Protokoll der Sitzung vom 24.05.2012

Deswegen – um es zusammenzufassen –, wird der Liegenschaftsfonds weiterhin Grundstücke verkaufen.

Das Thema Erbbaurechte ist ein Instrument, ich hatte das eben schon gesagt, um Nutzungsbindungen sicherzustellen. Es ist richtig, wenn wir verkaufen und fördern, dann muss dieser Förderungszweck rechtlich abgesichert werden. Das ist nicht ganz einfach. Das Erbbaurecht ist hierzu ein Instrument. Aber ich sehe auch nicht, dass wir jetzt Erbbaurechte flächendeckend einsetzen, denn das würde ja dazu führen, dass wir nicht den Verkaufserlös erhalten, sondern über die Jahre Erbbaupachtzahlungen, die nachgehalten, verfolgt und konkurssicher gemacht werden müssen. Deswegen kann es nicht ein regelmäßiges Instrument sein, aber es kann ein Instrument sein, bei besonders bedeutsamen Grundstücken sicherzustellen, dass die Nutzungsbindung aufrechterhalten wird und vor allen Dingen gegebenenfalls das Grundstück wieder an die Stadt zurückfällt und kommende Generationen neue stadtpolitische Entscheidungen über zentrale Grundstücke treffen können.

Ich persönlich bin relativ unemotional bei der Frage, wen Sie fördern wollen. Das muss letztlich das Abgeordne

tenhaus entscheiden, weil es öffentliches Vermögens ist. Das ist aus meiner Sicht primär eine Entscheidung des Abgeordnetenhauses. Aber ich bin nicht leidenschaftslos in der Frage, wie die Verfahren gestaltet sind. Deswegen sehe ich hier eher und primär die Aufgabe des Senats, auch des Finanzsenators, die Verfahren so zu gestalten, dass deutlich wird, dass öffentliches Vermögen unter Wert weggegeben wird, was die Gegenleistung ist, dass die Nutzungs- und Förderungsbindung auch langfristig sichergestellt wird und dass wir hier auch eine offene Debatte darüber führen können, dass das, wie gesagt, eben nicht nach Gutsherrenart geht.

Sie haben in der Diskussion auch das Thema der Nachbestückung angesprochen. Ich möchte hier noch einmal deutlich machen, dass ein Großteil der Grundstücke des Landesvermögens bei den Bezirken liegt, nicht beim Liegenschaftsfonds. Das ist der geringste Teil dessen. Das, was in den Liegenschaftsfonds gebracht worden ist, ist schon einmal geclustert worden, auch in den Bezirken. Die Bezirke – ich sage das noch einmal – haben es mit ihrem Bauplanungsrecht sehr stark in der Hand, was der Wert eines Grundstückes ist. Sie können über Bauplanungsrecht sehr stark gestalten, was ein Investor mit diesem Grundstück macht. Sie können sehr stark damit gestalten, was auch der Verkaufserlös eines Grundstückes ist. Wir haben es ja gerade bei dem Thema Schokoladen gesehen, wo wir auch über die bezirkliche Mitwirkung, darüber dass bestimmte Nutzungsbindungen aufgegeben wurden, dem Investor ein anderes Grundstück haben zur Verfügung stellen können. Aber das zeigt, dass das dann eben nicht eine Aufgabe des Liegenschaftsfonds ist, sondern die Aufgabe einer integrierten Stadtentwicklungs- und Planungspolitik ist, insbesondere wenn man das Thema Wohnungsbau anspricht.

Ein Moratorium, das hört sich toll an, aber als ich die Direktvergabe von 120 Grundstücke einmal für ein paar Wochen angehalten habe, weil ich mir die Mühe gemacht habe, noch einmal genau hinzuschauen, was bei dieser Direktvergabe passiert, ging ein Aufschrei durch die Reihen und durch die Stadt, ich würde jetzt hier den Fortschritt aufhalten. Also ein Moratorium schädigt und schadet auch denen, die zu Recht ein Grundstück bekommen sollen, die eine Industrieansiedlung machen wollen, die ein Unternehmen, eine Galerie ansiedeln wollen. Deswegen halte ich von einem Moratorium nichts, weil das, was Sie hier schon ansprechen, ja an vielen Stellen im Liegenschaftsfonds gemacht wird. Es kann auch noch besser gemacht werden. Da gebe ich Ihnen recht, aber es ist eben auch darauf hingewiesen worden, dass wir im Parlament 2010 schon einen Grundsatzbeschluss hatten, wie wir mit bestimmten Förderinstrumenten umgehen. Daran orientiert sich auch der Liegenschaftsfonds. Daran orientiert sich auch der Finanzsenator. Deshalb wird nicht alles so heiß gegessen, wie es vielleicht gekocht wird. Wir sind auf einem guten

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

Weg. Ich glaube, wir werden das dann noch gemeinsam transparenter machen.

Etwas juckt mich jetzt doch. Das muss ich noch einmal sagen. Das ist hier angesprochen worden: Wir sollten das Rathaus zur BIM geben. – Das kann man ja alles machen, aber Sie müssen dann die Frage beantworten, auch die BIM speist sich aus öffentlichen Mitteln, wer dann für ein Rathaus, was man möglicherweise nicht benötigt, bezahlt. Die Frage ist letztlich nicht beantwortet: Wer zahlt es in einem Haushalt, der sich weiterhin neuverschulden muss, der noch weit davon entfernt ist, aus eigenen Einnahmen zu leben? – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Senator! – Wir treten jetzt in eine zweite Rederunde ein. Für die Piratenfraktion hat Herr Abgeordneter Höfinghoff das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Wenn Herr Nußbaum von Transparenz redet, weiß ich immer nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Transparenz ist nämlich nicht, wenn man Betroffene bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor vollendete Tatsachen stellt. Ich frage mich auch, wie Sie als zuständiger Finanzsenator von fiskalischer Verantwortung sprechen können und im selben Satz – und auch schon seit geraumer Zeit – Projekte wie die Landeszentralbibliothek aus fiskalischer Sicht mit unterstützen und mit vorantreiben können.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Aber der Herr Senator hat es auch angesprochen. Wir reden hier gerade eigentlich ziemlich viel, weniger über Finanzen, als mehr über Stadtentwicklungspolitik. Dazu Herr Senator Müller! Seit Monaten reden Sie von einem Bündnis, das sich um bezahlbare Mieten kümmern soll. Und wenn es dann konkreter wird, wissen Sie im Bauausschuss nicht einmal den Namen des Gremiums und müssen sich mit der Verwaltung und der CDU streiten, wie das Ding nun eigentlich heißt.

[Bürgermeister Michael Müller: Namen des Gremiums? Welches Gremium?]

Das ist Politik. – Als Resultat dieser tollen Bündnisarbeit haben wir bislang nur die Ankündigung vernommen, dass Sie kurz vor einer Einigung mit den Wohnungsbaugesellschaften stünden. Ankündigung von Einigung – das ist der Schwerpunkt der Wohnungsbaupolitik dieses Senats!

Schön klingende Anträge von Koalitionsfraktionen, die mietpreisdämpfenden Funktionen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften stärker nutzen zu wollen, können darüber nicht hinwegtäuschen, dass eben diese

aktiv an der Segregation in den Innenstadtbezirken beteiligt sind.

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften tragen seit Jahren dazu bei, dass es für Menschen mit wenig Geld immer schwieriger wird, bezahlbaren Wohnraum innerhalb des S-Bahnrings zu finden.

In diesem Saal haben wir bereits über viele Anträge gesprochen, die in ihrer Summe eine Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik gewesen wären. Rein quantitativ führen die Grünen hier die Statistik an. Und oh, welch Überraschung, dass die Koalition sie samt und sonders weggestimmt hat! Aus der Riege der Unionsfraktionen und der SPD hören wir große Worte, man wolle die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften in ihrer Aufgabe unterstützen und stärken. Aber wenn man dann fragt, welche Aufgaben genau gemeint seien, herrscht Schweigen im Walde. Ist es tatsächlich die mietpreisdämpfende Wirkung, die durch günstigen Wohnraum den Berliner Gesamtmarkt stabilisieren soll, oder einfacher ausgedrückt: günstige Wohnungen, die man sich leisten kann? Oder ist es nicht eher so, dass Gewinne erwirtschaftet werden sollen, die den Haushalt sanieren helfen? – Schlimmer noch, der Senat kündigt an, dass er bei den Wohnungsbaugesellschaften die überschuldeten Schrottbestände der BIH verklappen will. So was ist keine Liegenschaftspolitik, das ist höchstens das Schaffen weiterer Schattenhaushalte.

[Beifall bei den PIRATEN]

Die Berlinerinnen und Berliner fragen sich, warum Berlin ein Problem hat, günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Aber statt aus dem eigenen Portfolio genau das zu tun, verscherbelt Berlin sein öffentliches Eigentum über den Liegenschaftsfonds! Seit über zehn Jahren werden Grundstücke an den Höchstbietenden verkauft – Frau Haußdörfer, für wen soll das übrigens ein Grund zum Feiern gewesen sein? – Jetzt, nachdem man zehn Jahre geschlafen hat, sollen die Wohnungsbaugesellschaften auf einmal auf den noch vorhandenen Grundstücken neue Wohnungen bauen.

Wenn das wirklich stimmt, handelt es sich hier wieder um so eine Ankündigung aus dem Hause Müller. Wir haben es auch in mehreren Ausschüssen gehört: Wenn dort gebaut wird, dann wird die Miete hinterher nicht unter neun Euro pro Quadratmeter liegen. Hier von „Neubaugegnerschaft“ zu sprechen, Frau Haußdörfer, diskreditiert alle Initiativen besorgter Bürgerinnen und Bürger, die Angst um ihre Wohnung und ihren Kietz haben. Das ist, am Rande bemerkt, auch nur eine Argumentation von Bauunternehmern und vom Ring Deutscher Makler.

Die Berliner Liegenschaftspolitik muss tatsächlich neu ausgerichtet werden. Es ist höchste Zeit. Doch jeder Tag,

der vergeht, zeigt: Der Senat ist weder willens noch in der Lage dazu. – Gute Nacht!

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Höfinghoff! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Wir kommen nun zu

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.1:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 7

a) Gesetz zur Ganztagsbetreuung für die Jahrgangsstufen 5 und 6 und für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/0333

Erste Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0333-1

Änderungsantrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0333-2

b) Bessere Bildung: Ganztagsbetreuung für alle, keine Lücke in Klassenstufe 5 und 6

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 29. März 2012 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 23. Mai 2012 Drucksache 17/0357

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache17/0135

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die erste Lesung.

Ich habe die Vorlage vorab an den Hauptausschuss überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung hierzu feststellen. – Danke!

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt

die Fraktion der CDU. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Bentele. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der uns heute zur ersten Lesung vorliegende Gesetzesentwurf zur Ganztagsbetreuung für die Jahrgangsstufen 5 und 6 und für Schüler mit Behinderungen der Senatsverwaltung für Bildung ist ein solider Text.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Das klingt ja nicht gerade be- geistert!]