Protokoll der Sitzung vom 08.03.2012

Zusammenstellung der vom Senat vorgelegten Rechtsverordnungen

Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 17/0194

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion Die Linke und die Piratenfraktion bitten um Überweisung der Verordnung mit der lfd. Nr. 1 – die Verordnung Nr. 17/027 – „Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung“ an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie.

Die Fraktion der SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bitten um Überweisung der Verordnung mit der

lfd. Nr. 2 – Verordnungsnummer 17/028 – „Achtundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Feuerwehrbenutzungsgebührenordnung“ an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung.

Die Piratenfraktion bittet um Überweisung der Verordnung mit der lfd. Nr. 3 – Verordnungsnummer 17/029 – „Verordnung über die Durchführung von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung von Gesundheitsfachberufen (Modellvorhabenverordnung)“ an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales.

Weitere Rechtsverordnungen liegen nicht vor.

Kommen wir nun zu

lfd. Nr. 13:

Neue Liegenschaftspolitik I: Vorratsvermögen bilden!

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0187

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und das Wort hat die Abgeordnete Frau Herrmann. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute reden wir über den Umgang mit den Liegenschaften Berlins. Also geht es ums Geld, um Vermögen. Der Koalitionsvereinbarung kann man entnehmen, dass die Koalition eine andere Liegenschaftspolitik verfolgen will. Aber während die Zeit voranschreitet, ist außer dieser Willensbekundung nicht viel passiert. Ja, Papier ist geduldig. Aber die Stadt wartet nicht in ihrer Entwicklung, bis der Senat endlich anfängt zu arbeiten.

Bisher kennen wir nur zwei Kategorien der Vermögenszuordnung: erstens das Fachvermögen, in dem alle betriebsnotwendigen Gebäude und Grundstücke angesiedelt sind, und zweitens das Finanzvermögen, das ist alles andere, und das geht in den Liegenschaftsfonds und soll verkauft werden. Das wollen wir ändern. Landeseigene Immobilien müssen endlich für eine nachhaltige Entwicklung der Stadt eingesetzt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Sie dürfen nicht nur mittels Bieterverfahren zum Höchstpreis an Investoren am Markt verhökert werden. Damit stopfen sie auf der einen Seite schnell Finanzlöcher, reißen aber auf anderen Feldern, etwa in der Stadtentwicklung, neue Löcher auf, die uns nach Jahren teuer zu stehen kommen werden.

Aber in den vergangenen zehn Jahren hat der Liegenschaftsfonds 5 500 Immobilien mit einer Fläche von 13,9 Millionen Quadratmetern verkauft. Die Anzahl der

Gebäude wird immer kleiner. Heute sind es noch rund 1 600. Ein Großteil dieser zur Verfügung stehenden Grundstücke liegt nicht in der Innenstadt. Berlin verändert sich relativ schnell, ob Sie das nun wollen oder nicht. Gegenden, in denen gerade Kindergärten und Schulen geschlossen werden, können morgen einen erfreulichen Babyboom erleben. Uns allen sind Fälle bekannt, zum Beispiel in Mitte, wo einfach gewartet wurde. Und plötzlich waren viele Kinder da, die in die Grundschule kommen sollten, aber es waren nicht genug Grundschulen vorhanden. Wir möchten niemals in die Lage kommen, dass wir dringend Gebäude, zum Beispiel Kitas oder Schulen, brauchen und keine mehr haben, weil wir alle verkauft haben, und dann am Markt in einer Zwangssituation zu extrem hohen Preisen Grundstücke und Gebäude kaufen müssen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das ist nur ein Beispiel von vielen. Es zeigt aber: Wenn Sie nicht schnell etwas unternehmen, dann haben wir bald gar keine Grundstücke mehr, mit denen wir stadtentwicklungspolitische, kulturelle oder soziale Steuerung ausüben könnten. Insbesondere in der angespannten Situation in der Innenstadt wäre es dringend geboten, mit einer anderen Liegenschaftspolitik sicherzustellen, dass Berlin auch noch in zehn Jahren ausreichend Grundstücke besitzt, um die kommunale Daseinsvorsorge sicherstellen zu können.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Daran wird deutlich: Die Liegenschaftspolitik der Stadt ist nicht mehr zeitgemäß. Das ist schnelles Geld, aber keine nachhaltige Stadtentwicklung. Viele Handlungsspielräume haben wir uns bereits genommen. Wer jetzt nicht gegensteuert, der handelt politisch – auch finanzpolitisch – fahrlässig.

Deshalb schlagen wir Ihnen mit unserer Initiative „Neue Liegenschaftspolitik I“ die Bildung eines Vorratsvermögens vor. Im Konkreten würde das Vorratsvermögen aus Grundstücken und Gebäuden bestehen, die aktuell nicht benötigt werden, aber zukünftig für die fachliche Nutzung dem Land und den Bezirken noch zur Verfügung stehen würden, weil sie eben nicht verkauft werden würden. Unser Vorschlag ist, dass dieses Vermögen von der BIM verwaltet wird. Um nicht jeden Einzelfall prüfen zu müssen oder die Finanzverwaltung der Versuchung auszusetzen, auf Kosten zukünftiger Generationen wertvolle Grundstücke und Immobilien zu verflüssigen, wollen wir im Abgeordnetenhaus darüber entscheiden, welche Liegenschaften in das Vorratsvermögen gehören. Ja, dafür brauchen wir die angekündigte Portfolioanalyse, und dann müssen wir hier politisch darüber reden, welche Grundstücke bevorratet werden müssen.

Es ist eine Umsteuerung nötig. Die einzige Liegenschaftspolitik, die Rot-Schwarz bis jetzt betreibt, folgt der Devise: Liegen lassen.

[Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Unfähigkeit oder Unwillen? – Das Ergebnis ist dasselbe: Ein Stillstand, den Berlin sich nicht leisten kann.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Nolte das Wort. – Bitte sehr, Herr Nolte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen ist schon etwas kurios, denn alle Fraktionen haben sich verständigt, am 25. April im Hauptausschuss über das Thema „Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik“ zu beraten. Insofern ist es unverständlich, dass die Grünen jetzt im Februar vor der Debatte im April noch einen Antrag einbringen, der allenfalls in Nuancen – wenn überhaupt – von dem abweicht, was im Grunde genommen alle Parteien wollen.

Denn dass die Liegenschaftspolitik verändert werden soll, ist in unserer Koalitionsvereinbarung nachzulesen:

Die Liegenschaftspolitik wird neu ausgerichtet. Die Koalition will neben den fiskalischen Zielen die Vermarktung und Entwicklung landeseigener Grundstücke stärker an stadtentwicklungs-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Zielen ausrichten und soziale, kulturelle, stadträumliche, ökologische und nachhaltige Ziele, aber auch arbeitsmarktpolitische Aspekte dabei berücksichtigen. Wir lehnen eine Veräußerung von Liegenschaften nach reinem Höchstpreisprinzip ab, wenn es wichtige Gründe gibt, die dem entgegenstehen.

Jetzt fordern die Grünen in ihrem Antrag:

Der Senat wird aufgefordert, die landeseigenen Immobilien für die nachhaltige Entwicklung der Stadt einzusetzen und die bisherige Politik zu ändern, aktuell nicht benötigte Grundstücke und Gebäude generell zu verkaufen.

Das Einzige, was ich verändert sehe, ist, dass Sie sagen, die landeseigenen Immobilien. Insofern wollen Sie wohl mit Ihrem Antrag erreichen, dass überhaupt kein Grundstück mehr verkauft wird und dass die Grundstücke, auch wenn man sie auf unabsehbare Zeit gar nicht braucht, in einen neuen Topf, den Sie Vorratsvermögen nennen, einzubringen sind. Da haben wir dann in der Tat einen Unterschied. Wir sagen, es soll nicht mehr grundsätzlich verkauft werden, sondern wenn – wie ich vorhin schon

sagte – Grundstücke für andere wichtige Zwecke erforderlich sind, dann wird nicht zum Höchstpreis verkauft.

Im Übrigen sind wir da überfraktionell weitgehend einer Meinung. Sie können den Antrag von SPD und Linke vom 3. Juni 2010 nachlesen: Grundstücksentwicklung mit Augenmaß – Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik.

[Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Schon 2010 haben wir formuliert:

Künftig soll beim Umgang mit landeseigenen Liegenschaften durch die stärkere Berücksichtigung von wirtschafts-, wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen Zielen – neben den fiskalischen Interessen – eine nachhaltige und langfristigstrategische Wertschöpfung für das Land Berlin angestrebt und erzielt werden.

In diesem Antrag ist im Übrigen auch bereits der Gedanke enthalten, das die BIM für einen längeren, aber begrenzten Zeitraum die Vorhalteflächen bewirtschaften und die Hälfte der Bewirtschaftungskosten tragen bzw. die Hälfte der Erträge vereinnahmen soll.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Also, das, was Sie mit Ihrem Antrag initiieren wollen, ist längst vom Parlament beschlossen und auf dem Wege, denn der Senat hat bereits den 4. Zwischenbericht vorgelegt. Wenn Sie diesen lesen, werden Sie feststellen, dass es nicht böse Absicht des Senats ist, die Liegenschaftspolitik nicht zu verändern, sondern der Senat muss tatsächlich noch schwierige steuerrechtliche Fragen klären. Und wir erwarten dann – und erhoffen das auch –, dass im April die Vorlage des Senats vorliegt und wir aufgrund der Senatsvorlage eine Diskussion im Hauptausschuss führen können.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Nolte?

Was Sie hier heute machen, ist Aktionismus, und in der Sache rennen Sie ohnehin offene Scheunentore ein.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Dann hat für die Linksfraktion jetzt Frau Dr. Schmidt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Schneider! Wir haben im Hauptausschuss noch viel Gelegenheit, uns zu diesem Thema zu verständigen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen! Der uns vorliegende Antrag ist der erneute Versuch, das Vorhaben aus den vergangenen Legislaturperiode aufzugreifen, landeseigene Immobilien für die nachhaltige Entwicklung der Stadt einzusetzen und Vorratsvermögen zu bilden. Ihr damalige Antrag war aber schon differenzierter. Der jetzige wird auch nicht besser, wenn nun von Kosten und Einkünften gesprochen wird. Allerdings – und das teile ich ausdrücklich, verehrte Frau Herrmann –: Das Anliegen, Liegenschaftspolitik des Landes stärker als bisher an Kernzielen auszurichten, die nicht nur fiskalpolitisch dominiert sind, sondern auch den sozial-, wirtschafts- und stadtentwicklungspolitischen Anforderungen entsprechen, muss dringend umgesetzt werden. Hier geht es tatsächlich um eine langfristige Entscheidung für die Stadt. Es besteht hier aus unserer Sicht dringender Handlungsbedarf, auch wenn – Herr Nolte hat einen Beschluss genannt – in den vergangenen Jahren schon wichtige Parlamentsbeschlüsse zur Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik gefasst worden sind.

Herr Nolte! Sie sagen, die Beschlüsse sind in der Umsetzung. – Das stimmt, aber ich muss auch sagen: Seit 2008 sind Beschlüsse gefasst worden. Wir haben jetzt 2012. Ein bisschen schleppend läuft das! Das werden Sie bestätigen müssen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und in Ihrer Koalitionsvereinbarung versprechen Sie als Koalition sehr viel, nur auf die Umsetzung warten wir noch immer.