Protokoll der Sitzung vom 17.01.2013

Wir sehen außerdem die Gefahr, dass bei der Schaffung einer Rechtsgrundlage auf Bundesebene die Schranken, die das Bundesverfassungsgericht auferlegt hat, aufgeweicht werden. Wenn man der Ansicht ist, dass es eine

Software geben kann, die die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts erfüllt, warum dann eine Rechtsgrundlage schaffen?

Unklar bleibt auch im Antrag, woher die Koalition eine Software zur Quellen-TKÜ beziehen will. Beim BKA will man nach Auskunft der Bundesregierung eine eigene Software entwickeln, und das kann dauern. Bis dahin wird aber noch das Produkt privater Firmen verwendet. Diese Verquickung von staatlicher Überwachung und privater Ausrüstung ist aus unserer Sicht hochproblematisch und wird anscheinend auch von der Koalition für den Einsatz in Berlin in Kauf genommen.

Alles in allem geht der Ansatz zur Beschränkung der Quellen-TKÜ in die richtige Richtung, ist allerdings momentan wohl nicht umsetzbar. Deshalb lautet unsere Devise: lieber keine Quellen-TKÜ als eine rechtswidrige oder eine mit aufgeweichten Grenzen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Weiß. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Koalitionsfraktionen! Ich fange mal mit dem an, was an dem Antrag positiv ist. Sie erkennen an, dass es beim Einsatz einer solchen Software dem Datenschutzbeauftragten möglich sein muss, den Quelltext zu prüfen, um sicherzustellen, dass den rechtlichen Vorgaben Genüge getan worden ist. Das ist schon mal gut. Als wir im Oktober einen Antrag gestellt haben, der das Gleiche für jede Überwachungssoftware vorsieht, haben Sie das noch als unnötig bezeichnet. Aber man kann ja dazulernen. Ich glaube, Herr Friederici war sogar ganz dagegen. Vielleicht hat er auch deshalb vorhin nicht dazu geredet.

[Zurufe von der SPD und der CDU]

Ich wollte eigentlich noch einen zweiten positiven Punkt aus dem Antrag hervorheben. Ich fürchte, da hat mir Herr Rissmann gerade einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dem Antragstext schien man noch entnehmen zu können, dass Sie ebenfalls erkannt hätten, dass eine eigene Rechtsgrundlage für die staatliche Ausforschung von Privatrechnern, wie es hier vorgesehen ist, zurzeit fehlt, wie es auch, wie es schon angesprochen wurde, der Generalbundesanwalt sieht. Jetzt klang das schon wieder anders. Das war es dann auch schon, was das Positive angeht, denn insgesamt kann man diesen Antrag in Summe ablehnen. Er ergibt nicht sonderlich viel Sinn.

Gleich im ersten Satz stolpert man schon über das schöne Wort „ermittlungsnotwendig“. Die Quellen-Telekommu

nikationsüberwachung ist also ermittlungsnotwendig. Ich fand es abenteuerlich, als ich solche Bezeichnungen von Ihnen gehört habe, als es um die nichtindividualisierte Funkzellenabfrage ging. Das aber jetzt bei einer QuellenTKÜ zu sagen, also bei einer Ermittlungsmethode, für die keine einzige technische Umsetzung bekannt ist, wie es eben schon von Herrn Doering angeführt wurde, ist mehr als abenteuerlich.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Denn – auch wenn Sie da protestieren mögen, sage ich das an dieser Stelle noch mal ganz deutlich – diese sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung ist nichts anderes als ein Staatstrojaner mit einem anderen Namen und einem anderen Hut.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht gemacht hat, die engen rechtlichen Vorgaben, beschränken einen zulässigen Eingriff auf einen laufenden Kommunikationsvorgang, also auf die Überwachung vor Verschlüsselung. Nun ist es so, diese Trennung mag zwar juristisch sauber zu machen sein, aber doch nicht technisch. Ein Rechner hat doch keine eigene Verschlüsselungseinheit und keine eigene Kommunikationseinheit. Das ist alles Datenverarbeitung, das ist alles ein System. Es gibt keine feste Schnittstelle, an der man ansetzen kann. Ein aufgebrochenes System ist ein aufgebrochenes System, offen übrigens nicht nur für den Trojaner, auch für alle mögliche nachgelagerte Software offen. Offen auch für jeden anderen, der das dann offene Scheunentor nutzen möchte.

[Beifall bei den PIRATEN]

Der CCC, der hier auch schon erwähnt worden ist, der sich zur sogenannten Quellen-TKÜ angewandte Software 2011 konkret angeschaut hat, hat festgestellt, dass die Funktionalitäten, die diese Software hat, was da als Quellen-TKÜ verkauft wurde, auch nichts anderes sind, als was man mit dem Staatstrojaner bezeichnet. Denn da es eben keine Möglichkeit gibt, einfach nur sauber am Kommunikationsvorgang anzusetzen, muss sie natürlich an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ansetzen. Also haben wir da Software, die Bildschirmfotos macht, die Tastaturangaben erfasst, die Bildschirmvideos macht usw. Das ist eine vollständige Überwachung des Systems, und anders geht es auch nicht. Das ist der Staatstrojaner. Wenn man das unter einer Quellen-TKÜ laufen lässt, also unter Telekommunikationsüberwachung subsummiert, ist das in etwa genauso, als wenn man eine Privatwohnung komplett verwanzt, mithört, aufzeichnet und dann sagt: Das ist doch okay, das ist alles Telekommunikationsüberwachung, denn wir hören ja nur dann zu, wenn telefoniert wird.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

So geht es nicht, so kann es nicht gehen. Für uns ist klar: Es darf keine staatliche Ausforschung von Privatrechnern bis tief in die Privat- und Intimsphäre geben. Es darf keinen Staatstrojaner geben, egal unter welchem Namen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wir die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung und mitberatend an den Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit und an den Ausschuss für Verfassungsschutz empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 17

Vorkaufsrecht nutzen – für besseren Mieter/-innenschutz in Erhaltungs- und Sanierungsgebieten

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 14. November 2012 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 12. Dezember 2012 Drucksache 17/0734

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0551

in Verbindung mit

lfd. Nr. 11:

a) Umwandlungsverordnung für Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 14. November 2012 Drucksache 17/0668

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0262

b) Kündigungsschutz bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen für zehn Jahre und für ganz Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 14. November 2012 Drucksache 17/0669

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0486

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

die Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Otto! – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Wir können jeden Tag in den Wirtschafts- oder Immobilienzeitungen lesen: Berlin ist attraktiv, und Berlin verspricht exorbitante Gewinnmöglichkeiten, wenn man in Immobilien investiert. Eine blühende Zukunft – leider hauptsächlich nur für die Anleger. Wir als Bündnisgrüne interessieren uns für das Kapital der Anleger auch, weil energetisch und barrierefrei saniert werden muss, aber an allererster Stelle geht es uns um die Bewohnerinnen und Bewohner, die Mieterinnen und Mieter dieser Stadt Berlin.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die sind unsere Priorität, und das nicht nur heute in dieser Sitzung. Wir wollen eine aktive Wohnungspolitik, in den Bezirken, im Bund – denken Sie an das Mietrecht –, aber eben auch – und deswegen diskutieren wir heute hier – vom Senat.

Jetzt ist der Stadtentwicklungssenator nicht da, Herr Gothe sitzt da, der Regierende ist zumindest irgendwie anwesend. Ich habe heute ein Papier in die Hand bekommen, das nennt sich „Berlin – Stadt des Aufstiegs“, und wir haben erst gedacht, es geht um die schlechten Umfragewerte, die Sie haben, Herr Wowereit!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das haben unterschrieben Klaus Wowereit und zwei seiner Nachfolger, Herr Saleh und Herr Stöß, und da werde ich Ihnen mal einen Satz zitieren. Da steht drin:

Die zunehmende soziale Spaltung in Deutschland zeigt sich auch in den Berliner Stadtteilen. Diejenigen, denen es besser geht, wohnen in den attraktiven Wohnlagen und können sich steigende Mieten für schöne Wohnungen leisten, andere sind immer häufiger gezwungen, aus Kostengründen ihre gewohnte Umgebung zu verlassen. Diese Entwicklung darf und kann die Berliner SPD nicht ruhen lassen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir werden mit gezielten politischen Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass Wohnen bezahlbar bleibt.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schneider?

Ja, gerne.

Bitte sehr, Herr Schneider!