Nun sind vom Anerkennungsgesetz des Bundes nur Berufe im Zuständigkeitsbereich des Bundes betroffen. Es regelt nicht die Berufe, für die die Länder zuständig sind, wie z. B. Lehrer, Erzieher, Sozialpädagogen, Ingenieure, Architekten. Für diese Berufe wird die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse durch Landesgesetze geregelt. Hier gibt es zwar bereits Landesregelungen, mit denen die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie umgesetzt wird. Diese Regelungen gelten jedoch überwiegend nur für Zuwanderer aus den EU-Staaten, dem Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz. Daher kommt es jetzt darauf an, dass sie auch nach dem Muster des Anerkennungsgesetzes des Bundes für Staatsangehörige bzw. Qualifikationen aus Drittstaaten erweitert werden.
Genau das hat die Koalition aus CDU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, und das wollen wir jetzt auf den Weg bringen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Grünen und Piraten! Ich darf vielleicht diese kleine Seitenbemerkung machen, nachdem ich die heutige Debatte zu den früheren Tagesordnungspunkten hören dürfte: Sie haben uns in der heutigen Debatte vorgeworfen, bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nur Lippenbekenntnisse abzugeben. Was machen Sie denn? – Sie bringen hier Anträge ein, die wir noch beraten, die sich mit der Änderung von Bundesrecht beschäftigen – Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts und ähnliche Dinge. Das sind alles Anträge, von denen Sie genau wissen, dass sie in diesem Hause nicht realisiert werden können. Sie betreiben also Symbolpolitik – Sie, nicht wir. Wir kümmern uns darum, die Lebensverhältnisse und Chancen der Zuwanderer tatsächlich zu verbessern, und dazu dient unser Antrag. Man könnte auch sagen: Sie schwätzen, und wir handeln.
Mit unserem Antrag auf Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikation verfolgen wir zugleich unser übergeordnetes Ziel bei der Integrationspolitik: Wir wollen, dass sich die dauerhaft bei uns lebenden Zuwanderer mit unserem Land identifizieren, es als ihre neue Heimat annehmen und zugleich die Möglichkeit erhalten, aber auch wahrnehmen, ihre Talente und Fähigkeiten zu entwickeln und einzusetzen – zu ihrem eigenen Nutzen, aber auch zum Nutzen unseres Gemeinwesens. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir alle dieses Ziel unterstützen könnten. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dregger! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Herr Reinhardt. – Bitte sehr!
Werter Herr Kollege Dregger! Ich würde gerne noch auf zwei, drei Punkte eingehen. Sie haben uns und den Grünen vorgeworfen, dass wir Ihnen vorwerfen, nicht konsequent genug gegen Rassismus in Berlin vorzugehen, gleichzeitig aber selbst Anträge einbringen, die man auf Landesebene nicht regeln kann. – Ja, Sie haben recht! Wir bringen hier Anträge ein, die man zum Teil über den Bundesrat klären muss. Das machen Sie und die SPD aber übrigens genauso. Ich sehe überhaupt nicht, wo das Problem ist, wenn man ab und zu mal ein Thema auf die Tagesordnung bringt, das man auf der Bundesebene lösen muss. Grundsätzlich stimme ich Ihnen aber zu, dass wir uns primär auf die Landespolitik konzentrieren sollten.
Gerade deswegen finde ich es interessant, dass Sie beim Thema der Anerkennung so hervorheben, dass das kein Lippenbekenntnis sei. Denn man fragt sich natürlich: Wo bleibt denn das Gesetz? Das ist doch das, worum es die ganze Zeit geht. Berlin soll ein Gesetz machen. Was machen Sie? – Sie machen einen Antrag: Berlin soll ein Gesetz machen. Super!
Das ist der Inhalt, den Sie hier liefern, und das ist das Nichtlippenbekenntnis, das Sie hier liefern. Ihre Rede in allen Ehren – zu einem echten Gesetz hätte sie gepasst. Aber zu einem Antrag, in dem steht, wir bräuchten ein Gesetz – was wir schon seit ewigen Zeiten wissen und weswegen wir Anfragen gestellt haben, um zu klären, wann denn endlich das Gesetz kommt –, zu sagen, das sei kein Lippenbekenntnis, sondern Inhalt und Fleisch – da halten Sie uns schon für sehr doof.
Lieber Herr Kollege Reinhardt! Ich bin dankbar für alle Belehrungen, die ich heute zu allen Tagesordnungspunkten über mich ergehen lassen muss. Ich bin auch gern bereit, das ernst zu nehmen. Aber es ist doch ganz deutlich, dass wir hier die Initiative ergreifen, und sie wird sich auf diesen Antrag nicht beschränken.
Sie dürfen vielmehr davon ausgehen, dass zu gegebener Zeit, wenn die Arbeiten vollständig erfüllt worden sind, auch ein qualifizierter und kein oberflächlicher Gesetzentwurf vorgelegt wird. Dann können wir uns wieder zu dem Thema sprechen. Insofern ist Ihre Kritik völlig vorfristig. Warten wir es einfach mal ab! – Danke!
Vielen Dank, Herr Dregger! – Für die Linksfraktion hat jetzt die Abgeordnete Frau Breitenbach das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Dregger! Wenn Sie konsequent gehandelt hätten, dann hätten Sie nicht ein Jahr, nachdem das Bundesgesetz in Kraft getreten ist, verstreichen lassen, um heute so einen Antrag vorzulegen.
Ein entsprechendes Landesgesetz wäre tatsächlich ein Schritt, um dem oft beklagten Fachkräftemangel entgegenzutreten. Wir alle hier wissen auch, dass mit dem Landesgesetz eine berufliche Perspektive für viele Menschen geschaffen werden könnte, die jetzt erwerbslos sind oder weit unter ihrer Qualifikation arbeiten müssen. Aber diese Koalition und dieser Senat reden – oder schwätzen, wie Herr Dregger sagt – gerne und oft von Teilhabe und Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aber diese Koalition und dieser Senat haben ein Jahr lang an diesem Punkt nichts gemacht.
Wir haben es oft an anderen Stellen erlebt. Jetzt auf einmal aber wachen Sie auf und legen uns lapidar den einen Satz vor. Es hat mich überrascht, warum man dafür ein Jahr gebraucht hat.
Frau Becker! Nachdem ich Ihre Rede gehört habe, habe ich das Gefühl, wir haben gar nicht so große Unterschiede. Was ich nicht verstehe, ist, warum Sie Ihre Anforderungen nicht in Ihren Antrag geschrieben und dafür gesorgt haben, dass ein gutes Berliner Landesgesetz entstehen kann,
mit dem die Probleme, die das Bundesgesetz mit sich gebracht hat, verhindert werden können. Wir möchten diese Kriterien. Wir möchten, dass ausgeschlossen wird, dass diese Versäumnisse im Bundesgesetz sich hier wiederholen.
Wir wollen also, dass alle Menschen, und zwar unabhängig vom Aufenthaltsstatus – also auch Asylsuchende und Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus – einen Rechtsanspruch auf die Prüfung der Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation haben. Daraus ergibt sich für uns auch die Notwendigkeit, dass der Zugang zu allgemeinen und berufsbezogenen Deutschkursen für alle, die das wollen und brauchen, gewährleistet sein muss.
Wir wollen darüber hinaus, dass ein Landesgesetz einen Rechtsanspruch auf Information, Beratung und Unterstützung beim Verfahren der Anerkennung garantiert und dass berufliche Qualifikationen verändert werden. Dazu gehört für uns auch, dass das Anerkennungsverfahren transparent – das haben Sie, Frau Becker, auch gesagt – und rechtssicher ist. Das heißt dann aber auch, dass Betroffenen etwa bei Ablehnung die Gründe mitgeteilt werden müssen und ihnen die Voraussetzungen genannt werden, die sie brauchen, um zu einer Anerkennung zu kommen. Wir brauchen natürlich auch eine entsprechende Anpassungsqualifizierung. Die Angebote müssen also vorgehalten werden.
Auch Sie, Frau Becker, haben es gesagt: In Berlin gibt es Träger und Einrichtungen mit Erfahrungen. Mit denen muss zusammengearbeitet werden. Auch das sollte in einem Gesetz festgeschrieben werden.
Als Letztes ein ganz zentraler Punkt: Wir brauchen Finanzierungsregelungen. Weder der Zugang zu einem Anerkennungsverfahren – etwa weil man noch Papiere beglaubigen lassen muss – noch die Anpassungsqualifizierung, die auch Geld kostet, dürfen an der sozialen Situation der Betroffenen scheitern. Deshalb brauchen wir hier klare Regelungen.
Wir möchten ein Landesgesetz, das möglichst vielen Menschen eine berufliche Perspektive bietet und ihnen dabei die notwendige Unterstützung garantiert. Wir werden Ihnen unsere Vorschläge vorlegen. Vielleicht überlegen Sie auch noch einmal, ob Sie Antrage noch qualifizieren und genauer machen. Möglicherweise können wir uns alle dann gemeinsam auf einen vernünftigen Vorschlag verständigen. Mich würde das freuen. Das müssen wir aber im Ausschuss klären. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Breitenbach! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es sich nicht um eine Priorität handeln würde, könnte ich mir meinen Beitrag sparen, weil die wichtigsten Sachen schon gesagt wurden. Aber es ist ja ein wichtiges Thema. CDU und SPD beschließen gemeinsam: Das wird unsere heutige Priorität und wird am Anfang der Parlamentssitzung besprochen. – Gut! Schauen wir uns das einmal im Detail an!
Im Grunde genommen handelt es sich hier um einen neuen Vorgang aus Schilda. Seit dem 1. April 2012 gilt das Anerkennungsgesetz für die Verfahren zur Bewertung ausländischer Berufsqualifikationen auf Bundesebene. Das Gesetz schafft erweiterte Anerkennungsmöglichkeiten für viele, aber eben nicht alle Berufsgruppen. So weit, so gut! Aber vom Anerkennungsgesetz sind nur Berufe im Zuständigkeitsbereich des Bundes betroffen. Es regelt nicht die Berufe, für die die Länder zuständig sind. Einige Beispiele: Lehrer, Erzieher, Sozialpädagogen, Ingenieure und Architekten. Für diese Berufe wird die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse möglicherweise dann durch Ländergesetze geregelt. Menschen aus den betroffenen Berufsgruppen warten natürlich sehnlich auf dieses Landesgesetz. Wir hatten es schon gehört – Frau Kahlefeld hatte es angesprochen –: Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und das Saarland haben mittlerweile eigenen Landesgesetze. Ich habe mir jetzt den Spaß gemacht zu gucken, welche Farbkombinationen das eigentlich waren. Ich habe herausgefunden: Das war Reinrot, Rot-Grün, RotSchwarz, Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb. Das heißt, alle Farbkombinationen, die es gibt, außer Rot-Rot in Brandenburg, sind hier vertreten, aber Berlin hat noch kein Landesgesetz.
Die Piraten haben das Warten satt und fragten im Oktober 2012 in einer freundlichen Kleinen Anfrage an den freundlichen Senat: Wann kommt eigentlich dieses Gesetz? „Wann will der Senat den Entwurf für ein landesspezifisches Anerkennungsgesetz für die rund 260 Berufe wie Erzieher usw. vorlegen, welche in die Zuständigkeit des Landes fallen?“ Wir hatten Glück: Der Senat hat sogar verstanden, worum es geht, und auch geantwortet. Die Antwort war:
Der Gesetzentwurf wird derzeit erarbeitet und durchläuft dabei die erforderlichen Beteiligungs- und Mitzeichnungsverfahren.
Der Anfang des kommenden Jahres ist übrigens vor zwei Monaten gewesen. Okay, wir haben immer noch so ein bisschen Anfang des Jahres, das heißt, wir würden jetzt auch nicht schimpfen, wenn es jetzt im März oder April käme. Das wäre schon noch in Ordnung. Aber statt dass
das Gesetz jetzt kommt, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit wäre und was auch schon angekündigt wurde, schreiben die beiden Fraktionen, CDU und SPD, einen Antrag. In diesem Antrag steht:
Der Senat wird aufgefordert, eine landesgesetzliche Regelung über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen bezogen auf landesgesetzlich geregelte Berufe vorzulegen.
Ein Satz! Dieser eine Satz soll zudem auch noch, weil es wahrscheinlich zu kompliziert wäre, heute darüber abzustimmen, obwohl es eh eine Selbstverständlichkeit wäre, im Ausschuss für Integration diskutiert werden. Jetzt frage ich mich, was wir da groß diskutieren sollen. Das ist ein Satz, und alle sind sich einig. Sie fordern also den Senat dazu auf, etwas zu tun, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, was er sowieso schon tut, wie er uns in einer Antwort auf unsere Kleine Anfrage gesagt hat, und was er schon zugesagt hat, spätestens Anfang 2013 zu liefern. Das ist doch mal große Politik!
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das hat Methode! – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]
Und jetzt kommt es: Sie machen diese Bitte an den Senat, etwas zu tun, was er eh schon tut, auch noch zur Priorität, das heißt, Sie wollen hier priorisiert über diese Bitte an den Senat, etwas zu tun, was er eh schon tut, diskutieren. Gut, das nehmen wir erst mal so hin.
Es wäre jetzt gar nicht so dramatisch, schade ist allerdings, dass wir tatsächlich in den letzten anderthalb Jahren sehr vergeblich darauf warten, dass sich bei Ihnen in der Integrationspolitik mal wirklich etwas bewegt. Da meine ich jetzt gar nicht so sehr den Senat, sondern ich warte hier auch einfach mal darauf, dass ab und zu mal sinnvolle Anträge von den Fraktionen der SPD und der CDU kommen. Was haben wir da bekommen? – Wir bekommen: In Berlin soll es eine zentrale Einbürgerungsfeier geben. Ja, super! Es soll einmal im Jahr schön Party gemacht werden, dass es neue Deutsche gibt. Das ist auch nicht schlimm, aber wir warten hier wirklich darauf, dass Sie sich mal irgendwie bewegen und irgendwas machen, und dann kommen Sie und sagen: Ja, wir haben mittlerweile eingesehen, dass wir ein Gesetz brauchen, was alle anderen auch eingesehen haben, und machen dazu einen Antrag. Es ist ja alles nicht schlimm, was Sie hier schreiben, aber das ganz große Kino ist es hier auch nicht. Entschuldigen Sie mal!