[Beifall bei der CDU und der SPD – Uwe Doering (LINKE): Da würden die Züge wenigstens fahren! – Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]
Sie, die Linken, haben sich durch Ihre Regierungsbeteiligung bis 2011, durch Ihre Blockadehaltung in unerhörter Art und Weise zum Hauptverursacher bei der Verhinderung der Bestellung neuer S-Bahnfahrzeuge gemacht.
Ich verspreche Ihnen: Wir, die Berliner CDU, werden Sie aus dieser Verantwortung nicht mehr entlassen, auch wenn Sie heute als Linke auf den verdienten Oppositionsbänken sitzen und hoffentlich noch lange sitzen werden!
Keine Zwischenfrage! – Auch die Grünen benahmen sich in der Vergangenheit nicht rühmlich, wollten sie doch im Verbund mit der marktliberalen FDP jegliches Vertragswesen mit der S-Bahn kündigen, jegliche Vertragsbeziehung beenden, was nun wirklich sehr teuer für Berlin und die Steuerzahler gekommen wäre. Das hätte bis heute nicht einen einzigen neuen S-Bahnzug gebracht. Schlimmer noch: Die S-Bahn hätte bei einer Vertragskündigung, so wie Sie es damals vorhatten, vermutlich keinen Anlass gesehen, die Baureihe 485 zu ertüchtigen. Auch das gehört zu einer schonungslosen Aufarbeitung der grünen Verkehrspolitik. Wir stünden heute in jeglichem Bereich der Berliner S-Bahn schlechter dar, hätten sich die Grünen damals durchgesetzt.
Nein! – Die Union hat schon sehr früh – bereits in der ersten Winterkrise vor mehr als vier Jahren – nachweislich gesagt, dass für mehr Fahrzeuge, mehr Personal und letztendlich einen stabilen S-Bahnverkehr eine diskriminierungsfreie Ausschreibung begonnen werden muss. Seitdem ist viel Zeit ins Land gegangen, und wir hatten vor einem Jahr glücklicherweise einen Regierungswechsel. Der Weg der diskriminierungsfreien Ausschreibung für eben diese Fahrzeuge und das Teilnetz, auf den sich die Koalition in ihrer Vereinbarung verständigt hat, wird der Weg sein, mehr Fahrzeuge für die Berlinerinnen und Berliner und ihre Gäste zu erhalten – und das in einem solide kalkulierten Zeitrahmen und mit einem solide kalkulierten finanziellen Rahmen.
Jegliche Neuausrichtung in der Lösung dieser Frage, so wie sie, die Berliner Linke, es fordert, würde bedeuten, dass alles wieder von vorne beginnen müsste. Dieses würde dann in der Konsequenz bedeuten, dass wir nicht vor 2020 neue S-Bahnfahrzeuge haben werden. Mir scheint auch, das hier von den Linken vorgetragene Modell ist überhaupt nicht mit dem Land Brandenburg und den dortigen Linken abgestimmt,
denn die dortige Landesregierung aus SPD und Linken unterstützt unisono das Vorgehen des Berliner Senats aus SPD und CDU bei der S-Bahn, bei der Ausschreibung, bei neuen Fahrzeugen und dem Teilnetz. Das ist doch kein Zufall, sondern die direkte Bestätigung aus Brandenburg für das Vorgehen der Koalition in Berlin.
[Beifall bei der CDU – Beifall von Karlheinz Nolte (SPD) – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Welches Vorgehen mei- nen Sie denn, Herr Friederici?]
Darüber müssen sich die Oppositionsvertreter, die sich heute in der Beantragung der Aktuellen Stunde auch nicht einig gewesen sind, zumindest thematisch, auch mal im Klaren sein. Die drei Oppositionsfraktionen haben sowohl in der Überschrift als auch in ihren bisherigen Wortbeiträgen in der Öffentlichkeit und in dem, was wir hier eben so tragisch hören mussten, heute und in den letzten Tagen nicht einheitlich erkennen lassen, was sie eigentlich bei der S-Bahn wollen und wie sie einen stabilen S-Bahnbetrieb auch im nächsten Jahrzehnt für Berlin und Brandenburg gewährleisten und finanzieren können.
Das begonnene Ausschreibungsverfahren muss rechtssicher weitergehen. Das haben beide Fraktionsvorsitzende, Raed Saleh von der SPD und Florian Graf von der CDU, auch zu Beginn dieser Woche erklärt.
Vielleicht muss über Fristen und über die Art der Ausschreibungsdarstellung noch einmal eine sachgerechte und rechtsdienliche Nachjustierung vorgenommen werden. Die Lösung der S-Bahnkrise taugt nicht für ein oppositionsinszeniertes Kasperletheater der auch hier wieder konzeptionslos auftretenden Opposition, auch heute wieder zwischen gespielter Empörung und Verkennung der verkehrspolitischen Praxis. So wird man sich die Lösung nicht vorstellen können.
Demgegenüber ist klar, die Koalition hat sich auf einen klaren S-Bahnfahrplan verständigt, bei dem sie sich zum Einheitsnetz der Berliner S-Bahn bekennt, nicht nur aus dem Koalitionsvertrag, sondern auch aus der Erkenntnis, SPD und CDU stehen zu ihrer Verantwortung für Berlin. Diesen Weg werden CDU und SPD konsequent weitergehen, und Senator Michael Müller wird weiter in Abstimmung mit den Koalitionsfraktionen den rechtssicheren Ausschreibungsweg für Teilnetz und neue Fahrzeuge umsetzen.
Vielen Dank, Herr Friederici! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Harald Wolf. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zum eigentlichen ernsten Thema komme, lassen Sie mich eine Vorbemerkung zur Rede des Kollegen Friederici machen. Bei der CDU entwickelt sich jetzt eine neue rhetorische Figur, die in fast jeder Rede auftaucht. Man prügelt auf die Linke ein und meint aber eigentlich den Koalitionspartner SPD.
So ist es, wenn für das Flughafenversagen die Linke verantwortlich gemacht wird, und dann ist die SPD gemeint, aber man kann es nicht sagen, weil man in der Koalition ist.
Jetzt beim Thema S-Bahn wird uns „sozialistisches Beschaffungswesen“ vorgeschlagen und „zurück in die DDR“, nachdem der Kollege Schneider vorher seinen Plan B vorgeschlagen und gesagt hat, das sei genau das, was die Linke will. Wen haben Sie geprügelt? – Ihren Koalitionspartner! Das halte ich mal fest.
Wir sind in einer dramatischen Situation, was das S-Bahnthema angeht. Ich meine, dieser Satz ist seit Jahren richtig, aber man hätte es sich kaum vorstellen können, dass die Dramatik oder die Schwierigkeit der Situation noch steigerbar ist. Wir wissen alle, wir sind durch die Kopplung der Ausschreibung mit der Fahrzeugbeschaffung in einer Situation, wo die Fahrzeugbeschaffung überhaupt erst 2014 beginnen kann, mit dem Resultat, dass sich die Fahrzeugbeschaffung bis in das Jahr 2020 und möglicherweise darüber hinaus hinzieht. Mit der Gerichtsentscheidung und der Androhung des Gerichts, wenn die Ausschreibung nicht geändert wird, gehen wir an den Europäischen Gerichtshof, gibt es eine weitere Verzögerung, auch mit der Nachbesserung, weil die Nachbesserung – ich gehe mal davon aus, wenn man versucht, sie rechtssicher zu machen, wird das nicht von heute von morgen so sein – dann auch neu ausgeschrieben werden muss. Das kostet wiederum Zeit. Das heißt, wir haben eine weitere Verzögerung.
Nein, im Moment nicht. Ich versuche gerade, meinen Gedanken zu entwickeln. – Dann, ab 2015, werden Züge aus dem System herausgenommen werden müssen, da sie überholt und renoviert werden müssen, damit 2017 überhaupt einsatzfähige Züge vorhanden sind. Damit haben wir die Situation, so wie es jetzt aussieht, dass die S-Bahn von 2015 bis weit in das Jahr 2020, 2021 hinein nicht funktionsfähig ist, sondern nur mit eingeschränktem Betrieb fahren kann.
Jetzt ist die Frage: Wie geht man mit dieser Situation um? – Der Kollege Schneider hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch bei einer Nachbesserung der Ausschreibung wiederum rechtliche Risiken damit verbunden
sind. Die Frage ist: Wollen wir diese rechtlichen Risiken plus die zeitliche Verzögerung, wo wir so oder so schon völlig hintendran sind, auch noch in Kauf nehmen? Oder wollen wir jetzt umsteuern und das, was rechtssicher ist und obendrein auch zeitlich die schnellste Variante ist, in der Fahrzeugbeschaffung gehen, nämlich zu sagen: Wir gehen zu einer kommunalen Lösung, sowohl was die Fahrzeugbeschaffung als auch was den Betrieb angeht.
Da ist es in der Tat so, da gibt es eine unterschiedliche Position zwischen uns und den Grünen und anderen. Wir sind der Meinung, dass die Trennung zwischen Fahrzeugbeschaffung und Betrieb keine sinnvolle Trennung ist, weil das bedeutet, Private oder die Deutsche Bahn im Wettbewerb von jeglichen Risiken aus der Fahrzeugbeschaffung und von jeglicher Verantwortung für die Fahrzeuginstandhaltung freizustellen, und dann kann der Wettbewerb nur noch über die Lohnkosten, die Arbeitsbedingungen und die Qualität der Leistungen geführt werden, und das wollen wir nicht.
Deshalb ist es natürlich richtig, was der Kollege Müller damals bei der Ausschreibung begründet hat, weshalb es sinnvoll ist, Betrieb und Fahrzeugbeschaffung zusammenzulegen. Da gibt es eine Reihe von sinnvollen Erwägungen und Gründen, weshalb man das nicht auseinanderreißen sollte. Das Problem ist: Wenn man das in eine Ausschreibung gibt, gibt man es entweder an Private oder an die Deutsche Bahn. Niemand hat die Garantie dafür, dass die es jetzt besser machen. Die Deutsche Bahn ist seit Jahren das Problem beim S-Bahnbetrieb, und Private – ja, bitte – wo gibt es die Garantie dafür, dass die Privaten es besser machen, wenn die mindestens genauso renditeorientiert sind wie die Deutsche Bahn.
Deshalb ist unsere Auffassung, wir brauchen eine kommunale Lösung, denn nur, wenn wir einen direkten Einfluss auf das Unternehmen haben und nicht über auch noch so ausgeklügelte Verkehrsverträge verfügen, werden wir Kontrolle auf das System ausüben können. Natürlich trägt das Land Berlin dann auch Verantwortung. Die muss es dann auch wahrnehmen. Aber ich bin nicht der Auffassung, wie manche jetzt diskutieren, dass das Land Berlin keine öffentlichen Unternehmen führen kann. Das Land Berlin hat es in der Vergangenheit bewiesen, es wird es auch in der Zukunft können, wenn es sich vernünftig aufstellt. Ich glaube, dass im Land Berlin durchaus die Kompetenz bei BVG und anderen vorhanden ist, um das zu tun, und auch bei den Kolleginnen und Kollegen von der S-Bahn, die wir dann zu tariflichen Bedingungen übernehmen würden.
Das wäre eine Lösung, mit der wir unmittelbar und sofort in die Fahrzeugbestellung gehen könnten und nicht zwei bis zweieinhalb Jahre Verzögerung hätten, und wir hätten direkten Einfluss auf den Betrieb.
Deshalb sage ich noch mal: Die Einwände, die hier dagegen formuliert worden sind, sind nicht logisch. Der Kollege Friederici hat vorher erst gesagt: Leider konnten wir nicht den gesamten S-Bahnbetrieb übernehmen. – Das traut er sich zu, den gesamten S-Bahnbetrieb zu übernehmen und das Eigentum der S-Bahn zu übernehmen, aber ein Teilnetz traut er sich nicht zu. Das ist nicht logisch. Sie hätten die Möglichkeit, mit einer Inhousevergabe erst einmal Teileigentum zu erwerben und schrittweise, sukzessive, so wie es technisch möglich ist, das weitere Netz zu übernehmen und die S-Bahn zu einem kommunalen Unternehmen zu machen. Frage: Warum gehen Sie nicht diesen Weg, wenn nicht nur aus ideologischen Gründen?
Zweitens, was Brandenburg angeht: Brandenburg hat immer die Position gehabt, die S-Bahn ist zu 95 Prozent Berlin. Wir machen das, was Berlin will. Wenn Berlin ausschreiben will, wird Brandenburg mitmachen, weil Berlin 95 Prozent der S-Bahn hat. Wenn Berlin sagt, wir wollen eine kommunale Lösung, garantiere ich, wird auch Brandenburg mitmachen. Das ist überhaupt kein Hinderungsgrund.
Drittens, wenn gesagt wird – Kollege Gelbhaar, nicht immer wieder anführen –, das sei alles nicht rechtssicher, weil es auch ein paar Strecken nach Brandenburg gibt und deshalb eine Inhousevergabe nicht geht: Ich zitiere noch einmal – wie schon zig Mal – aus der berühmten EU-Verordnung Nr. 1370/2007. Dort heißt es für die Inhousevergabe als Kriterium:
… dass der interne Betreiber und jede andere Einheit, auf die dieser Betreiber einen auch nur geringfügigen Einfluss ausübt, ihre öffentlichen Personenverkehrsdienste innerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde ausführen
Auch das spricht nicht dagegen. Es ist ein erprobter rechtssicherer Weg der Inhousevergabe. Und wir schlagen wie in der Vergangenheit noch einmal vor, diesen Weg und auch in die kommunale Bestellung zu gehen.
Noch eine letzte Anmerkung zum Kollegen Friederici: Wenn gesagt wird, wir hätten das verhindert und hätten keine Vorschläge gemacht: Lesen Sie in Parlamentsprotokollen aus den Jahren 2010 und 2011 nach! Gehen Sie auf Google News, ein modernes Instrument, mit dem man auch die Vergangenheit erforschen kann, auch die nähere Vergangenheit!
Ich habe ab 2010 immer wieder vorgeschlagen, in die kommunale Fahrzeugbeschaffung zu gehen und dann die Streitfrage weiter zu diskutieren, ob man ausschreibt, ob man eine Inhousevergabe macht, die damals mit den Sozialdemokraten nicht zu entscheiden war und in die nächste Legislaturperiode vertagt wurde. Wäre diesem Vorschlag gefolgt worden, wären wir heute viel weiter, und wir könnten uns heute nur über die Frage auseinandersetzen, gehen wir in die Inhousevergabe oder nicht. Es ist alles nachlesbar, es ist alles dokumentiert.