Ich fand es im Übrigen auch bemerkenswert, dass Herr Brauner bei seiner Rede so gut wie keinen Zwischenapplaus von seiner Fraktion bekommen hat, insbesondere an dem bemerkenswerten Punkt, wo er gesagt hat, dass Sie dann doch mal überlegen, ob Sie sich vielleicht mit einer neuen Wohnungsbauförderung in Zukunft irgendwie anzufreunden gedenken. Das fand ich dann doch sehr bemerkenswert.
Aber nun zu dem eigentlichen Thema. Sie haben ein Bündnis mit den städtischen Gesellschaften geschlossen, und darum soll es in dieser Aktuellen Stunde gehen. Deshalb rede ich jetzt dazu. Wir wissen alle, die städtischen Gesellschaften haben aktuell rund 277 000 Wohnungen. Das sind rund 15 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes. 85 Prozent sind also nicht in städtischem Besitz. Nun könnte man sich sagen: Gut, die genossenschaftlichen Wohnungen sind auch billig und gut, noch mal 10 Prozent runter, bleibt unterm Strich, dass das Mietenbündnis des Senats für rund drei Viertel aller Berliner Mietwohnungen keine Auswirkungen haben wird. Deshalb ist Die Linke weiterhin der Auffassung, dass das nur ein erster Schritt sein kann. Nun haben Sie das zwar auch immer wieder betont, dass das nur ein erster Schritt ist, ich habe von Ihnen aber noch keinen einzigen Vorschlag dazu gehört, wie Sie den preiswerten Wohnungsbestand in anderen Eigentumsverhältnissen schützen und ausweiten wollen.
Dieses Bündnis sollte so gestaltet sein, dass die proklamierten Ziele, die ich alle teile, erreichbar sind und dass die Unternehmen die ihnen auferlegten Verpflichtungen wirtschaftlich auch tragen können. Das scheint mir ein entscheidender Punkt zu sein. Es ist gut und richtig, den städtischen Bestand mietdämpfend einzusetzen und dabei auch die weitere Qualifizierung nicht aus dem Blick zu verlieren. Bekanntlich ist gutes Wohnen mehr als eine bezahlbare Miete. Eine bezahlbare Miete allerdings ist elementar für die große Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner, von denen übrigens zwei Drittel und nicht ein Drittel Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten.
Wir erinnern uns noch an ganz andere wohnungspolitische Zeiten und Ziele in Berlin. In den Neunzigerjahren hat der schwarz-rote Senat mit sogenannten Insichgeschäften den städtischen Gesellschaften Eigenkapital in dreistelliger Millionenhöhe entzogen. Zu Anfang der Zweitausenderjahre sah der rot-rote Senat in seiner Not und unter dem Druck der Verfassungsklage keine Alternative zum Verkauf der GSW. Die Frage ist vorhin gestellt worden, wo denn die Aussage dazu bleibt. Ich wiederhole sie gerne in jeder Rede: Ein schwerer Fehler, da sind sich heute fast alle Beteiligten einig, auch wenn der damals weitgehend entspannte Wohnungsmarkt diese Entscheidung wohnungspolitisch verantwortbar erscheinen ließ. Über lange Jahre hat der Senat kaum etwas anderes getan, als den landeseigenen Unternehmen eine moderate Rendite vorzugeben, die reinvestiert werden sollte, und sie ansonsten weitgehend sich selbst überlassen. Das hat in Teilen gut getan. Die Unternehmen konnte ihre Wirtschaftslage deutlich stabilisieren, andererseits verflachte die wohnungspolitische Diskussion in dieser Stadt, und einige Unternehmen haben in Einzelfällen auch nicht anders agiert als private Vermieter. Sie werden diese Einzelfälle alle kennen.
Rot-Rot hat nach den Lehren aus dem Verkauf der GSW 2003 in der Koalitionsvereinbarung 2006 festgehalten, dass der kommunale Wohnungsbestand in seiner Größenordnung für die Sicherung von bezahlbarem und angemessenem Wohnraum unabdingbar ist. Die seinerzeitige Zahl von rund 270 000 ist seither sogar ein wenig gewachsen. Rot-Rot hat damit also die Grundlagen dafür gelegt, dass Sie heute überhaupt ein solches Bündnis schließen konnten. Ich finde, daran kann man mal erinnern.
Es gehört zur Wahrheit und zur Ehrlichkeit, dass der Privatisierungsstopp 2006 aufgrund der Linken und übrigens im Dissens mit CDU und auch Teilen der Grünen vereinbart worden ist.
Das Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten ist nun ein Dreivierteljahr nach seiner mehrfachen Ankündigung unter Dach und Fach. Der damit verbundene Mietenstopp wird damit aufgehoben, und in Kürze werden den Mieterinnen und Mietern Zehntausende
Mieterhöhungsschreiben ins Haus flattern. Aus Sicht der Linksfraktion ist das das falsche wohnungspolitische Signal.
Zwar werden diese Mieterhöhungsmöglichkeiten auf 15 Prozent in vier Jahren begrenzt. Damit wird die Bundesratsinitiative von Rot-Rot, die auf den gesamten Mietwohnungsbestand zielt, für die städtischen Wohnungen umgesetzt. Wie gesagt, lediglich rund 15 Prozent gehören dem Land Berlin. Damit diese wiederum effektiv mietdämpfend wirken, müssen in diesem städtischen Bestand Mietsteigerungen entweder gänzlich vermieden oder deutlich stärker begrenzt werden. Da reichen die 15 Prozent nicht aus.
Im Übrigen muss hier der Bund endlich handeln, und Berlin muss seine Aktivitäten im Bundesrat verstärken. Bei der ersten Behandlung des Mietrechtsänderungsgesetzes im Bundesrat vor der Sommerpause gab es keine Mehrheit für den Berliner Vorstoß – das haben Sie hier vergessen zu erwähnen –, und zwar haben CDU-geführte Bundesländer diesen Vorstoß blockiert. Hier kann und muss sich die Berliner CDU ins Zeug legen, um ihre Parteifreunde umzustimmen.
Und noch etwas: Es bleibt das Geheimnis des Berliner Senats, warum er die im gleichen Rahmen eingebrachte Bundesratsinitiative aus Baden-Württemberg nicht unterstützt hat, nach der bei der Feststellung des Mietspiegels alle Bestandswohnungen in die Erhebung einfließen sollen und nicht nur diejenigen, bei denen es in den letzten vier Jahren Mieterhöhungen gegeben hat. Aber das führt hier vielleicht zu weit.
Kern des Mietenbündnisses soll die Neuordnung der Belegungsbindungen sein. Als Gegenleistung für die Zustimmung der Unternehmen wird der Senat in einer neuen Kooperationsvereinbarung alle bestehenden objektkonkreten Belegungsbindungen aufheben und dafür eine Quotenregelung einführen. Dem Vernehmen nach soll diese Vereinbarung jedoch noch nicht unterschrieben sein, weil der Finanzsenator auf einer wirtschaftlich begründeten Öffnungsklausel für die Unternehmen besteht. Das wäre nicht nur ein Zeichen für die mangelnde wirtschaftliche Tragfähigkeit des gesamten Konstrukts, sondern auch für anhaltende Spannungen und Dissonanzen zwischen Finanzsenator Nußbaum und Bausenator Müller. Mal sehen, auf welche Seite sich der Regierende Bürgermeister schlagen wird, der bereits häufig zum Besten gegeben hat, dass steigende Mieten ganz normal
Wie gesagt, die Linksfraktion begrüßt die Umstellung der Belegungsbindung auf Quotenregelung im Grundsatz, weil das die Eigenständigkeit und Flexibilität der Unternehmen erhöht. Wir befürchten aber, dass deren Umfang insgesamt abnehmen wird. Auch werden absehbar viel zu wenige Wohnung überhaupt frei werden und damit gezielt vergeben werden können. Zudem bleibt offen, wie die Selbstkontrolle der Einhaltung durch die Unternehmen funktionieren und für die bezirklichen Wohnungsämter nachvollziehbar sein soll, da lediglich ein jährlicher Bericht an den Senat vorgesehen ist.
In § 4 der – wie gesagt – noch nicht unterzeichneten Kooperationsvereinbarung – vielleicht können Sie mich korrigieren, Herr Müller, ich weiß es nicht genau – wird die Verpflichtung zur Überlassung von Wohnungen an Dringlichkeitsfälle für die vierjährige Laufzeit dieses Bündnisses ausgesetzt. Damit ist für mich zumindest für die Zukunft völlig ungeklärt, wie diese besonders benachteiligten Wohnungssuchenden mit anerkannt dringlichem Wohnbedarf, WBS mit Dringlichkeit im Volksmund, künftig in städtischen Beständen überhaupt versorgt werden sollen. Da wäre ich Ihnen für eine Aufklärung durchaus dankbar.
Das größte Problem bei diesem vielgepriesenen Bündnis sind aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion die vereinbarten Mietobergrenzen. Gut, dass dieser Weg individueller Mietobergrenzen überhaupt beschritten wird. Die gewählte Höhe von 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens ist jedoch deutlich überzogen.
Zur Erinnerung: Derzeit liegt die durchschnittliche Belastung durch Nettokaltmieten in Berlin bei rund 22 Prozent. Sie wählen 30 Prozent als Obergrenze. Die Argumente und Hintergründe für die vereinbarte Höhe bleiben völlig unklar. Was passiert eigentlich, wenn die Bestandsmieten bereits darüber liegen oder wenn Menschen mit nach dieser Rechnung zu geringem Einkommen sich um eine städtische Wohnung bewerben?
Generell offen bleibt die Finanzierung des Bündnisses. Die Unternehmen erhalten keine gesonderte Unterstützung. Der Gegenwert ist häufig mit 100 Millionen Euro angegeben worden. Die wirtschaftliche Stärkung der Unternehmen – sei es über Entschuldung, Kapitalzuführung oder spezielle Förderprogramme – fehlt hier völlig, ist absolut ausgeblendet. Woher also die notwendigen Mittel nehmen, wenn nicht an der falschen Stelle sparen?
So viel zu unserer Kritik. Im Ansatz finden wir das Bündnis nach wie vor richtig, weil wir es richtig finden, die
städtischen Gesellschaften auf soziale und stadtwohlunterstützende Ziele zu verpflichten. Es braucht aber mehr Engagement des Landes Berlin.
Ich komme sofort zum Ende, mein letzter Satz. – Zu dem Antrag, den wir gestellt haben, zu dem sich überhaupt keiner geäußert hat, das wäre im Übrigen ein Beitrag für die übrigen 85 Prozent des bezahlbaren Wohnungsbestandes: Wenn wir den Kündigungsschutz für die Mieter verbessern, die von der Umwandlung ihrer Mietwohnung in Eigentumswohnung betroffen sind, dann leisten wir tatsächlich einen Beitrag für die Erhaltung bezahlbaren Wohnraums und für die Entwicklung Berlins als lebenswerte soziale Metropole. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Kollegin Lompscher! – Für die Piratenfraktion hat nun der Kollege Höfinghoff das Wort. – Bitte sehr!
Wenn ich mir das hier so angucke, verliere ich langsam fast die Lust, mich in diesem Abgeordnetenhaus über Mietenpolitik zu unterhalten – jedes Mal entweder irgendwann spätabends oder vor leeren Rängen oder beides.
Wenn man die bisherige Erfolgsbilanz des Senats unter dem euphemistischen Titel „Wohnqualität und Mieterschutz: Erfolgreiche Weichenstellung im Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ feiern möchte, bitte schön – die Piraten werden sich bezahlbaren Mieten, Mieterschutz und Wohnqualität sicher nicht in den Weg stellen. Zur Feierstunde mit Sekt und Schnittchen ist es aber noch ein bisschen früh. Wenn man mal genauer in die vorgelegten Ziele und Vereinbarungen schaut, bleiben Zweifel, ob die beschriebenen Maßnahmen zielführend, ausreichend und wirklich hilfreich sind – abgesehen von den 15 Prozent der Mieter, die es tatsächlich betrifft, wie Frau Lompscher schon schön erklärt hat.
Nach den salbungsvollen Lobpreisungen der Koalition, die eher an ein Verkaufsgespräch im Gebrauchtwarenhandel erinnern, sollte sich unser Blick noch kurz in die
Vergangenheit richten. Die Mietsteigerungen der vergangenen vier Jahre weisen eine erhöhte Dynamik nach oben auf und das bei einem sich zunehmend verknappenden Angebot – ein Automatismus, den jeder kennt, der mal einen Blick in die kleine Wirtschaftsfibel geworfen hat. Herr Nußbaum könnte das sicher auch unterstützen – wenn er denn da wäre. Die Politik der „Mieterpartei“ SPD hat wenig dazu beigetragen, diese Entwicklung zu dämpfen, im Gegenteil: Frau Junge-Reyer hat den Trend jahrelang forciert und gleichzeitig geleugnet, was auch schon mal ein Kunststück ist. Schon 2005 begann der Raus-aus-der-Stadt-Trend sich umzukehren. Seither sank einfach erst mal nur der Leerstand, bis 2008 die Reserven an preiswertem Wohnraum knapp wurden. Seit 2010 dynamisiert sich dieser Prozess unverschärft deutlich. Wir reden also von einer Entwicklung, die seit sieben Jahren da ist, und deren Ursache nicht nur am Wowereitschen „Arm, aber sexy“ liegt, sondern auch an politischen Fehlentscheidungen, die diesen Trend möglich gemacht haben. Für diese Fehlentscheidungen – auch da bin ich nicht der Erste, der das sagt – ist massiv die SPD und auch noch die Linkspartei verantwortlich zu machen, die wir an der Stelle nicht vergessen dürfen.
Diese Fehlentscheidungen sind vielfältig und liegen zum Teil weit in der Vergangenheit. Ich zähle mal mehrere Punkte auf: Da haben wir die Privatisierung der GSW, den Missbrauch von Wohnungsbaugesellschaften als finanzielle Verschiebebahnhöfe, eine Liegenschaftspolitik, die das Höchstbieterverfahren als Regelfall gewählt hat und das System des sozialen Wohnungsbaus und das Reißen der Notleine durch die sozialpolitisch fatale Kappung der Anschlussförderung. Nicht zuletzt: Das Verklappen von problematischen Beständen kommunaler Wohnungsbaugesellschaften in die diversen Garantieimmobilienfonds der Bankgesellschaft oder – als letztes – den Verkauf der ARWOBAU. Die Liste könnte ich tatsächlich noch eine Weile fortführen, aber ich habe nur insgesamt zehn Minuten Redezeit.
Leider ist so etwas wie Erkennen oder gar ein Lernprozess beim Senat und dem Regierenden weiterhin nicht zu sehen. Es wird weiterhin verklappt, verscheuert, vertuscht, verschleiert – eben SPD-Politik, wie wir sie kennen und schätzen.
Ich würde gerne vom Senat erfahren, wieso man nicht z. B. für Senator Müllers sogenanntes Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten auch die großen privaten bzw. privatisierten Wohnungsbaugesellschaften wie die eben genannten ARWOBAU oder GSW an den Tisch geholt hat. Zumindest bei der ARWOBAU ist das
Land Berlin unterm Strich ohnehin wirtschaftlicher Eigentümer der Bestände über die BIH, die neuerdings übrigens Berlinovo heißt. Be Berlinovo – neuer Name drauf, dieselben überschuldeten Schrottimmobilien drin!
Zur GSW: Deren Mieterinnen und Mieter sitzen seit Monaten am Kotti in ihrem Protestcamp, weil die Mieten dort für viele der Bewohnerinnen und Bewohner deutlich zu hoch sind. Hier musste endlich die Doppelspitze Müller-Wowereit aufwachen und nach einer Lösung für den kompletten Wohnungsmarkt suchen. Die Menschen können nicht länger warten, und Ihr mietenpolitisches KleinKlein, Herr Müller-Wowereit, ist alles andere als der Situation angemessen!
Wir nähern uns in Teilen des Stadtgebiets Verhältnissen, die wir bisher nur aus München oder Frankfurt am Main kannten. Normalverdienerinnen und Normalverdiener können sich einen Zuzug nicht mehr leisten oder finden einfach gar keine Wohnung mehr. Bestandsmieterinnen und Bestandsmieter werden verdrängt, und die Lösung kann nicht die sein, dass Zuzug sich auf die Großsiedlungen in den Bezirken Spandau, Marzahn-Hellersdorf oder Reinickendorf beschränkt, die nicht so zahlungskräftigen Mieterinnen und Mieter in den Innenbezirken wahlweise nach draußen verdrängt werden oder schlicht verarmen, da ein immer größerer Teil ihres Haushaltseinkommens von Miet- und Mietnebenkosten aufgefressen wird. Die Mietenpolitik der SPD in den letzten Jahren hat Armut forciert, so klar muss man das hier sagen!
Man fragt sich, warum aus Senatsreihen etwas fabuliert wird von wegen „städtische Wohnungsbauunternehmen tätigen konzeptgeleiteten Wohnungszukauf zu Bestandserweiterung“ – das steht da tatsächlich so, ohne konkreter zu werden, was man überhaupt plant. Kann es sein, dass sich dahinter der Plan verbirgt, von der einen landeseigenen Gesellschaft – nämlich der Berlinovo – auf eine andere – beispielsweise die DEGEWO – Objekte im Wohnungs- oder Apartmentbereich quasi umzuhängen, um die dann vielleicht auf die Zielzahl von 30 000 Wohnungen anzurechnen? Es kann natürlich auch sein, dass der Senat den Schrott der Berlinovo bei den Wohnungsbaugesellschaften nicht unterkriegt, weil jeder halbwegs kompetente Geschäftsführer weiß, dass man mit diesen restlos überschuldeten Beständen keinen Blumentopf gewinnen kann.