Protokoll der Sitzung vom 14.06.2012

Die CDU, die jahrelang den Personalvertretungen in der Justiz nach dem Munde geredet hat, ist jetzt Vorreiterin härtester weiterer Einschnitte. Weitere 542 Stellen beim sonstigen Justizpersonal – wie wollen Sie das eigentlich bewerkstelligen? Dazu gibt es keinen Plan. Das ist hilfloser Wahnsinn. Mittel zur Einstellung von mindestens 15 Fachkräften bei den sozialen Diensten zur Betreuung von Sicherungsverwahrten sind zusätzlich erforderlich. Unseren Antrag mit diesem Ziel hat die Koalition abgelehnt. Das war noch nicht einmal eine maßlose Forderung.

Auch andere Weichen sind in die falsche Richtung gestellt. Das inzwischen vollständig unsinnige Pilotprojekt Mobilfunkblocker wird finanziert, anstatt in der Arrestanstalt die Mauern zurückzubauen. Populismus siegt im Zweifel über rationale Kriminal- und Vollzugspolitik. Ihr Cannabis-Verfolgungseifer steht enttäuschten positiven Erwartungen entgegen, beispielsweise zu Überlegungen des Justizsenators, Internet im Knast zu probieren. Er führt nun Warnschussarrestdebatten, statt vernünftige pädagogische und Resozialisierungsarbeit zu sichern.

Höhere Zuwendungen an Trägern der Straffälligenhilfe zur Haftvermeidung, z. B. Arbeit statt Strafe, hat die Koalition abgelehnt. Gleiches gilt für Zuwendungen zur kontinuierlichen strukturierten Einbindung freier Träger im Zuge der Rahmenkonzeption für den geschlossenen Männervollzug. Das Rahmenkonzept ist offenbar jetzt Makulatur.

Dass all das nicht an Finanzen gescheitert wäre, zeigt sich an den Geldbunkern im Einzelplan 06; die hätten wir im Sinn von Haushaltsklarheit und -wahrheit gern ausgeräumt: unterveranschlagte Gebühren, Geldstrafen, Geldbußen in den Kapiteln 0619 und 0615 sowie überveranschlagte Gerichtskosten in Kapitel 0623. Für uns ist das ein schwacher Trost. Unsere Initiative zur Anhörung freier Träger im Rechtsausschuss hat zumindest dazu geführt, dass deren Arbeit entgegen der Ursprungsplanung

für diesen Bereich auf dem derzeitigen Niveau wenigstens fortgesetzt werden kann. Aber natürlich genügt das nicht. Insbesondere dem Justizvollzug, seinen Beschäftigten und seiner Qualität können wir ohne Übertreibung schwere Zeiten voraussagen. Jetzt müssten die Weichen gestellt werden, um in den Folgejahren über ausreichend qualifiziertes Personal zu verfügen. Diese Chance wird mit dem vorliegenden Haushaltsplanentwurf vertan. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Möller! – Für die Piraten hat der Kollege Dr. Weiß das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Kollegen! Herr Präsident! Herr Senator! Es wurde vieles zu den wichtigsten Punkten im Einzelplan schon gesagt. Zur Personalsituation, das haben wir im gesamten Haushalt, aber sie ist in der Justiz in der Tat ein Problem, auch bei der Inbetriebnahme von Heidering.

Herr Rissmann hatte sich beschwert, dass nicht genug fundierte Kritik am Einzelplan kommt.

[Sven Rissmann (CDU): Von Herrn Behrendt! Machen Sie mal!]

Wenn Sie die Kritik von Frau Möller fundiert genug finden!

[Sven Rissmann (CDU): Nicht zugehört!]

Nicht zugehört? Schade, es waren ein paar interessante Sachen dabei. Ich kann Ihnen gerne ein Beispiel für etwas nennen, das in dem Haushalt keinen Sinn ergibt. Das werden Sie allerdings auch wissen. Wenn ich mir da z. B. die pauschalen Minderausgaben von Heidering angucke – da sind 96 300 Euro im Jahr 2012 und 3,41 Millionen Euro im Jahr 2013 veranschlagt. Das ist Geld, das an noch nicht bestimmbarer Stelle weniger ausgegeben werden soll, dadurch dass Heidering läuft und es Synergieeffekte gibt. Das wird 2012 nicht passieren, weil Heidering 2012 noch nicht in Betrieb ist. Gut, Herr Wowereit hat es schon gesagt, es gibt überall Probleme mit Großprojekten.

[Zuruf von Sven Rissmann (CDU)]

Nein! – Wir können uns ja wahrscheinlich noch darauf freuen, dass Heidering vor BER in Betrieb geht, im April 2013.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Katrin Möller (LINKE)]

Ich finde es einfach interessant, wenn man sich solche Zahlen mal anguckt. Als ich mir die zum ersten Mal angeguckt habe, habe ich mir noch gedacht, so was wird

sich irgendwie ausgleichen. Dazu wird sich jemand Gedanken gemacht haben. Klar, solche Zahlen, so genau wie sie sind, werden natürlich ausgerechnet, nur stellt man dann irgendwann fest, diese Rechnung begann wahrscheinlich mit der Zahl 0,3 auf dem Schreibtisch von Herrn Nußbaum, und das ist dann die Haushaltstransparenz.

[Beifall bei den PIRATEN]

Jetzt hatte Herr Kohlmeier noch keine Gelegenheit zum Reden. Ich wollte noch darauf eingehen, was von der Koalition kommt. Ich meine, der größte Punkt, den Sie im Haushalt verschoben haben, die größte Umschichtung, die Sie vorgenommen haben, das haben Sie als Änderung quasi noch von der Senatsverwaltung nachgereicht bekommen, das waren 1 Million Euro 2012/2013 für Gutachten. Da wurden drei große Projekte genannt, zwei jeweils zur Steigerung der Effizienz von Justiz und Vollzug – das wird bei der Personalsituation sicher nötig sein –, eines zur Nutzung neuer Medien im Strafvollzug, alles wichtige, interessante Themen. Wir hoffen, wenn wir so viel Geld dafür ausgeben, dass es auch was bringt.

Was ich hoffe, auch wenn es in den Beratungen im Rechtsausschuss nicht möglich war, die Koalition zu einer Entscheidung in die Richtung zu bringen, ist, dass, wenn wir so viel Geld dafür ausgeben, das der Steuerzahler bezahlt, die Ergebnisse dann auch frei zur Verfügung stehen. Da, haben wir gestern gesehen, ist Hamburg schon ein bisschen weiter, aber im Moment hört man in der Richtung schöne Ankündigungen vom Senat.

Ich möchte am Ende noch einen Punkt, der zwar auch nicht direkt haushaltsrelevant ist, Herr Rissmann, aber doch aus den Haushaltsberatungen rausgekommen ist, ansprechen, auch weil das Thema mir persönlich sehr wichtig ist, aber leider ein bisschen ressortübergreifend. Das ist das Thema Open Data. Das ist einer der Punkte, die wir in den Haushaltsberatungen angesprochen haben. Da ging es um die Veröffentlichung von Rechtsvorschriften im Internet. Das ist eine schöne Sache. Da gibt es auch mehr Mittel, die im Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Wir haben uns gefragt, was wir eigentlich davon kriegen. Es gibt da keinen Beschluss, aber immerhin einen Prüfauftrag, dessen Ergebnis inzwischen angekommen ist. Da steht zu Open Data neben einigen schönen Sachen, dass die Open-Data-Agenda des Landes Berlin dafür nicht relevant ist, und das mit der wunderschönen Begründung, dass die Rechtsverordnungen für die Internetbenutzer bereits frei zugänglich, speicher- und auch druckbar sind. Eine Verlinkung komme derzeit ohne zusätzlichen Migrationsaufwand nicht in Betracht.

[Beifall bei den PIRATEN]

Solange Leute bei Ihnen in der Verwaltung diese Vorlagen schreiben, die erstens meinen, dass dadurch, dass die Daten speicher- und druckbar sind, die Prinzipien von Open Data erfüllt sind, und zweitens, dass man durch Verlinkung Migrationsaufwand hat, wird es mit der Um

setzung der Open-Data-Agenda wahrscheinlich noch etwas länger dauern.

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Weiß! – Für die SPDFraktion hat jetzt der Kollege Kohlmeier das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege! Ein bisschen spät, aber immerhin!

So spät ist es ja noch nicht, Herr Präsident! – Ich entschuldige mich kollegialerweise bei den anderen Kollegen. Ich werde nie wieder etwas sagen, wenn einer mal nicht hier vorne steht.

[Heiterkeit bei der SPD, der CDU und den PIRATEN – Beifall bei den PIRATEN]

Ich sage dazu, es war auch keine Absicht oder so. Sie haben auch das nächste Mal die Möglichkeit, sich an mir und meiner Rede abzuarbeiten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir legen heute mit diesem Haushalt den Grundstein für die nächsten zwei Jahre für eine funktionierende Justiz und einen bürgerfreundlichen Verbraucherschutz. Es ist sicherlich ungewöhnlich, einen Haushalt erst in der Mitte des Jahres zu beschließen, aber durch Wahlen und Neukonstituierung des Parlaments ist der Haushaltsplanentwurf neu zu justieren. Das haben wir in den Bereichen Justiz und Verbraucherschutz in den Beratungen der vergangenen Wochen sehr gut gemacht.

Wir stellen mit diesem Haushalt die Weichen für eine zukunftsorientierte Justiz- und Verbraucherschutzpolitik im Land Berlin. Ich danke an dieser Stelle recht herzlich den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, dem Senator Heilmann und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz für die angenehme, konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit. Ich danke persönlich zum einen der Kollegin Seibeld in ihrer Funktion als Ausschussvorsitzende, die die langen Sitzungen mit uns geleitet hat, und zweitens danke ich dem Kollegen Rissmann für die vielen gemeinsamen Stunden, die wir mit Zahlen verbringen durften. Sie wissen, Herr Kollege Rissmann, bei uns Juristen ist ausgeprägt: Juris non calculat. Wenn ich mir das Ergebnis anschaue, finde ich, wir haben es sehr gut gemacht. Herzlichen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von der LINKEN]

Das ist nicht nur Liebe, das ist kollegiale, gute Zusammenarbeit, aber da kommen Sie möglicherweise auch noch hin, Kollege Dr. Behrendt!

Der Bereich Justiz und Verbraucherschutz kommt trotz zusätzlicher Arbeitsschwerpunkte ohne Mehrforderungen aus. Was wir in diesem Haushaltsplan einmalig geschafft haben, das ist, dass wir – ich weiß gar nicht, ob es ein Novum ist – aus unserem Haushaltsplan 50 000 Euro noch zur Verfügung gestellt haben, und zwar für den Verfassungsgerichtshof, damit dieser seine ITAusstattung verbessern und optimieren kann.

[Torsten Schneider (SPD): Sehr gut!]

Ich finde, das kann man durchaus mal beklatschen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Monika Thamm (CDU)]

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion freut sich darüber, wenn es alle anderen auch so machen würden. Es ist uns darüber hinaus gelungen, trotz dieser Abgabe, lieber haushaltspolitischer Sprecher, noch inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Einige möchte ich kurz nennen.

Wir führen ein Gesundheits- und Motivationsmanagement im Berliner Strafvollzug ein. In anderen Bereichen der Berliner Verwaltung wurden ähnliche Programme bereits aufgelegt. Die Erfahrungen haben gezeigt, das hat sich bewährt. Wir wollen verhindern, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den sehr anspruchsvollen Aufgaben im Strafvollzug allein gelassen werden. Die hohen Krankenstände im Justizbereich zeigen, dass hier Handlungsbedarf besteht. Diese Koalition hat diesen Handlungsbedarf erkannt und zusätzliche Mittel eingestellt.

Zweitens haben wir Mittel für die Erstellung eines Konzepts zur Nutzung neuer Medien im Strafvollzug zur Verfügung gestellt. Um das kurz zu erläutern: Es geht darum, ob und wie E-Mail und Internet im Strafvollzug kontrolliert genutzt werden können. Die Entwicklung auf dem Markt der neuen Medien geht auch am Strafvollzug nicht vorbei. Auch hier müssen wir uns neuen Herausforderungen stellen. Wir wollen dazu ein Pilotprojekt starten. Die Ergebnisse muss man sich anschauen und letztendlich ein Gesamtkonzept zur Nutzung von Medien im Strafvollzug entwickeln. Ich gehe davon aus, dass wir künftig im Rechtsausschuss über dieses Thema noch öfter beraten werden, und freue mich dann, mit den Oppositionsfraktionen, die Kompetenz auf diesem Feld aufweisen, konstruktiv zu diskutieren.

Letztendlich möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass wir für die Arbeit mit Strafgefangenen mehr Mittel eingestellt haben. Das nennt sich haushaltstechnisch: Zuschüsse an soziale oder ähnliche Einrichtungen für die Arbeit mit Strafgefangenen. Dahinter verbirgt sich die wichtige Arbeit von Trägern im Strafvollzug, die wir über den Ansatz 2011 hinaus mit 2,363 Millionen Euro finanzieren.

Es ist verabredet, dass ich im Rahmen meiner Rede auch auf den Bereich Verbraucherschutz eingehe. Der

Verbraucherschutz wird mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf gestärkt. Wir haben vorgeschlagen, für die Förderung der Verbraucheraufklärung und zur Stärkung der Verbraucherzentrale Mittel bereitzustellen. Diese Koalition hat dafür gesorgt, dass 130 000 Euro zusätzlich bereitgestellt werden. Wenn ich aus den Reihen der Opposition höre, dass es Ihr Antrag war, dann freue mich gleich, wenn Sie diesem Einzelplan dann auch zustimmen können. Zudem haben wir 250 000 Euro für ein neues Verbraucherportal eingestellt. Wir wollen das neue Verbraucherportal als den zentralen Ratgeber der Berliner Verwaltung für Verbraucher etablieren. Beides sind zwei von vielen Punkten, die wir im Interesse der Verbraucher umgesetzt haben. Ich danke meiner Kollegin, der verbraucherpolitischen Sprecherin Irene Köhne, für ihren Einsatz für die Verbraucherrechte.

Berlin ist im Bereich Justiz und Verbraucherschutz auf dem richtigen Weg. Mit der Öffnung der Justizvollzugsanstalt Heidering in diesem Jahr gehören die verfassungswidrigen Haftbedingungen der Vergangenheit an. Ich freue mich, dass diese Koalition den Erfolg unserer Arbeit in der letzten Legislaturperiode ernten wird. Ich will auch nicht unerwähnt lassen, dass uns die Linkspartei beim Bauvorhaben Heidering immer unterstützt hat. Die Erweiterung der Jugendarrestanstalt haben wir bereits gewürdigt. Es ist ein großer Erfolg für Berlin. Ich finde es gut, dass der Senator Heilmann neue Wege denkt, auch wenn er für mich manchmal zu weit denkt. Ich würde mich freuen, wenn die Opposition auch eingesteht, das hat die Koalition im Justizbereich gut gemacht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke, Kollege Kohlmeier! – Jetzt hat Herr Senator Heilmann das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kohlmeier hat dankenswerterweise schon auf sehr viele Einzelheiten hingewiesen. Das will ich der Zeit halber nicht wiederholen und mich gleich auf den Schwerpunkt des Haushalts konzentrieren, nach dem Sie gefragt haben, liebe Oppositionspolitiker. Das Wichtigste im Justizhaushalt ist selbstverständlich der Personalanteil, denn der ganz überwiegende Teil wird dafür ausgegeben.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir nach dem Vorgängerhaushalt, der die Grundlage für diesen Haushalt war, die Nachwuchskräfte, die Auszubildenden, die in diesem Jahr und im nächsten Jahr abschließen und die für sehr viel Geld ausgebildet werden, alle nicht hätten übernehmen können. Natürlich ist, wenn wir keinen Nachwuchs

(Senator Thomas Heilmann)

im Strafvollzug und bei den Justizfachangestellten haben, ein Entwicklungskonzept schwierig.