Ich will noch eine Autorität bemüßigen. Sie brauchen mir nicht unbedingt zu folgen. – Mit der Anhebung der Grenze und der angeblichen Erleichterung der Vergabebedingungen werden Sie mitnichten den Wettbewerb ankurbeln und mitnichten die kleinen und mittelständischen Unternehmen fördern. Ich berufe mich auf die Untersuchung des Bundesrechnungshofs über die erleichterten Vergabebedingungen beim Konjunkturprogramm II. Der Bundesrechnungshof kommt in seinem Bericht vom Februar dieses Jahres zu dem Ergebnis,
dass die mit den Vergabeerleichterungen verfolgten Ziele im Wesentlichen nicht erreicht wurden. Stattdessen mussten deutliche Nachteile beim Wettbewerb und bei der Wirtschaftlichkeit sowie eine erhöhte Korruptions- und Manipulationsgefahr in Kauf genommen werden. … Die Vergabeerleichterungen haben den Wettbewerb deutlich eingeschränkt.
Der Bundesrechnungshof sieht eine erhöhte Korruptions- und Manipulationsgefahr, und er sieht keine Gegenmaßnahmen bei den Vergabestellen. Zudem haben diese Vergabeerleichterungen nach den Auswertungen des Bundes
rechnungshofes im Durchschnitt zu Mehrausgaben von bis zu 13 Prozent pro Auftrag geführt. Das sollten Sie sich auf die Rolle nehmen: Vergabeerleichterungen führen manchmal genau zum Gegenteil von dem, was Sie versprechen.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Gäste! Die Piratenfraktion begrüßt die von der Koalition vorgeschlagenen Änderungen am Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz. Wir werden dieser Gesetzesänderung zustimmen.
Aber wir würden unserer Aufgabe im Parlament nicht gerecht, wenn wir Gesetze der Koalition kommentarlos abnickten. Wir haben ja auch unseren Ruf als Besserwisser zu verteidigen.
Die Anhebung des Mindestlohns auf 8,50 Euro – ein großer Schritt für die CDU, ein kleiner Schritt für die Mindestlohnempfänger in Berlin, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung!
Danke! – Jede vierte Frau und jeder siebte Mann unter den Beschäftigten verdienen derzeit weniger als 8,50 Euro. Auch hier im Haus gibt es Mitarbeiter, die aufgrund dieses Gesetzes auf eine Lohnerhöhung hoffen können. Das sollte man auch mal erwähnen.
Die Anhebung des Mindestauftragswerts auf 10 000 Euro halten wir auch für sinnvoll. Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass klare Regelungen in das Gesetz Eingang fänden, die das Stückeln größerer Ausschreibungen und die schon erwähnte mögliche größere Korruptionsgefahr verhindern. Allerdings halten wir die Anhebung des Mindestauftragswerts auf 10 000 Euro auch deshalb für sinnvoll, weil eine wirksame Kontrolle ohnehin nicht erfolgt und bei kleineren Beträgen auch unwirtschaftlich wäre.
Wir wünschen uns allerdings, dass die Gesetzesänderung, wie es auch versprochen wurde, zum Anlass genommen wird, die vielen Missstände in der bisherigen Anwendung und Umsetzung dieses Gesetzes zu beseitigen. So würden wir uns wünschen, dass die eigentlich vorgeschrie
bene Kontrollkommission endlich eingesetzt wird. Wir fänden es auch sehr gut, wenn die Mitarbeiter in den rund tausend Vergabestellen ausreichend geschult würden, um das Ganze vernünftig anzuwenden. Wenn zukünftig alle einschlägigen Aufträge auch auf der Berliner Vergabeplattform erfasst würden, wäre das sicherlich sehr hilfreich. Es ist gut, dass jetzt gesetzlich geregelt ist, dass alle zwei Jahre ein Vergabebericht vorgelegt wird. So erfahren wir vielleicht, ob die Vorgaben des Gesetzes überhaupt eingehalten werden, ob überhaupt Kontrollen durchgeführt und welche Verstöße dabei festgestellt werden.
Sollte aber für all das kein Geld da sein, gäbe es noch eine andere einfache Lösung, wie mit wenig zusätzlichem Aufwand die Umsetzung dieses Gesetzes deutlich verbessert werden kann. Wir haben das Wort Transparenz heute schon häufiger bemüht, aber gerade im Bereich der Ausschreibung und Vergabe kann das ein effizientes und effektives Mittel sein, um Ziele zu erreichen, ohne überbordende Regulierung schaffen zu müssen. Ich kann jetzt schon ankündigen, dass wir Piraten hier noch in diesem Jahr einen Vorschlag machen werden, wie man dem Ausschreibungs- und Vergabegesetz noch ein Transparenzgesetz zur Seite stellen kann. Hier und heute unterstützen wir die kleinen Schritte in die richtige Richtung und würden uns freuen, wenn der Senat die Umsetzung des Gesetzes nicht aus den Augen verliert. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Mayer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Zum Tagesordnungspunkt 4.4 hat sich die Fraktion der CDU der Priorität der Fraktion der SPD unter Tagesordnungspunkt 4.3 angeschlossen.
Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Abgeordnete Bangert hat das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD in Bremen hat es gut, denn die SPD in Bremen hat einen Koalitionspartner, der uneingeschränkt zum Mindestlohn steht, Bündnis 90/Die Grünen.
Am 23. Februar 2012 hat die Bremische Bürgerschaft in erster Lesung ein Landesmindestlohngesetz beschlossen. SPD und Grüne hatten diesen Gesetzesantrag eingebracht. Weil die Bundesregierung beim Mindestlohn nicht in die Gänge kommt, hat das Land Bremen beschlossen, seinen regionalen Handlungsspielraum zu nutzen, und führt einen Mindestlohn auf Landesebene einen. Bremen ist damit das erste Bundesland, das einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro brutto einführt, für Beschäftigte des Landes, die Stadtgemeinden und Unternehmen, die Zuwendungen des Landes Bremen erhalten.
Genau! – Die Bundesländer verfügen leider nicht über die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, aber alle Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer des jeweiligen Landes. Aber mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist es sehr wohl vereinbar, ein Landesgesetz zu erlassen, das sich darauf konzentriert, dem Land Vorgaben zum Mindestlohn zu machen und entsprechende Handlungspflichten aufzuerlegen, und genau das haben SPD und Grüne in Bremen gemacht. Wir meinen: Das ist vorbildlich, und das Land Berlin sollte diesem Beispiel folgen.
Deshalb bringen wir heute diese Gesetzesinitiative für ein Landesmindestlohngesetz für Berlin ein. Mit dem Ausschreibungs- und Vergabegesetz hat das Land Berlin bereits wirksame Regelungen für die öffentliche Auftragsvergabe getroffen. Der Antrag auf Änderung des Vergabegesetzes wurde gerade von SPD und CDU eingebracht. Auch hier wird nun zukünftig ein Mindestlohn von 8,50 Euro zugrunde gelegt. Aber nicht nur bei der Auftragsvergabe, sondern auch in anderen Bereichen muss für die Durchsetzung eines Mindestlohns ein höheres Maß an Verbindlichkeit geschaffen werden. Dafür brauchen wir ein Mindestlohngesetz für das Land Berlin,
das klare Handlungsrichtlinien für alle Fälle benennt, in denen öffentliche Mittel verwendet werden.
Als hätte es der rot-schwarze Senat schon bei der Haushaltsaufstellung geahnt, dass wir ein Landesmindestlohngesetz einbringen werden, finden wir an zahlreichen Stellen im Haushalt die Formulierung – ich zitiere –:
Mehr gegenüber dem Ansatz in 2011 wegen der Gewährleistung der Zahlung von Löhnen auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns.
Stimmen Sie also der Einführung eines Mindestlohns für die Beschäftigten des Landes, der öffentlichen Unternehmen und Einrichtungen, der privaten Unternehmen, die öffentliche Aufträge ausführen, und der Unternehmen, die öffentlich gefördert werden, zu! Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn auch bundesweit, weil ein Mindestlohn die Wirtschaft stabilisiert und höhere Löhne die Kaufkraft steigern. Das wissen wir inzwischen alle.
Gleichzeitig verringert ein gesetzlicher Mindestlohn die Kosten für Sozialleistungen, Gelder, die in die Bildung investiert werden können, damit weniger Menschen aufgrund schlechter Voraussetzungen am Existenzminimum leben müssen. So schließt sich der Kreis bzw. die Lohnschere. Das klingt einfach, ist es auch. Stimmen Sie der Einführung eines Mindestlohns für das Land Berlin zu, denn er ist die elementare Grundlage für mehr soziale Gerechtigkeit! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Bangert! – Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Jahnke das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grünen reichen hier einen Antrag ein, der im Kern ein Ziel beinhaltet, das auch von uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verfolgt wird,
dass nämlich Menschen, die den ganzen Tag lang arbeiten, am Ende des Tages auch davon leben können. Dies sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt allerdings leider, dass es immer mehr Menschen betrifft, die sich nach getaner Arbeit noch beim Jobcenter in die Schlangen einreihen müssen, um am Ende des Monats das Existenzminimum zu erreichen, die sogenannten Aufstocker. Allein in Berlin betrifft das bereits über 100 000 Menschen.
Frau Matuschek! Wenn ich eben von menschenwürdiger Bezahlung und Anerkennung für die Arbeit sprach, war das gerade nicht als Sozialamt gemeint, sondern dass der Marktprozess gerade diese Löhne, die nicht menschenwürdig sind, hervorgebracht hat und dass darum ein Mindestlohn her muss, um es zu gewährleisten.