Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Oppositionsanträge sind hier im Hause leider allzu oft Schaufensteranträge, Anträge, die der eigenen Wählerklientel gefallen sollen und oftmals mit nicht erfüllbaren finanziellen Forderungen verbunden sind. Da nehme ich teilweise den vorliegenden Grünen-Antrag – und auch Ihr Engagement, Herr Abgeordneter Gelbhaar – ausdrücklich aus, ist er doch in wenigen Teilbereichen das, was die Koalition längst vereinbart hat und umsetzt oder umgesetzt hat. Daher kommt der Antrag zu spät. Darauf sind Sie vorhin auch schon selbst eingegangen. Denn es ist nicht mehr die Zeit für Gutachten, sondern die Zeit der Taten von Senat und Koalition, und es ist gut, dass wir heute darüber noch einmal berichten können.

In der Koalitionsvereinbarung wurde ein klarer Fahrplan vereinbart. Dazu gehörte zum Anfang der Wahlperiode die unverzügliche Verhandlungsaufnahme mit der Deutschen Bahn mit dem Ziel, die S-Bahn Berlin GmbH zu erwerben oder auf das Land Berlin zu übertragen oder in eine Rechtsform zu führen, bei der das Land Berlin Eigentümer wird. Jedoch hat der Eigentümer der S-Bahn, die Deutsche Bahn AG, das Entlassen der Berliner S-Bahn aus dem Konzern abgelehnt. Diese Fakten mussten wir zunächst zur Kenntnis nehmen und die daraus folgenden Konsequenzen ziehen. Die Absage der Deutschen Bahn AG mündete in rechtlich korrekter Weise in den Start einer Teilnetzausschreibung, ähnlich wie dies bereits unter der Vorgängersenatsregierung von SPD und Die Linke vorbereitet worden ist.

Warum eine Teilnetzausschreibung oder überhaupt eine Ausschreibung? – Zum einen ist eine Ausschreibung EU-rechtlich vorgeschrieben. Eine Direktvergabe ist rechtlich nur in wenigen Fällen möglich. Diese sind im Fall der Berliner S-Bahn aber nicht anwendbar. Zum anderen waren sich in den letzten drei Winterkrisen die öffentliche Meinung und fast alle Berliner Parteien darüber einig, dass die S-Bahn ausgeschrieben werden muss, sei es als Gesamt- oder als Teilnetz. Presse, Funk und Fernsehen sahen dies ebenso, und dieser Druck ist immer noch da, denn immer wieder neue Nachrichten, dass die S-Bahn immer noch nicht zu den vertraglich vereinbarten 100 Prozent fährt, heizen diese Diskussion immer wieder aufs Neue an.

Außerdem wissen wir nun von Rechtsgutachten und vergleichbaren Fällen, dass nur noch eine Teilnetzausschreibung bei der S-Bahn möglich ist. Dieses ist – wie ich eben schon sagte – in den rechtlichen Grundsätzen für Vergaben begründet und gilt ebenso hier und wird durch das bekannte Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes bestätigt.

Ziele der Teilnetzausschreibung der Koalition sind ein stabiler S-Bahnverkehr, der Erhalt des Einheitsnetzes der Berliner S-Bahn, die Bestellung neuer Fahrzeuge und – ich betone das – die Rechtssicherheit der bestehenden Beschäftigungsverhältnisse. Dieses wird im Berliner Senatsbeschluss vom 19. Juni 2012 deutlich. Denn gerade in dieser Ausschreibung gelten die Grundsätze für eine sozialverträgliche Vergabe: Tariftreue, Mindestlohn und die Arbeitsplatzsicherung. Beim Thema Tariftreue sollen die Grundsätze und einschlägigen Entgelttarife des Branchentarifvertrags für den Schienenpersonennahverkehr in Deutschland bzw. der Bundes-Rahmen-Lokomotivführervertrag künftig weiter gelten.

Beim Thema Arbeitsplatzsicherung wird jeder Bieter verpflichtet, den Mitarbeitern des betreffenden Teilnetzes ein Arbeitsplatzangebot unter Beibehaltung der jetzt gültigen vertraglichen Konditionen zu unterbreiten. Bedenken Sie bitte: Jeder neue oder etwaige andere Betreiber eines S-Bahnsystems braucht Fahrer und technisches Personal. Diese Menschen werden nicht so einfach da sein und ausgebildet werden können. Deswegen ist man auf das Know-how des bestehenden Fachpersonals unabweisbar angewiesen.

Als CDU regieren wir hier seit neun Monaten, haben die aktuellen Verhältnisse vorgefunden und haben nun den Auftrag, endlich einen stabilen S-Bahnverkehr zu erreichen. Der S-Bahn-Zukunftsfahrplan der Koalition ist viel weiter als der Grünen-Antrag, den wir damit leider ablehnen müssen, auch wenn der Ansatz teilweise richtig ist. Mit dem von mir dargestellten S-Bahnprogramm der Koalition zeigen wir mehr Verantwortung als die Grünen. Wir belegen damit Verantwortung für Berlin und den öffentlichen Nahverkehr für die Menschen in Berlin und Brandenburg.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Piraten hat jetzt Herr Höfinghoff das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich bin schon fast fassungslos, ob so viel Verantwortungsgefühl, Herr Friederici! Allerdings fällt mir immer wieder auf, dass ich denke, ich hätte Ihre Redebeiträge bereits Mitte der Achtzigerjahre gehört.

Das Thema S-Bahn ist mittlerweile ein Trauerspiel in so vielen Akten, dass einem manchmal der Überblick verloren geht. Die Tatsache, dass der Senat mehr oder weniger untätig die S-Bahn sich selbst überlässt, ist mehr als problematisch. Aber die Initiative der Grünen ist diskussionswürdig. Am 9. Februar hat Senator Müller den Fahrplan skizziert, den der Senat anstrebt. Die Rede war von „vor

(Gerwald Claus-Brunner)

auswahlbefähigten Unternehmen“ im Juli 2012 und einem anschließenden Vergabeverfahren, bei dem der Senat mit zwanzig Monaten – das ist dann März 2014 – rechnet. März 2014 ist, glaube ich, auch in etwa der Eröffnungstermin dieses ominösen Flughafens, den Berlin bekommen soll.

Ich muss an der Stelle einräumen, dass die Meinung auch in meiner Fraktion nicht ganz einhellig ist. Ein Mitglied meiner Fraktion sieht die Idee einer Teilausschreibung sehr kritisch und will letztlich die S-Bahn in die Hand des Landes Berlin zurückholen, um Geschäftemacherei mit dem Nahverkehr zugunsten von Renditemaximierung dauerhaft zu unterbinden. Herr Claus-Brunner wird später noch Gelegenheit haben, seinen Standpunkt klarzumachen. Aber wir sind auch nicht so blauäugig und träumen davon, alle Fehlentscheidungen früherer Senate blitzartig ungeschehen zu machen. Wir müssen uns den Realitäten stellen.

Die Teilausschreibung ist, wie schon erwähnt, nicht das allein Seligmachende. Das wissen auch die Grünen, die in Ihrem Antrag bewusst von Vorbereitung, Aufstellung eines Zeitplans und Öffentlichmachung der Gutachten reden – das ist übrigens mehr, als ich bisher vom Senat bzw. speziell von der Koalition gehört habe. Das Element Fuhrpark in öffentlicher Hand, also Neubeschaffung und vor allem Wartung des zu erneuernden Fuhrparks durch Berlin, ist sinnvoll, um dem Herunterwirtschaften der Bestände durch gestreckte Wartungsintervalle wirksam vorzubeugen.

Insofern bitten wir, die Vorschläge der Grünen zumindest ernsthaft zu erwägen, und fordern den Senat auf, im Zeitplan des Vergabeverfahrens bis zum Jahr 2014 plus X bereits vor 2017 zumindest weitere praktikable Maßnahmen einzuleiten, um die S-Bahn wieder zu einem Verkehrsmittel zu machen, dass es im Dezember 1930 unter einem öffentlichen Betreiber schon mal war – das modernste schienengebundene Nahverkehrsmittel der Welt. – Ich bedanke mich!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zu dem Antrag Drucksache 17/0108 empfiehlt der Bauausschuss mehrheitlich – gegen Grüne und Piraten – und der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen Grüne bei Enthaltung Piraten – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind mehrheitlich die Piraten und die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Koalition, zwei Piraten, die Linksfraktion und der fraktionslose Kollege. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Herr Claus-Brunner! Bleibt es bei Ihrem Wunsch, zu Ihrem Abstimmungsverhalten zu reden? – Dann haben Sie das Wort gemäß § 72 Geschäftsordnung für bis zu drei Minuten. – Bitte, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Senatorinnen beliebigen Geschlechts! Sehr geehrte Kolleginnen beliebigen Geschlechts! Warum stimme ich gegen diesen Antrag? – Ich habe meinen Wählern vor Jahresfrist im Sommer zugesagt, dass es mit meiner Fraktion keine Teilprivatisierung und Zerschlagung des S-Bahnnetzes gibt.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das hat nur einer aus deiner Fraktion auch so gesehen!]

Ich bin Gründungsmitglied des S-Bahntisches, der auch gegen eine Zerschlagung des Gesamtnetzes ist. Es ist hier eine andere Meinung vorherrschend, und es wird immer wieder um Ecken herum die Teilprivatisierung und die Zerschlagung des S-Bahnnetzes forciert und durchzusetzen versucht. Der Senat macht es immer wieder. Dem stehe ich mit meiner Stimme, solange ich hierzu in der Lage bin, entgegen und werde auch, so es geht, Begründungen und Argumente vorbringen, die dieser Zerschlagung entgegenstehen.

Ich habe auch einen konstruktiven Vorschlag, nämlich dass man für die Beschaffung und Übernahme der S-Bahn eine Gesellschaft gründet. Genauso, wie man bei den Wasserbetrieben eine Gesellschaft gegründet hat, um den Rückkauf zu realisieren, kann man auch hier eine landeseigene Gesellschaft gründen, die dann wiederum mit Geldmitteln ausgestattet wird, um z. B. Züge zu beschaffen als auch das Netz später zu übernehmen. Dann umgeht man auch die gesetzlichen Bestimmungen, der eine Aktiengesellschaft folgen muss. Man muss nicht mehr ausschreiben, sondern kann Direktvergaben machen. Das ist durchaus möglich, und man hat auch, wenn man es jetzt umsetzt, die Chance, das Wagenmaterial, das dringend benötigt wird, zu bestellen und zu beschaffen. Hiermit komme ich zum Schluss und bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Kollege!

Der Tagesordnungspunkt 13 war Priorität der Fraktion der CDU unter lfd. Nr. 4.3. Der Tagesordnungspunkt 14 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 14 A:

Angebot an Wohnraum für Studierende ausbauen

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 19. September 2012 Drucksache 17/0531

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/0336

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Zu dem Antrag Drucksache 17/0336 empfiehlt der Bauausschuss einstimmig – mit allen Fraktionen – die Annahme. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen und der fraktionslose Kollege. Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.

Ich komme zu

lfd. Nr. 14 B:

Nr. 8/2012 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 26. September 2012 Drucksache 17/0538

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Der Hauptausschuss hat der Vorlage einstimmig bei Enthaltung Linke und Piraten zugestimmt. Wer dem Vermögensgeschäft Nr. 8/2012 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Grünen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Eine Gegenstimme bei den Piraten. Enthaltungen? – Die anderen Piraten und die Linksfraktion.

Ich komme zur

lfd. Nr. 14 C:

Entwurf des Bebauungsplans III-231 (Zentraler Veranstaltungsplatz) für das Gelände zwischen der Allée du Stade, der geraden Verlängerung der Allée du Stade bis zum Berlin-SpandauerSchifffahrtskanal, der nördlichen Flurstücksgrenze des Berlin-SpandauerSchifffahrtskanals und der Bundesautobahn A 111 / Kurt-Schumacher-Damm im Bezirk Mitte, Ortsteil Wedding

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 19. September 2012 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 26. September 2012 Drucksache 17/0541

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/0417

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zur Vorlage Drucksache 17/0417 empfehlen der Fachausschuss – bei einer Enthaltung der Piraten – und der Hauptausschuss – mit den Stimmen aller Fraktionen und aller Piraten – einstimmig die Annahme. Wer der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen und der fraktionslose Kollege. Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Dann haben wir das beschlossen.

Ich komme zur

lfd. Nr. 14 D:

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER)