könnte dann eine hilfreiche Stütze sein.

[Beifall bei den Grünen]

Ein grüner Quotenzwang, wie im Antrag gefordert, bringt per se nicht das gewünschte Ergebnis.

[Anja Kofbinger (Grüne): Das steht im Landesgleichstellungsgesetz!]

Das steht im Übrigen die antragstellende Partei schon im Non-Profit-Bereich mit ihrer eigenen Klientel selbst nicht durch. Was erst sollte dann werden, wenn sich solche Praktiken im Profitgeschäft der Unternehmer breitmachen würden? Welcher gestandene Unternehmer würde dafür sein eigenes Geld hergeben?

Wir haben in unserem Land, in unserer Stadt gut ausgebildete Frauen, die ihre Qualifikation auch beruflich umsetzen und allein oder gemeinsam mit ihren Partnern Beruf und Familie vereinbaren wollen – innovativ, leistungsfähig und familienfreundlich, in einer Atmosphäre jenseits herkömmlicher Rollenbilder. Als Politiker müssen wir uns dafür einsetzen,

[Zuruf von den Grünen: Politikerin! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das sind die Feinheiten!]

Gut, auch Politikerinnen! –