Vielen Dank, Herr Abgeordneter Steuer! – Für die SPDFraktion hat jetzt Frau Dr. Tesch das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich vor, auf die drei Anträge einzugehen, die zur Priorität erhoben wurden. Aber nun hat mich Herr Steuer so provoziert, dass ich diesen Quatsch erst mal widerlegen muss.
Es stimmt, Herr Steuer, dass jetzt erstmals die Dauerkranken – das war lange eine Forderung von uns – herausgerechnet wurden aus den 100 %. Die 100 % Ausstattung, die die Schulen bekommen, sind ohne die Dauerkranken.
Was ist denn alles schiefgegangen? – Wir haben weniger als 3 % Unterrichtsausfall in der Stadt. Das ist im bundesdeutschen Vergleich sehr gut. Immer noch ist jede ausgefallene Unterrichtsstunde eine zu viel! Selbstverständlich!
Wir müssen uns überall den Vergleichen stellen, dann auch einmal hier. Ich mag diese Mär von fremd erteiltem Unterricht langsam nicht mehr hören!
Als ich an der Schule war und eine Stunde Mathe ausgefallen ist, weil der Kollege krank war, habe ich zwei Stunden hintereinander Englisch unterrichtet. Das nächste Mal hat er meine Englischstunde genommen und eine Mathearbeit geschrieben. Da hat doch nicht falscher Unterricht stattgefunden, meine Damen und Herren!
Zu dem sogenannten Ausbildungsmarkt oder Casting. – Sie wollen doch schnellen Ersatz haben, jetzt wird eine Möglichkeit dazu gegeben. Ich war gestern an einer Grundschule und an einer Gesamtschule. Die Grundschule habe ich aufgesucht, weil man mir über Probleme berichtet hatte. Die Probleme hatten sich in Luft aufgelöst, die Grundschulleiterin hatte jetzt plötzlich zwei Menschen aus dem Casting und wieder eine Konrektorin. Es war eitel Freude und Sonnenschein!
Das ist nicht mein Verdienst, ganz ehrlich, Herr Mutlu! Aber ich bin froh, dass sie aus dem Casting Kollegen bekommen hat.
An der Gesamtschule gibt es, wie an vielen anderen Schulen auch, fachspezifische Probleme. Es gibt natürlich auch
Listen von Fächern, in denen nicht so viele Kolleginnen und Kollegen auf dem Markt sind. Das sind z. B. Musik und Latein.
Selbstverständlich gibt es unter den Schulleiterinnen und Schulleitern Informationen, die lauten: Klar, ich habe da auch schon einmal nachgefragt. – Es ist doch auch kein Quatsch, es ist doch eine ehrliche Handlung, dass man weiß: Aha, da ist ein Kollege, der ist schon an der Schule, ich muss nicht alle 20 selbst anrufen! – Ich finde das alles nicht so dramatisch.
Ich möchte auch noch einmal an die letzte Legislaturperiode erinnern. Damals hatten wir bereits versucht – Herr Steuer war schon dabei, allerdings in einer anderen Funktion, kann sich eventuell an diesen Vorgang erinnern –, dem akuten Unterrichtsausfall zu begegnen, indem wir den einzelnen Schulen ein Budget von – damals sagten wir – 3 bis 5 % geben wollten.
Ja, warum, Frau Kollegin Senftleben, haben wir das nicht gemacht? – Als wir das versucht haben, sind die Gewerkschaften Sturm gelaufen. Und zwar von der GEW bis zum Philologenverband.
Ich glaube, da sind wir in diesem Punkt ausnahmsweise mal einer Meinung! Das kommt ja selten genug vor, aber das ist schön. Da können Sie uns ja dann auch zustimmen, wenn wir diese 100+3-Regelung machen. Die geht ja schon in die richtige Richtung.
Das ist auch wichtig! – Wir haben immer gesagt, das Schulgesetz wird unter der großen Überschrift geschlossen: mehr Eigenkompetenz der Einzelschule! – Das gehört auch mit dazu, dass sie sich schnell und selbständig bei akutem Unterrichtsausfall Ersatz beschaffen können.
Der Antrag der Grünen ist wie immer – jetzt lobe ich Sie erst einmal! – am umfassendsten, weil sich die Grünen von den Oppositionsparteien noch am meisten Mühe geben.
Das möchte ich konzedieren. Sie fordern eine Aufstockung der auf Lehramt Studierenden auf 1 300, Herr Mutlu – ich weiß nicht, ob Sie das geschrieben haben oder wer von Ihnen. Jedenfalls könnte ich mich als bildungspolitische Sprecherin dieser Forderung anschließen. Ich hal
Ich wäre schon froh, meine liebe Fraktion der Grünen, wenn die Universitäten wenigstens die geforderten 850 Lehramtskandidaten produzieren könnten. Wir benötigen sie dringend für die Lehramtsberufe.
Ich freue mich, dass wir wenigstens die Referendariatsplätze – das fordern Sie doch auch, Herr Kollege! – wieder von 1 500 auf 1 700, 1 900 aufstocken können. Ich persönlich – das wissen Sie genauso gut wie ich – war nie für die Kürzung dieser Referendariatsplätze, deshalb bin ich umso froher, dass wir sie wieder aufstocken. Das steht in den Koalitionsvereinbarungen, deswegen wird es passieren.
Da meine Zeit zu Ende ist, werde ich jetzt nicht zu den einzelnen Punkten in den Anträgen etwas sagen, denn sie werden in den Schulausschuss überwiesen. Dort haben wir noch einmal ausreichend Gelegenheit zur Diskussion. – Danke!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Tesch! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Abgeordneter Mutlu das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Tesch! Wenn alles nicht so dramatisch ist, warum beschweren sich dann tagtäglich die Eltern? Warum beschweren sich die Lehrerinnen und Lehrer?
Sind das alles Menschen, die Realitätsferne verinnerlicht haben und sich jeden Tag beschweren, weil sie nichts anderes, nicht Besseres zu tun haben? – Ich habe selbst Kinder in der Schule, ich weiß, wovon ich rede!
Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir keine Beschwerdebriefe von Schulen und Eltern erhalten. Der Tenor ist immer gleich: Wir brauchen zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer! Oder: Bitte, zieht unsere Klassenlehrerin und un
seren Mathelehrer nicht ab! – Das ist eine Liste, die ich ohne Probleme ausweiten kann. Diese Briefe bekommen Sie auch, Frau Tesch, das sind keine Hirngespinste von übereifrigen Elternvertretern oder die Einbildung von Schülerinnen und Schülern, sondern das ist die Realität des Schulalltags heute in Berlin.
So ist es seit Jahren so. Das ist die Realität, auch wenn Sie sie nicht erkennen und sehen wollen! Ich sage: Das kann und das darf so nicht weitergehen, weil wir hier unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder verspielen.