Carola Freundl

Sitzungen

16/1 16/3 16/4 16/5 16/6 16/7 16/8 16/9 16/10 16/14 16/19 16/25 16/28 16/36 16/37 16/41 16/47 16/53 16/57

Letzte Beiträge

Das Problem liegt darin, dass besonders nachgefragte, da bekannte Notübernachtungsunterkünfte – wie z. B. jene in der Lehrter Straße, die sehr zentral am Hauptbahnhof liegt – Überlastungsanzeigen starten und wir darauf verweisen können, dass wir z. B. im Bezirk Lichtenberg oder im Bezirk Spandau noch freie Kapazitäten haben. Selbstverständlich haben wir hier das logistische Problem des Transportes zu lösen; man muss auf weitere Angebote verweisen, um eine gleichverteilte Auslastung der Ressourcen zu erreichen. Dazu gehört, wie schon dargelegt, den Kältebus dazu zu befähigen, nicht zu überbelegten Standorten zu fahren, sondern zu nicht ausgelasteten. Er tut dies bereits schon, wie dargestellt. Das Servicetelefon der Kältehilfe wird dazu genutzt, die zwei Kältebusse sind im Einsatz, und in den nächsten Tagen soll die innerstädtische Kapazitätserweiterung unbürokratisch realisiert werden, um den gestiegenen Anforderungen nachzukommen – der Anstieg von Notübernachtungen ist ja gerade in den letzten Tagen zu verzeichnen.
Ich schwöre es!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt Tage politischer Turbulenzen, die wenig damit zu haben, wie erfolgreich eine Regierung oder wie die Opposition in Berlin arbeitet. Die Abgeordnete Bayram ist von der SPD zu den Grünen übergetreten, Frau Öney weg von den Grünen wahrscheinlich hin zur SPD, und Carl Wechselberg hat lange überlegt, ob er die Fraktion verlassen muss. Ich bedauere, dass sein Parteiaustritt für ihn unausweichlich war, aber ich weiß, wie wichtig ihm die Regierungsbeteiligung der Linken in Berlin ist.
Deshalb wird er in der Fraktion bleiben, das hat er erklärt. In diesem Sinne wird er seine Arbeit mit uns gemeinsam fortsetzen.
Was die Beweggründe der Einzelnen betrifft, gibt es eine Vielzahl von Erklärungen. Es ist viel geschrieben und auch viel spekuliert worden. Ich sage ganz offen: Solche Wechsel sind kaum geeignet, das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in Politik und Demokratie zu stärken, denn so mancher fragte sich – ich war erstaunt, wie viele das taten –, ob politische Mandate Privateigentum seien. Schließlich habe man eine bestimmte Partei gewählt und bestimmte Erwartungen damit verbunden. Das sollten wir ernst nehmen und uns dieser Diskussion auch stellen.
Unsere Verfassung gibt das her. Die Linke hat auch schon davon profitiert, als z. B. unser heutiger Wirtschaftssenator Harald Wolf aus der AL ausgetreten ist und für die PDS gewonnen wurde. Solche Wechsel passieren natürlich nicht nur in Berlin, aber – das ist mir wichtig – es steht uns allen gut zu Gesicht, dieses Mittel der Politik nicht überzustrapazieren. Es schafft auch Verdruss bei den Bürgerinnen und Bürgern und hinterlässt den Eindruck, Abgeordnete hätten mehr mit sich als mit den Fragen dieser Stadt zu tun.
Ich weiß nicht, wie andere politische Konstellationen solche Aufregungen gemeistert hätten, aber Rot-Rot hat in diesen Tagen wieder einmal gezeigt, dass wir auch kleinere Krisen meistern können und dass wir zuverlässig sind. Unsere Mehrheiten hier im Parlament waren immer
knapp, aber es sind Mehrheiten, und allen Turbulenzen zum Trotz: Linke und PDS haben weiter konsequent an wichtigen Themen der Stadt gearbeitet, denn wir stehen erst in der Mitte der Legislaturperiode und haben noch viel vor. Und während die Opposition Freudentänze aufgeführt hat und das Wackeln der Regierung beschwor, haben wir eine der größten Baustellen dieser Stadt geräumt,
nämlich die Frage, wie die Schulstrukturreform in Berlin aussehen kann und wie sie ausgestattet wird. Da gab es keine Hängepartie, da wurde hart verhandelt, und es hat sich gelohnt. Wir haben im Schulbereich in Berlin oft genug erlebt, dass gute Ideen mehr oder weniger mit zu geringen Mitteln ausgestattet wurden und die Ausstattung eben nicht stimmte. Jetzt ist etwas Gutes gelungen. Die neue Schulstruktur schafft die Hauptschule ab. Das war längst überfällig.
Sie weist einen gangbaren Weg zu einer Schule für alle, bei der die individuelle Förderung zählt. Schauen Sie sich die Klassenfrequenzen an, die Ganztagsbetreuung, die Entlastungen für die Lehrerinnen und Lehrer, die Ausstattung mit Sozialpädagogen und Erzieherinnen! Viele Elemente weisen auf die Gemeinschaftsschule und ermöglichen einen besseren Abschluss für die Schülerinnen und Schüler. Eine zunehmende Auslese durch die Schule aufgrund der sozialen Herkunft der Kinder kann sich Berlin auf keinen Fall leisten.
Rot-Rot hat wieder einmal mehr hinbekommen als Schwarz-Moorburg-Grün in Hamburg. Darüber freue ich mich sehr. Eine bessere Schule für Berlin, wenn das gelänge, wäre das für mich ein Grund für gute Stimme. In Hamburg plakatieren sie – Sie können einmal hinfahren – gerade flächendeckend den Erfolg der Einführung einer gemeinsamen sechsjährigen Grundschule. Das möchte ich nur dazu anmerken. Alle anderen Fragen sind weitgehend ungeklärt.
Apropos Stimmung: Gehe ich eigentlich richtig in der Annahme, dass das Jamaika-Tischtuch schon zerschnitten ist, wenn die Opposition gegenseitig auf mangelnde Verlässlichkeit hinweist? Ist das eigentlich der Ton, der ermuntert, Frau Eichstädt-Bohlig, Herr Ratzmann, wenn ich auch einmal Herrn Henkel zitieren darf – auch damit habe ich kein Problem –, wenn er über die Grünen sagt: Zwei Fraktionsvorsitzende reichen offenbar nicht aus, um Stimmungen in der Fraktion wahrzunehmen und richtig zu bewerten? Ich weiß nicht, wie viele im Saal die Auffassung teilen – Michael Müller, davon gehe ich aus, sieht es ebenso –, dass man mit Leuten, die immer recht haben wollen und immer darauf bestehen, dass sie recht haben, auch wenn man das Gegenteil auszählen kann, weder eine Beziehung noch eine Koalition möchte.
Es stellt sich die Frage, wohin die Grünen in Berlin oder auf Bundesebene tendieren. Da gibt es grüne Pirouetten allerhand im Land.
Schauen wir auf das letzte Wochenende. Die grüne Bundesspitze hatte sich vorgenommen, eine Koalitionsaussage zugunsten der FDP in ihr Wahlprogramm zu schreiben. Die Basis hat das erfolgreich bekämpft. Da machte innerhalb eines Wochenende die grüne Basis eine hundertprozentige Kehrtwende und rief auf ihrem Parteitag aus: Westerwelle, wir stellen dich! Verlass dich drauf. – Es wurde ein Programm beschlossen, dass auffallend viele Ähnlichkeiten aufweist nicht zur FDP oder zur CDU, sondern zu den Linken.
Vor diesem Hintergrund ist es schon verblüffend, dass in Berlin die grüne Fraktion über den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor schimpft, sodass man vermuten könnte, die Grünen wollten nun 1-Euro-Jobs für alle, während im Bundestagswahlprogramm eine späte Distanz zu Hartz-IV erkennbar ist. Es ist in diesen Zeiten auch sinnvoll. Deshalb ist es Rot-Rot in Berlin so wichtig, dass es öffentlich geförderte und ordentlich bezahlte Arbeitsplätze gibt, weil Unternehmen in diesen Tagen Tausende von Menschen entlassen. Natürlich ist der ÖBS kein Allheilmittel, aber mit 1-Euro-Jobs, Frau Pop, fällt es einem Arbeitslosen deutlich schwerer, so etwas wie Konsumfreude zu entwickeln.
Ich will nicht zu sehr den Zustand der Opposition beklagen. Diese hat sich in den letzten Tagen ganz schön gedrängelt, ein Ende von Rot-Rot herbeizureden. Wie wollen Sie dieser Stadt eine Perspektive bieten, Herr Henkel? Telefonierend wird das auch nicht gelingen. Wo sind denn die politischen mehrheitsfähigen Alternativen in dieser Stadt? Wo sind die Personen, Projekte, Perspektiven, die uns gemeinsam unter Druck setzen sollen?
Das ist jetzt unpassend. –
Es gibt sie nicht. Da braucht man Ihre Kampagne, Herr Henkel, in der letzten Zeit nur einmal anzuschauen. Sie zielten jeweils auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, vorzugsweise im Westteil der Stadt. Da haben Sie nur wie zu Zeiten des Kalten Krieges polarisiert und haben jedes Mal auf das falsche Pferd gesetzt.
Der Volksentscheid „Pro Reli“ wurde von den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt beantwortet, und zwar in dem Sinne, Ethik als gemeinsames Fach beizubehalten und Religionsunterreicht freiwillig anzubieten. Es ist eine ganze Menge mehr, was keine Regierung vor uns hinbekommen hat. Unsere Regierung ist selbst an der Herausforderung Haushaltskonsolidierung mit sozialem Augenmaß gewachsen, weil wir die Fähigkeit haben und hatten, uns auch einmal zu korrigieren. Wir haben die Stadt aus einer erdrückenden Schuldenlast ohne fremde Hilfe herausgeführt. Wir haben es geschafft, die Finanzen zu konsolidieren und einen Bankenskandal zu einem wirklich genialen Ende zu führen, wenn man einmal die Wirtschaftsseiten der aktuellen Zeitungen liest.
Wir sind es, die die öffentlichen Unternehmen sanieren und Handlungsspielräume für eine soziale und nachhaltige Politik überhaupt erst wieder aufschließen. Das ist die Kernkompetenz für diese Stadt, auf der unsere Reformprojekte dieser Legislaturperiode aufbauen, im Bildungsbereich, im sozialen Bereich, bei der Integration, im Umgang mit öffentlichen Unternehmen, in denen es übrigens mehr Frauen in Führungspositionen gibt, seit Berlin einen linken Frauensenator hat. Rot-Rot kann auf Dinge verweisen, die bundesweit Modellcharakter haben.
Vielleicht wird Rot-Rot deshalb gerade in diesem Jahr so massiv angegriffen.
Es ist keine geringere als die Bundeskanzlerin Frau Merkel, die jedes Mal auf die Nase fällt, wenn sie den Berlinerinnen und Berlinern einen Tipp gibt, wie sie beim Volksentscheid abstimmen sollen. Das war vor einem Jahr bei Tempelhof so und auch vor wenigen Wochen beim Thema „Pro Reli“.
Ja, über die Bundeskanzlerin zu klatschen, obliegt nicht meiner Fraktion und auch nicht der SPD. – An dieser Stelle behaupten Sie eben, dass Sie diese Stadt kennen würden.
Ja, die haben auch nicht geklatscht. Darüber können Sie sich einmal Gedanken machen. Nicht einmal an dieser Stelle sind Sie sich einig. – In der Stadt, die Sie zu kennen glauben, sorgen Sie für Spaltung und werfen es gleichzeitig Rot-Rot vor. An der Stelle werden Sie sich noch die Zähne ausbeißen, weil es Ihnen nicht gelingt, die die Verschiedenheit der Berlinerinnen und Berliner produktiv zu machen, weil wir uns den Herausforderungen einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise stellen. Wir werden das mit sehr viel Aufmerksamkeit tun, obwohl wir bei der Bewertung des Krisenmanagements der Bundesregierung grundsätzlich unterschiedlicher Meinung sind. Wer die Bereitschaft aufgebracht hat, diese Koalition gerecht zu bewerten, weiß, dass wir keine Schönwetteregierung sind. Immer wenn es sachlich schwierig wurde, haben wir gezeigt, dass wir gut sind. Immer, wenn es eng
zu werden drohte, oft sollte dieser Zustand auch herbeigeredet werden, sind wir stärker geworden.
Hier stehen zehn Minuten. Meine Kollegen – männlich, darauf muss ich Sie nicht hinweisen – haben deutlich länger gesprochen.
Hier stehen zehn Minuten.
Ich gehe einmal davon aus, dass das Präsidium Zahlen lesen kann.
Selbstverständlich. – Die Frage der Steuerschätzung wird eine weitere Herausforderung sein, die wir meistern werden, ebenso wie die Verabschiedung des Doppelhaushalts. Worauf Sie sich auch verlassen können, ist, dass wir weiter öffentlich und transparent streiten werden und auch dann Lösungen finden für die Stadt, für Berlin.
Meine Damen und Herren! Berlin ist zu einer Modellstadt der direkten Demokratie geworden. Das haben wir so gewollt, und das begrüßen wir auch. Mit „Pro Reli“ steht uns erneut ein Volksentscheid bevor, und wenn auch das offizielle Endergebnis erst in ein paar Tagen vorliegen wird – etwa 300 000 Bürgerinnen und Bürger haben sich eingemischt. Das ist erst einmal ein gutes Zeichen für unsere Stadt.
Jetzt haben die Berlinerinnen und Berliner die Wahl. Sie können darüber entscheiden, welches Modell am besten zu Berlin passt. Sie werden darüber abstimmen, ob sie es besser finden, wenn es einen gemeinsamen Ethikunterricht für alle Schüler gibt und die Teilnahme am christlichen, islamischen, buddhistischen Religionsunterricht wie bisher zusätzlich und freiwillig bleibt, oder ob die Schüler künftig getrennt unterrichtet werden und sich entscheiden müssen, ob sie an einem christlichen, islamischen – wenn es dafür einen überhaupt gibt – oder einem anderen Religionsunterricht oder alternativ am Ethikunterricht teilhaben wollen. Vor die Wahl gestellt, haben bei Infratest dimap im Dezember übrigens 58 Prozent der Berlinerinnen und Berliner für das gemeinsame Fach und den weiterhin freiwilligen Religionsunterricht plädiert.
Als Regierungsfraktion teilen wir das Anliegen des Volksbegehrens und der Initiative „Pro Reli“ nicht, denn da geht es eben nicht um so wertvolle Dinge wie Wahl und Freiheit. Stattdessen richtet sich der Gesetzentwurf von „Pro Reli“ klar und deutlich gegen eine mir persönlich wichtige Entscheidung, die wir 2006 getroffen haben. Die Argumente dazu haben wir 2006 ausgetauscht, es sind die gleichen geblieben. Der freiwillige Religionsunterricht wird, wie bislang, unterstützt, und es ist durchaus auf der Tagesordnung, dass Ethiklehrerinnen und -lehrer auch Pfarrer oder Imame in ihren Unterricht einladen. Ich finde es bedauerlich, dass „Pro Reli“ all das bei ihrer Stimmensammlung ausgeblendet hat und man in letzter Zeit wieder öfter hören kann, Rot-Rot hätte den Religionsunterricht in Berlin abgeschafft. Genau deshalb will ich mich jetzt ausnahmsweise einmal mit den drei für mich schwierigsten Aspekten der Kampagne und wie sie geführt wurde auseinandersetzen.
Kommen wir zum Ersten, zum Sachlichsten in dieser Erörterung, kommen wir zu den Zahlen, zu den Teilnehmerzahlen am freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht und der Behauptung, durch die Einführung des Ethikunterrichts würden die Teilnehmerzahlen am freiwilligen Religionsunterricht um 50 Prozent sinken – so die Prognose 2006. In der Kampagne des Jahres 2008 hieß es dann, tatsächlich seien sie um 25 Prozent zurückgegangen.
Wie sehen die Zahlen tatsächlich aus? – Erstens ist der Zuschuss von knapp 48 Millionen Euro pro Jahr für den freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht in den vergangenen Jahren angestiegen. Zweitens ist die Gesamtschülerzahl in Berlin seit 2005 um 20 000 Schülerinnen und Schüler auf jetzt 223 000 Schülerinnen und Schüler zurückgegangen. Vor diesem Hintergrund ist der Rückgang der Teilnehmerinnen- und Teilnehmerzahlen am freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht um 6 300 auf jetzt 160 000 sogar unterproportional. Und es muss angefügt werden, dass in den Grundschulen die Teilnehmerinnen- und Teilnehmerzahlen sogar angestiegen sind, nämlich um 11 000 auf 127 000 Schülerinnen und Schüler. In den Grundschulen haben sich die Zahlen der Teilnehmer am evangelischen und katholischen Religionsunterricht explizit gesteigert, sind größer geworden.
Genau das war der Sinn unserer Regelung. Wir wollten ein gemeinsames Unterrichtsfach ab der siebten Klasse, weil wir wussten, dass das Gros des freiwilligen Unterrichts vorher, in der Grundschule, stattfindet. Wir wollten hier keine auch zeitliche Konkurrenz, sondern ein faires Neben- und Miteinander.
Warum also wird hier falsch Zeugnis abgelegt, gerade von der Initiative „Pro Reli“?
Kommen wir zum zweiten Punkt meines Unbehagens. Wie wurden die Unterschriften gesammelt? – In einer Schule in Zehlendorf, am Wannsee, ging das so: Der
sechsjährige Schulanfänger und Sohn eines Abgeordneten meiner Fraktion kam freudestrahlend und hochmotiviert aus der Schule und brachte eine Unterschriftenliste für „Pro Reli“ nach Hause. Er sollte und wollte möglichst viele Unterschriften von seinen Eltern, den Nachbarn, Bekannten und Verwandten seiner Eltern in die Schule zurückbringen.
Sie sagen „Gut so!“ Ich finde: Das ist eine unmögliche, aber auch unlösbare Situation für die Eltern, insbesondere dann, wenn sie das Anliegen nicht teilen. Haben Sie sich vorher einmal Gedanken darüber gemacht, was das bei den Eltern und bei den Schülern anrichtet?
Ich frage Sie: Was sollen die Eltern tun? Sollen sie die Motivation dieses kleinen Jungen irritieren? Sollen sie die Autorität der Schule untergraben, indem sie dieses Volksbegehren und dieses Ansinnen einfach ignorieren? So sammelt man keine Unterschriften, sage ich Ihnen, und so kommt man auch nicht zum Erfolg. Das ist auch keine fair geführte Debatte.
Das ist darüber hinaus keine Art, Unterschriften zu sammeln, die eine andere Meinung zulassen.
Kommen wir zum dritten und schwerwiegendsten Vorwurf, der in dieser Debatte nachzulesen und anzuhören war: Es geht um den Vorwurf, dass Berlin gegen das Grundgesetz verstoße. Bernhard Schlink, Professor für öffentliches Recht an der Humboldt-Universität, formuliert es in der „FAZ“ vom 15. Januar so:
Ein zentrales Argument, zunächst der Kampagne und jetzt der Kirchen, gilt dem Grundgesetz. In den Briefen, die Bischof Huber den Mitgliedern der Kirche und Pfarrer den Mitgliedern der Gemeinden schicken, ist es der Kern- und Hauptpunkt. „In Berlin ist“, so steht da, „Religion – anders als es im Grundgesetz vorgesehen ist und anders als in fast allen Bundesländern – kein ordentliches Lehrfach.“ Dass es in Berlin nicht zugeht wie im Grundgesetz vorgesehen, heißt, dass es in Berlin verfassungswidrig zugeht.
Sehr prägnant formuliert Bernhard Schlink weiter:
Wenn eine Regelung verfassungswidrig ist, interessiert nicht mehr, ob sie konsensfähig, zweckmäßig, ökonomisch sinnvoll oder moralisch akzeptabel ist. Sie ist erledigt. Die Behauptung, das Berliner Modell sei verfassungswidrig, soll es in den Augen der Empfänger der Briefe erledigen. Wer für das Volksbegehren unterschreibt, tritt nicht nur für ein pädagogisches, schul- und integrationspolitisches Modell ein und auch nicht nur für die Kirche, sondern für die Verfassung. Wer wollte sich dem verweigern!
Das schreibt Bernhard Schlink. Und ich füge hinzu: Wie kann man eine solche Informationspolitik machen? Wie kann man verschweigen, dass es ein grundgesetzlich verbrieftes Recht von Berlin und Bremen gibt, die sogenannte Bremer Klausel, die Berlin nicht verpflichtet, Religion als ordentliches Unterrichtsfach einzuführen?
Das ist übrigens kein Privileg dieser beiden Länder. Der Gesetzgeber hat es auch den neuen Bundesländern freigestellt.
Wie kann man so mit Ängsten und Vorurteilen, die es in dieser Stadt immer noch gibt, umgehen? Wie kann man sich so antiaufklärerisch in einer Kampagne verhalten?
Jetzt die Debatte zum Abstimmungstermin zum Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung zu machen, halte ich nicht für redlich. Ich plädiere auch hier dafür, die Kirche im Dorf zu lassen. Der Oberedle Volker Ratzmann überzeugt mich nicht, wenn er wahlweise die Argumente variiert – entweder „Demokratie muss auch etwas kosten dürfen“ oder „Direkte Demokratie nur zum Nulltarif oder gar nicht.“ In der Tat ist es so, dass in diesem Halbjahr eine Abstimmung ansteht, die für das Berliner Landesrecht bedeutsam ist. Es geht hier nämlich um die Frage, ob die Bremer Klausel Bestand hat. Das ist eine Regelung, die über 60 Jahre in Berlin gegolten hat und – Michael Müller hat darauf verwiesen – die keine Regierung, gleich welcher politischen Ausrichtung, in dieser Zeit geändert hat. Um diese relevante Frage geht es.
Aber Europa auf die Frage „Wie hältst du’s mit der Religion?“ zu reduzieren, halte ich ebenso für nicht richtig.
Das sind aber nicht die Hauptpunkte meiner Argumentation. Ich finde, in die Abwägung ist einzubeziehen, dass wir die Debatte, die wir vor zwei Jahren bei der Einführung des gemeinsamen Unterrichtsfachs Ethik geführt haben, hier wiederholen werden. Es hat hier – ich habe es ausführlich geschildert – Falschaussagen, Verzerrungen und falsches Zeugnis gegeben. Eltern und Kindern wurden instrumentalisiert und die Behauptungen aufgestellt, die Religion sei in Berlin abgeschafft worden, Berlin würde gegen das Grundgesetz verstoßen und die Teilnehmerzahlen am freiwilligen Religionsunterricht zeigten, dass es der Kirche schon geschadet habe, dass ein gemeinsames wertevermittelndes Unterrichtsfach eingeführt worden ist.
Ich habe hier keine Distanzierung gehört. Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Henkel nicht so selbstgerecht über dieser Debatte steht und sich nicht so wenig von der Realität angesprochen fühlt, sich auch von diesen Praktiken distanziert, um zu sagen: Ein Cut – der nächste Punkt des Volksbegehrens wird sachlicher geführt. – Wir sind an diese Sachlichkeit der Debattenführung gebunden. Das gilt dann aber auch für die anderen. Ich habe jedoch nicht
so viel Hoffnung, dass das passiert. Deshalb wird der Senat eine weise Entscheidung treffen.
Eine Entscheidung, die im politisch luftleeren Raum stattfindet, wird er allerdings nicht treffen.
An dieser Stelle erinnere ich noch einmal an die Zuspitzung der Debatte im Jahr 2006. Im Jahr 2006 waren die Zuspitzung aus meiner Sicht die Anzeigen in den Zeitungen und die Plakate an den Bus- und Bahnhaltestellen. Sie lauteten: „Werte brauchen Gott“ – was wohl heißt: kein werteorientiertes Handeln mit humanistischer Weltanschauung. Diese Zuspitzung hat viele Menschen verärgert, irritiert und verletzt. Ich möchte diese Zuspitzung nicht noch einmal erleben.
Sie spaltet darüber hinaus die Stadt. Aber sie zeigt eines ganz deutlich: In der Zuspitzung ist die Toleranz und die Akzeptanz der anderen Meinung und Anschauung, der anderen Sozialisation verschwunden. Dieser eine Satz: Werte gibt es nur mit Gott – drückt aus, dass nur diese eine Meinung gilt. Mit dieser breit plakatierten intoleranten Äußerung hat die Kirche sogar einen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass es richtig ist, in Berlin ein gemeinsames wertevermittelndes Unterrichtsfach zu realisieren, dass es auf die Gemeinsamkeit ankommt, dass es auf Toleranz und Akzeptanz ankommt, dass es darauf ankommt, gemeinsam im Gespräch zu sein, um die andere Meinung zu kennen, um sie zu akzeptieren oder nicht. Wir brauchen das gemeinsame Gespräch auch, um festzustellen, wo eine Meinung fundamentalistisch wird. Nur im gemeinsamen Gespräch – und das findet nur in einem gemeinsamen Unterrichtsfach statt – kann ich eine fundamentalistische Meinung kritisieren, destruieren und zurückweisen. Deshalb brauchen wir den gemeinsamen wertevermittelnden Unterricht und den freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht.
Das tue ich. – Wenn es gelingt – worüber in den letzten Tagen oft zu lesen war –, dass der Neuköllner 13-Jährige, der Schulleiter, der aus Bayern stammt, und die gläubige Ethiklehrerin dieses Unterrichtsfach gemeinsam gut finden und nutzen wollen und das integrative Potenzial, das in diesem Unterrichtsfach steckt, tatsächlich für die Stadt nutzbar machen wollen, dann passt das zu Berlin. Dann ist das eine Regelung, die wir richtig gut hinbekommen haben und die es zu verteidigen gilt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie überraschend die Einigung im Tarifstreit gewesen ist, sehen wir daran, dass diese Aktuelle Stunde von einer Oppositionsfraktion beantragt worden ist. Wir haben jetzt die Gelegenheit, die Tarifeinigung zu würdigen. Einiges haben wir dazu schon gehört.
Ich will zu Beginn meiner Rede Dank sagen. Dank sage ich Senator Körting für Weitsicht und Beharrlichkeit. Allein von Januar bis Juli 2008 waren es mindestens zwölf offizielle Runden, in denen er verhandelt, Hintergrundgespräche geführt und viele Widerstände überwunden hat. Nicht alle Inhalte, mit denen er in die Beratungen gegangen ist, fanden wir ausreichend, aber eine gute Verhandlungsbasis. Für uns alle war es durchaus problematisch als am 14. Juli die Gewerkschaftsseite die Verhandlungen für gescheitert erklärt hat. Viele wussten, dass die einmalige Zahlung von zweimal 300 Euro keine ausreichende und abschließende Bewältigung dieses Streits sein würden.
Ich will den Gewerkschaften danken für Einsicht und Augenmaß. Als sie begonnen hatten einzusehen, dass sie ihre 100-prozentige Forderung von dreimal 300 Euro und 2,9 Prozent Tariferhöhung nicht durchsetzen konnten, haben sie sich dennoch durch die Einigung untereinander wieder an den Verhandlungstisch begeben. Ich danke Ihnen dafür, dass diese Einigung dadurch möglich wurde.
Ich will auch den Bürgerinnen und Bürgern, den Berlinerinnen und Berliner für ihr Verständnis und ihre Geduld danken. Sie haben die Auswirkungen des langwierigen Einigungsprozesses in diesem Tarifstreit in großer Geduld mitgetragen und mit großer Fairness ertragen.
Der Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes ist nun bis zum Jahr 2009 da. Ich erinnere daran, dass sich die Linke schon als Oppositionskraft in finanziellen Krisenzeiten dafür ausgesprochen hat, dass Umverteilung von Arbeit und Einkommen verbunden mit Arbeitszeitverkürzung, Einstellungskorridor und Beschäftigungssicherung notwendig und wichtig ist und für Konsolidierung.
Wir wollten allerdings auch, dass es nicht zu einer Doppelbelastung der Beschäftigten kommt. Wir wollten bereits im Jahr 2008 das große Besteck. Wir wollten eine Tarifverhandlung über das Gesamtpaket nach dem Auslaufen des Anwendungstarifvertrages vorziehen und über
Beschäftigungssicherung, Einstellungskorridor und moderate Tariferhöhungen insbesondere für die niedrigeren Einkommensgruppen und das neue Tarifrecht diskutieren. Es war auch immer Konsens im Senat und den den Senat tragenden Fraktionen, dass keine grundsätzliche Abkopplung vom Bundestrend in der Einkommensentwicklung für die Beschäftigten des Landes Berlin gewollt ist – trotz Fortführung des Anwendungstarifvertrages.
Wenn man verstehen will, weshalb diese Einigung so schwierig war, muss man in das Jahr 2003 zurückschauen. Es war immer unsere Philosophie, dass Solidarität im Verzicht auch Solidarität für das Land Berlin bedeuten muss, wenn es eine wirtschaftliche und finanzielle Normalisierung der Verhältnisse gibt. Es darf keine Einbahnstraße sein. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben mit dem Verzicht auf Einkommen und Arbeitszeit einen erheblichen Beitrag zur Konsolidierung des Landes Berlin geleistet. Indem sie seit 2003 auf 8, 10 oder 12 Prozent ihres Einkommens verzichten, haben sie einen existenziellen Beitrag zur Konsolidierung geleistet. Als dann in allen anderen Bundesländern, beim Bund und in den Kommunen über Tariferhöhungen und Einmalzahlungen verhandelt worden ist, ist ein großer Druck entstanden. Die Beschäftigten haben zwar gesagt: Ja, wir stehen zum Anwendungstarifvertrag, trotzdem möchten wir nicht die immer weitere Abkopplung von der Tarifentwicklung im Bund und in den anderen Ländern und Kommunen.
An dieser Stelle ist es wichtig, die Situation und Sichtweise des Senats darzustellen, um die Einigung zu würdigen. Für den Senat war entscheidend, dass er sich darauf verlassen konnte, dass der Anwendungstarifvertrag während seiner Laufzeit eingehalten wird, dass Arbeitszeitverkürzung und Beschäftigungssicherung relevant bleiben und dass er die Gesamtverantwortung für die soziale Verteilungsgerechtigkeit mit einer Prioritätensetzung für Bildung, Kinderschutz und der Bekämpfung von Kinderarmut hat. Gleichwohl war klar: Anwendungstarifvertrag plus Stufenplan, damit es keine grundsätzliche Abkopplung vom Bundestrend gibt.
lich auswirkt.
Die Grünen – und auch Ihre Fraktion, Herr Henkel – waren nicht wirklich hilfreich.
Herr Henkel wird sich bestimmt daran erinnern, dass er im Oktober 2007 zu Protokoll gegeben hat, er sehe keinen Spielraum für Zahlungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Grünen haben viele disparate Vorschläge gemacht. Einerseits wollen sie den Anwendungstarifvertrag weiterführen, andererseits sollen die Personalkosten gesenkt werden, aber nur nach Personalplanung. Es war relativ kompliziert, was Sie den jungen Lehrerinnen und Lehrern gesagt haben, die jetzt mit einem neuen Tarifvertrag eingestellt werden, der gemeinsam mit der GEW verhandelt worden ist. Sie haben denen gesagt, man solle nicht in die Tasche des Landes greifen, sondern eine Zielvereinbarung abschließen.
Das halte ich für falsch. Das ist übrigens eine Regelung, die in den nächsten Wochen noch gefunden werden muss – gerade für neu einzustellende Lehrerinnen und Lehrer, die nach dem neuen Tarifrecht bereits ausgehandelt jetzt eingestellt werden können –, diese so einzugruppieren und nicht zu verbeamten, dass Berlin tatsächlich neue Lehrerinnen und Lehrer bekommt. Diese Aufgabe muss in der Tat noch geleistet werden.
Wir haben eine Tarifeinigung, die in ihren einzelnen Punkten noch einmal gewürdigt werden soll. Ich finde die Lösung eines gleich hohen Sockelbetrages für alle Beschäftigten sozial sehr viel besser als einen prozentualen Anteil, der sich je nach Eingruppierung unterschied
Ja, bitte!
Zum einen ist mit 65 Euro Sockelbetrag ein Beitrag erbracht, der strukturell weiter reicht als zweimal 300 Euro Einmalzahlung, zum anderen ist eine Prozessvereinbarung getroffen worden, die besagt, dass während der Laufzeit des neuen Tarifvertrags Verhandlungen über das neue Tarifrecht, die Einführung von TV-L oder/und TVöD geführt werden. Das ist ein wichtiger Schritt, der Spielräume eröffnet, nicht ausschließlich über finanzielle Ressourcen zu reden, sondern die Möglichkeiten zu nutzten, die das neue Tarifrecht bietet. Dafür ist Zeit. Die kurze Laufzeit dieses Tarifvertrages ermöglicht es dann 2009 wiederum, je nach der wirtschaftlichen und finanziellen Situation, in der wir uns dann befinden, Verhandlungen darüber zu
führen, in welchen Schritten wir uns dem Bundestarifniveau annähern.
Weil Sie das Stichwort Anzahl der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes genannt haben: Ich finde es sinnvoll, dass wir einen Konsens in Senat und Koalition haben, dass 100 000 Beschäftigte die untere Grenze sind, die einen leistungsfähigen – –
Doch sehr wohl! Das wissen wir, weil wir nämlich all diesen Beschäftigten 65 Euro monatlich zahlen werden.
100 000 Beschäftigte sind die gesetzte Zielmarge. Sie ist viel besser, als immer wieder Personalabbau zu fordern und im Einzelnen – wie die Grünen es immer wieder machen – zu sagen: Dort muss mehr Personal hin. Solch eine inkonsistente Politik kann man sich in der Opposition leisten, in der Regierung aber nicht.
Wir haben einen sehr streik- und streitintensives Jahr hinter uns. Deshalb bin ich auch so froh, dass wir diese Tarifeinigung für 2008 noch hinbekommen haben. Sie lässt selbstverständlich wichtige Fragen für die Zukunft noch gestaltbar, und wir können uns im Jahr 2009 darauf konzentrieren, diese vorzubereiten. Ein Anfang ist in jedem Falle gemacht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 500 Milliarden Euro Bürgschaften und Finanzmittel in Deutschland, 2 Billionen Euro in Europa – binnen einer Woche hantiert die Politik in diesem Land mit finanziellen Größenordnungen, die sich die meisten Menschen in diesem Land gar nicht vorstellen können. Die meisten wollen wissen, was mit ihren Ersparnissen und ihrem Arbeitsplatz passiert. Wie konnte das alles passieren? Wie konnte dermaßen viel Geld im real existierenden Kasinokapitalismus verzockt werden, wo schon die Kassiererin entlassen wird, wenn sie 1,30 Euro beim Flaschenpfand falsch berechnet?
Es ist unfassbar, dass der Staat und somit der Steuerzahler, wir alle, die Zockerzeche bezahlen müssen, damit nicht noch schlimmere Dinge passieren. An dieser Stelle dürfen wir sagen, dass diese Entwicklung nicht vom Himmel gefallen ist. Die letzten 10 Jahre standen im Zeitalter der Deregulierung der Finanzmärkte. Mehr Markt, weniger Staat, die Verunglimpfung und Verniedlichung sowie die Verhöhnung des Staates als Regulierer, die Frage nach 25 Prozent Rendite tatsächlich als Leistungsmarsch für den Finanzsektor auszurufen, das alles hat doch dieses Land geprägt.
So mancher fühlt sich erinnert an die Zeit im April 2002, als wir die Entscheidung im Abgeordnetenhaus „zwischen Pest und Cholera“ zu treffen hatten, als wir eine Bürg
schaft über 21 Milliarden Euro übernehmen mussten, um kleine und mittelständische Unternehmen zu sichern und Arbeitsplätze zu retten. Wir haben diese Entscheidung getroffen. Wir haben sie aus eigener Kraft auch schultern müssen, was auch Geld geben in diese Bank bedeutet hat. Wiederholt sich nun Geschichte, nur zwei Nummern größer?
Wie auch damals bei der Bankgesellschaft sind die Probleme nicht vom Himmel gefallen, und es gab Mahner: Ja, auch Oskar Lafontaine, der 1999 für seine Vorschläge zur Regulierung der Finanzmärkte national wie international gemobbt worden ist, aber auch den neuen Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaft, und auch Horst Köhler hat die Finanzmärkte als Monster bezeichnet und Regulierung verlangt. Leider ist aber nichts passiert, es wurde nicht gehandelt, auch nicht in dem Sinne, wie er warnend formuliert hat.
Und schauen wir mal, was für einen Beitrag da Rot-Grün 2004 geleistet hat. Frau Eichstädt-Bohlig! Der wäre viel sinnvoller und viel entscheidender für die gesamte Bundesrepublik gewesen. Sie haben 2004 unter Rot-Grün die Hedgefonds und Derivate genehmigt.
Auf der anderen Seite ist es Ihnen nicht gelungen, einen Gesetzentwurf zur Managerhaftung tatsächlich über die Bühne zu bringen. – Es ist interessant, wie Sie jetzt reagieren. Als die Betroffenen protestiert haben, ließen Sie das Gesetz fallen. Schauen wir in die Koalitionsvereinbarung von Rot-Schwarz, in die aktuelle. Dort wird gesagt, dass Kreditverkäufe natürlich erlaubt sind sowie eine Finanzaufsicht mit Augenmaß. Wir wissen jetzt, wie wir das zu verstehen haben. Wie wollen wir an dieser Stelle Unternehmen und Bürgern erklären, die penibel auf Liquidität und Eigenkapital geprüft werden, bevor sie einen Kredit erhalten, dass all diese Regeln für die Finanzmärkte nie galten? Diese Regeln haben sich die Finanz- und Investmentbanker selbst nicht gegeben. Das Geld konnte frei international kursieren. Es gab keine nationalen oder europäischen Regeln, an die sie hätten gebunden sein können. Das ist doch die entscheidende Frage, die wir hier beantworten müssen. Das ist die Frage, die an das Rettungspaket der Bundesregierung gekoppelt ist. Es gibt eine Verpflichtung gegenüber dem Steuerzahler, die Regulierung der Finanzmärkte nicht nur zu versprechen, sondern auch alles dafür zu tun, dass national und international und europäisch dieses Vorhaben umgesetzt wird. Es gibt keine Leistung ohne Gegenleistung.
Das ist nicht verantwortbar. Es gibt keine Rettung ohne Garantien. Wir brauchen den Ausbau eines Sicherungsfonds der privaten Geldinstitute. Wir sehen jetzt, dass es diese in keinem relevanten Maß gibt. Deshalb muss der Steuerzahler eintreten. Wir brauchen den Ersatz der privaten Ratingagenturen durch öffentliche Bewertungsinstitute. Wir brauchen einen TÜV für Finanzierungsinstrumente. Wir brauchen die Genehmigung von neuen Finan
zierungsinstrumenten. Wir brauchen das Verbot von Hedgefonds und anderen hochspekulativen Finanzierungsinstrumenten. Wir brauchen die Schaffung einer europäischen Agentur zur öffentlichen Kontrolle der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Banken und Finanzinstitutionen.
An dieser Stelle will ich ganz klar kritisieren, was vor der Runde mit den Ministerpräsidenten im Gespräch war und auf welche Art und Weise sich die Bundesregierung vorstellt, Einfluss auf Banken zu nehmen, die sie finanziell stützen will und denen sie Kapital geben will, das sie selbst aufnehmen muss. Genussscheine sind es ganz bestimmt nicht. Das hört sich zwar gut an, aber das ist keine Form von Einflussnahme, die eine Beteiligung am Unternehmen, eine Einflussnahme, eine Kontrolle und im günstigsten Fall auch einen Ertrag sichert.
Das kann nicht der Weg sein, mit dem wir dann die großen Sprüche der Einflussnahme auf das Finanzkapital operationalisieren. Ohne tatsächlich Eigentumsrechte zu erwerben, kann hier kein Einfluss geltend gemacht werden. Ohne Einfluss geltend zu machen, ist die Finanzierung durch Steuermittel des Bundes, der Länder und der Steuerzahler nicht gerechtfertigt.
Die größte staatliche Rettungsaktion der Nachkriegsgeschichte ist auch eine Reaktion auf die drohende größte wirtschaftliche Krise der Nachkriegsgeschichte. Die Rettungsmaßnahmen als solche sind unumgänglich, auch wenn es ein sehr mulmiges Gefühl ist und wenn es einen sehr wütend macht, dass diejenigen, die das Fiasko die ganze Zeit ignoriert und alle Warnungen in den Wind geschlagen haben, nun trotzdem Hilfe bekommen.
Trotzdem ist es klar, dass das Rettungsgesetz schnellstmöglich Bundestag und Bundesrat passieren muss, damit nicht weitere Bankpleiten geschehen und Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Wir sind uns einig, dass das Gesamtpaket sinnvoll ist, und sagen dennoch, dass es Regeln geben muss. Wir müssen diese Chance nutzen, ein neues Sicherungs- und Aufsichtssystem zu installieren.
Schauen wir in diesen Tagen erstaunt nach Spanien! Dort hat die Zentralbank viele hochrisikobehaftete und spekulative Finanzinstrumente verboten. Sie hat auch eine deutlich höhere Risikovorsorge für Kredite nicht nur verlangt, sondern auch kontrolliert. Das spanische Bankensystem steht trotz Immobilienkrise deutlich besser da, kann expandieren und hat nicht diese Probleme angerichtet, vor denen jetzt der Steuerzahler steht, der, wie immer, bestätigt sieht, dass die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert werden.
Deshalb finde ich es auch richtig, dass Wirtschaftssenator Wolf seine lange geplante Reise abgesagt hat und sich mit Berliner Bankern trifft, weil es wichtig ist, tatsächlich an dieser Stelle auch genau hinzuschauen, welche Probleme auftreten, welche weiterhin auftreten werden und ob die
kleinen und mittelständischen Unternehmen mit Kapital und liquiden Mitteln gut versorgt sind. Ich bin froh, dass die IBB flüssig ist, im Falle eines Falles auch tatsächlich zu helfen. Senator Wolf wird auch mit den Bankern über einen Beitrag zu einer unabhängigen und externen Beratung reden. Das hat heute im Plenum schon eine Rolle gespielt.
Ich habe soziale Marktwirtschaft immer so verstanden, dass tatsächlich die Wirtschaft, die Freiheiten braucht, um wertschöpfend tätig zu sein, in soziale Ziele, in gesellschaftliche Herausforderungen und Erfordernisse eingebettet sein muss. Das hat für das Finanzkapital nicht gegolten. Es ist eine wichtige Voraussetzung. Die entscheidende Erkenntnis aus dieser Krise ist, dass wir an dieser Stelle einen Paradigmenwechsel vornehmen müssen. Wir müssen Lehren daraus ziehen.
Die Lehren für den Landeshaushalt sind schon vielfach benannt worden. Ja, wir nehmen auch weiterhin die Herausforderung an, uns der Konsolidierungspolitik zu stellen, wie wir in den letzten Tagen sehen, auch unter erschwerten Bedingungen. Die anderen Länder haben über ihre Doppelbelastung diskutiert. Die Doppelbelastung galt auch für Berlin. Die Lasten der Bankenkrise und die Abschirmung für die Bank allein zu tragen zuzüglich der Altschulden und Sonderlasten des Landes Berlin aus der Teilung, haben wir als Herausforderung angenommen. Selbstverständlich kann es nicht sein, dass wir Haushaltskonsolidierung für eine Finanzkrise nach der anderen betreiben.
Wir müssen heute darüber diskutieren, dass dieser Landeshaushalt Handlungsspielräume braucht, um über die Folgen dieser Finanzkrise und ihrer Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu diskutieren und eine sozial gerechte, möglicherweise Kaufkraft fördernde, Arbeitsplätze stützende Politik machen zu können. Dafür ist eine Schuldenbremse, die an dieser Stelle mit den Sonderbelastungen gemeinsam noch einmal die Handlungsspielräume deutlich einschränkt, ab absurdum zu führen und wohl auch ad absurdum geführt.
Mit dem Rettungspaket, das wir diskutieren, mit dem wir sehr verantwortungsvoll umzugehen haben, geht es um Belastungen für alle Beteiligten. Wir werden in der Zukunft noch diskutieren zu müssen, welche Auswirkungen es haben wird, vor welchen Anforderungen das Land Berlin noch zusätzlich stehen wird. Viele erinnern uns jetzt an die falschen Lehren, die 1929 gezogen worden sind.
Das Land Berlin hat in der Vergangenheit einen quantitativ kleinen, aber konzeptionell wichtigen Beitrag geleistet, indem es sich zum öffentlichen Eigentum gerade der Daseinsvorsorge bekannt und gesagt hat: Wir wollen dieses öffentliche Eigentum trotz großer finanzieller Probleme
behalten, sanieren und zum Nutzen der Berlinerinnen und Berliner und des Landeshaushalts eingesetzt wissen.
Wir werden alles nutzen, um weiter sehr kritisch mit dem Neoliberalismus und seinen Folgen umzugehen. Der Grundgedanke, dass gerechte Gesellschaften auch die leistungsfähigeren sind, hat neuen Auftrieb bekommen, wenn auch – wie immer in Krisenzeiten – unter sehr schwierigen Bedingungen. Dafür stehen wir, und daran werden wir weiterarbeiten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Diese Aktuelle Stunde ist für Sie. Die Argumente in diesem Raum und diesem Haus sind ausgetauscht, obwohl ich nicht gedacht hätte, dass es noch einmal solch einen Spaß machen könnte, hier in den Streit zu treten.
Die Rechtslage ist eindeutig: BBI kann gebaut werden, wenn Tegel und Tempelhof geschlossen werden. Dieser Ersetzungsbeschluss ist die Grundlage der Abwägung gewesen. Die Schließung der innerstädtischen Flughäfen ist die Grundlage der Genehmigung und der Planfeststellung. Niemand hätte einen Flughafen so stadtnah genehmigt unter der Voraussetzung, dass die innerstädtischen Flughäfen nicht geschlossen werden,
unter der Voraussetzung dass nicht mindestens 130 000 Berlinerinnen und Berliner befreit wären von den Kümmernissen, die ein innerstädtischer Flughafen mit sich bringt. Das genau ist die rechtliche Grundlage für die Genehmigung. Das ist aber auch das Ärgernis der CDU und der FDP an diesem Punkt.
Wir können in der Tat sehr erleichtert darüber sein, dass wir in Schönefeld einen planfestgestellten, tatsächlich auch genehmigten Großflughafen haben. Jeder, der sich mit diesem Thema befasst, weiß, wie schwierig es ist, an diesen Punkt zu kommen. Es ist eine großartige Leistung für alle Beteiligten, dass wir in dieser Situation sind. Der Bau und der Betrieb des Großflughafens in Schönefeld sind das größte Infrastrukturprojekt der Region BerlinBrandenburg. Wir wissen schon jetzt, dass die Möglichkeit besteht 40 000 zusätzlich Arbeitsplätze zu schaffen. Das aktuelle Auftragsvolumen liegt bei 851 Millionen €, wovon 737 Millionen € in der Region bleiben, also in den Auftragsbüchern der Berliner und Brandenburger Unternehmer. Genau dieses wichtigste Infrastrukturprojekt werden wir auf keinen Fall gefährden.
Mit der Eröffnung des Großflughafens 2011 kann es keinen Flugbetrieb in Tegel und Tempelhof mehr geben. Das wissen wir spätestens seit dem Konsensbeschluss von 1996 zwischen Berlin, Brandenburg und dem Bund. Die Herren Diepgen, Stolpe und Wissmann haben ihn unterschrieben. Das Schließungsvorhaben stand bereits 1991 in der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD. 1994 schwärmte der damalige Stadtentwicklungssenator Hassemer von den Möglichkeiten der Nutzung des Tempelhofer Feldes ohne Flugbetrieb.
Das Bundesverkehrsministerium hat mitgeteilt, dass nach dem Oktober 2008 für die Weiterführung des Flugbetriebes in Tempelhof kein rechtlicher Raum besteht. Am 12. Februar 2007 bestätigte das Oberverwaltungsgericht in Berlin die Rechtmäßigkeit der Schließung des Flughafens Tempelhof. Am 4. Dezember 2007 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig diese Entscheidung. Eindeutiger geht es nicht.
Wenn sich CDU und FDP darüber hinwegsetzen, riskieren sie genau dieses wichtigste Infrastrukturprojekt BBI am Standort Schönefeld. Allen Ernstes schlagen Sie uns jetzt einseitig vor – aus Berliner Sicht – die Planfeststellung zu ändern. Wir nehmen in Kauf, für Brandenburg die Genehmigung gleich mit zu riskieren. Wir laufen in der Tat Gefahr – Frau Eichstädt-Bohlig hat es ausgeführt –, einen einstweiligen Rechtsschutz des Bundesverwaltungsgerichts bis zur Entscheidung über die geänderte Rechtslage, einen Baustopp, zu riskieren. Wir riskieren die Investitionssumme von 2,2 Milliarden € und Schadensersatzansprüche von denen, die Aufträge schon erhalten und Verträge unterschrieben haben. Das werden wir auf keinen Fall tun.
Es wird immer so getan, als sei die Entscheidung noch offen. In Wirklichkeit ist es so, dass die Geschäftsflieger im Mai und Juni nach Schönefeld umziehen. Die Flughafengesellschaft hat 7,5 Millionen € für die dortige Unterkunft investiert. Die Verträge sind abgeschlossen. Das ist die Realität. Das ist der Baufortschritt. Das ist die richtige Richtung, die wir unterstützen.
Bei aller Sachlichkeit in der Argumentation fragt man sich schon an der Stelle, was dahinter steckt, wenn das die Rechtslage und die wirtschaftliche Perspektive für die Region ist und wenn es Kräfte in der Stadt gibt, die diese entscheidenden Interessen der Region derart torpedieren und Parteipolitik an dieser Stelle wichtiger finden. Ist das verantwortungsvolle Oppositionspolitik? – Ich finde es einen Verrat an den Interessen der Region Berlin und Brandenburg.
Ich möchte das gern noch einmal an einem Beispiel beleuchten und das Handwerkliche anschauen. Ich habe die Gerichtsentscheide zitiert und auch die Schwierigkeiten beschrieben, einen planfestgestellten und genehmigten Flughafen im stadtnahen Bereich in Schönefeld zu realisieren. Herr Pflüger stellt der Presse vor – ich finde es sehr sympathisch, dass er es so öffentlich macht –, dass er am Abend einen Rechtsanwalt anruft und um ein Rechtsgutachten darüber bittet, ob das Offenhalten von Tempelhof BBI gefährdet. Am nächsten Morgen liegt das mehrseitige Papier vor und weist aus, dass keine Gefahr besteht. Für das, wofür Gerichte monatelang abgewogen und Anhörungen veranstaltet sowie eine Rechtsabwägung vorgenommen haben, braucht Herr Pflüger im Auftrag an Herrn Würfel nur eine Nacht. Das Ergebnis ist ebenso beeindruckend.
An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal auf die IHK zu sprechen kommen. Ich dachte, ich falle in Ohnmacht, als ich mir Seite 27 ihres Gutachtens angeschaut habe. Dort wird allen Ernstes vorgeschlagen, die Planfeststellung und der Landesentwicklungsplan könnten geändert werden. Würde dann festgestellt, dass BBI gefährdet sei, könne die Klage einfach zurückgezogen werden. Das ist eine Methode nach der Art und Weise: Klagen bis der Arzt kommt; der soll es dann richten. Das geht nicht. Das finde ich verantwortungslos von der IHK in Berlin.
Die IHK Cottbus und die IHK Potsdam sehen das anders. Auch sie haben erhebliche Probleme mit ihrem verkehrspolitischen Sprecher der CDU in Brandenburg, der sich für eine Schließung Tempelhofs eingesetzt hat. Es gibt also ein munteres Treiben der Meinungen, bei dem man wieder belegen kann, dass es offensichtlich doch entscheidend ist, ob Parteipolitik oder die Interessen der Stadt für die Wähler ausschlagendgebend sein sollten. Das sollten sie aber.
Eine kurze Bemerkung zur Symbolik des Ortes möchte ich noch machen. Natürlich haben diese Auseinandersetzungen – nicht hier im Haus, aber die Gespräche mit den Bürgern – etwas gebracht. Sie haben auch uns sensibilisiert, dass die Geschichte des Ortes unbedingt stärker dokumentiert werden muss als jetzt. Dazu braucht es keinen Flugbetrieb, das hat Frau Eichstädt-Bohlig gesagt. Es geht sogar viel besser ohne Flugbetrieb mit einer Ausstellung, mit einer Dokumentation, mit einem Film. Damit wird das Gedenken an die Luftbrücke viel stärker, als es bisher der Fall und möglich ist, realisiert. Das sollten wir auch tun.
Man soll die Politiker immer an ihren Taten messen. Das haben wir beim Mauergedenken genauso getan. Die CDU hat ein gedenkrelevantes Grundstück verkauft, während wir uns immer dafür eingesetzt haben, dass die Mauer auch sichtbar bleibt, wenigstens als Markierung auf dem Boden. Es war ein linker Kultursenator, der ein mit allen
abgestimmtes Mauergedenkkonzept umgesetzt und vorher auch erarbeitet hat. In der Frage der Geschichte sind wir wirklich glaubwürdig.
Ich komme zum Stichwort Glaubwürdigkeit. Volkes Wille hat eine entscheidende Rolle in der letzten Phase der Kampagne gespielt. Das wichtigste Argument war, Volkes Wille tatsächlich ernst zu nehmen. Wer das Volk ernst nimmt, sagt dem Volk die Wahrheit, und zwar vor der Abstimmung.
Die Wahrheit ist, dass der Erhalt von Tempelhof als Verkehrsflughafen nicht möglich, ja sogar rechtlich ausgeschlossen ist. In den persönlichen Auseinandersetzungen räumen Sie das auch ein. Sie sagen, eins zu eins kann man den Bürgerwillen nicht umsetzen, aber, liebe Bürger, stimmen Sie erst einmal zu. Herr Lindner, Herr Pflüger, Sie haben noch bis Sonntag die Chance, den Berlinern zu sagen, dass Sie sie ernst nehmen und sagen Sie ihnen, dass das, was zur Abstimmung steht, Tempelhof als Verkehrsflughafen strukturell offen zu halten, nicht geht und rechtlich ausgeschlossen ist. Das würde bedeuten, die Bürger ernst zu nehmen und nicht den Abschiedsschmerz, den Sie und Berliner immer haben, auszunutzen, sondern tatsächlich den Bürgerwillen auch vor der Abstimmung ernst zu nehmen und ihnen die Wahrheit zu sagen.
Wir jedenfalls werden das tun und haben es sehr ausführlich getan.
Es heißt immer so schön, Geld regiert die Welt. Aber auch eine millionenschwere Kampagne, die versucht, Berlin zu hypnotisieren, kann die Realität nicht außer Kraft setzen. Geld regiert die Welt viel zu sehr, aber nicht in Berlin. Deshalb, liebe Berlinerinnen und Berliner, treffen Sie eine verantwortungsvolle Entscheidung mit Herz und Verstand. Stärken Sie und sichern Sie das wichtigste Infrastrukturprojekt für die Region, den Flughafen Schönefeld, und sagen Sie nein zur Offenhaltung von Tempelhof. Gehen Sie zur Wahl, weil Sie nur dann mitentscheiden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Pflüger! Den Konsensbeschluss hier en passant aufzukündigen, damit haben Sie sich keinen Gefallen getan.
Da haben Sie eher den Konsens mit Ihrem eigenen, tief verwurzelten Oppositionswillen zum Ausdruck gebracht. Verlässlich ist das nicht, auch nicht in der Opposition.
Wir haben bis zum Volksentscheid zwei Diskussionen zu führen, die sich in zwei unterschiedliche Richtungen entwickeln und sich an zwei unterschiedliche Adressaten richten.
Die erste wendet sich an die Bürgerinnen und Bürger, die in diesem Volksbegehren ihre Stimme für die Offenhaltung des Volkhafens Tempelhof abgegeben haben. Es handelt sich um über 200 000 Stimmen. Das ist bei Weitem nicht die Mehrheit der Berliner, wie manche uns glauben machen versuchen, aber ein gutes Siebtel der Wahlberechtigten unserer Stadt. Diese Menschen haben
einen berechtigten Anspruch darauf, in ihrem Anliegen ernst genommen zu werden. Ernst nehmen heißt, sich auseinanderzusetzen, heißt Streit in der Sache. Ich bin mir sicher, dass die große Mehrheit der Tempelhof-Befürworter aus individuell sehr unterschiedlichen, aber berechtigten Motiven handelt. Sie wollen einen Flughafen erhalten, der in einer historisch wichtigen Zeit Großes für Berlin geleistet hat. Großen Beistand hat diese Stadt über diesen Flughafen erhalten. Er ist ein politisches Symbol. Es gibt weitere ehrenwerte Motive. Eine Begeisterung für das einmalige bauliche Ensemble, für das denkmalgeschützte Gebäude. Es gibt auch Gefühle, Verlustängste und Sorgen, vor dem, was dort Neues entsteht.
Dann gibt es noch die Motive von Bessergestellten und Großverdienern, die, wie wir finden, nicht ganz so ehrenwert sind, aber es gibt sie. Sie haben ein Interesse, einen Flugsteig nicht mit normalen Leuten teilen zu müssen, sondern unbehelligt ihren Flieger in die Welt zu nehmen.
Eine Regierung hat diese Interessen ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen, zur alleinigen Richtschnur ihres Handelns darf Sie sie allerdings nicht machen. Sie hat abzuwägen zwischen gegensätzlichen Interessen. Sie muss eine Entscheidung in Verantwortung für die gesamte Stadt treffen.
Und da gibt es in dieser Stadt nicht nur Tempelhof-Befürworter, sondern Berlinerinnen und Berliner, die wollen, dass der Flughafen geschlossen wird, und auch sie haben Argumente: ökologische, wirtschaftliche, sicherheitstechnische. Der Senat hat hier eine Abwägung durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, Tempelhof zu schließen. Diese Entscheidung wird von der Mehrheit dieses Hauses mitgetragen, neben den Regierungsparteien auch von den Grünen.
Aber es gibt auch eine zweite Diskussionsfront. Ich rede von CDU und FDP, von den Herren Lindner und Pflüger, von Friedbert Pflüger, der sich in skandalöser Weise noch nicht einmal von den Forderungen distanziert hat, Wahlbeobachter zum Volksentscheid nach Berlin zu holen.
Ich rede von den Fortschrittsverhinderern, die in den letzten Tagen und Wochen jeden Anstand verloren haben und in ihrer hemmungslosen Demagogie offenbaren, worum es ihnen eigentlich geht und was sie wirklich wollen.
Sie wollen der rot-roten Koalition schaden, koste es, was es wolle. Sie spalten die Stadt, indem Sie all die Menschen im Ostteil der Stadt beleidigen, die ihren gut dotierten Unterschriftensammlern nicht die Stimme für die Offenhaltung Tempelhofs als Verkehrsflughafen geben wollten.
Meine Herren! Sie spielen mit einem hohen Einsatz. Sie riskieren das größte und wichtigste Infrastrukturprojekt der gesamten Region, den Flughafen BBI. Und Sie instrumentalisieren die Interessen der Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger, die sich im Volksbegehren Pro Tempelhof engagiert haben. Dabei ist es Ihnen schnurzegal, das haben Sie gerade noch einmal ausgeführt, dass die CDU seit 1994 sowohl im Berliner Abgeordnetenhaus als auch im Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen ohne Ausnahme dafür gestimmt hat, den Flughafen Tempelhof zu schließen, sobald der Weg für BBI frei ist. 1994 – CDU: für die Schließung; 1996 – CDU: für die Schließung; 1998 – CDU: für die Schließung; 1999 – CDU: für die Schließung.
Herr Pflüger und Herr Lindner! Sie nehmen die Menschen nicht ernst. Sie benutzen sie. Sie werden dafür noch einen hohen Preis bezahlen!
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Das Volksbegehren fordert die Offenhaltung von Tempelhof als Verkehrsflughafen. Dass das nicht geht bzw. nur geht, wenn Schönefeld nicht gebaut wird, war bisher Konsens in diesem Haus, und zwar über Parteigrenzen hinweg.
Was machen Sie, Herr Pflüger? – Sie veranstalten eine Pressekonferenz mit Rupert Scholz, der munter wider alle Vernunft behauptet, dass der Konsensbeschluss überhaupt keine Bedeutung habe. Dem haben Sie sich heute auch noch angeschlossen. Man müsse Tempelhof und Tegel nicht schließen, wenn man es nur wolle. Das war selbst der ICAT peinlich. Ihnen, Herrn Pflüger, ist da inzwischen nichts mehr zu peinlich.
Apropos peinlich: Herr Pflüger war kürzlich zu Besuch beim Hamburger Ersten Bürgermeister von Beust. Das ist nachzulesen in Pflügers Blog. Da schaue ich immer wieder einmal gerne hinein, wenn ein Tag zu einseitig zu werden droht. Ich finde da durchaus auch Erheiterung. Ich kann Ihnen nur empfehlen, einmal hineinzuschauen.
Diese leicht bizarre Mischung von sprachlicher Unbeholfenheit und dem verkrampften Versuch, modern erscheinen zu wollen, hat einen gewissen Unterhaltungswert.
Also, Herr Pflüger war bei von Beust, bei Ole, wie er ihn nennt. Pflüger erzählt von seinem Mittagessen, „gegeben von Staatsrat Reinhard Stuth“.
Wenn Sie sagen, das sei nicht zum Thema!
Aber selbstverständlich!
Die rechtliche Konstruktion der Genehmigung des Flughafens BBI beruht auf der Entschließung, die innerstädtischen Flughäfen zu schließen. Das Einzige, was weggefallen ist, ist die Regierungsbeteiligung der CDU, aber das wissen Sie ja.
Aber kommen wir zurück zu diesem unterhaltsamen Teil, dem Blog von Herrn Pflüger. Wir waren gerade beim Mittagessen, das er mit Reinhard Stuth einnimmt, einem alten „Freund aus RCDS-Tagen“. In den 80er-Jahren waren sie beide Mitarbeiter bei Richard von Weizsäcker. Danach erzählt Friedbert über Reinhard und dann noch über Axel, der Umweltsenator in Hamburg ist, den er aus seiner Zeit als Landrat im niedersächsischen Harburg kennt.
Ein paar Zeilen später wird es richtig gut. Da kommt die Rede auf ein
... fantastisches Projekt. Ökologisches Wohnen, gepaart mit modernisierter, effizienter Energieversorgung – Brennstoffzelle, Blockheizkraftwerk, Fernwärme.... – eine neue Uni, ebenfalls für Bereiche wie ökologisches Bauen (...) ein auf modernste Technik setzendes Zukunftskonzept, das Wettbewerbsfähigkeit und Umweltbewusstsein zusammenfügt. Sehr, sehr spannend.
Falls Sie aber gedacht haben, dass hier von der künftigen Nutzung des Areals in Tempelhof die Rede sei, falsch gedacht. Denn im Gegensatz zu seinem Auftritt in Hamburg
wissen wir alle, dass Friedbert Pflüger in Berlin ganz unökologisch die Offenhaltung des innerstädtischen Flughafens in Tempelhof unterstützt.
Noch interessanter ist aber, was der Friedbert den Ole in einem anregenden Gespräch nicht gefragt hat. Er fragte ihn nicht, warum die CDU-Alleinregierung den Volksentscheid der Hamburger gegen die Privatisierung der Krankenhäuser ignoriert hat.
[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Oh! bei der Linksfraktion Mehr noch, warum sie gegen den Mehrheitswillen die Privatisierung durchgeführt hat, das hat der Berliner Ritter der Volksentscheide nicht gefragt, der in Berlin Zeter und Mordio schreit, weil Rot-Rot angeblich Volkes Stimme missachtet. In Hamburg jedoch sieht er keinerlei Anlass zu dieser kritischen Nachfrage. Herr Pflüger! Die Zahlen haben Sie garantiert im Kopf: Fast 600 000 Hamburgerin- nen und Hamburger – das sind 77 Prozent der Wählerin- nen und Wähler – haben sich am 29. Februar 2004 dafür ausgesprochen, dass die Hansestadt Mehrheitseignerin des Landesbetriebes Krankenhäuser bleibt. Der CDU-Senat hat dieses deutliche Ergebnis ignoriert und die Privatisie- rung durchgeführt – vorbei am Willen der Mehrheit des Volkes in Hamburg. [Dr. Friedbert Pflüger (CDU): Aber er hat die Bürger nicht beleidigt! – Zurufe von der Linksfraktion: Das ist ja ein gutes Argument!]
Das Volksbegehren pro Tempelhof hat die vielen guten Argumente für die Schließung eines innerstädtischen Flughafens nicht widerlegt. Alle rechtlichen, sicherheitstechnischen, ökologischen und wirtschaftlichen Gründe stützen die Position der Koalition. Am kommenden Dienstag wird der Senat den Zeitpunkt des Volksentscheides zu Tempelhof festlegen. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und wir selbst, Die Linke, werden die Zeit bis dahin nutzen, um unsere Argumente den Bürgerinnen und Bürgern näherzubringen und für das Zukunftsprojekt BBI zu werben. Interessanterweise waren meine Fraktion und die Senatoren der Linken die Ersten, die sich das Vorhaben in Schönefeld vor Ort angesehen haben. Wir haben über die Perspektiven für Arbeitsplätze gesprochen, die dort fantastisch sind, und wir haben über das geglückte Konzept der Mittelstandsförderung gesprochen – Michael Müller hat die Zahlen genannt. Das Gros der Aufträge – mittlerweile umfasst es eine Summe von 737 Millionen € – bleibt in der Region Berlin-Brandenburg. Das ist ein riesiger Erfolg, das hat keiner BBI zugetraut. Wir haben selbstverständlich über die hohen Standards des Lärmschutzes und die Einhaltung des Nachtflugverbots gesprochen, das ist für die Anwohner dort von Interesse. Wir haben uns um diese Themen gekümmert, das sollte auch die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus tun, die deutlich über fünf Prozent liegt,
sie sollte sich nicht zu einer Ein-Thema-Partei machen, ganz im eigenen Sinn.
Wir werden ebenso sachlich wie engagiert unsere Argumente vortragen, den Streit austragen, für BBI als wichtigstes Infrastrukturprojekt streiten und damit Verantwortung für die gesamte Stadt übernehmen, aus der sich CDU und FDP deutlich verabschiedet haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeden Tag werden in Berlin ca. 80 Kinder geboren. 30 von ihnen werden unter Bedingungen aufwachsen, die wir als „arm“ bezeichnen. Für diese Kinder gilt: Sie müssen von 208 € im Monat Essen, Bekleidung, Hort- und Kitabeiträge, gesundheitliche Versorgung, Freizeitaktivitäten, ein gutes Buch, einen guten Film, Theater- und Tierparkbesuche bestreiten. Wir haben die Scheu verloren, über diese Armut zu sprechen. Wir benennen sie, aber das heißt nicht, dass wir sie akzeptieren. Für die Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens wird viel davon abhängen, ob es uns gelingt, Armutsprobleme und -folgen produktiv anzupacken. Darüber wollen wir heute mit Ihnen reden.
Die soziale Spaltung der Gesellschaft hat ungeahnte Ausmaße erreicht. Hartz IV hat die Spaltung vertieft. Interessanterweise sind auch die Grünen mehr und mehr zu dieser Auffassung gelangt, seit sie nicht mehr bundespolitisch regierungsbeteiligt sind. Das Hauptproblem sind die Arbeitslosigkeit und die unzureichenden Maßnahmen dagegen.
Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist im Wesentlichen durch die Entstehung neuer Minijobs im Niedriglohnbereich bedingt. – Herr Sarrazin! Diese Menschen sind nicht faul, sie können nur von ihrer Arbeit nicht leben, weil die Gesellschaft ihnen keine sozialversicherungspflichtigen und existenzsichernden Arbeitsplätze anbietet. Diese sind nicht im Angebot, sondern Minijobs im Niedriglohnbereich. Ich finde, Arbeitslose brauchen ein Angebot und unsere Unterstützung, um auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzufinden. Sie verdienen auch die Anerkennung, auf diesem Weg begleitet zu werden, statt sie zu kritisieren
und ihnen individuell die Schuld zuzuweisen für das größte gesellschaftliche Problem, das wir in diesem Land haben.
Kinderarmut beginnt nämlich mit Elternarmut. Auch einige Maßnahmen der Bundesregierung der letzten Zeit haben die soziale Schieflage verschärft. Wir schauen uns das Elterngeld an: Vor der Neuregelung gab es dieses Elterngeld gerade für Studentinnen und Studenten, die Eltern sind, für geringverdienende und erwerbslose Eltern 24 Monate lang. Dieser Zeitraum hat sich jetzt halbiert. Das Kindergeld – das gilt für alle Eltern in dieser Stadt und in diesem Land – wird nur noch bis zum 25. Lebensjahr gezahlt. Dadurch ist beispielsweise in Berlin eine bemerkenswerte, schwierige Situation entstanden: Die studierwilligen Abiturienten haben mit Mitte 20 gerade einmal ihre Wartezeit erfüllt, um einen Studienplatz in
Berlin zu bekommen, oder sie müssen in CDU-geführten Bundesländern Studiengebühren zahlen. Da hat es wiederum eine deutliche Verschlechterung für Eltern, aber auch für die betroffenen Kinder gegeben.
Seit Langem diskutieren wir, dass Hartz IV Folgen für die Kinderarmut und Chancengleichheit hat. Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Wissenschaft, viele engagierte Menschen haben dies unterstützt und gesagt: Es ist nicht möglich, mit den Regelsätzen von Hartz IV ein chancengleiches, am gesellschaftlichen Leben teilhabendes Leben zu führen, insbesondere nicht für Kinder. – Deshalb stellen wir genau diese Forderung in den Mittelpunkt unserer heutigen Debatte. Wir finden es wichtig, zuerst über ein Handlungspaket auf Bundesebene und dann darüber zu sprechen, was wir in Berlin bereits erreicht haben und auf welchen Grundlagen wir dieses Problem in Berlin angehen.
Deshalb bitte ich um Aufmerksamkeit für das Handlungspaket, das die Linksfraktion gegen Kinderarmut vorschlägt. Da ist zuallererst die schon lange in Diskussion befindliche Forderung, die Höhe der Regelsätze neu zu bestimmen und eine Berechnungsgrundlage zu wählen, die die entwicklungsbedingten Bedarfe abdeckt – ein besonderes Problem für Kinder und Jugendliche – und Chancengleichheit garantiert. Es geht um die Aufnahme eines neuen Mehrbedarfstatbestandes, z. B. für die Mittagessenverpflegung. Aus dem täglichen Regelsatz von 2,60 € für Essen pro Kind und Tag ist es schwer möglich, auch ein warmes Mittagessen zu finanzieren.
Es geht um das Kindergeld, das nicht mehr auf die Transferleistungen angerechnet werden soll. Da könnte Herr Lindner, würde er zuhören, jetzt etwas lernen, denn er musste ja erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass Arbeitslosengeld II empfangende Eltern gar kein Kindergeld bekommen, weil es auf den Regelsatz angerechnet wird. Also: Da können Sie etwas lernen. Wenn sich unsere Forderung durchsetzt, dann können Sie mit Ihren Forderungen, die uninformiert waren, noch einmal kommen.
Der Kinderzuschlag soll erhöht und damit auch das Verfahren erleichtert werden, diesen Kinderzuschlag zu erlangen. Mehr Kinder sollen in den Genuss dieses Kinderzuschlags kommen.
Als Letztes: Einmalige Leistungen, beispielsweise für die Einschulung oder den Eintritt in die Ausbildung, sollen finanziert werden.
Aber es geht auch darum, was man in Berlin auf der Grundlage eines grundsätzlich guten Gerüstes gegen Kinderarmut und für Chancengleichheit noch tun kann. Dort ist es uns wichtig, ein Starterpaket gegen Kinderarmut für Schulanfängerinnen und -anfänger zu gewährleisten: 50 € für alle Kinder, die von der Lernmittelfreiheit bezahlt sind. Wir haben bis zum nächsten Schulanfang Zeit, uns dafür eine sinnvolle Variante zu überlegen. Viele Kom
munen um Berlin herum haben eine Lösung gefunden; auch wir sollten uns auf diesen Weg machen.
Schon vor der Sommerpause haben wir festgelegt, dass das warme Mittagessen ein wichtiger Bestandteil der Ganztagsversorgung für die Schülerinnen und Schüler ist. Deshalb ist es bereits jetzt so, dass im Ganztagsbetrieb, in der Kita und im offenen Ganztagsbetrieb das Mittagessen 23 € kostet. Wir wollen dies auf den Bereich der gebundenen Ganztagsschule ausweiten und einen Fonds für besondere Lebenssituationen an den Schulen verankern, um den Schulen die Möglichkeit zu geben, auf besondere Härtefälle zu reagieren.
Wir sind dabei, die Frage zu klären, wie der öffentliche Gesundheitsdienst noch besser genutzt werden kann, gerade für einkommensschwache Eltern und Familien. Wie bekommen wir sie dazu, diese Angebote anzunehmen? – Manchmal reicht der Hinweis, dass dort keine Praxisgebühr fällig wird. Diese Vorsorgeuntersuchungen und Beratungen sind für die Kinder außerordentlich wichtig, sie müssen genutzt werden.
Bei der Stärkung der Bildungsinstitutionen – sowohl der Kita als auch der Schule – haben wir sehr viel richtig gemacht. Insbesondere im Vergleich zu anderen Bundesländern zeigt sich, dass wir ein flächendeckendes Netz der Kinderbetreuung von 0 Jahren bis zum Schuleintritt erhalten und ausgebaut haben. Wir bekommen, wie der Senat am Dienstag beschlossen hat, bis 2013 noch einmal 90 Millionen € für den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur der Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren vom Bund. Das ist sehr gut, weil es für die qualitative Verbesserung dieses Standortfaktors, der uns von anderen Bundesländern unterscheidet, sorgt. Es ist uns auch gelungen, diese Betreuungseinrichtungen mit dem Bildungsanspruch und der Sprachförderung zu verbinden. Wir haben zudem einen besseren Zugang als die meisten anderen Bundesländer. Trotzdem wünschen wir uns einen ganztägigen oder wenigstens ganztagsähnlichen Zugang für Kinder von erwerbslosen Eltern. Wir werden in dieser Legislaturperiode noch genau prüfen, ob wir diesbezüglich auch noch handlungsfähig werden können.
Darüber hinaus gibt es weitere sehr gute Beispiele, über die man Bescheid wissen sollte: Die HOWOGE macht Schule mit einem Bildungsvertrag, den sie zwischen Schule, Volkshochschule und Bibliotheken abgeschlossen hat und der die kostenlose Nutzung der Bibliothek für Bewohner und Mieter der HOWOGE vorsieht. Das Netzwerk Kinderschutz haben wir für die aufsuchende Elternhilfe aufgestockt. Ein Wort noch zur Gemeinschaftsschule: Die Chancengleichheit war für meine Partei und für die Koalition sehr wichtig. Es war eine sehr prägnante und schmerzliche Erfahrung, dass für große Teile der Opposition die Chancengleichheit, die im gegliederten Schulsystem überhaupt nicht gewährleistet wird,
kein Thema ist. Die Grünen haben sich mit Argumenten, die ich nicht nachvollziehen kann, vom Acker gemacht.
Das ist ein Thema, das wir weiterhin verfolgen werden. Ich bedanke mich bei allen Schulen, die mitmachen. Das Thema Leistung und Gemeinschaftsschule wird uns noch sehr lange beschäftigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Überbringen guter Nachrichten gehört zu den schönen Momenten in der Arbeit einer Fraktionsvorsitzenden. Es tat gut, als ich meine Fraktion am vergangenen Freitag über den erfolgreichen Verkauf der Landesbank informieren konnte.
Die Diskussion um die Bankgesellschaft war in den letzten sechs Jahren immer voller Emotionen. Sie begann mit einem Skandal und dem Bruch der großen Koalition. Klaus Wowereit wurde Regierender Bürgermeister. Und nach einem Intermezzo von Rot-Grün wurde Rot-Rot in Berlin möglich. Kein anderes Thema ist in dieser Stadt so intensiv und so emotional begleitet worden wie der Umgang mit der Bank. Es gab Volksbegehren und üble Plakate, auf denen selbst diejenigen an den Pranger gestellt wurden, die angefangen hatten aufzuräumen. Es gab Vorwürfe von rechts und ganz links, von IHK und EU. Wir haben uns all dem mit großer Entschlossenheit entgegengestellt. Deshalb bin ich froh und erleichtert, dass die größte Bankenkrise in Deutschland ein positives Ende gefunden hat. Ich bin zufrieden, weil wir unser Versprechen erfüllt haben. Wir können stolz sein, dass die Koalition trotz massiver Anfeindungen von allen Seiten Kurs gehalten hat.
Der rot-rote Senat hat das von der EU geforderte diskriminierungsfrei Verkaufsverfahren zu einem sehr guten Abschluss gebracht. Der Verkauf der Landesbank an den Sparkassen- und Giroverband ist eine großartige Nachricht für die Berlinerinnen und Berliner. Damit steht fest, dass die Sparkasse in öffentlicher Hand und in Berlin bleibt. Das Management, das die Landesbank erfolgreich sanieren konnte, bleibt in der Stadt. Das sorgt für Kontinuität, was im Bankgeschäft bekanntlich von hohem Wert ist. Die Arbeitsplätze bleiben erhalten. Es können durchaus wieder mehr entstehen. Eine flächendeckende Versorgung mit Bankdienstleistungen ist gesichert. Der Sparkassen- und Giroverband hat die besondere Chance zur
Sicherung des Drei-Säulen-Modells im deutschen Bankensystem gesehen und hat sie ergriffen.
Der Verkaufserlös, der sich aus einem Kaufpreis von 4,622 Milliarden € und der Ablösung der stillen Einlage von 723 Millionen € zusammensetzt, entlastet die Stadt in erheblichem Maß von ihren mit der Risikoabschirmung verbundenen Verpflichtungen. Die Höhe des Kaufpreises ist auch ein Teil der Wiedergutmachung dafür, dass Berlin keinen Cent aus dem Sparkassensicherungsfonds erhalten hat.
Das sind viele Gründe und gute Gründe, all denen einmal Dank zu sagen, die in den vergangenen sechs Jahren hart dafür gearbeitet haben. Das waren die Abgeordneten der Koalition, die standhaft blieben. Wir haben 2004 gemeinsam ein gutes Sparkassengesetz verabschiedet und bis zuletzt gemeinsam deutlich machen können, dass jeder neue Eigentümer der Sparkasse verpflichtet sein würde, seinen Unternehmenssitz in Berlin zu halten und das Girokonto für alle anzubieten.
Bedanken möchte ich mich im Namen der Fraktion bei Berlins Finanzsenator Sarrazin, der seinen Job ausgezeichnet gemacht hat.
Dank auch dem Management der Bank, das kompetent und unaufgeregt die Sanierung des Unternehmens vollzogen hat. Insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bank möchte ich danken. Sie haben die Zeiten der Ungewissheit mit großem Engagement begleitet. Sie haben den Stellenabbau mitverfolgen müssen, der eine wichtige Voraussetzung dafür war, dass die Geschichte der Bank zu einem guten Ende geführt wurde.
Nicht zuletzt den Berlinerinnen und Berlinern möchte ich Dank sagen. Sie haben der Bank ihre Treue gehalten. Das war eine wichtige Voraussetzung dafür, dass – wie es Herr Finanzsenator Sarrazin so schön beschrieben hat – „eine geschmückte Braut“ vorgewiesen werden konnte. Das hat zum Verkauf geführt.
Ich bitte um Verständnis, aber der Opposition zu danken, ist beim besten Willen nicht möglich.
Dass eine Bank nicht automatisch in der öffentlichen Hand besser aufgehoben ist, zeigt die verhängnisvolle Geschichte der Berliner Bankgesellschaft. Zwei Legislaturperioden, zwei Untersuchungsausschüsse haben sich mit der Aufarbeitung beschäftigt. Ich erlaube mir, aus dem Fazit unseres Mitglieds Michail Nelken zu zitieren, der hier vor gut einem Jahr im Abschlussbericht konstatierte:
Die Entwicklung der Bankgesellschaft von der Gründung bis in die Existenzkrise war ein Spiegelbild des politischen Regierens im Berlin der 90er Jahre. In diesem lebten Gewohnheiten, Abhängigkeiten, Sichtweisen und Beziehungsgeflech
te der Westberliner Gesellschaft fort, obgleich sich die wirklichen gesellschaftlichen Verhältnisse in der Stadt und im Land radikal geändert hatten.
Am Beginn des Berliner Bankenskandals standen eine unkorrekte Parteienspende an die Berliner CDU und Millionenverluste für einen fragwürdigen Kredit an die Spender und Parteifreunde des CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus-Rüdiger Landowsky. Im Verlauf des Jahrs 2001 wuchs sich der Skandal von einer Existenzkrise des Konzerns Bankgesellschaft zur größten bundesdeutschen Bankenkrise aus.
Die Linke – damals noch PDS – hatte die Gründung und die Konstruktion der Bankgesellschaft, die Vermischung aus Öffentlich-Rechtlichen und Privaten immer deutlich abgelehnt und vor den finanziellen Risiken für das Land deutlich gewarnt. Nun, es waren die Warner, die den Karren letztlich aus dem Dreck ziehen durften.
Vor gut fünf Jahren hatten die Abgeordneten hier im Haus eine unglaublich schwierige Entscheidung zu treffen – zwischen Pest und Cholera, wie unser damaliger Fraktionsvorsitzender und heutiger Wirtschaftssenator Harald Wolf es beschrieb. Es ging um die Risikoabschirmung. Ich kann mich noch gut erinnern, wie die Abgeordneten meiner Fraktion über Wochen Zeit im Datenraum zubrachten, heftige Debatten im und außerhalb des Hauses führten, Sachverständige hinzuzogen. Am Ende wurde die Entscheidung nicht schöner.
Was wir hier beschließen müssen, ist abartig, es ist pervers, dass das Land Berlin für derartige Geschäfte in die Haftung treten muss.
Das sagte Harald Wolf damals, an jenem 8. April 2002 in der Debatte. Ja, letztlich war der Mehrheit in diesem Haus klar, eine Alternative wäre für Berlin um ein Vielfaches schlimmer gewesen. Denn die Alternative zur Risikoabschirmung hätte die Insolvenz der Bankgesellschaft bedeutet. Kurzfristig hätte das Land für gigantische Summen einspringen müssen. Mehr als die Hälfte der kleinen und mittleren Unternehmen, die am Netz der Bankgesellschaft bzw. der Landesbank hingen, wären über Nacht ohne Geschäftskonto und Kreditgeber gewesen. Das hätte die Wohnungsbaugesellschaften, die Wohnungsbaugenossenschaften betroffen, die Krankenhausgesellschaft, den Wissenschaftsstandort Adlershof, das Gesundheits- und Forschungszentrum Buch, und 14 000 Arbeitsplätze bei der Bankgesellschaft wären schlagartig weggefallen. Nicht zuletzt deshalb haben die Gewerkschaften, die ein großes Interesse daran hatten, dass das Risiko der Bankgesellschaft vom Land Berlin abgeschirmt wird, einen sehr deutlichen Kurs gefahren.
Auch Zweifler aus den eigenen Reihen erkannten mit den Jahren, dass die Risikoabschirmung die beste der möglichen Alternativen war. Mit der Risikoabschirmung hat Rot-Rot zudem ein Kontrollrecht des Abgeordnetenhauses durchgesetzt, dass es in Zeiten, als die große Koalition diese Stadt regierte, nie gab.
Und erinnert sei auch an die Grünen, die damals aus fadenscheinigen Gründen der Risikoabschirmung ihre Zustimmung verweigert haben.
Ein Weg zwischen Pest und Cholera, wir haben ihn gefunden, und er war schwer. Wir haben weiter die Nerven behalten. Als sich Ende 2002 abzeichnete, dass die Privatisierungsbemühungen auf Angebote von US-Investmentgesellschaften wie Lone Star und Flowers hinausliefen, haben wir die Notbremse gezogen. Als das Angebot lautete: 10 Millionen € für Flowers und dafür alle Risiken beim Land. Da haben wir gesagt: Nein! – Und da kam Freude auf.
Die Debatte vom 27. März 2003 hat hier schon eine Rolle gespielt. Herr Zimmer von der CDU warf dem Senat einen Crashkurs bei der Bank vor. Herr Lindner bescheinigte uns Unfähigkeit, zur Privatisierung zu kommen, und erkannte „Obstruktion beim Management, bei Verdi und den üblichen Verdächtigen“. Der Senat, so wetterte der FDP-Fraktionschef, sei eine Versammlung von gelernten Soziologen, Gewerkschaftlern und Bürokraten. Und er prophezeite, die Bankgesellschaft sei das Ende von RotRot.
Aber trösten Sie sich, mit dieser Auffassung, Herr Lindner, hätten Sie sogar Unterstützer in den Reihen meiner Partei gefunden. Hier sorgten das Verkaufsverfahren und ein Exkurs über das Berliner Sparkassengesetz für Aufklärung. Dort ist klar formuliert – wie in allen deutschen Sparkassengesetzen, auch im saarländischen –, dass es Aufgabe der Sparkasse ist, den Kreditbedarf vor allem der kleinen und mittelständischen Unternehmen zu befriedigen, das Sparen der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungsschichten zu fördern, und dass es Hauptzweck des Geschäftsbetriebs der Sparkasse ist, nicht die Gewinnerzielung an die vorderste Stelle zu stellen.
Es ist eben besser, die Dinge von ihrem Ergebnis her zu betrachten.
Rot-Rot hat sich damals entschlossen, die Bankgesellschaft erst zu sanieren und dann zu verkaufen, und das war genau richtig.
Denn auch die Europäische Kommission ließ nicht locker. Die 2002 beschlossene Risikoabschirmung war in ihrer Höhe europaweit einmalig und bei der EU genehmigungspflichtig. Am 18. Februar 2004 wurde sie letztlich unter der Bedingung erlaubt: Berlin muss die Landesbank bis 2007 diskriminierungsfrei verkaufen und damit die Verflechtung zwischen privatrechtlich organisierter Bank und öffentlicher Hand endgültig auflösen. Wir mussten international ausschreiben, damit war klar: Ohne Verkauf keine Beihilfe, und ohne Beihilfe keine Fortexistenz der Bank, und zwar der gesamten Bank ohne Wenn und Aber. Die EU-Kommission hat diese Aufgabe nicht grundlos
formuliert, schließlich hat die Bank eine marktbeherrschende Stellung, und der Marktanteil der Sparkasse liegt bei nahezu 60 Prozent.
Hier ist heute in der Debatte die allergrößte Differenz klar geworden zwischen allen einzelnen Oppositionsparteien auf der einen Seite und der Regierungskoalition auf der anderen Seite. Als aufgeklärte Europäerin habe ich mich während des Privatisierungsverfahrens in der Tat öfter gefragt: Was soll das? – Ich bin ins Grübeln geraten. Wollte die EU-Kommissarin ein diskriminierungsfreies Verfahren überwachen oder die sparkassenfreie Zone in Berlin ermöglichen? Ich finde, diese Frage bleibt offen.
Der Senat und die Koalition haben einen unideologischen Weg aus der Krise gesucht und pragmatische Lösungen gefunden. Maßgabe waren immer und ausschließlich die Rettung der Bank für die Berlinerinnen und Berliner und die Reduzierung des damit verbundenen Risikos, die Sicherung von Arbeitsplätzen und der Erhalt eines Geldinstituts für die sogenannten kleinen Leute. Wir hatten weder Zeit für noch Lust auf ordnungspolitische Abenteuer, die hatten andere bekanntlich umso mehr. Frei von wirklicher Verantwortung plädierten sie für Experimente auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger. Das gilt für die ganz Linken, denen das Gefühl wichtiger als das Ergebnis war, und für die Liberalen, deren Privatisierungswahn zur finanziellen Katastrophe geführt hätte; für die Grünen, die immer dann, wenn es darauf ankam, sich einen schlanken Fuß gemacht haben, und auch für die IHK, deren wirtschaftspolitischer Fundamentalismus sie hat dafür plädieren lassen, die Bank für einen Apfel und ein Ei zu verscherbeln. Es ist gut, dass wir auf all diese Ratgeber nicht gehört haben.
Noch ein Wort zur CDU. Ich weiß, dass sechs Jahre nach dem Bankenskandal und nun, da mit dem Verkauf der Landesbank die Geschichte eine positive Wende genommen hat, die Versuchung groß ist zu glauben, mit einer partiellen personellen Erneuerung könnten Sie einen Schlussstrich unter das Desaster ziehen. Dem ist nicht so. Die Stadt ist nicht so vergesslich, wie Sie glauben. Und wenn Sie dieser Tage wieder großmäulig über die Schulden des Landes Berlin daherreden, dann sollten Sie einmal nachdenken über Ursachen und Wirkungen, etwas Demut wäre angebracht.