Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Otto! Krawall macht noch keine soziale Wohnungspolitik.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Bravo! von der SPD]

Die Kompetenzwerte, Frau Franziska Eichstädt-Bohlig, sprechen in dem Punkt eindeutig für die SPD!

[Björn Jotzo (FDP): Das hilft Ihnen aber auch nicht! – Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]

Sie sind in dem Sektor ja noch unter den Kompetenzwerten, die wir beim Umweltschutz haben!

Vor anderthalb Jahren haben die Fraktionen der SPD und der Linken den Senat aufgefordert, detaillierte Informationen über die wohnungswirtschaftliche Angebotssituation auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu erarbeiten. Zu sehr gingen die Meinungen über die Situation auf dem Wohnungsmarkt – das kam ja eben wieder vor – in der Öffentlichkeit auseinander. Sie reichten von 150 000 Wohnungen Leerstand bis zu nur noch 40 000 leer stehenden Wohnungen. Bei derartigen quantitativen Unterschieden ist es schwierig, eine angemessene und auf die gegenwärtige Situation zugeschnittene Wohnungspolitik zu formulieren. Zu sehr lenkte der Bauch die politische Diskussion – da kann ich die Meinung von Herrn Körting nur unterstreichen – und zu wenig der kühle Kopf. Zu sehr standen Bezirksinteressen im Vordergrund der öffentlichen Diskussion und zu wenig die Grundsätze einer gesamtstädtischen Wohnungspolitik.

[Unruhe bei den Grünen]

Nunmehr liegen die Ergebnisse der Bestandsanalyse vor. Deutlich wird, dass in Berlin immer noch ein entspannter Wohnungsmarkt existiert.

[Zurufe von den Grünen]

So besteht in Berlin immer noch ein Überangebot von zirka 96 000 Wohnungen mit einem Leerstand von über sechs Monaten.

Folgende Detailerkenntnisse sind mir besonders wichtig: Erstens – die Leerstandszahlen sind in Ost und West annähernd gleich.

Zweitens – die Schwerpunktbereiche des Leerstands sind Mitte, Neukölln-Nord und Friedrichshain-Ost. Das muss man mal sagen.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Das betrifft vor allen Dingen den preiswerten Wohnungsbestand.

Drittens – ein unterdurchschnittlicher Leerstand wurde in den äußeren Stadtteilen, in den grünen Großsiedlungen wie Gropiusstadt, und in Kreuzberg identifiziert.

[Zurufe von der CDU]

Wir von der SPD-Fraktion fühlen uns durch die Ergebnisse der Leerstandsanalyse und in der damit verbundenen Wohnungs- und Mietenpolitik bestätigt.

[Joachim Esser (Grüne): Sie fühlen sich immer bestätigt!]

Wir haben in den letzten fünf Jahren angemessen, entschlossen und gerichtsfest auf die wohnungspolitischen Herausforderungen einer sich verändernden Metropole reagiert. Für uns standen die Menschen im Vordergrund. Gleichzeitig haben wir Vorbereitungen für die Zukunft getroffen.

[Beifall bei der SPD]

Aber: Angemessenheit, Besonnenheit und Zielgenauigkeit müssen keine Prinzipien einer oppositionellen Wohnungspolitik sein. Hier kann man mehr aus dem Bauch entscheiden. Damit sind wir bei Ihren Anträgen.

In Ihrem Antrag „Wohnungsmarkt sozial gestalten (II): Wohnraum erhalten – Zweckentfremdung verhindern“ fordern Sie den Senat auf, den Leerstand an Wohnungen als Kriterium für Wohnungsknappheit belastbar zu ermitteln und zu prüfen. Einmal abgesehen davon, dass die von der Koalition eingeleitete Leerstandsanalyse auf dem Tisch lag, als dieser Antrag ins Abgeordnetenhaus einging, ist der Antrag aufgrund der Leerstandszahlen weder sachlich begründet noch allgemein rechtlich zulässig. Das haben Sie selbst in Ihrem Antrag gefordert. Eine generelle Zweckverbotsverordnung verbietet sich schon aus dem Umstand, dass wir in Berlin ein Wohnen in der Gemeinschaft mit einer professionellen Nahversorgung für das Wohnen im Alter und der Familien befördern wollen.

Trotzdem haben wir Ihre Initiative aufgenommen und auf ein wirklich drängendes Problem bei der Zweckentfremdung hingewiesen. Wir wollen, dass Wohnungen, die zum dauerhaften Wohnen errichtet worden sind, auch hierzu genutzt werden. Die Nutzung von Ferienwohnungen mit ständig wechselnden Gästen muss eingedämmt werden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Hier ist der Erlass einer Verordnung und eines Verbots der Zweckentfremdung für bestimmte Stadtgebiete, in denen die Ferienwohnungsnutzung besonders ausgeprägt ist, zu prüfen.

[Oliver Schruoffeneger (Grüne): Aber wann?]

Ihr zweiter Antrag, „Wohnungsmarkt sozial gestalten: Milieuschutzgebiete wirksam steuern“, war auch gut gemeint. Hierin wird der Senat aufgefordert, in Milieuschutzgebieten die Umwandlung von Miet- und Eigentumswohnungen nur im Einzelfall zu genehmigen. Wir haben hierzu im Bauausschuss eine intensive Anhörung mit den Hamburger Verwaltungsbeamten gehabt. Diese Anhörung ergab, dass die Erfahrungen in Hamburg kaum mit der Berliner Situation vergleichbar sind, und dies nicht nur aus Gründen der unterschiedlichen Senats- und Bezirkskompetenzen. Machen Sie in dem Punkt doch mal den Vorschlag mit der Abschaffung der Bezirke! Machen Sie das doch mal, dies wäre doch ein origineller und innovativer Aspekt Ihres Wahlprogramms!

[Gelächter bei den Grünen]

Auch die Umwandlungszahlen seinerzeit in Hamburg, als diese Regelung erlassen wurde, lassen sich mit der Berliner Situation mitnichten vergleichen. Während sich die Umwandlungszahlen in Hamburg seinerzeit stetig nach oben entwickelten, liegen sie in Berlin, wie der neueste Wohnungsmarktbericht der IBB aufzeigt, stabil auf geringem Niveau oder gingen sogar zurück. Aufgrund dieser Erkenntnis haben wir im Ausschuss einvernehmlich nicht mehr über diesen Antrag diskutiert. Es gab nicht einmal einen Widerspruch von Herrn Otto.

Wir sind aber der Meinung, dass die Milieuschutzsatzung neu aufgestellt werden muss, um die Menschen vor neuen stadträumlichen Verdrängungsprozessen zu schützen. Das ist die Aufgabe der Zukunft. Wir packen sie an. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Arndt! – Für die CDUFraktion hat der Kollege Brauner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, im Wohnungsmarkt ist Dynamik, und wir haben Dynamik in der Debatte. Wir haben bald wieder Wahlen, insofern sehen wir schon, dass Wahlkampf ist. Nichtsdestotrotz ist das Thema unseres Erachtens sehr interessant. Und natürlich haben wir auch eine sachliche Auseinandersetzung, die hier relativ wichtig ist.

Ich glaube, die Situation mit den Fakten – und das ist auch das erste Thema, um das es sich im Antrag handelt – ist sehr wichtig. Deshalb will ich zunächst einmal auf ein paar Punkte hinweisen. Wir haben bis 2010 erfreulicherweise einen deutlich stärkeren Bevölkerungszuwachs gehabt, auch deutlich stärker, als prognostiziert. Alle zusammen, Bertelsmann-Stiftung, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung usw., haben mit einem niedrigeren Bevölkerungswachstum gerechnet, als wir verzeichnen konnten. Und wir haben – ganz deutlich – mit über

200 000 Haushalten mehr bei den Einpersonenhaushalten einen dramatischen Haushaltszuwachs gehabt. Ich glaube, das ist auch der Ursprung der Debatte, die wir jetzt haben. Um die Jahrtausendwende hatten wir einen Wohnungsmarkt, der war relativ undynamisch, und jetzt auf einmal, mit diesen Wachstumszahlen, haben wir Dynamik. Insofern gibt es politische Auseinandersetzungen, und die gibt es auch zu Recht.

Wir haben in dem Bereich, insbesondere in der Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen, das kann man der Statistik übereinstimmend entnehmen, einen deutlichen Zuwachs. Das bedeutet, dass wir es in den nächsten Jahren in der Stadt auch weiterhin mit einem deutlichen Bevölkerungszuwachs zu tun haben werden.

Und wenn wir jetzt mal die Neubautätigkeit danebenlegen – ich glaube, das macht es dann sehr deutlich –: Im Jahr 2000 wurden noch 7 500 Wohnungen neu gebaut, im Jahr 2009 waren es gerade einmal 3 000 neu gebaute Wohnungen. Ich glaube, das macht deutlich, warum wir an der Stelle, bei diesen Zahlen eine intensive Diskussion haben.

Wir haben auch Druck an der Stelle, weil aus dem sozialen Wohnungsbau, durch die übereilte Kündigung der Anschlussförderung durch den rot-roten Senat ein Stück weit selbst verschuldet,

[Zurufe von den Grünen und der Linksfraktion]

über 28 000 Wohnungen aus der Bindung herausfallen. Damit haben Sie zu der Verschärfung beigetragen! Die Mieter sind jetzt beunruhigt. Für uns ist es sehr wichtig, die steuernde Funktion der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften zu präzisieren und zu stärken. Mit uns wird es auch keine weitere Veräußerung von öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften geben.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Das sind ja ganz neue Töne bei der CDU!]

Ja, wir können alle dazulernen. Ich habe gerade die Fakten heruntergebetet. – Deshalb haben wir dem Antrag der Grünen auch sehr gern zugestimmt. Wir glauben, wir brauchen mehr Fakten.

Herr Arndt! Die Darstellung der Vattenfall-Analyse, die wir im Ausschuss hatten, ist meines Erachtens noch keine ausreichende statistische Grundlage. Wir haben so viele gegenläufige Aussagen. Die Überschrift ist auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen irreführend. Wir brauchen deutlich genauere Zahlen. Wir brauchen eine deutlich genauere Beobachtung. Auf Fragen im Ausschuss konnte die Senatsverwaltung uns zu dem Thema Zweckentfremdung nichts nennen, gar nichts, wir haben keine Zahlen. Ich glaube, das ist wohnungspolitischer Blindflug. Dem müssen wir deutlich entgegentreten.

[Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wo ist denn Ihre Fraktion, Herr Brauner? – Lars Oberg (SPD): Die sucht ’ne Wohnung!]

Die sucht eine Wohnung, genau, ist auf Wohnungssuche wie wir alle! – Nein!

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ist ja ’ne kleine Wohnung!]

Damit kommen wir zu dem Thema Ferienwohnungen. Auch hier tut Zählen, Messen und Wiegen gut. Wir sind alle in der Lage, uns bei Google und Co. zu erkundigen, wie viele Ferienwohnungen es gibt, aber es ist relativ schwierig. Ich glaube, für eine Versachlichung der Debatte und auch für die richtige Handhabe des richtigen wohnungspolitischen Instruments muss man messen, muss man das eingrenzen, um auch entsprechend reagieren zu können. Wir stimmen dem an der Stelle zu.

Das zweite Thema – Umwandlungsverordnung – haben wir auch sehr intensiv diskutiert. Im Jahr 2009 wurden rund 7 000 Wohnungen umgewandelt. Im Jahr 2000 waren es noch 22 000 Wohnungen. Ich glaube, aus diesen Zahlen, die halbwegs verlässlich sind, kann man schon eher sehen: Umwandlung ist nicht das größte Problem an der Stelle. Und ich will auch sagen: Für uns ist wichtig, wir brauchen Kapital in der Stadt. Umgewandelte Eigentumswohnungen, die dann von Kapitalanlegern auch vermietet werden, um vernünftige Investitionen, energetische Sanierungen zu tätigen, sind uns auch sehr lieb. Insofern glauben wir, dass das nicht der richtige Weg ist.

Für uns ist wichtiger, dass die Mieter Kündigungsschutz vor Eigenbedarf haben. Insofern unterstützen wir nachhaltig, dass die Verordnung entsprechend verlängert wird und hier die Mieter die entsprechende Sicherheit haben. Aber wir wollen gleichzeitig die Investition. Das geht ein Stück weit nur mit Umwandlungen. Insofern sind wir hier, was das Thema angeht, skeptisch.

Ein letzter Satz: Ich glaube, das Thema Wohnraumgesetz – das wurde hier schon angerissen – steht zwar so nicht auf der Agenda, aber wir sollten zügig suchen, dass wir in der Legislaturperiode zusammenkommen, um zumindest das Problem zu lösen, das die Mieter am meisten drängt, nämlich ein Schutz vor der Ausnutzung der Kostenmiete. Wir sind dazu bereit. Ich denke, wir sollten das in den nächsten Ausschussberatungen entsprechend behandeln. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]