Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Knapp 7 000 Beschäftigte in den Bezirken scheiden allein bis 2018 aus. Das ist ein Drittel. 50 Prozent aller Führungskräfte gehen planmäßig in den Ruhestand. Qualifiziertes Personal wird knapp. Der Fachkräftemangel, über den wir immer mal reden, betrifft auch den öffentlichen Dienst und hier auch immer mehr Bereiche. Sozialarbeiterinnen, Bau- und Vermessungsingenieure, von Amtsärzten oder begutachtenden Ärzten ganz zu schweigen, sind jetzt schon schwer am Markt zu finden. Und – auch das will ich in die Debatte einbringen – die Leistungs- und Serviceanforderungen an den öffentlichen Dienst steigen.
Schauen wir uns an, welch hohe und qualifizierte Anforderung die Gesellschaft zu Recht an die Bearbeitung des Themas Kinderschutz stellt.
Gleichzeitig haben die Bezirke in den Jahren 1989 bis 2008 im Vergleich zur Hauptverwaltung den größeren Anteil am Personalabbau erbracht. Und jetzt, durch die neue Situation, drängen auch die Beschäftigten des EZePs darauf, eine „echte“ Stelle zu bekommen, um wirklich motivierend eingesetzt zu werden.
Gleichzeitig ist es so, dass die Unternehmen und Institutionen, die mit dem öffentlichen Dienst um gute Arbeitskräfte konkurrieren, deutlich aufholen, was die Bezahlung, was die Frauenförderung, was Aufstiegsmöglichkeiten, was die Flexibilität bei Arbeitszeit und -vereinbarkeit betrifft. Das alles sind gravierende Veränderungen, die wir mitzubetrachten haben, wenn es um die Personalentwicklung des Landes Berlin geht. Aber wir stellen fest, dass genau dieser Punkt, der dringend notwendig wäre, nämlich eine wirkliche Personalentwicklung, die ihren Namen verdient, nicht prioritär behandelt wird. Die Personalabbauvorgaben und für einige Bezirke auch die Konditionen für Neueinstellungen sind irritierend und teilweise auch erpresserisch. Ich will das mit ein paar Beispielen unterlegen.
Die Bezirke Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg, die nach der Kosten- und Leistungsrechnung zu den am effektivsten wirtschaftenden Bezirken gehören, sollen Personal abbauen. Der Bezirk Treptow-Köpenick, der dreimal so viel Fläche hat wie der Durchschnitt und demzufolge auch dreimal so viele Bauanträge zu bearbeiten hat, soll Personal abbauen. Der Bezirk Mitte sieht sich gezwungen, die Stellen für das gesamte Personal, das in dieser Legislaturperiode ausscheidet, wegfallen zu lassen. Das ist nicht verantwortbar, weil es nach dem Zufallsprinzip und auch quantitativ so nicht zu realisieren ist.
Auch die Bezirke, die einstellen können, geraten jetzt in eine Konfliktsituation zu den Bezirken, die Personal abbauen müssen, weil sie um Fachfachkräfte werben – um nicht zu sagen, sie werben Fachkräfte und Führungskräfte ab –, mit dem Planversprechen, ihre Arbeit mit hohen Qualitätsanforderungen auch zu besseren Konditionen – beispielsweise nur mit 50 Prozent von Fällen pro Monat – zu bearbeiten. Auch das ist eine unverantwortliche Situation für die Leistungsfähigkeit eines öffentlichen Dienstes, die man nicht nur sicherstellen, sondern auch ausbauen muss.
Ich würde darum bitten, dass die Gespräche am Rand bitte eingestellt oder nach draußen verlagert werden.
[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Wäre überhaupt mal gut, wenn sie sich hin und wieder mal blicken lassen würden! – Torsten Schneider (SPD): Wir haben ihn schon angerufen!]
Mir würde es schon reichen, wenn wir diese Debatte im Hauptausschuss führen könnten, denn im Moment besteht dazu noch nicht einmal die Bereitschaft.
Nein, ich habe nichts dagegen, dass die Kollegen sich an dieser Debatte beteiligen. Ich fände es aber auch schön, wenn der Hauptausschuss seine Bereitschaft erklären würde, über dieses Thema weiter zu reden, weil das momentan nicht der Fall ist.
Ich würde Sie einfach bitten, aktuell die Situation in den Jugendämtern vieler Bezirke – auch in den Landesämtern, aber darüber reden wir ja heute nicht – anzuschauen. Wir haben eine unglaublich verdichtete Arbeitssituation Wir haben einen Krankenstand von bis zu 30 Prozent in bürgernahen Bereichen. Und wir fordern zu Recht Qualität in diesen Bereichen ein, schauen aber aus meiner Sicht nicht ausreichend, ob diese Qualität auch zu erbringen ist.
Jetzt werden Sie in Ihren Redebeiträgen wieder sagen: Nein, die Situation ist völlig anders. Die Bezirke können ja sogar einstellen. – Ja, es stimmt, drei Bezirke haben momentan die Chance, neu einzustellen. Aber auch die werden feststellen, dass sie das Personal nicht finden, das sie suchen, weil nach dem neuen Tarifrecht Menschen, die schon lange woanders gearbeitet haben und Erfahrungen mitbringen, als Berufsneulinge behandelt werden und
[Torsten Schneider (SPD): Das ist Tarifrecht! – Uwe Doering (LINKE): Es funktioniert nicht, was Sie wollen! – Torsten Schneider (SPD): Ihr wollt Tarifrecht abschaffen? – Uwe Doering (LINKE): Quatsch!]
So kann man mit dieser Situation nicht umgehen. Ich bin sehr verwundert, dass Sie als Reaktion auf diese umfassende Darstellung eines Problems, dem Sie nicht entgehen können, weil Sie, wenn Sie so weitermachen, am Ende der Legislaturperiode bei deutlich unter 20 000 Beschäftigten für die Bezirke ankommen werden. Und Sie werden sehr, sehr viele unbesetzte Stellen haben. Sie können sich dann natürlich über den Spareffekt freuen, aber es gibt dann keinen leistungsfähigen öffentlichen Dienst mehr, den Sie gleichermaßen einfordern.
Machen Sie es zur Priorität, aber vor allem: Zeigen Sie erst einmal die Bereitschaft, weiter über dieses Thema im Hauptausschuss zu diskutieren! Sie haben heute – das ist der Stand der Dinge – gesagt, Sie wollten eine Sofortabstimmung, weil darüber genug geredet worden sei. Die Bezirke sollen das Personal abbauen, Schluss und fertig.
Deshalb wollen wir auch eine namentliche Abstimmung, weil das die einzige Möglichkeit ist, Sie noch einmal zu einem Bekenntnis zu zwingen. – Vielen Dank!
[Udo Wolf (LINKE): Eigentlich wäre es Aufgabe des Präsidiums, für Anwesenheit der Regierungsbank zu sorgen!]
Herr Kollege! Da muss ich Ihnen leider widersprechen. – Ich habe vernommen, Sie beantragen die Zitierung des zuständigen Senators für Finanzen. – Wünschen Sie die Begründung dieses Antrags?
Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich bitte um das Handzeichen für die Ja-Stimme zum Antrag der Zitierung des Senators für Finanzen. – Gegenstimmen bitte! – Enthaltungen. – Dann ist das so beschlossen. Dann wird der Senator zitiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine sehr verehrte Präsidentin! Dass Personalabbau nicht schön ist und keinen Spaß macht, weiß, glaube ich, jeder im Saal, aber leider gehört das zu den Bekenntnissen, die man hier offenbar immer und immer wieder gebetsmühlenartig ablegen muss. Auf die Bürgerinnen und Bürger dürfte das ermüdend wirken. Und ich habe ohnehin den Eindruck, dass unsere politischen Debatten ein wenig am gezielten Austausch von Selbstverständlichkeiten kranken. Hinzu kommt, liebe Linksfraktion, dass der Abbau von Personal im öffentlichen Dienst in Berlin überhaupt nichts Neues ist. Das ist kein teuflischer Plan, den sich diese Koalition ausgedacht hat, um die Beschäftigten zu schikanieren und ihre Familien in Angst und Schrecken zu versetzen.
Auch die Koalition, die vor dieser Koalition regiert hat – an die dürften Sie sich erinnern –, hat den Personalabbau nicht erfunden. Auch nicht die davor, nicht einmal die davor. Personal wird in unserer Stadt seit über 20 Jahren reduziert, das ist die schlichte und ganz und gar banale Wahrheit. Das heißt im Übrigen auch, dass keine Regierung der jüngeren Vergangenheit am Personalabbau vorbeigekommen ist. Und dafür gab und gibt es auch eine Menge gute Gründe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition und ganz besonders von der Linksfraktion! Sie kennen diese Gründe, und deshalb brauchen Sie sich hier auch nicht künstlich zu echauffieren.
Das sind genau die Rituale, für die wir nämlich in der Bevölkerung gerne mal kritisiert werden. Ich erwarte von Ihnen als Opposition ja gar nicht, dass Sie die Regierungskoalition loben, aber Sie könnten doch trotzdem einfach einmal anerkennen, dass die rot-schwarze Koalition das Ende des Personalabbaus bereits beschlossen hat.
[Lachen bei der LINKEN – Uwe Doering (LINKE): Wieso dreht ihr dann weiter? – Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]
Natürlich geht das nicht locker aus der Hüfte. Wir werden uns bis 2016 noch mächtig anstrengen müssen, und in der Haupt- und in den Bezirksverwaltungen muss bis dahin noch ein ganz schöner Endspurt hingelegt werden.