Protokoll der Sitzung vom 17.01.2013

Die Koalition hat letztlich nichts an den realen Einflüssen an den BWB geändert. Nach wie vor sitzen die von RWE und Veolia entsandten Vorstandsvertreter im Vorstand, nach wie vor fühlt sich der Senat, wie er in einer Antwort auf die Kleine Anfrage von Gerwald Claus-Brunner dargestellt hat, den Privatisierungsverträgen verpflichtet, in denen Berlin seinen Einfluss auf Investitionen, gute Arbeit und sozialverträgliche Wasserpreise verpfändet hat.

Das ist die Bilanz nach gut einem Jahr rot-schwarzer Regierung.

Es ist nicht möglich, dass in einem Unternehmen gleichzeitig die Bürgerinnen und Bürger und börsennotierte, gewinnorientierte international agierenden Versorgungskonzerne das Sagen haben. Das ist denklogisch unmöglich. Mit den Verträgen, das lässt sich nachweisen, wurde das Erfordernis demokratischer Legitimation in der Anstalt entleert. Es gibt kein Letztentscheidungsrecht demokratisch legitimierter Landesvertreter. Es gibt keine Transparenz über die unternehmerischen Entscheidungen der BWB-Organe. Es gibt keine Transparenz über Streitfragen, weil ein geheimes Schiedsverfahren die Rahmendaten und Prozesse vor dem Parlament geheimhält.

Und auch rechtlich ist die Einhaltung des Demokratieprinzips in den teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben nicht sichergestellt. Wir stimmen in dieser Frage nicht nur mit den Vertrauenspersonen des Volksbegehrens überein, sondern wir haben das in unserem abweichenden Bericht auch detailliert ausargumentiert.

Die Koalitionsabgeordneten hielten das freilich für irrelevant, wie der Wirtschaftsexperte Karsten am 2. November 2012 im Sonderausschuss ganz klar und offen ausgesprochen hat. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, war aber die zentrale Frage, die der Sonderausschuss „Wasserverträge“ in seiner Arbeit klären sollte. Das war der Ausschussauftrag, und zwar der Auftrag, den Sie hier im Abgeordnetenhaus am 1. Dezember 2012 mit Ihren Stimmen verabschiedet haben.

Das Kapitel BWB-Teilprivatisierung ist nicht abgeschlossen, auch wenn das die Koalition gerne hätte. Erstens weil die Preise nicht sinken werden, zweitens weil die Raub- und Beutegemeinschaft weiterhin nicht aufgelöst wird. Und lieber Herr Kollege Nußbaum! Über die „Raub- und Beutegemeinschaft“ ist in diesem Parlament schon diskutiert worden, als Sie noch in Bremen mit Fischen beschäftigt waren.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es wäre das Mindeste gewesen, wenn die Koalition aus der Ausschussarbeit die Konsequenz gezogen und klar erklärt hätte, dass die Teilprivatisierung von 1999 eine gravierende politische Fehlentscheidung war, die es ohne Wenn und Aber rückgängig zu machen gilt. Auch Frau Yzer, auch Herr Heilmann, auch Herr Nußbaum: Es wäre das Mindeste gewesen, wenn Sie klar erklärt hätten, dass die Beteiligung börsennotierter Versorgungskonzerne eine Anstalt öffentlichen Rechts sich in Berlin nicht wiederholen darf.

Die Fraktion Die Linke sieht Möglichkeiten, im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin die Zuständigkeit der von

SPD und CDU erfundenen atypisch stillen Beteiligung eines gewinnorientierten privaten Konzerns an den BWBAöR erneut überprüfen zu lassen im Lichte der öffentlichen Verträge, im Lichte der Debatten, die in den vergangenen Jahren trotz der Versuche der Koalition, sie abzubiegen, geführt worden sind. Ich meine, dass die drei Oppositionsfraktionen nun ernsthaft prüfen sollten, ob wir diesen Schritt gehen. Wir sind es den Berlinerinnen und Berlinern schuldig.

Auch ich möchte mich abschließend bedanken, und zwar bei den ehrenamtlich Engagierten der Wassertische, die uns viele Hinweise und Anregungen gegeben und die Arbeit unseres Ausschusses kritisch begleitet haben. Ich möchte mich bei meinen Oppositionskolleginnen und -kollegen bedanken, und ich möchte mich schließlich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussbüros bedanken, die versucht haben, aus widrigen Umständen das Beste zu machen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Als Nächster Herr Dr. Hausmann von der CDU-Fraktion!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Gesetzesauftrag lautete, die vollständige Offenlegung von Geheimverträgen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe zu begleiten und voranzutreiben und dabei die Verträge im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der BWB zu prüfen und eine öffentliche Aussprache herbeizuführen. – Ich darf Ihnen versichern, der Gesetzesauftrag ist erfüllt worden.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

In 16 öffentlichen Sitzungen sind bei uns elf Sachverständige angehört worden, darunter drei Rechtsprofessoren, zwei Juristen des Bundeskartellamts, zwei Rechtsanwälte vom Arbeitskreis Unabhängiger Juristen und drei Vertrauenspersonen von der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch sowie der Finanzvorstand der BWB.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Schon die Aufzählung stimmt nicht!]

An dieser Stelle möchte ich mich beim Vorsitzenden, dem Abgeordneten Claudio Jupe, für seine neutrale und konstruktive Ausschussleitung bedanken.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Die Schwerpunkte des Sonderausschusses lagen in der Prüfung von verfassungsrechtlichen Fragen, Fragen zur Nichtigkeit des Konsortialvertrages, des Verstoßes gegen das Demokratieprinzip, europarechtlichen Fragen und

auch Erwägungen zur wirtschaftlichen Entwicklung seit der Teilprivatisierung einschließlich kartellrechtlicher Fragen. Sie sehen, eine relativ umfangreiche, aus meiner Sicht voll umfängliche Prüfung.

Wir haben insgesamt zwei Gutachten beim Wissenschaftlichen Parlamentsdienst in Auftrag gegeben. Der erste von uns in Auftrag gegebene Gutachtenbericht des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes meinte, eine Nichtigkeit des Konsortialvertrags sei nicht gegeben. Der Wissenschaftliche Parlamentsdienst hat somit den letzten Zweifel in dieser Frage ausgeräumt.

Zur Prüfung: Der Wissenschaftliche Parlamentsdienst hat den Vertrag mit Artikel 87 Abs. 1 VvB für konform erachtet. Der Wortlaut von Artikel 87 VvB setzt voraus, dass es sich bei dem Konsortialvertrag und den zugesicherten Gewinngarantien um eine Sicherheitsleistung handeln muss. Dies war nicht der Fall, sodass Artikel 87 VvB nicht einschlägig war und damit keine Verletzung dieser Verfassungsnorm gegeben war. Obgleich kein Verfassungsverstoß vorliegt, möchte ich an dieser Stelle den im Ausschuss angehörten Rechtsprofessor, Herrn Dr. Musil von der Universität Potsdam, zitieren:

Die herrschende Meinung sagt: Egal, ob so ein Vertrag verfassungswidrig ist oder nicht, das wirkt sich auf die Gültigkeit des zivilrechtlichen Vertrages nicht aus.

Also auf die Gültigkeit des Konsortialvertrages hat es keine Auswirkung.

Des Weiteren wurde untersucht, ob die hohen Gewinne der Anteilseigner im rechtlichen Sinne als sittenwidrig zu qualifizieren sind. Auch dies hat der Wissenschaftliche Parlamentsdienst in seinem Gutachten verneint. Zudem wurde geprüft, ob ein Verstoß gegen das in Artikel 22 GG normierte Demokratieprinzip vorliege. Das wurde hier schon von der Opposition dargestellt. Dies war vor dem Hintergrund zu prüfen, dass unter dem Dach der Holding sowohl die Anstalt des öffentlichen Rechts als auch die privatwirtschaftlichen Anteilseigner, welche dann in einer AG firmierten, verankert waren. Während die Anstalt des öffentlichen Rechts demokratische Legitimationsstandards verlangte, sind diese beim Anteilseigner befreit. Zu diesem vermeintlichen Widerspruch konnte auch der hierzu angehörte Rechtsprofessor Musil keinen Verfassungsverstoß erkennen. Zu dem gleichen Ergebnis kam im Übrigen auch der Wissenschaftliche Parlamentsdienst.

Ich fand es im Ausschuss eine ausgesprochene Frechheit, das muss ich ehrlich sagen, dass von Teilen der Opposition die Unabhängigkeit des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes infrage gestellt worden ist.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Torsten Schneider (SPD): Unerhört!]

Das ist ein unanständiger Affront gegen den WPD. Nur weil einigen die Ergebnisse des WPD oder die der Professoren nicht passen, muss man deshalb nicht die Unabhängigkeit des WPD infrage stellen. Das gehört sich nicht.

[Beifall bei der CDU – Heidi Kosche (GRÜNE): Hat doch überhaupt keiner gemacht! – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Woher wissen Sie das?]

Zu der Frage, ob in dieser vertraglichen Gewinngarantie möglicherweise eine staatliche Beihilfe vorliegt, haben die beiden angehörten Professoren zwar unterschiedliche Ansichten. Es sei an dieser Stelle aber angemerkt, dass auch die Europäische Kommission die Prüfung, ob ein unzulässiges Beihilfeverfahren vorliegt, noch nicht wirklich weiterverfolgt hat. Hieraus kann jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.

Auch ein Verstoß gegen die Ausschreibungspflicht wurde nicht gesehen. Rechtsprofessor Dr. Mayer von der Universität Bielefeld verwies auf die stattgefundene EUweite Ausschreibung im Wege eines sogenannten nicht offenen Verfahrens, bei dem es rechtlich vorgesehen ist, einen begrenzten Teilnehmerkreis einzuladen. Wie rechtlich gefordert, so auch geschehen. Also aus vergaberechtlicher Hinsicht sei hier nichts zu beanstanden gewesen.

Selbst der von der Opposition vorgeschlagene Professor Keßler ist der Ansicht, dass eine klageweise Rückabwicklung des Vertrages wenig aussichtsreich ist. So viel zu Ihren Vorschlägen.

Zu einer objektiven Ausschussarbeit gehören aber auch Feststellungen, die in den Bereich des Vermeidbaren gehören und die nicht unerwähnt bleiben sollen. Die Art und Weise, wie die Teilprivatisierung damals vertraglich ausgestaltet war, das muss man fairerweise sagen, kann in wichtigen Punkten aus heutiger Sicht kritisiert werden. Aber dies ist nicht verwunderlich, denn die Erfahrung zeigt auch: Im Nachhinein weiß man es immer besser.

[Zurufe von der LINKEN: Ach so!]

Unglücklich am damaligen Konsortialvertrag war die Zins- und damit die wassertariftreibende Koppelung des Mindestzinssatzes

[Udo Wolf (LINKE): Das wissen wir längst! Deshalb haben wir damals geklagt!]

an den Durchschnitt der Bundesanleihen aus einem Zeitraum der jeweils letzten 20 Jahre sowie der hierauf zu addierende – – Nein, Herr Präsident! Danke! – Hätte man damals gewusst, wie sich die Zinsen entwickeln, wäre es ganz sicher nicht zu dieser Berechnungsgrundlage gekommen. Aber es war eben nicht vorherzusehen, dass wir, auf die letzten 20 Jahre betrachtet, hohe Zinsniveaus hatten

[Harald Wolf (LINKE): Das ist Unsinn! Das Zinsniveau von damals war höher!]

und nun aktuell ein historisch niedriges Zinsniveau haben. Im Ergebnis bestand im Ausschuss deshalb weitestgehend Einigkeit darüber, dass die Entwicklung der Wassertarife seit der Teilprivatisierung korrekturbedürftig sei.

Genau diese Korrektur bei den Wassertarifen gehen wir jetzt an.

[Canan Bayram (GRÜNE): Wann denn?]

Wir senken die Wasserpreise um 60 Millionen Euro.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Willkommen im Tal der Ahnungslosen!]

Bei der Tarifbemessung ist klar zu sagen,

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

dass die Vertragsfassung sowohl aus dem Jahr 1999 als auch aus dem Jahr 2003 – bei Letzterem natürlich unter Beteiligung der Linken – zu den hohen Wasserpreisen geführt hat. Eine Wasserpreissenkung in Höhe von 15 Prozent jährlich, wie wir sie jetzt gerade auf den Weg bringen, ist deshalb der richtige Weg, die rückwirkende finanzielle Entlastung der Wasserkunden in Höhe von 60 Millionen Euro für das Jahr 2012 der richtige Schritt nach vorn. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion jetzt der Kollege Claus-Brunner! – Entschuldigung! Herr Albers wollte noch eine Kurzintervention machen. Dann haben Sie zuerst das Wort, Herr Kollege. – Bitte schön!

[Torsten Schneider (SPD): Weshalb denn nicht Herr Lederer?]

Einfach noch einmal zur Klarstellung. Wir haben alle die Drucksache 17/0570 bzw. 17/0749 bekommen.