Protokoll der Sitzung vom 25.10.2012

Die Grünen nehmen mit diesem Antrag vorweg, was mögliche Ergebnisse dieses Untersuchungsausschusses sein könnten.

[Joachim Esser (GRÜNE): Gibt’s da noch die politische Verantwortung?]

Lassen Sie uns doch gemeinsam untersuchen, statt mit Vorverurteilungen Stimmung zu machen! Entweder wissen die Grünen deutlich mehr als alle anderen Abgeordneten – dann hätten Sie eben Fakten bieten müssen –, oder es handelt sich bei dem Antrag um einen weiteren Versuch, die Problemlagen Berlins zu skandalisieren. – Frau Pop! Wenn Sie auch tausendmal durchs Land laufen, heftig mit den Armen fuchteln und Skandal!, Skandal! proklamieren, wird Ihr Gezeter den Flughafen nicht eher fertigstellen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Was fordert dieser Antrag? – Er fordert eine Sonderprüfung zur Umsetzung des Bauvorhabens Flughafen BerlinBrandenburg. Mich wundert das. Hat nicht nach der Kündigung des Planungsbüros BBI und hat nicht auch mit der Bestellung des neuen Geschäftsführers Horst Amann eine umfangreiche Sonderprüfung und Bestandsaufnahme stattgefunden? Warum jetzt eine erneute Sonderprüfung? – Die Beantwortung dieser Sachfrage wäre in diesem Haus sicherlich auf neugierige Ohren gestoßen.

Der Antrag fordert in seinem zweiten Punkt, ein Verfahren einzuleiten, das Ersatzansprüche gegen Geschäftsführung und Aufsichtsrat geltend machen soll.

[Ramona Pop (GRÜNE): Das fordert der Bund auch!]

Es werden aber nicht das schon genannte mit der Planung beauftragte Unternehmen oder weitere bauausführende Firmen erwähnt; die werden völlig rausgelassen. Warum stellen sich die Grünen so unkritisch auf die Seite derjenigen, die für diesen enormen Schaden mitverantwortlich sind? Statt also das Land Berlin aufzufordern, Ersatzansprüche für Schäden gegenüber dem Planungsbüro geltend zu machen, stellen die Grünen hier einen Persil

schein für diejenigen aus, die das Debakel mitzuverantworten haben!

Der dritte Punkt fordert die Abberufung derjenigen Mitglieder des Aufsichtsrats, die keine langjährigen Erfahrungen im Management komplexer Infrastrukturvorhaben aufweisen können. Von den 15 Aufsichtsratsmitgliedern sind fünf Vertreter der Arbeitnehmer – Betriebsräte, Gewerkschaften –, weitere zwei Vertreter des Bundes – der immerhin mit 26 Prozent Anteilseigner am Flughafen ist –, und die Länder Berlin und Brandenburg sind mit je vier Vertretern im Aufsichtsrat vertreten. Die beiden Länder Berlin und Brandenburg sind mit 37 Prozent an dem Unternehmen beteiligt.

Wie viele große Infrastrukturprojekte, wie viele Flughäfen sind in Deutschland komplett neu gebaut worden oder standen vor ähnlichen Herausforderungen? – Keine. Wie viele Experten haben die Grünen in ihren eigenen Reihen, die professionell den Bau eines Flughafens begleiten könnten? – Keine. Kein einziger Flughafenneubau der letzten 20 Jahre hatte eine ähnliche Dimension wie unser Flughafen „Willy Brandt“. Und weil in Europa und in der Welt nicht täglich ein Flughafen aus dem Boden gestampft wird, ist die Forderung nach erfahrenem Expertentum mit Vorsicht zu genießen – vermeintliche Experten gibt es genug.

Der letzte Punkt im Antrag der Grünen ist die schon an einigen Stellen geforderte Entlassung des Geschäftsführers Prof. Dr. Schwarz. Hier geht es auch um mediale Aufmerksamkeit. Ich halte grundsätzlich gar nichts von öffentlichen Rücktrittsverlangen, und ich wiederhole: Wir werden mit diesem Untersuchungsausschuss eine Untersuchungsarbeit vornehmen und keine Verurteilung. Wir werden aufhellen, wir werden die institutionellen und individuellen Verantwortlichkeiten klären, und dann kann man darüber nachdenken. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kreins! – Für die Linksfraktion hat jetzt die Abgeordnete Frau Matuschek das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Grünen beweisen mit der Vorlage dieses Antrags ihre umfassende Kompetenz zu diesem Thema. Schon allein die sprachliche Qualität ist hervorragend: falscher Satzbau, fehlende Nummerierung, der Verweis auf das Gesellschaftsorgan Hauptversammlung, das es beim Flughafen gar nicht gibt – alles das spricht Bände.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU]

Aber ich gestehe Ihnen zu: Der Sinn des Antrags ist die Entlassung von Herrn Schwarz und des gesamten Aufsichtsrats; das ist Ihre Intention. Da kann ich nur sagen: Die anderen Anteilseigner werden sich bedanken, wenn man in ihre Eigentumsrechte eingreifen will, denn dazu gehört die Besetzung des Aufsichtsrats. Und es gibt deutliche und rechtlich klar definierte Unterschiede zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat.

[Beifall bei der SPD]

Ich will gar nicht verhehlen, dass auch wir arge Zweifel an der Arbeit von Herrn Prof. Schwarz hegen. Er ist seit 1. Juni 2006 Geschäftsführer und hat für den Bau, die Finanzierung und die Verschiebung des Eröffnungstermins die Verantwortung zu tragen. Aus dieser Verantwortung lassen wir ihn nicht hinaus!

[Beifall bei der LINKEN]

Zu dieser Verantwortung gehört auch – das ist gesetzlich vorgeschrieben –, dass der Geschäftsführer die Geschäftsführung, den Aufsichtsrat, über alle wesentlichen Belange zeitnah und umfassend zu informieren hat. Es nützt aber nichts zu behaupten, dass er es nicht getan hat. Man muss es schon nachweisen, und wir machen den Untersuchungsausschuss genau zu diesem Instrument des Nachweises der Fehlleistungen von Herrn Prof. Schwarz – bis hin zur Staatsanwaltschaft. Das sage ich hier ganz klar und deutlich. Aber wir machen keine Vorverurteilungen aufgrund von Pressemeldungen.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

Was die Aufsichtsratbesetzung anbelangt: Auch ein Aufsichtsrat hat rechtlich klar definierte Rechte und Pflichten. Dazu gehört: Er muss kontrollieren. Dazu gehört: Er muss den Jahresabschluss beschließen. Er kann Sonderprüfungen bei Zweifeln an der Leistung der Geschäftsführung verlangen. Das kann er alles tun, und er muss über die Berufung und Entlastung der Geschäftsführung entscheiden. Das ist alles richtig.

Aber der Aufsichtsrat muss das natürlich auf der Grundlage der Kenntnisse machen, die ihm zugegangen sind, oder andere Kenntnisse erwerben. Aber – und jetzt komme ich zum Knackpunkt der ganzen Angelegenheit – wir haben es hier mit dem Aufsichtsrat eines öffentlichen Unternehmens zu tun. Wir haben es nicht mit irgendeinem Aufsichtsrat zu tun, sondern mit einem öffentlichen Unternehmen. Das heißt, die Mitglieder des Aufsichtsrats für die Anteilseigner vertreten den öffentlichen Eigentümer. Ich frage jetzt mal: Wen wollen Sie denn in den Aufsichtsrat berufen – wenn Sie die Kompetenz dazu hätten?

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Ramona Pop (GRÜNE): Sicherlich nicht Sie, Frau Matuschek!]

Etwa den Frankfurter Flughafen, den direkten Konkurrenten des Flughafens Berlin-Brandenburg? Oder etwa Hochtief, die ihre Kompetenz an der Elbphilharmonie so

sagenhaft beweisen? Oder vielleicht Renate Künast als diejenige, die daraus einen Regionalflughafen machen will?

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD]

Ich versuche, es einmal anders auszudrücken:

[Ramona Pop (GRÜNE): Es gibt einfach niemand, der das kann!]

Das öffentliche Eigentum gehört weder Herrn Wowereit noch Herrn Platzeck und auch nicht Herrn Ramsauer. Die sitzen da aber, weil sie in der Folge von Wahlen in ihre Funktionen gekommen sind. Das öffentliche Eigentum kann ja nur durch Personen operationalisiert, gewahrt und vermehrt werden, die im Ergebnis von Wahlen in ihre Funktion gekommen sind.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Ramona Pop (GRÜNE)]

So setzen sich öffentliche Interessen dann auch durch. Das muss man doch, bitte schön, mal zur Kenntnis nehmen.

[Joachim Esser (GRÜNE): Wir sitzen hier in diesem Haus, wählen wir sie ab!]

Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir werden ihn allerdings auch nicht ablehnen. Ich sprach über unsere Zweifel. Wir wollen aufklären – im Untersuchungsausschuss –, und wir werden das öffentliche Eigentum nicht an irgendwelche Leute in den Aufsichtsräten verschenken. Kein privater Eigentümer setzt sich die Konkurrenz oder irgendwelche andere Interessenten als diejenigen, die seine eigenen Eigentumsinteressen vertreten, in den Aufsichtsrat.

Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Wir wollen die Öffentlichkeit über die entsprechenden öffentlichen Anteilseigner im Aufsichtsrat auch vertreten wissen.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Evers das Wort. – Bitte sehr!

[Torsten Schneider (SPD): Herr Evers, loben Sie mal Frau Matuschek! Das war eine Lehrstunde für die Grünen! – Ramona Pop (GRÜNE): Das ist die ganz große Koalition!]

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz herzlichen Dank, Frau Matuschek! Auch wenn Sie einen guten Teil meines Redebeitrags vorweggenommen haben: Es ist Ihnen gelungen, an einer Reihe von Punkten deutlich zu machen und die Grünen daran zu erinnern, wie eine Gesellschaft aufgebaut ist, wie eine Aktiengesellschaft funktioniert, welche Aufgaben einem Aufsichtsrat zufallen und wie, anders als in ihrem Antrag unterstellt, in welcher Weise ein Aufsichtsrat funktioniert.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Ein kleiner freundschaftlicher Hinweis vorweg: Zur inhaltlichen Substanz des Antrags ist schon einiges gesagt worden. Mein Ratschlag an Sie ist zusätzlich: Wenn Sie schon aus dem Beschlusstext von Anträgen Ihrer Kollegen im Bundestag kopieren, dann sollten Sie auch darauf achten, dass das Format mit übernommen wird. Auf die fehlerhafte Nummerierung ist bereits hingewiesen worden. Das hätte sich durch etwas Sorgfalt beim Kopieren vermeiden lassen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich bin versucht zu sagen: Liebe Grünen, willkommen auf dem Niveau der FDP!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Heiterkeit bei der SPD]

Denn was wir aktuell – und da verweise ich auf den Kollegen Döring – auch von der FDP auf Bundesebene hören, hat genauso wenig mit einem verantwortungsvollen Umgang mit diesem ernsten Thema zu tun wie Ihr Antrag heute hier.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Torsten Schneider (SPD)]

Man möchte meinen, dass Sie dieses Niveau – wenn wir jetzt von der Steilvorlage der FDP sprechen – sogar noch unterbieten, denn Herr Döring beschränkt sich immerhin darauf, den Rücktritt von Herrn Schwarz und Herrn Wowereit zu fordern, bevor er die Mittel für den Flughafenbau freigibt. Sie fordern den Massenexodus aus dem Aufsichtsrat. Da ich davon ausgehe, dass Sie in konsequenter Handhabung Ihres Anliegens auch alle Arbeitnehmervertreter angeschrieben und gebeten haben, ihre Aufsichtsratsmandate niederzulegen, wollen Sie wahrscheinlich den Aufsichtsrat komplett neu besetzen, auch wenn das jetzt aus dem Antragstext nicht hervorgeht, weil wir ja schlecht darüber bestimmen können, wie die Arbeitnehmer mit ihren Aufsichtsratspositionen umgehen.

Ich will auf eines hinweisen: Sie fordern eine skandalfreie Fertigstellung des Flughafens und nutzen jede Gelegenheit – auch den heutigen Abend –, die Skandalisierung dieses Flughafens und die Skandalisierung der Gremien zu betreiben. Das ist nicht unser Verständnis, wie in dieser Situation angemessen zu reagieren ist. Wir stehen kurz vor einer Aufsichtsratssitzung, die wir abzuwarten

bereit sind. Ich persönlich nehme durchaus ernst, was uns über die Medien immer wieder an Hinweisen darauf erreicht, dass möglicherweise in der Geschäftsführung das eine oder andere nicht richtig gelaufen ist. Aber ich warte doch ab, bis ich dafür auch Belege habe, und diese Prüfungen laufen. Es ist eine Soko BER beim Bund eingesetzt, und der Aufsichtsrat führt eigene Prüfungen durch.