Protokoll der Sitzung vom 14.06.2012

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Überdurchschnittliche Steigerungsraten beim Wirtschaftswachstum, bei der Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen – Herr Jahnke, wer hat es geschafft? – hat Rot-Rot geschafft. Berlin ist Hauptstadt der Unternehmensgründung und Spitzenreiter in der gesamten Bundesrepublik. Herr Melzer! Sie sprachen von der Veranstaltung bei Creditreform. Wer hat dieses Klima geschaffen? – Rot-Rot hat es geschaffen. Berlin ist Hauptstadt des Tourismus, drittwichtigster Standort für Kongresse und Veranstaltungen in Europa. Wer hat es geschafft? – Rot-Rot hat es geschafft.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Wenn erst CDU und Linke koalieren!]

Berlin hat seine Industrie wiederentdeckt und arbeitet nach dem Masterplan Industrie. Wer war der Erste, der den Fokus darauf gerichtet hat? –

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Klaus Wowereit!]

Harald Wolf hat es getan.

Sie von der SPD- und CDU-Koalition stellen sich hierher und schmücken sich mit fremden Federn. Sie haben nicht einmal den Anstand, darauf hinzuweisen, dass die Steuermehreinnahmen, die natürlich mit einem zeitlichen Verzug zum Tragen kommen, maßgeblich Ergebnis des überaus erfolgreichen Wirkens einer rot-roten Regierung und eines linken Wirtschaftssenators sind.

Stattdessen versuchen Sie, mit den Steuermehreinnahmen auch noch im Haushalt herumzutricksen, und stellten diese erst auf Druck der Grünen in den Haushalt ein. Damit ist es aber noch nicht genug, Sie feiern obendrein die verpflichtend vorgeschriebene Senkung der Nettoneuverschuldung, die sich aus diesen Steuermehreinnahmen ergibt, als eigenen Verdienst. Schlimmer geht es nicht. Das ist politische Hehlerei und ist unter Strafe zu stellen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Lachen bei der SPD]

Die jetzige Koalition fährt auf einem fremden Ticket und das nicht einmal gut. Das erste unmittelbare Ergebnis des Wirkens der neuen Wirtschaftssenatorin war, dass der Aufsichtsratsvorsitzende von Berlin Partner hingeschmissen hat. Mehr noch: Die Pläne des Senats, Berlin Partner, die Tourismus Marketing Gesellschaft und die IBB stärker zu indoktrinieren, lassen eher Befürchtungen aufleben als Hoffnungen. Es ist schon ein Witz der Geschichte, dass ausgerechnet die CDU in schlechter staatssozialistischer Manier in das wirtschaftliche Wirken Privater eingreifen will. Das günstige Wirtschaftsklima, das Harald Wolf geschaffen hat, droht ernsthaft Schaden zu nehmen. Prost Mahlzeit, meine Herren! – Es sind meistens Herren, die geredet haben.

Der zweite Punkt, den ich setzen möchte, ist natürlich der Flughafen. Eine Inbetriebnahme, die unweigerlich zu einem Totalausfall geführt hätte, wäre verheerender als eine Verschiebung. Wirtschaftspolitisch ist es ein Skandal in zweifacher Hinsicht. Die Verschiebung an sich ist schlimm sowie – das ist wirklich schlimm – die Entscheidung zur Verschiebung erst drei Wochen vor dem Termin.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Diese Kurzfristigkeit nämlich stürzt die Unternehmen, die sich darauf verlassen haben, in Schwierigkeiten bis hin zur Geschäftsaufgabe. Die Verschiebung der Eröffnung hat natürlich zur Folge, dass die getätigten Investitionen in das größte und fast einzige Investitionsprojekt nunmehr erst mit deutlicher Verzögerung zum Tragen kommen. Der wirtschaftliche Nutzen kann erst verspätet eintreten. Neuansiedlungen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze infolge eines erfolgreichen Flughafenbetriebes erfolgen erst später oder wandern sogar ab. Das ist wirtschaftspolitisch eine Vollbremsung der Berliner Wirtschaftsentwicklung aus voller Fahrt.

Meine dritte Bemerkung: Der Haushalt wimmelt von Falschbuchungen. Würde die vom Bundeskartellamt angeordnete Senkung der Wasserpreise und die daraus folgende Einnahmereduzierung bei der Gewinnabführung aus den Wasserbetrieben im Haushalt abgebildet werden, stünde dort eine andere Zahl, nämlich 30 Millionen Euro weniger. Würden die tatsächlichen Kosten für die Stra

ßenreinigung aufgeführt, wären es 10 Millionen Euro für die Straßenreinigung mehr. Für die Entwicklung Tegels nach dem Flughafenbetrieb wurden erst im Nachhinein auf Druck der Opposition 5 Millionen Euro eingestellt. Sie heften sich das jetzt an die Brust. Dabei war doch das Thema Tegel das große Versprechen der CDU im Wahlkampf. Das sollte der Wachstumsmotor schlechthin für die Berliner Wirtschaft sein, wenn erst die CDU regieren darf. Das darf sie jetzt, aber sie hat nicht einmal ein ordentliches Konzept. Trotzdem gibt es dann eben 5 Millionen Euro, und Tegel bleibt so lange sträflich liegen.

[Martin Delius (PIRATEN): Das macht nichts!]

Die selbst ernannte Wirtschaftspartei CDU hat mit der SPD im Gepäck die niedrigste Investitionssumme in der Berliner Geschichte im Haushalt eingeplant. Zum Mitschreiben: Das dumme Gerede vom ICC ist keine Investition. 140 Millionen Euro für die Risikoabschirmung sind auch keine Investition. Daraus entsteht nicht ein einziger Auftrag, nicht ein einziger Arbeitsplatz. Daraus entsteht eine schwarze Kasse der BIH zum letzten Roulette mit den verbliebenen Fondseigentümern.

Eine Investition die sinnvoll, richtig und überfällig ist, Herr Schneider, ist der Bau der Schauspielschule. An der Stelle meckern Sie über die 2 Millionen Euro.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Der Gipfel ist die geplante, also bewusste Nichtausschöpfung der investiven Baumittel. Die wenigen geplanten Investitionen sollen also gar nicht erfolgen. Über den Umweg der pauschalen Minderausgaben schafft sich RotSchwarz eine neue Bausparkasse im alten Stil der großen Koalition von Diepgen und Landowsky. Das ist einfach unerträglich.

[Beifall von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Einen Satz darf ich noch zum Abschied sagen: Die DDR hatte in ihren letzten Jahren eine Investitionsquote von – wissen Sie es? – 20 Prozent. Berlin ist bei knauserigen 8 Prozent. Prost Mahlzeit!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Mayer das Wort.

[Zurufe]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte, falls Sie es nicht mitbekommen haben, dem Kollegen Mayer das Wort erteilt und nur ihm. – Bitte schön!

Danke, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wir Piraten freuen uns selbstverständlich auch, wenn sich die Berliner Wirtschaft weiter positiv entwickelt. Es ist aber sehr lustig, wie sich jede Regierung zur wirtschaftlichen Entwicklung verhält. Läuft es nicht gut, kann die Politik natürlich nichts dafür. Es ist dann die Weltwirtschaft, das Wetter, oder es sind die einfachen Menschen schuld, die zu viel Lohn oder Sozialleistungen beziehen. Läuft hingegen die Wirtschaft gut, kann sich der Erfolg vor dem Andrang vermeintlicher Väter gar nicht retten. Tatsächlich ist es aber genau umgekehrt. Nur hat die Politik kein Gaspedal, mit dem sie Wachstum beschleunigen kann. Dafür verfügen wir aber über jede Menge an Bremshebeln. Diese werden auch mehr oder weniger freigiebig genutzt.

[Beifall bei den PIRATEN]

Eines ist mir auch im Vergleich zur alten rot-roten Koalition aufgefallen, die sich wegen eines latent schlechten Gewissens gegenüber der Wirtschaft mit dem Bremsen eher zurückgehalten hat. Die rot-schwarze Koalition scheint mir eher geneigt, mit Optimismus neue Bremshebel zu nutzen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Das mag an vielen Stellen durchaus im Sinne der Menschen in der Stadt sein. Sich jetzt aber als die neue Wirtschaftskoalition zu gerieren, scheint mir nicht gerechtfertigt zu sein, zumal ich aus der Wirtschaft die Signale höre, dass das Klagen deutlich zugenommen hat, insbesondere was den Wirtschaftssenat angeht, aber auch Herrn Nußbaums Tritt auf die Bremse mit dem Liegenschaftsmoratorium. Das, was dort passiert, stößt an ganz vielen Stellen auf sehr viel Unverständnis.

Wir haben zum ICC schon einiges gehört. Tatsächlich ist es auch von allen größeren Posten in dem Haushalt derjenige, der mir am wenigsten einleuchten will. Ich habe nichts gegen Investitionen in die Zukunft der Stadt, aber die Sanierung des ICC scheint mir eher eine teure Investition in die Vergangenheit zu sein.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Die schlechte Nachricht ist, dass 182 Millionen Euro im Haushalt dafür geplant sind, die gute Nachricht ist, dass 174 Millionen Euro davon vielleicht noch zu retten sind. Aber nichts Genaues weiß man nicht.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Ajibola Olalowo (GRÜNE)]

Die Gutachten sind nicht öffentlich. Klar ist aber, dass eine Sanierung im Betrieb nicht machbar ist. Klar ist auch, dass die Messegesellschaft kein saniertes ICC, sondern lieber einen Neubau möchte, der deutlich günstiger zu haben und wirtschaftlicher zu betreiben ist.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum die Koalition so etwas tut. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass hier aus völlig irrationalen Gründen so eine Art Palast der Westberliner Republik als Denkmal erhalten werden soll, koste es, was es wolle.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Ajibola Olalowo (GRÜNE)]

Offensichtlich sehnen sich einige auch nach der guten alten Zeit zurück, einer heilen Westberliner Welt, als man noch unter sich war und als der Verfassungsschutz noch jeden überwachte, der sich links von der CDU tummelte.

[Zuruf – Beifall und Heiterkeit bei den PIRATEN]

Ja! Es war eine Zeit, als durch die ganzen schönen Subventionspipelines Geld nach Berlin strömte, sodass das Sparen eher ein PaL, ein Problem anderer Leute, war und als man als Bauunternehmer in Berlin noch schneller reich werden konnte als heutzutage in der New Economy. Das waren noch Zeiten.

Warum muss es jetzt das ICC als teures Denkmal sein? Sie haben doch schon den Steglitzer Kreisel. Der leuchtet sogar im Dunkeln und ist von Weitem zu sehen.

[Beifall und Heiterkeit bei den PIRATEN]

Ich hoffe, Sie überdenken Ihre Sanierungspläne, bevor wir hier eine weitere teure Investitionsruine bekommen, die kein vernünftiger Mensch will und die den Haushalt auch noch auf Jahrzehnte über Gebühr belasten wird.

[Beifall und Heiterkeit bei den PIRATEN]

Zum Flughafen: Ich weiß, das Thema kann jetzt schon niemand mehr hören. Es liegt sicher nicht an den Piraten, dass wir jetzt nicht, wie geplant, vor zwei Wochen die Einweihung und den Umzug feiern durften.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Das ist doch kausal!]

Ich will jetzt hier auch nicht Schuld verteilen. Dazu werden wir noch im Untersuchungsausschuss hinreichend Gelegenheit haben.

[Beifall bei den PIRATEN]

Was ich aber nicht unerwähnt lassen will, sind die Folgen für den Haushalt, den wir heute hier verabschieden. Darin kommt die Verschiebung der Flughafeneröffnung erst einmal gar nicht vor. Das wurde auch schon gesagt. Das politische Kalkül dahinter ist verständlich. Um auch noch einmal bingomäßig die Worte Klarheit und Wahrheit in den Mund zu nehmen: Damit es nun wirklich nicht viel zu tun. Wenn der Senat etwas mehr Respekt vor dem Parlament und dem heutigen Tag hätte, fände die BER-Aufsichtsratssitzung nicht erst nach der Verschiebung des Haushalts statt.

Nun sind wir in der Situation, dass wir nach der Sommerpause gleich mit Haushaltsdebatten weitermachen können. Der Flughafen wird uns sicher noch Jahre auf