Haben nicht Sie als Aufsichtsrat die mangelhafte Organisationsstruktur der Flughafengesellschaft zu verantworten, wo bis heute klare Zuständigkeiten für Finanzen und für die Bauleitung fehlen? Haben nicht Sie als Aufsichtsrat entschieden, dass der Flughafen unter möglichst viel Zeitdruck mit „Druck im Kessel“ – so sagten Sie immer – gebaut werden soll? Haben nicht Sie als Aufsichtsrat in jeder Sitzung massenhaft Umplanungen in Millionenhöhe bewilligt und sich eigentlich niemals gefragt, wie diese noch in den Kosten- und Zeitplan passen sollen?
Nun sollen alle anderen daran schuld sein, nur Sie selbst natürlich nicht. Sie selbst ziehen keine Konsequenzen aus den gemachten Fehlern. Kommen Sie jetzt nicht damit, dass Sie mit Matthias Platzeck den Platz tauschen wollen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]
Dabei brauchten wir an diesem Flughafen einen echten Neuanfang. Wir brauchen eine ehrliche Bestandsaufnahme des Schadens. Herr Amann hat mit dem Wort „grauenhaft“ schon einmal einen Anfang gemacht, einen Anfang damit, endlich mit dem Verheimlichen, Vertuschen und Schönreden am Flughafen aufzuhören. Wir brauchen einen Neuanfang mit unbelasteten Personen der Geschäftsführung und im Aufsichtsrat. Sie alle, die seit Jahren die falschen Entscheidungen treffen und sei Mai ein desaströses Krisenmanagement zu verantworten haben, stehen diesem Neuanfang nur noch im Weg, Herr Wowereit.
Meine Damen und Herren! Herr Regierender Bürgermeister! Politische Verantwortung bedeutet nicht persönliche Schuld. Nicht Sie müssen die Kabel falsch verlegt oder die fehlerhafte Brandschutzanlage installiert haben. „Politische Verantwortung heißt“ – und jetzt zitiere ich die Zeitung, die Ihnen vielleicht nahe stehen sollte, die „Frankfurter Rundschau“: „für Fehler, die im eigenen Verantwortungsbereich passieren, die Konsequenzen zu übernehmen.“
Können Sie bitte Ihre Plauderstunde anderswo abhalten, Herr Senator? Das wäre nett. – Wir erinnern uns alle an Willy Brandt, dessen Namen der Flughafen in Schönefeld tragen wird. Willy Brandt trat zurück.
Na ja, an solchen Tagen steigt auch die Stimmung ein bisschen. – Wir erinnern uns an Willy Brandt, dessen Namen der Flughafen tragen wird. Willy Brandt trat zurück und übernahm die politische Verantwortung für die Guillaume-Affäre, obwohl er keinerlei Schuld auf sich geladen hatte. Der „Tagesspiegel“ sagt: „Politische Verantwortung persönlich genommen – das ist der Maßstab.“
Warum sollten für Sie, Herr Wowereit, eigentlich andere Maßstäbe gelten? Was müsste eigentlich aus Ihrer Sicht geschehen, damit Sie zurücktreten? Wie können Sie überhaupt noch andere für Fehlverhalten kritisieren – was Sie sicher gleich zur Genüge tun werden, was Sie in Ihrem Job auch tun müssen –, wo Sie doch selbst gar kein Gefühl mehr für das eigenen Fehlverhalten haben?
sehen nur, dass diese Stadt blamiert und der wirtschaftliche Aufschwung der letzten Jahre gefährdet ist, weil die Welt und weil Deutschland an der Leistungsfähigkeit der Hauptstadt zunehmend zweifeln.
Niemand glaubt mehr inzwischen, dass Sie derjenige sind, der für Berlin noch Erfolge einfahren kann. Niemand glaubt mehr, dass Sie ein guter Botschafter Berlins sein können. Kann sich hier überhaupt irgendjemand noch ernsthaft vorstellen, wie Klaus Wowereit in den schwierigen Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich Angriffe der anderen auf uns Berliner abwehren und vielleicht sogar noch etwas für die nächsten Jahre herausholen soll? Herr Wowereit! Sie haben schweren Schaden über unsere Stadt gebracht. Sie haben den Ruf Berlins national wie international beschädigt. Sie haben das Vertrauen der Berlinerinnen und Berliner schwer enttäuscht. Sie merken das offensichtlich nicht einmal. Wir trauen Ihnen deshalb nicht mehr zu, dass Sie dies überhaupt noch zum Guten für unsere Stadt wenden können.
Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben Ihre Verdienste um unsere Stadt. Vor Ihrer Leistung als Regierender Bürgermeister in den letzten elf Jahren habe ich Respekt. Sie haben in den ersten Jahren den Grundstein für eine Haushaltskonsolidierung gelegt, wofür viele Berlinerinnen und Berliner auch etliche Opfer gebracht haben. Sie haben auch einen Beitrag dazu geleistet, dass Berlin die tolerante und weltoffene Metropole ist, die wir heute kennen. Über lange Jahre haben Sie das Image unserer
Stadt mit Ihrer lockeren und charmanten Art repräsentiert. Es gab Zeiten, da standen Sie für das aufstrebende Berlin, für das werdende Berlin.
Diese Leistungen verspielen Sie zurzeit in Windeseile. Schauen Sie sich nur Kurt Beck an. Bis vor kurzem war er der dienstälteste Ministerpräsident der Bundesrepublik, in seinem Land höchst beliebt und oberster Medienpolitiker der SPD. Was bleibt nun von ihm übrig? – Es ist die Nürburgringpleite.
Wenn man zum Problembären wird und wie Pattex an seinem Sessel klebt, bleibt der letzte Skandal vermutlich wie Pattex an einem selbst kleben, Herr Wowereit. Wollen Sie sich das wirklich antun?
Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben mit Ihrer Weigerung, Verantwortung für das Debakel in Schönefeld zu übernehmen, eine veritable politische und eine gewaltige Vertrauenskrise herbeigeführt. Herr Wowereit! Wer soll noch darauf vertrauen, dass Sie noch die Kraft, den Rückhalt haben? Man muss sich in der SPD das gestrige Schauspiel anschauen: Rücktrittsgerüchte, nein, ja, dementiert, übertrieben falsch, vielleicht doch nicht, Gabriel hat ihn abgehalten oder nicht. Niemand weiß, was bei Ihnen los ist. Haben Sie überhaupt noch den Rückhalt und das Ansehen, unsere Stadt verantwortlich zu regieren? Ich frage die Kollegen von der SPD und der CDU: Glauben Sie tatsächlich daran, dass diese Koalition mit Klaus Wowereit an der Spitze noch erfolgreich sein wird?
Ihr Fraktionsvorsitzender hat bereits angekündigt, dass die Koalition steht. Auf die halsbrecherischen Begründungen sind wir schon sehr gespannt. Ich weiß aber auch, dass viele von Ihnen Fraktionsdisziplin und Koalitionsraison abwägen. Sie haben noch zwei Tage zum Nachdenken. Der Regierende Bürgermeister hat die Chance auf einen würdigen Abgang verpasst. Jetzt kommt für ihn der Abgang am Samstag oder auf Raten. Sonnabend wird es darum gehen, welche Bedeutung wir als Abgeordnete uns selbst und im Parlament zumessen. Ich möchte Erich Kästner zitieren: An jedem Unfug, der passiert, sind nicht nur die schuld, die ihn begehen, sondern auch die, die ihn dulden und nicht verhindern.
Ich frage Sie alle ganz ernsthaft, ob Sie über das Witzeniveau hinauskommen und ob wir als Parlament in der Lage sind, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen, um das Ansehen unserer Stadt wieder herzustellen. Liebe Kollegen von der CDU-Fraktion! Lieber Kollege Graf! Bevor Sie gleich loslegen, frage ich Sie, was Sie eigentlich in einer solchen Situation als Oppositionsführer gesagt hätten. Vielleicht hätten Sie das gesagt, was Ihre Kollegin Julia Klöckner im rheinland-pfälzischen Landtag gesagt hat:
„Parlamentarische Kontrolle ist eine unserer Hauptaufgaben.... Sie ist nicht nur Sache der Opposition, sondern sie obliegt auch der Mehrheit im Parlament.“
Sehen Sie das etwa anders als Frau Klöckner, Herr Graf? Oder ist die Berliner CDU dermaßen beglückt davon, nach zehn Jahren in der Opposition endlich wieder mitregieren zu dürfen, dass sie buchstäblich auch alles mitmacht?
[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ja!]
Lieber Kollege Saleh! Können Sie diesem Regierenden Bürgermeister tatsächlich noch blind vertrauen, der Sie erst am Sonntagabend über das erneute Desaster in Schönefeld informiert hatte, als es bereits schon überall in den Medien gemeldet wurde? Liebe Kollegen von der SPD! Bloß weil Sie in der SPD noch nicht geklärt haben, wer auf Klaus Wowereit folgen soll, glauben Sie noch, ihn als Regierenden Bürgermeister zu halten.
Es kann wahrlich nicht sein, dass aufgrund einer ungelösten Machtfrage in einer Partei die ganze Stadt in Geiselhaft genommen wird und weiter in Verruf gerät. Das haben die Berliner wahrlich nicht verdient.
Meine Damen und Herren! Herr Regierender Bürgermeister! Wir haben Ihnen nicht unsere Stimme gegeben, als Sie zum Regierenden Bürgermeister gewählt wurden.
Auch wenn wir Sie nicht gewählt haben, waren Sie selbstverständlich auch unser Regierender Bürgermeister, den wir im Prinzip bei allen Differenzen in dieser Stadt zugetraut haben, unsere Stadt zu regieren.