Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

2. um mehr Unabhängigkeit für Schulen,

3. eine verbesserte Sprachausbildung insbesondere von Migrantinnen und Migranten,

4. eine demokratische Schulstruktur,

5. verstärkte Kindergartenangebote, eine Einführung und Verstärkung von Ganztagsschulangeboten und einen Verzicht auf ein gegliedertes Schulsystem,

6. eine bessere Ausbildung für Lehrer dergestalt, dass pädagogische Elemente eine größere Rolle spielen sollen und

7. um mehr Finanzmittel und Unterstützung im vorschulischen Bereich mit Bildungselementen.

Jeder, der sich mit Bildungspolitik beschäftigt hat, wird unschwer erkennen, dass dies fast wortgleich identisch ist – bis auf einen Punkt – mit den Empfehlungen der KMK zur Weiterentwicklung des deutschen Schulsystems, die die KMK vor einigen Jahren beschlossen hat.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Dass diese Beschlüsse in Deutschland und insbesondere in Berlin nicht ohne Folgen geblieben sind, ist jedem bekannt, selbst wenn er nicht Bildungspolitiker ist. Ich verweise nur auf die aktuelle Diskussion darüber, dass quantitative Angebot im Kitabereich auszuweiten sind, auf die Bildungsprogramme im vorschulischen Bereich, den Paradigmenwechsel im Grundverständnis zu Ganztagsschulangeboten – wo Berlin eine Spitzenstellung innehat und allein in den letzten zwei bis drei Jahren das Angebot verdoppelt worden ist –, auf Qualitätsmanagement, vergleichende Tests und anders mehr. Insofern empfinde ich den Bericht von Herrn Muñoz als unterstützend auf dem Weg, eine riesige Reform in der deutschen Schullandschaft und auch in Berlin umzusetzen.

Es gibt einen problematischen Punkt, das ist die Diskussion über ein integriertes oder gegliedertes Schulsystem. Korrekterweise muss man darauf hinweisen, dass Herr Muñoz sich nicht sicher ist, ob das gegliederte Schulsystem letztlich der Grund für die Probleme im Hinblick auf soziale Herkunft und Schul- und Lernerfolgt ist. Er regt nämlich an, dass man es untersuche. Derzeit existieren keine eindeutigen Belege dafür, dass dieser Zusammenhang kausal ist.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Ich persönlich glaube, dass die Durchlässigkeit in einem integrierten System größer ist. Die Befunde in Deutschland lassen diese Erkenntnis jedoch nicht zu. Ich betone darüber hinaus: Unabhängig davon, ob es sich um ein integriertes oder gegliedertes System handelt, haben die anderen Punkte eindeutig eine größere Bedeutung. Wir müssen, unabhängig ob im gegliederten oder im integrierten System, vor der Schule Bildungselemente anbieten,

[Mieke Senftleben (FDP): Richtig!]

wir müssen mehr Zeit für die jungen Menschen zur Verfügung stellen, um die Lernschwachen oder die besonders Begabten zu fördern. Wir müssen, unabhängig davon, ob gegliedert oder integriert, bei der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer auf entsprechende pädagogische Elemente achten. Das sollte die Diskussion versachlichen.

Ein kleiner Schlenker, der über die Frage hinausgeht: Es gibt einige Bemerkungen in diesem Bericht, die ich mit aller Entschiedenheit ablehne. Dazu gehört zum Beispiel der Vorschlag, durch Home-Schooling diese Barriere in Deutschland zu überwinden. Das Gegenteil wäre nach meiner festen Überzeugung der Fall.

Zu Ihrer Frage 2, den Folgerungen für Berlin: Wenn wir eine sachliche Debatte über die Schwierigkeiten in der Schule führen, können wir feststellen – und wir sollten es auch tun –, dass objektiv gesehen die Berliner Schullandschaft bei diesem wichtigen Reformprozess auf dem richtigen Weg ist. Ich verweise auf die quantitative Situation im Kitabereich, ich verweise aber auch auf die Inhalte und nenne hierzu das Bildungsprogramm. Ich verweise auf die Aktivitäten im Hinblick auf selbstständige Schule, auf Vergleichstests, Schulinspektionen und Qualitätsmanagement. Dies sind alles Dinge, die bereits existieren, die möglicherweise aber noch optimiert werden können. Ich verweise darauf, dass das Land Berlin eine Spitzenstellung beim Ganztagsschulangebot in Deutschland innehat. Das bedeutet im Klartext, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir müssen mit der nötigen Ruhe, die die Schule braucht, um diesen großen Reformprozess zu bewältigen, jetzt dafür sorgen, dass er optimal umgesetzt wird.

Nun zur Gemeinschaftsschule: Sie ist in dieser Situation eine riesige Chance, aber auch eine Herausforderung zugleich. Dies gilt in Bezug darauf, dass wir in Deutschland den fundamentalistischen Gegensatz zwischen integrativem und gegliedertem System überwinden müssen. Auf der einen Seite ist völlig klar, dass Durchlässigkeit

und chancengleiche Förderung in einem integrativen System nicht nur – wie internationale Studien zeigen – besser gewährleistet werden kann als in einem gegliederten System. Wenn aber unser oberstes Ziel die individuelle Förderung jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers ist, und da es so ist, dass die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Möglichkeiten von jungen wie auch älteren Menschen unterschiedlich sind, muss das Endergebnis unterschiedlich sein. Unter dieser Prämisse und ausgehend von einem integrativen Ansatz mit einer optimalen individuellen Förderung, bei der schwerpunktmäßig am Ende dieses Bildungs- und Erziehungsprozesses andere Herausbildungen von Stärken stehen können, ist dies eine Entwicklungsperspektive idealer Art.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt gibt es eine Nachfrage von Frau Bluhm – bitte!

Herr Zöllner! Sie haben den Dissens in einem wichtigen Punkt beschrieben. Ich stimme Herr Muñoz zu, wenn er sagt, die Benachteiligten würden im gegliederten Schulsystem doppelt benachteiligt. Teilen Sie vor diesem Hintergrund die Auffassung, dass uns dieses Thema – Chancengleichheit in der Bildung – in der Bundesrepublik Deutschland so lange erhalten bleibt, bis wir es entschlossen anpacken?

[Gelächter bei den Grünen]

Ist dafür nicht Berlin in einer wichtigen Rolle, Vorbildfunktion zu übernehmen?

Herr Senator Prof. Zöllner – bitte schön!

Ich teile Ihre Ansicht, dass uns dieses Thema begleiten wird. Wenn nicht, dann werde ich alles unternehmen, damit es ein Thema bleibt, weil es die große Herausforderung ist, Chancengleichheit zu realisieren.

Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen, dass es unterschiedliche Wege gibt und wir nur eine Chance haben, dieses zu erreichen, wenn wir uns nicht allein auf eine Schulformdiskussion einlassen, sondern auf die Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schüler konzentrieren. Denn Chancengleichheit heißt, dass der einzelne optimal gefördert werden muss, und nicht, dass ein Schulsystem A oder B etabliert ist, völlig unabhängig davon, dass die Wahrscheinlichkeit von individueller Förderung bei den verschiedenen Schulformen sicher unterschiedlich ist.

Danke schön! – Eine weitere Nachfrage des Kollege Mutlu. – Bitte schön, Herr Mutlu, Sie haben das Wort!

Herr Senator! Sie haben auf vieles verwiesen. Ich verweise auf die Realitäten in der Berliner Schule. Meine Frage: Welche konkreten Schlüsse zieht der Senat aus dem Muñoz-Bericht und der jüngsten ifo-Studie? Was ist seit dem zitierten KMK-Beschluss in Berlin konkret inhaltlich-pädagogisch, vor allem finanziell passiert?

[Beifall bei den Grünen]

Herr Prof. Zöllner – bitte schön!

Herr Präsident! Wenn Sie mir jetzt drei, vier, fünf oder sechs Stunden Zeit lassen, bin ich gerne bereit, dem Abgeordneten die Frage zu beantworten.

[Beifall bei der SPD – Uwe Doering (Linksfraktion): Ein Jahresbericht!]

Ich will Ihre Frage nicht so bezeichnen, wie man sie in einem normalen Gespräch nennen würde. Sie können unterschiedlicher Ansicht sein, ob wir weit genug gekommen sind. Ich würde berichten, dass es z. B. seit den entsprechenden KMK-Beschlüssen nicht nur eine Verdoppelung, sondern eine Verdrei- oder Vervierfachung von Ganztagsschulen in Berlin gegeben hat, dass in Berlin das Schulgesetz verändert worden ist – ich weiß nicht, ob mit Ihrer oder gegen Ihre Stimme –,

[Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

von Schulprogrammen, von Qualitätsmanagement, von all diesen Dingen, und das wäre nur der Anfang einer fünf-, inzwischen zehnstündigen Rede. Ich glaube, wir sollten uns das ersparen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Mieke Senftleben (FDP)]

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es weiter mit einer Anfrage von Frau Kubala von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema

Nur Chaos bei der Umweltzone – wann soll wer wie bei der Umrüstung schadstoffreicher Fahrzeuge gefördert werden?

Bitte schön, Frau Kubala!

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Warum legt der Senat kein Förderprogramm auf für die Nachrüstung mit Dieselrußfiltern bzw. die Ersatzbeschaffung von Nutzfahrzeugen kleiner Gewerbebetriebe, die in der Regel finanzschwach sind und keine Kredite der Investitionsbank erhalten?

2. Hält der Senat es für praktikabel, dass über die Ausnahmen vom Fahrverbot in der Umweltzone die sechs in der Umweltzone liegenden Bezirke eigenverantwortlich entscheiden sollten, oder ist er nicht vielmehr der Meinung, auf Ausnahmen vom Fahrverbot komplett zu verzichten oder im Einzelfall eine zentrale Regelung zu treffen?

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Frau Lompscher, die Umweltsenatorin hat das Wort zur Antwort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kubala! Ich beantworte Ihre Fragen wie folgt. Zu Frage 1: Für die Nachrüstung und Ersatzbeschaffung von Nutzfahrzeugen gab und gibt es eine Reihe von Förderprogrammen unterschiedlicher Träger, die auch von kleinen Gewerbebetrieben in Anspruch genommen werden können. Vonseiten des Senats wurde in den letzten Jahren ein Förderprogramm für die Anschaffung leichter erdgasbetriebener Nutzfahrzeuge angeboten, jedoch nicht komplett ausgeschöpft, obwohl im letzten Förderjahr bereits die Anforderungen der Umweltzone bekannt waren. Nach Ablauf der Landesprogramme besteht weiterhin die Möglichkeit, bei der Anschaffung von Erdgasfahrzeugen von der GASAG einen Zuschuss in Höhe von 700 bis 900 € zu erhalten. Zudem weise ich darauf hin, dass Erdgas bis 2018 noch steuerlich begünstigt ist.

Zum anderen verfügt die Investitionsbank Berlin über Förderprogramme, die insbesondere von kleinen Unternehmen für diese Zwecke genutzt werden können und zinsgünstig sind. Besonders geeignet ist der KMU-Fonds, weil dabei die IBB, sofern andere Finanzierungsquellen nicht greifen, bis 250 000 € Investitionsmaßnahmen und dazugehörige Betriebsmittelfinanzierung direkt und ohne Hausbank finanzieren kann. Die IBB ist vom Senat gebeten worden zu prüfen, ob eine Antragsannahme von in schlechtere Ratingklassen einzustufenden Unternehmen mit ansonsten positiven Geschäftsaussichten in Betracht kommt und welche finanziellen Auswirkungen dies hat. Die IBB hat diese Prüfung noch nicht abgeschlossen.

Darüber hinaus sind auf Bundesebene verschiedene Fördermöglichkeiten vorhanden bzw. vorgesehen. Aus Einnahmen der Autobahnmaut plant das Bundesverkehrsministerium ein Programm zur Förderung emissionsarmer Nutzfahrzeuge größer als 12 Tonnen. Abgewickelt wird dieses Programm voraussichtlich über die KfW-Förderbank, bei dem die Förderung 30 % der Investitionsmehrkosten beträgt. Kleine und mittlere Unternehmen erhalten einen Zuschlag von 10 %, in Fördergebieten der neuen Bundesländer beträgt dieser Zuschlag ebenfalls 10 %. Alternativ kann ein zinsgünstiger Kredit beantragt werden. Genauere Einzelheiten sind hier noch nicht bekannt.

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau vergibt darüber hinaus im Rahmen des ERP-Umwelt- und Energiesparprogramms zinsgünstige Kredite für die Neubeschaffung von besonders umweltfreundlichen Nutzfahrzeugen. Gefördert wird hier mit einem Finanzierungsanteil von 50 % des Mehraufwands für die Beschaffung.

Aufgrund dieser vielfachen Fördermöglichkeiten sieht der Senat derzeit keinen Anlass, zusätzliche Förderprogramme aufzulegen.

Zu Ihrer Frage 2: Für die Bearbeitung von Einzelausnahmen vom Fahrverbot sind die Straßenverkehrsbehörden der sechs in der Umweltzone liegenen Bezirke zuständig, und zwar aufgrund der Verfassungslage in Berlin. Auf der Grundlage der vorgestern vom Senat verabschiedeten Eckpunkte wird nun ein ausführlicher Leitfaden erarbeitet, an den sich die bezirklichen Straßenverkehrsbehörden zu halten haben. Dadurch ist gewährleistet, dass in allen Bezirken nach einheitlichen Grundsätzen verfahren wird. Ein kompletter Verzicht auf Einzelausnahmen vom Fahrverbot in Härtefällen ist weder rechtlich möglich noch notwendig und zielführend. – Vielen Dank!