Protokoll der Sitzung vom 10.01.2013

Selbstverständlich kann ich nachvollziehen, dass viele Menschen in Berlin, in der Republik und nicht nur diejenigen, die das bösartig meinen, sondern vor allem auch diejenigen, die das gut meinen und den Erfolg dieses Projektes wollen, entsetzt sind, dass sie den Kopf schütteln und sagen: Wie konnte denn das schon wieder passieren? – Wobei ja viele Kassandrarufer vorher schon da waren und auch wussten, das kann ja alles nicht klappen, auch die, die sich heute entrüstet zeigen.

Wir haben die Umkehr in dem Unternehmen eingeleitet, auch mit rabiaten Schnitten. Heute sagen einige: Das hättet ihr nicht machen sollen! Ihr hättet mit denselben Leuten weiterarbeiten müssen, mit denselben Planern! – Ich kriege seitenweise aufgelistet, was da alles schiefgelaufen ist, das wird kritisiert, zu Recht kritisiert. Gleichzeitig wird gesagt: Ihr hättet pg bbi, Gerkan & Co. nicht rausschmeißen dürfen, weil die ja die Kontinuität zu leisten haben. Ja, in was denn eigentlich? – In Fehlplanung, meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb ist es leicht zu sagen, hättet ihr die mal behalten. Das haben wir einmal gemacht, nach dem Motto: Es ist nicht günstig, im laufenden Rennen die Pferde zu wechseln. – Das Resultat war, dass es nicht besser geworden ist. Insofern ist der Schnitt gemacht worden, nicht leichtsinnig, nicht mal schnell in der Abendschau verkündet, sondern nach reiflicher Überlegung und Rücksprache auch mit den beteiligten Firmen, die alle das Vertrauen verloren hatten. Heute zu sagen, das hättet ihr mal nicht machen sollen – das kann man sagen. Eine vergleichende Studie können wird dazu leider nicht anstellen.

Aber selbstverständlich müssen aus diesem Desaster Konsequenzen gezogen werden, und der Austausch der Planer und Projektüberwacher ist doch ein notwendiger Schritt gewesen, genauso wie der, sich vom technischen Geschäftsführer Herrn Körtgen zu trennen. Dann haben wir den neuen technischen Geschäftsführer geholt, einen ausgewiesenen Experten, den Sie auch alle ganz gut gefunden haben, wenn ich das der Presse so recht entnommen habe und bei den gemeinsamen Auftritten. Ein Mann, der vom Bau kommt, ein Mann, der ja Experte ist. Hier wird doch immer nach Experten geschrieen. Tausende von Experten bauen diesen Flughafen. Jeder ist Experte auf seinem Gebiet.

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

Die Leistung ist leider noch nicht so zufriedenstellend. Herr Amann ist angetreten und hat freie Hand gehabt, alles aufzudecken und natürlich eine Analyse zu machen. Jeder, der neu anfängt, macht natürlich aus eigenem Interesse einen Kassensturz und sagt: Ich bin doch nicht bekloppt, trete hier an, lasse mich für das, was meine Vorgänger gemacht haben, in Haftung nehmen. – Selbstverständlich bedeutet das auch immer Stillstand, das bedeutet auch immer erst mal Frustration bei denjenigen, die ja da waren. Da kommt ein neues Team und sagt: Ja, wir sind die Starken, wir sind die Guten, ihr seid die Blöden! – Das ist für die Motivation, für Leute, die noch da sind, natürlich nicht immer nur förderlich. Die zu motivieren, auch mitzunehmen und ihnen das Gefühl zu geben, auch dabei zu sein, ist eine hohe Kunst und geht nicht ohne Verwerfungen.

Herr Amann hat diese Arbeit zu leisten, und er leistet diese Arbeit mit seinem Team. Nicht nur er allein ist neu gekommen, hoch bezahlte Expertinnen und Experten aus der ganzen Republik sind hinzugekauft worden, um diese Mängel zu beseitigen. Nach seiner Analyse – und auch dazu haben wir ihm länger Zeit gegeben – ist der 27. Oktober von dem neuen Team erarbeitet worden, auch wiederum in Rücksprache mit den einzelnen Firmen. Selbstverständlich war da auch klar, da sind nicht riesige Zeitpuffer dabei. Selbstverständlich war klar, dass viele Probleme zu lösen sein würden, sonst wäre es ja einfach gewesen. Es wäre ja überhaupt gar kein Problem gewesen, hätte man gesagt, okay, in wenigen Monaten schafft man das. Nein, das war eine riesige Herausforderung. Dementsprechend ist alles getan worden, um das Unternehmen und das Projekt so aufzustellen, um diese Fehler zu beseitigen.

Wenn dann Herr Amann mit Schreiben vom 4. Januar zu dieser Erkenntnis kommt, ja, wir können diese Probleme lösen, aber es sind so viele Probleme da, die auch in ihrer Dimension neu bewertet worden sind, die auch in ihrer zeitlichen Dimension neu bewertet werden, und er dann sagt: Ich sag das lieber rechtzeitig, lieber am Anfang des Jahres 2013 und nicht erst Mitte des Jahres, nachdem alle Tests abgeschlossen sind, wie es weitergeht, sondern ich kann leider heute diesen Termin schon nicht halten –, dann ist das kein politisches Versagen, sondern dann ist das eine Expertenmeinung, die sich damit manifestiert. Da hat Politik auch ihre Grenzen, egal, wer dort sitzt, auch egal, welcher sogenannte Experte im Aufsichtsrat sitzen würde. Das sind ja nicht alles Leute, die vom Bau sind. Selbst die Chefs von großen Bauunternehmen sind ja heute nicht mehr in der Lage, einen Bauplan zu gestalten. Das ist ja auch ein Quatsch, eine Chimäre, die da aufgebaut wird. Auch die sind darauf angewiesen, hier tatsächlich den Verantwortlichen vor Ort die Chancen zu geben, ihre Arbeit zu machen. Darum geht es. Herr Amann braucht mit seinem Team die Chancen, vor Ort die Arbeit zu machen, und es ist eine harte Arbeit. Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich: Viele Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter vor Ort, bei der Flughafengesellschaft, bei den einzelnen Firmen, aber auch in der Geschäftsführung, im Aufsichtsrat und in anderen Bereichen haben in den letzten Wochen und Monaten bis an die Grenze ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit daran gearbeitet, dieses Projekt auf den richtigen Weg zu bringen. Dafür sollte man ihnen auch mal dankbar sein. Das sind nicht Leute, die bösartig da sitzen, um etwas zum Scheitern zu bringen, sondern die wollen das Gelingen. Das Gelingen und nicht das Scheitern!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN) – Zuruf von der LINKEN: Dann macht es doch mal! – Joachim Esser (GRÜNE): Wer hat den Plan denn dahin geführt? – Weitere Zurufe]

Sie können sich natürlich vorstellen, wie das bei den Einzelnen wirkt, wenn sie in einer teilweise unerhörten Art und Weise öffentlich beleidigt werden. Dass der Regierende Bürgermeister Schmerzgrenzen haben muss, die andere nicht haben sollten und sich auch gar nicht angewöhnen sollten, ist auch nichts Neues.

[Ramona Pop (GRÜNE): Sie haben sich das selbst eingebrockt! – Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Jetzt aber hier so zu tun, wie es auch Herr Baum gerade wieder gemacht hat: Er war einmal auf der Baustelle, und er weiß jetzt, was dort alles richtig und falsch ist. – Ich finde das toll. Wir sollten Sie einstellen, Herr Baum. Wirklich wahr!

[Heiterkeit bei der SPD und der CDU – Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich mache Ihnen ein Jobangebot beim Flughafen.

[Zurufe]

Ja, bitte! – Und dann werden wir das regeln. Toll, wenn das so einfach ist! Durch Inaugenscheinnahme kann man die Probleme lösen. Wunderbar! Das ist toll, und das machen wir dann alle so.

[Joachim Esser (GRÜNE): Das haben Sie noch nie gemacht!]

Wir haben Inaugenscheinnahme ohne Ende gemacht, lieber Herr Esser.

Insofern muss diese Diskussion natürlich geführt werden, und es müssen auch Veränderungen durchgeführt werden. Nun wird das Allheilmittel darin gesehen, dass Herr Schwarz aus dem Amt gezogen wird. Ja, da haben sich viele zu Recht eingeschossen, aber wir haben bewusst, und zwar alle drei Gesellschafter, nicht mit Zwang, im Mai des letzten Jahres die Entscheidung getroffen, dass wir nicht die gesamte Geschäftsführung austauschen können. Es ist schön, einen abzuberufen, aber es muss dann erst mal noch ein Neuer kommen, und ein Neuer muss sich dann schnell einarbeiten, und ein Neuer wird

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

wieder seinen Kassensturz machen, und dann geht das alles wieder los. Es ist auch eine Zeitfrage.

Die Situation ist aber so, wie sie ist, und deshalb werden am nächsten Mittwoch – höchstwahrscheinlich, es ist ja eine Sitzung, die erst noch stattfindet, aber ich gehe mal davon aus, dass alle drei Gesellschafter der Abberufung von Herrn Schwarz dort zustimmen werden und zügig daran arbeiten werden, eine Neubesetzung vorzunehmen. Die Ergänzung der Geschäftsführung durch einen eigenen Finanzgeschäftsführer ist schon vor der Verschiebung erörtert und auch beschlossen worden, und die wird in dem Zusammenhang dann auch auf den Weg gebracht.

In der Tat, der Aufsichtsratsvorsitz geht von Berlin nach Brandenburg. Damit ist nicht gesagt, dass eine neue Politik passiert.

[Lachen bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Zurufe von den GRÜNEN]

Nein! Das kann auch gar nicht der Fall sein, denn Brandenburg steht zu seiner Verantwortung genauso, wie Berlin zu seiner Verantwortung steht. Ich würde mich freuen, wenn nicht nur die Vertreter des Bundes, die im Aufsichtsrat sitzen, zu ihrer Verantwortung stehen würden, sondern auch das ganze Ministerium dahintersteht. Das wäre auch mal erfreulich, dass die nicht so tun, als ob sie damit nichts zu tun haben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Deshalb freue ich mich, dass in dem Gespräch bei Herrn Minister Schäuble – um auch da wieder klar zu sagen: Wir sind nicht einzitiert worden, es sollte eigentlich bei mir stattfinden, hat aber aus praktischen Gründen bei Herrn Schäuble stattgefunden – mit Herrn Ramsauer und mit Herrn Platzeck vereinbart worden ist, dass alle drei Gesellschafter zu ihrer Verantwortung stehen und nach wie vor gemeinsam diese Verantwortung tragen und vor allem eines im Blick haben, nämlich dieses Projekt zum Erfolg zu führen und alles dafür zu tun, gemeinsam diese Verantwortung zu tragen. Und das wird sich in der nächsten Aufsichtsratssitzung auch dokumentieren.

Trotzdem gibt es natürlich unterschiedliche Sichtweisen. Warum denn auch nicht? Da ist die Frage, wie der Aufsichtsrat besetzt werden soll – diese wunderbare Debatte, die immer wieder geführt wird: Sind Politiker überhaupt geeignet, noch irgendetwas außerhalb ihrer Politik im Amt oder im Parlament zu machen? – Ich kann mich erinnern, dass wie selbstverständlich in diesem Hause gefordert wird, dass auch Abgeordnete in Aufsichtsräten und Gremien vertreten sind.

[Daniel Buchholz (SPD): Die Grünen wollen das immer!]

Und Rekommunalisierung ist ein Stichwort, das viele nennen, weil zu Recht gesagt wird – und es ist auch heute in der Debatte gesagt worden –: Ja, es ist das Eigentum

der Bürgerinnen und Bürger, und Eigentümer bei vielen Unternehmen ist der Staat, und dann können wir als Eigentümer nicht darauf verzichten, diese Verantwortung wahrzunehmen, und sagen: Jetzt setzen wir sogenannte Experten da hinein, und die machen das besser und alleine. – Nein! Es gibt zig Beispiele, wo das eben nicht funktioniert und wo Sie zu Recht sagen: Was sagen Sie eigentlich als Eigentümer? – Ein Beispiel haben wir gerade bei der Messe erlebt, wo wir im Prinzip fast so ein System haben, wo dann der Eigentümer hinterherhechelt, um überhaupt noch etwas im Unternehmen durchzusetzen, auch wenn es gegen die Interessen des Eigentümers geht. So geht es nicht. Wir sollten mit solchen Pauschalisierungen vorsichtig sein.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir müssen auch aufpassen, dass wir von der Rechtslage her – und die ist ziemlich eindeutig – nicht die Grenzen dessen überschreiten, was ein Aufsichtsrat darf und was eine Geschäftsführung zu tun hat. Ein Aufsichtsrat darf im operativen Geschäft gar nicht tätig werden. Schon allein aus GmbH-Haftungsgründen und aus Aktiengesetzgründen ist das überhaupt nicht möglich.

[Joachim Esser (GRÜNE): 1,2 Milliarden Euro! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN]

Deshalb sollte man bei aller Liebe dafür, dass man versucht, dies politisch auszuschlachten, vorsichtig sein, wie man dort überhaupt vorgeht. Sie werden im Ernst auch nicht infrage stellen, dass die Arbeitnehmervertreter dort im Aufsichtsrat sitzen. Die Sozialdemokratie steht jedenfalls dafür, dass wir hier auch eine Mitbestimmung und eine Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat haben. Auch das gehört zur Wahrheit.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Özcan Mutlu (GRÜNE): Ablenkungsmanöver!]

Die Entwicklung beim Flughafenbau, über die wir heute reden, ist wahrlich nicht erfreulich.

[Joachim Esser (GRÜNE): 1,2 Milliarden Euro – Ihre Verantwortung!]

Ich habe in diesem Hause auch mehrfach bei den entsprechenden Debatten, die wir in der Vergangenheit führen mussten, deutlich gemacht und mich bei den Bürgerinnen und Bürgern auch dafür entschuldigt, dass dieses Projekt noch nicht zum Erfolg geführt worden ist. Die erneute Verschiebung verstärkt auch die Vertrauenskrise, die die Verantwortlichen für den Flughafen durchleben, aber natürlich auch die Vertrauenskrise, die sich daraus generell gegenüber der Politik ableitet.

Ich sage aber auch: Vertrauen zurückgewinnen, das kann man dadurch erreichen, dass man sich aus der Verantwortung begibt. Das ist auch eine Möglichkeit. Ich darf Ihnen auch persönlich sagen: Selbstverständlich überprüft man sich selber, selbstverständlich geht man in sich, ob man diese Aufgaben noch erfüllen kann und erfüllen will. –

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

Und ich sage Ihnen auch: Die Alternative eines Rücktritts ist nicht die schlimmste Form, eine Verantwortung zu übernehmen. Es ist viel anstrengender und viel komplizierter, sich der Verantwortung zu stellen, und ich gehöre zu denjenigen, die nicht weglaufen, sondern sich dieser Verantwortung stellen.

[Lang anhaltender Beifall bei der SPD und der CDU – Joachim Esser (GRÜNE): Jetzt sollen wir auch noch Mitleid haben! Mir kommen die Tränen! – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Dann hätten Sie auch Vorsitzender bleiben können! – Ramona Pop (GRÜNE): Wowereit in Selbstmitleid!]

Vor allem dürfen all die Probleme, die beim Flughafen zurzeit vorhanden sind und die wahrlich schwer zu verkraften sind, nicht denjenigen Oberwasser geben, die hier tatsächlich den Flughafen insgesamt verhindern wollen und die nur ein Interesse haben, dass er nicht fertig wird und überhaupt gar nicht gebaut wird.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Ah! von den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Deshalb ist es ein Unterschied, ob man aus der Situation heraus, dass man den Flughafen haben will, kritisiert, was dort schiefläuft, oder ob diejenigen, die schon immer gegen den Flughafen waren, heute nur eine billige Polemik finden.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir bekennen uns zu diesem Infrastrukturprojekt, und wir bekennen uns auch dazu, dass dieser Flughafen auf Expansion ausgelegt wird. Auch das ist klar, dass – Gott sei dank! – durch den Erfolg der Flughafengesellschaft, dass sich die Fluggastzahlen in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt haben, wir heute über Kapazitätsengpässe sprechen. Das ist doch kein Nachteil. Das ist doch der Ausfluss einer erfolgreichen Unternehmenspolitik dieses Unternehmens, weil mehr Airlines akquiriert und mehr Flugverbindungen angeboten werden konnten.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Das wirkt sich auch in den wirtschaftlichen Zahlen aus. Der Flughafen ist auch aus dem eigenen Ertrag heraus in der Lage, einen Großteil der Kredite selbst zu tragen.