Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Als Erstes eine Nachfrage bei Herrn Graf, Sie fragten nach konstruktiven Vorschlägen: Wir haben vor einem halben Jahr schon gefordert, dass man zum Beispiel Experten in den Aufsichtsrat sendet. Darauf gab es keine Reaktion. Da hat sich nichts verändert. Schön, dass sich diese Forderung jetzt auch bei Ihnen durchgesetzt hat. Wir haben natürlich auch fachliche Kompetenz bei uns, Industrieelektroniker – ich bin einer –, Mechatroniker etc. Vielleicht hilft Ihnen das weiter.
Ich würde aber ganz gern wissen: Auf welchem Weg wollen Sie denn unsere Vorschläge entgegennehmen, die dann auch wirklich umgesetzt werden oder auf die Sie eingehen, wenn es nicht diese sind?
Mit der erneuten Absage der Eröffnung des Flughafens Willy Brandt ist eine Situation entstanden, die nun dringend verantwortliches Handeln braucht. Aus diesem Grund hat auch die Piratenfraktion die Einberufung dieser Sitzung beantragt sowie den Misstrauensantrag gestellt. Denn eines ist in der letzten Zeit deutlich geworden: Sie sind zu verantwortungsvollem Handeln offenbar nicht bereit.
Die Eröffnung des Flughafens Willy Brandt wird mit dieser erneuten Absage der Eröffnung in diesem Jahr zu einer unendlichen Geschichte. In den letzten Monaten hörten wir eine Schreckensmeldung nach der anderen. Als die Piratenfraktion am 17. Juli 2012 die Baustelle besichtigt hatte, war ich erstaunt über die ganz offensichtlichen mangelhaften Ausführungen der elektrotechnischen Installationen auf der Baustelle. Auf den ersten Blick ist dort ersichtlich, dass an vielen Stellen ohne ausreichende Planung gearbeitet wurde. Diese ersten persönlichen Eindrücke wurden nun auch durch den Terminabsagebrief von Horst Amann am Freitag bestätigt und ergänzt.
Wie in der Presse zu lesen ist, sind 60 Kilometer Kühlleitungen nicht isoliert, teilweise freiliegend auf hängenden Decken sowie direkt im Mauerwerk verlegt worden. Wie es zu solchen Situationen und Ausführungen kommen kann, wenn es doch eine Kontrolle gibt, ist mir völlig unverständlich.
Solche Entdeckungen machen nicht nur Horst Amann sprachlos, sondern vermutlich auch alle anderen, die nur ansatzweise etwas davon verstehen.
Aber warum gehe ich auf diese Einzelheiten ein? – Weil darin offensichtlich wird, dass Sie, Herr Wowereit, den Bau des Flughafens nicht mehr steuern oder kontrollieren können. Herr Wowereit! Ihr Chefprojekt Willy Brandt verkommt unter Ihrer Führung zu einer Bauruine!
Wenn so weitergemacht wird wie bisher, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis es billiger wird, abzureißen und mit einem Neubau ganz von vorne zu beginnen.
Auch wenn Sie bisher immer darauf verwiesen haben, dass Sie ja nicht vor Ort die Bautätigkeit leiten, so liegt es in Ihrer Verantwortung als Vertreter des Eigentümers des Landes Berlin, dass diese Tätigkeiten gewissenhaft ausgeführt werden, und das wurden sie bisher ganz offensichtlich nicht. Diese Verantwortung wurde nicht vom Geschäftsführer Rainer Schwarz und nicht von Ihnen als Aufsichtsratsvorsitzenden wahrgenommen. Sie haben es versäumt, dafür zu sorgen, dass spätestens im Aufsichtsrat als letzte Kontrollinstanz solchen Fehlern, wie sie jetzt Stück für Stück zu Tage treten, ein Ende gesetzt wird.
In den Aufsichtsrat gehören Fachleute, die nicht nur den nett geschriebenen Berichten, Powerpointfolien und vor allem den grünen und gelben Ampeln – den roten schon weniger – glauben schenken, sondern sich auch tiefer in der Materie auskennen und bei einem Besuch der Baustelle und dem Blick auf fliegend verlegte Leitungen nachfragen und nicht denken, das gehört schon so, weil es ja in dem Bericht an den Aufsichtsrat nicht als Fehler vermerkt wurde.
Es ist hier also ein Versagen der kompletten Managementebene festzustellen, und Sie sind dafür verantwortlich. Leider kommen Sie dieser Verantwortung seit geraumer Zeit nicht nach. Primär gibt es auch zwei Aufgaben, die der Aufsichtsrat zu erfüllen hat. Erstens: Der Zeitplan muss eingehalten werden. Zweitens: Der Kostenplan muss eingehalten werden. Wenn das nicht passiert, hat der Aufsichtsrat versagt.
Herr Wowereit! Haben Sie sich in den vergangenen Wochen, Monaten, Jahren nicht auch manchmal Gedanken
darüber gemacht, wem gegenüber Sie hier Verantwortung tragen? – Dies sind nämlich als Allererstes die Berlinerinnen und Berliner. Der Flughafen gehört nämlich nicht irgendwem, sondern eben auch den Bürgerinnen und Bürgern von Berlin, Brandenburg und Deutschland. – Herr Saleh! Die Mehreinnahmen, die Sie vorhin so großzügig erwähnten: Das ist das Geld der Berlinerinnen und Berliner!
[Martina Michels (LINKE): Eben! – Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall den GRÜNEN und der LINKEN]
Statt hier aber einen klaren Schnitt zu machen und Verantwortung zu übernehmen, machen Sie eine Rochade im Aufsichtsrat und werden dort nun ein einfaches Mitglied. Aber was wird dadurch anders und besser? Gibt es etwas, was Sie nun als einfaches Mitglied des Aufsichtsrates besser tun können als als Vorsitzender? Können Sie Ihrer Arbeit im Aufsichtsrat nun besser nachkommen als als Vorsitzender? Was genau verändert sich? – Nichts! Nichts wird besser, und nach Ihren Vorstellungen wird einfach so weitergewurschtelt, und irgendwann wird der Flughafen schon eröffnet. Sie sind offenbar auch in dieser Situation nicht in der Lage, diese Verantwortung zu tragen und zu übernehmen und zurückzutreten.
Offenbar sind Sie auch nicht mehr Herr der Lage, wie die Aussage Ihres Landesvorsitzenden, Herr Stöß, im „Tagesspiegel“ zeigt. Ich zitiere:
Wir haben uns über die Situation ausgetauscht und gemeinsam die Entscheidung getroffen, dass Wowereit im Amt bleibt.
Wer ist „wir“? Meines Wissens entscheiden die Mitglieder des Abgeordnetenhauses, wer Regierender Bürgermeister wird oder bleibt.
Aus diesem Grund haben wir zusammen mit den Grünen den Misstrauensantrag gestellt und fordern Sie auf: Übernehmen Sie endlich Verantwortung!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das legitime Recht einer Opposition, die in der Verfassung vorgesehenen Rechte wahrzunehmen, und dazu gehört auch, einer Regierung mit einem Misstrauensantrag die Grundlage für Ihre Arbeit zu entziehen.
Aber, liebe Frau Pop, sich hier hinzustellen und so zu tun, als wenn etwas verloren gegangen ist, das am Anfang da war, das ist unehrlich. Deshalb ist es ehrlicher, was Herr Wolf gemacht hat. Er hat deutlich gesagt: Seine Fraktion hat noch nie Vertrauen in diese Regierung gehabt, und deshalb kann es auch eigentlich nicht entzogen werden. Das ist eine ehrliche Haltung.
Dass Herr Wolf es bedauert, dass er nicht mehr in der Regierung sitzt, das kann ich ja nachvollziehen. – Herr Wolf! Es waren nicht nur die Infrastrukturprojekte. Da bin ich ganz sicher, die hätten wir mit Ihnen auch durchgesetzt.
Eine Koalition braucht aber auch eine Mehrheit, und die hat es nicht gegeben. Insofern ist diese Koalition, ist diese Regierung in der Tat angetreten, die Stadt zu verändern und den Wandel dieser Stadt zu gestalten, positiv zu gestalten durch Investitionen in die Infrastruktur, durch den Ausbau dieser Stadt. Sie ist dazu angetreten, dies aber in sozialer Verantwortung zu tun, eine Politik zu machen, bei der die Stadt lebenswert bleibt, und zwar für alle Einkommensschichten in dieser Stadt. Dafür sind wir angetreten, und dies werden wir auch in Zukunft umsetzen!
Bei den Nuancierungen der Einlassungen der Opposition ist ja schon deutlich geworden: Ihnen geht es doch eigentlich gar nicht um die Situation am Flughafen, schon gar nicht darum, was man da verbessern oder verändern kann. Für Sie ist das ein willkommener Anlass, hier eine Generalabrechnung zu machen. Auch das ist im politischen Leben legitim. Dann soll man aber auch nicht so tun, als ob man sich lange Gedanken gemacht hat. Frau Pop! Ich habe Ihren Auftritt in der Spätabendschau auch bewundert, wie Sie innerhalb von wenigen Minuten wussten, welche Lösung Sie haben. Dies können Sie im Ernst nicht mal Ihrer eigenen Fraktion als gründliche Vorbereitung verkaufen, liebe Frau Pop, das ist hier schon mal dargestellt worden!
Sie haben es ja noch begründet und gesagt: Wenn es so zutreffen sollte, werden wir den Misstrauensantrag stel
len. – Ihre These war, dass der Regierende Bürgermeister und andere schon Mitte Dezember gewusst haben, dass der Eröffnungstermin verschoben werden muss. Und das, hat sich herausgestellt, war eine Ente, der Sie aufgesessen sind. Im Grunde genommen hätten Sie als Konsequenz Ihrer eigenen Einlassung sagen müssen: Dann stelle ich auch den Antrag nicht. – So sind Sie angetreten, liebe Frau Pop! Gucken Sie sich Ihr Interview noch einmal genau an!
Ich finde es richtig, dass Herr Wolf im Namen der Linksfraktion auch diesen Umstand noch mal aufklären möchte. Er hat sicherlich den Auftritt von Herrn Christoffers, Herrn Bomba und Herrn Amann nach der Sitzung vor Ort am 18. Dezember in der Abendschau noch in Erinnerung, die nach dieser technischen Besprechung mit den Firmen Bosch und Siemens vor laufender Kamera gesagt haben – es ist in den letzten Tagen ja mehrmals wiederholt worden –: Ja, es gibt natürlich nach wie vor kritische Punkte, und es sind viele Probleme zu erledigen. Aber wir arbeiten daran, dass der 27. Oktober gehalten werden kann. – Das war am 18. Dezember, durch den Ihnen sicherlich glaubwürdigen Minister Christoffers und anderen erklärt, Herr Wolf! Dem entnehmen Sie doch auch, dass mitnichten bereits im Dezember Herr Amman oder andere gesagt haben, dieser Termin ist nicht zu halten, sondern es wurden natürlich immer die Probleme benannt. Es wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass auch bei erfolgreichen Tests bei der Entrauchungsanlage dann immer noch Umbauten notwendig sind und ein hohes Risiko da ist. Dieses sollte konkretisiert werden. Das war der Auftakt, der dann auch dazu führte, dass Herr Amann mit Schreiben vom 4. Januar – nicht an den Regierenden Bürgermeister, nicht an den Ministerpräsidenten, sondern an die Referenten – diesen Vermerk zu einer internen Besprechung geschickt hat, den ich dann auch unverzüglich zur Kenntnis bekommen habe. Das war mit der kompletten Absage des Termins verbunden, am 4. Januar. Das sind die Fakten, lieber Herr Wolf, und dies gehört zur Wahrheit dazu.
Selbstverständlich sind Ihre Vertreter im Aufsichtsrat, Herr Markov, Vorsitzender des Finanzausschusses, Herr Christoffers, Vorsitzender des Projektausschusses, die beiden steuernden Ausschüsse, die die Aufsichtsratssitzungen auch immer vorbereiten – ja, da gibt es auch eine Verantwortung Ihrer Partei, genauso wie Herr Wolf die Verantwortung wahrgenommen hat. Bevor er dort war, war der Staatssekretär Wirtschaft dort vertreten. Über Jahre hinaus hat Ihre Partei im Aufsichtsrat Verantwortung wahrgenommen, auch zu Recht wahrgenommen und auch gut wahrgenommen!
Deshalb ist es natürlich leicht, sich immer dann einen schlanken Fuß zu machen, wenn man diese Verantwortung losgeworden ist. Deshalb, Frau Pop: Verantwortung zu übernehmen bedeutet nicht, dass man sich aus der Verantwortung herausstiehlt. Es ist eben leicht, wenn man heute nicht mehr im Aufsichtsrat sitzt, alles besser zu wissen. Es ist schwerer, sich tatsächlich der Verantwortung zu stellen. Dieser Verantwortung stelle ich mich persönlich und dieser Senat!
Selbstverständlich kann ich nachvollziehen, dass viele Menschen in Berlin, in der Republik und nicht nur diejenigen, die das bösartig meinen, sondern vor allem auch diejenigen, die das gut meinen und den Erfolg dieses Projektes wollen, entsetzt sind, dass sie den Kopf schütteln und sagen: Wie konnte denn das schon wieder passieren? – Wobei ja viele Kassandrarufer vorher schon da waren und auch wussten, das kann ja alles nicht klappen, auch die, die sich heute entrüstet zeigen.