Protocol of the Session on March 31, 2011

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Und das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal der Verkehrspolitik dieses Berliner Senats, denn die Deutsche Bahn organisiert den S-Bahnverkehr auch in anderen deutschen Städten. Da funktioniert das – sei es Winter, sei es Sommer. Also ist es zunächst einmal nicht grundsätzlich ein Thema des Sparens bei der Bahn, sondern grundsätzlich ein Thema des Berliner Senats, wie er in der Verkehrspolitik gewillt ist, seine Position gegenüber der S-Bahn durchzusetzen.

[Zuruf von Jutta Matuschek (Linksfraktion)]

Der Senat macht sich durch seine Untätigkeit als ein Vertragspartner der S-Bahn mitschuldig an diesem aktuellen S-Bahnchaos. Die CDU-Fraktion legt hier und heute einen neuen S-Bahnsanierungsvertragsantrag vor, denn die CDU-Fraktion fordert im Interesse der Fahrgäste vom Senat: Rot-Rot muss endlich den Schlafwagen der Untätigkeit verlassen und endlich die S-Bahn auf das schnelle und zuverlässige Gleis führen.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Friederici! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Gaebler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation bei der Berliner S-Bahn hat sich stabilisiert. Die Züge fahren einigermaßen zuverlässig und auch auf den meisten Linien, aber selbstverständlich ist die Situation noch nicht befriedigend. Das Austauschprogramm für Achsen und Räder läuft, aber der Betrieb ist nach wie vor eingeschränkt. Es sind immer noch nicht alle Linien in Betrieb, und es fahren nach wie vor verkürzte Züge. Beispielhaft möchte ich nennen, dass nach wie vor gerade die stark

genutzte Verbindung zwischen Neukölln und Baumschulenweg nicht im üblichen vorgesehenen Takt gefahren wird, weil die Linie S 45 noch nicht fährt. Anderes Beispiel: Was die Kapazitäten auf der S-Bahnlinie 1 angeht, wo nach wie vor in einer Zuggruppe nur Vier-WagenZüge fahren, müssen Verkehrsverbund und Senatsverwaltung, sobald es geht, zu zusätzlichen Angeboten kommen und die S-Bahn dazu drängen, weil hier nach wie vor Kapazitätsprobleme in größerem Umfang bestehen.

Wir haben insgesamt die Schwierigkeit, dass einfache Lösungen, wie sie Herr Friederici vorgestellt hat, nicht gangbar sind. Das hört sich alles immer sehr schön an, geht aber leider völlig an der Realität vorbei. Schon allein die Frage, warum es in anderen S-Bahnen in Deutschland funktioniert und in Berlin nicht, was nur am Senat liegen könne, weil das alles S-Bahnsysteme seien, ist ebenso schlicht wie falsch. Sie wissen ganz genau, Herr Friederici, dass Sie aufgrund der besonderen Baureihe, die in Berlin gefahren wird, die nur hier und nicht woanders gefahren werden kann, die auch völlig andere Züge zum Einsatz bringt als es in den meisten S-Bahnsystemen in Deutschland der Fall ist, dies nicht vergleichen können. Der Senat hat damit nichts zu tun, denn er hat diese Züge nicht bestellt, er hat sie nicht hergestellt, er hat sie auch nicht gewartet bzw. er hat nicht an der Wartung gespart. Mir scheint es doch sehr darauf hinauszulaufen, dass Sie davon ablenken wollen, dass Ihre Bundesregierung nach wie vor am Privatisierungskurs der Deutschen Bahn festhält und Sie deshalb die Vorgänge beschönigen wollen, dass das alles nichts damit zu tun habe. Jeder weiß, die Privatisierung der Deutschen Bahn, der Börsengang, die Sparmaßnahmen, das hat zu diesem Chaos geführt, das wir heute haben, nichts anderes, Herr Friederici!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Christoph Meyer (FDP): Aber das war Rot- Grün mit Frau Künast, oder?]

Es gibt noch viele Unwägbarkeiten, ich hatte es schon gesagt: Es gibt nach wie vor Auflagen des Eisenbahnbundesamtes, dort laufen noch Prüfungen, teilweise gibt es noch gar keine technischen Lösungen für die Probleme, die im Einzelnen noch gefunden werden – was wollen Sie da nun vereinbaren, Herr Friederici? Wenn ich noch keine Lösung habe und nicht weiß, wie ich es technisch umsetze, wie soll ich dann einen Zeit-, Maßnahmen- und Kostenplan dafür aufstellen? Wir sind leider tatsächlich soweit – das hat die S-Bahn selbst eingeräumt –, dass der Betrieb auf längere Sicht nicht stabil zu fahren ist, und die technischen Lösungen der Probleme sind auch noch nicht alle vorhanden. Darüber kann man sich ärgern, und das tue ich ebenso wie die vielen Fahrgäste, die darunter leiden müssen. Das nun aber einfach per Beschluss oder gar Vertrag mit der Deutschen Bahn, die das Ganze angerichtet hat, ändern zu wollen, das ist ein Glaube, den ich nicht nachvollziehen kann, und das hat auch nichts mit der Realität zu tun. Ihre Idee eines Sanierungsvertrages ist eine fixe Idee, die leider nicht auf ein schnelles neues, sondern eher auf ein Abstellgleis führt, deshalb soll sie auch dorthin verwiesen werden.

[Beifall von Christoph Meyer (FDP)]

Im Mittelpunkt muss stehen, wie wir schnell zu neuen Fahrzeugen kommen, das ist das Entscheidende, denn mit den derzeit vorhandenen Fahrzeugen und auch mit den Ersatzfahrzeugen der aufgearbeiteten Baureihe 485 kommen wir nicht sehr weit.

[Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Herr Friederici! Ich weiß ja, Sie haben es letztes Mal schon gesagt: Die Rettung der S-Bahn liegt darin, dass man das letzte S-Bahnprodukt der DDR endlich wieder auf die Schiene bringt, aber das ist doch lächerlich. Wir brauchen neue S-Bahnfahrzeuge, so schnell wie möglich, und daran sollten wir gemeinsam arbeiten und die Nebenkriegsschauplätze aufgeben.

[Oliver Friederici (CDU): Da klatscht kein Sozi mehr!]

Ja, das liegt auch daran, dass dieses Thema so durch ist, dass es schon erstaunlich ist, dass Sie es immer wieder aus der Mottenkiste rausholen. – Der Senat hat das getan, was richtig ist, er hat dafür gesorgt, dass zusätzliche Expertinnen und Experten bei der S-Bahn an den technischen Lösungen mitarbeiten. Das ist gelungen, und Frau Junge-Reyer gebührt Dank dafür, dass sie das gegenüber der Bahn durchgesetzt hat.

[Beifall bei der SPD]

Es sind externe Expertinnen und Experten, die schauen, welche Lösungen es gibt und wie wir das wieder hinkriegen. Ihr Vertrag, Herr Friederici, der führt in die Irre. Sie wollen irgendetwas abschließen, für das es keine Grundlage gibt, geschweige denn, dass irgendetwas eingeklagt werden kann. Deswegen möchten wir, dass dieser Vertrag jetzt sofort abgelehnt wird,

[Oliver Friederici (CDU): Antrag!]

er bietet keine Lösung, er bindet nur Zeit und Kraft. Wir arbeiten daran, dass es möglichst schnell neue Fahrzeuge gibt, und dann werden sich auch die Probleme der S-Bahn mittelfristig lösen lassen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Kollege Gaebler! – Für die Grünen hat Frau Hämmerling das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist schon seltsam, Herr Friederici! Der CDU wird ja eigentlich Wirtschaftskompetenz nachgesagt,

[Christoph Meyer (FDP): Nein!]

es wird ihr nachgesagt! Dazu gehören eigentlich auch Verträge, und, Herr Henkel, mir ist in Erinnerung, dass in Ihrer Fraktion ein paar Juristen sitzen. Gucken sich diese Juristen solche Anträge allesamt nicht an? – Ich verstehe es nicht! Sie fordern den Senat auf, einen neuen Vertrag mit der S-Bahn abzuschließen; Sie nennen das Sa

nierungsvertrag oder Vertragsergänzung. Die inhaltlichen Forderungen, die Sie aufstellen, sind durchaus vernünftig, doch erklären Sie diesem Hause bitte, warum die S-Bahn bereit sein sollte, einen Vertrag abzuschließen, der schlechter ist als der, den sie hat. Die S-Bahn hat einen Vertrag bis 2017, der gilt, Verträge sind bindend, und warum sollte die S-Bahn nun einen schlechteren Vertrag abschließen? – Herr Friederici! Sie können gerne eine Kurzintervention machen, ich bin auf Ihre Antwort gespannt!

[Andreas Gram (CDU): Wir erst!]

Man kann den Bahnmanagern alles Mögliche vorwerfen, und das tun wir auch, aber blöd sind sie bestimmt nicht. Deshalb kann weder dieser noch irgendein anderer Senat einen neuen Vertrag bewirken – freiwillig. Der Vertrag läuft bis 2017, wir erwarten, dass er länger wird laufen müssen, weil der Senat die Ausschreibung verpennt hat. Ihnen von der CDU empfehle ich, diesen Antrag möglichst nicht den Wirtschaftsunternehmen zu zeigen, die lachen sich tot, und Ihre Wahlchancen werden damit nicht steigen.

[Beifall bei den Grünen]

Zum letzten Absatz Ihres Antrags, da steckt der eigentliche Pferdefuß: Sie wollen, dass die Laufzeitverlängerung des Verkehrsvertrages geprüft wird. Wenn Sie das vor einem Jahr gefordert hätten, hätte ich gedacht, Sie finden die S-Bahn so toll, dass Sie sich länger an sie binden wollen, kann ja sein, dass die CDU so tickt. Wenn Sie das aber heute fordern, nachdem der Bundesgerichtshof festgestellt hat, die Direktvergabe ist ausgeschlossen, dann muss Ihnen doch klar sein, dass die S-Bahn derzeit im Besitz eines rechtswidrigen Vertrages ist. Dieser Vertrag, den das Land Berlin per Direktvergabe mit der S-Bahn abgeschlossen hat, ist rechtswidrig. Sie als Law-andOrder-Partei wollen diesen rechtswidrigen Vertrag verlängern? Wollen Sie das ernsthaft? – Ich bin auf Ihre Kurzintervention gespannt, Herr Friederici. Diesen Antrag kann man nur ablehnen.

[Beifall bei den Grünen]

Ich sehe keine Kurzintervention, vielmehr sehe ich als nächste Rednerin für die Linksfraktion Frau Matuschek.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Friederici! Auch der dritte Aufguss Ihres Antrags ist nicht besser als die anderen davor. Der gegenwärtig gültige Vertrag mit der S-Bahn ist nachverhandelt worden, und dabei sind wesentliche Veränderungen vorgenommen worden. So ist z. B. die Anzahl der einzusetzenden Fahrzeuge beziffert worden, und wenn die Anzahl der Fahrzeuge nicht ausreicht, gibt es dafür einen Malus. Das gab es in dem bisherigen Vertrag nicht. Der Deckel für die Malusleistungen bei Unterschreitung der vorgegebenen Pünktlichkeit ist entfallen, die Vorgaben zur Sauberkeit sind verschärft

worden, und es wurden Qualitätsvorgaben für den Ersatzverkehr erweitert. Das alles sind Punkte, die im laufenden Vertrag verändert wurden, nach harten Verhandlungen des Landes Berlin mit der Bahn, und das sollten Sie wenigstens zur Kenntnis nehmen!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Ihre Forderung nach einem Sanierungsvertrag ist etwas anderes als die Veränderung eines gültigen Vertrages. Das betonen Sie immer wieder, und Sie wissen ganz genau, dass so ein Sanierungsvertrag, wie Sie ihn fordern, rechtlich unzulässig ist. Das Beispiel aus dem Ruhrgebiet lässt grüßen; da wurde ein solcher Sanierungsvertrag abgeschlossen, und der ist vor Gericht gescheitert und zwar letztinstanzlich. Das sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir waren uns hier im Hause einmal einig, dass wesentlich für den schlechten Zustand des Berliner S-Bahnverkehrs der Druck des Bahnkonzerns wie auch des Eigentümers Bund auf die S-Bahn war, nämlich Rendite zu erwirtschaften. Was sehen wir jetzt? – Ich sprach es in der letzten Sitzung schon einmal an: Die Bundesregierung hat die Renditevorgaben für den Bahnkonzern in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr nicht nur nicht zurückgenommen, sie hat sie auch noch erhöht. In den nächsten Jahren werden diese Renditeforderungen gegenüber dem Bahnkonzern auf über 700 Millionen Euro steigen. Das ist genau der Druck, den die Bahn an ihre Töchterunternehmen wie die Berliner S-Bahn weitergibt. Das ist nicht der Weg zu besserem Schienenpersonennahverkehr. Das ist nicht der Beitrag zu einem besseren Eisenbahnverkehr und zu einer besseren Eisenbahninfrastruktur, die wir in der Bundesrepublik dringend brauchen. Darüber sollten Sie, liebe Kollegen von der CDU, mal mit Ihrem Verkehrsminister sprechen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das Wort für die FDP-Fraktion hat überraschenderweise Herr von Lüdeke. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der CDUAntrag fordert einen Sanierungsvertrag mit der Berliner S-Bahn. In der Überschrift zu diesem Antrag liegt, glaube ich, die Betonung auf dem Wörtchen „mit“, denn das, was hier zum Ausdruck gebracht werden soll, ist eine Art Sich-Kümmern um die S-Bahner. Das ist es, was die CDU damit auslösen will. „Warum nicht mal etwas für die S-Bahner tun?“ – so hätte man den Antrag auch überschreiben können.

[Beifall bei der FDP]

Das ist schon ziemlich vordergründig, was Sie da machen. Herr Braun sagte eben am Rande zur Rede von Herrn

Gaebler, der sei brillant. Aber brillant ist er nun wirklich nicht.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Nein, nicht Sie seien brillant, sondern der Antrag seiner Fraktion sei brillant. Also brillant ist der Antrag nun wirklich nicht.

[Beifall von Christoph Meyer (FDP)]

Was steht da im Einzelnen drin? – Sie wollen die kurzfristige Behebung der technischen Mängel. Das wollen wir alle, und vor allem wollen das die Berlinerinnen und Berliner, die von diesem S-Bahnchaos betroffen sind.

[Beifall bei der FDP]

Sie wollen zusätzliche Werkstattkapazitäten schaffen. Die wollen Sie – und da wird es dann schon offensichtlich – auch dauerhaft sichern. Wie wollen Sie das denn machen? Wenn Sie die tatsächlich in den Wettbewerb schicken wollen, warum dann diese Forderung der dauerhaften Sicherung? – Das ist eine Vergabefrage, in die Sie dabei hineingehen. Da wird es schon deutlich: mit der S-Bahn wollen Sie etwas tun!