Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 10. April 2013 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 10. April 2013 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 15. Mai 2013 Drucksache 17/0989
Für die Besprechung bzw. Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schmidberger. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die ehemalige Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer hat noch im Mai 2011 Folgendes gesagt: „Die Mieten in Berlin steigen nur leicht an.“ und „Berlin bleibt die preiswerteste Großstadt in ganz Deutschland.“ Damit hat sie die Zeichen der Zeit ignoriert und uns all die Probleme eines angespannten Wohnungsmarktes beschert.
Sie hat einen verheerenden Fehler gemacht, denn während andere Städte seit Jahrzehnten kontinuierliche Wohnungsbauprogramme fahren und mietrechtliche Instrumente anwenden, gilt in Berlin immer das Prinzip des Schweinezyklus: Bei Mangel alles auf Vollleistung fahren, bis es ein Überangebot gibt, um dann wieder sofort alles auf null runterzusetzen. Wir brauchen aber eine stetige Wohnungsbauaktivität, und vor allem brauchen wir die konsequente Anwendung aller denkbaren wohnungspolitischen Instrumente.
Nur dann kann eine soziale Wohnungspolitik greifen, und nur dann kann sichergestellt werden, dass die Berliner Bevölkerung ausreichend mit Wohnraum versorgt ist.
Mehr als zwei Drittel aller Berlinerinnen und Berliner haben heute Angst vor steigenden Mieten, und diese Angst ist für viele Haushalte auch begründet. Die Arbeitslosigkeit geht zwar leicht zurück, die Wirtschaftskraft steigt leicht, ein Fakt bleibt aber gleich: Die Kaufkraft Berlins ist so niedrig wie in kaum einer anderen deutschen Großstadt. Die Berliner Einkommen können mit den rapiden Mietsteigerungen einfach nicht mehr
Der neue Mietspiegel erscheint zwar auf den ersten Blick weniger dramatisch als erwartet, aber schauen wir uns doch die Zahlen mal genauer an. Mietbelastungen von 40 Prozent und mehr sind keine Seltenheit. Gerade in den Altbauquartieren entwickelt sich Wohnen zum Luxus. Auch bei Wohnungen in einfacher Wohnlage sind die Mietsteigerungen viel höher als der Berliner Durchschnitt. Die Preise für Wohnungen zwischen 40 und 60 qm sind seit 2011 um 19 Prozent gestiegen. Gerade in diesen Wohnungen leben aber Menschen mit mittleren und unteren Einkommen. Wo soll das denn hinführen? – Ich sage es Ihnen: Menschen mit mittleren und geringeren Einkommen können sich das Wohnen nicht mehr leisten – vor allem in der Innenstadt. Familien mit Kindern finden keine angemessenen Wohnungen mehr. Die Quartiere und Kieze spalten sich weiter sozial, weil Menschen mit weniger Geld in arme Kieze verdrängt werden, und dort verschärfen sich dann die sozialen Probleme. Die räumliche Spaltung der Stadt gefährdet die Grundfesten einer sozialen und solidarischen Gesellschaft. Vor allem ist das aber langfristig auch eine Gefährdung für den Wirtschaftsstandort Berlin, wenn wir hier unseren Wettbewerbsvorteil als bezahlbare Metropole verspielen.
Es ist verheerend, dass diese Entwicklung so lange von Ihnen verkannt worden ist. Jetzt zeigt sich: Der Markt regelt das eben nicht allein. Die Berlinerinnen und Berliner zahlen die Quittung für jahrelanges systematisches Nichtstun. Das zeichnet sich jetzt erst ab – dafür braucht man im übrigen keine Glaskugel. Erst nichts machen und jetzt auch noch falsch umsetzen, wie zum Beispiel beim Umgang mit Ferienwohnungen. Die Koalition aus SPD und CDU hat mietenpolitisch kaum Gemeinsamkeiten und fällt durch Blockade anstatt durch Entscheidungen auf.
Daher müssen wir Grünen heute leider die verfehlte rotschwarze Wohnungspolitik zum Thema dieser Aktuellen Stunde machen.
Natürlich hat sich die Situation eines angespannten Wohnungsmarktes durch den massiven Zuzug, den wir derzeit erleben, noch schneller und durch die internationale Finanzkrise erst recht zugespitzt. Und dieser Zuzug ist doch nicht automatisch finanzstark. Es ziehen jährlich immer mehr Studenten, Pensionäre, junge Familien und Menschen mit internationalen Pässen in die Stadt – was auch sehr erfreulich ist. Eine soziale Wohnungspolitik muss aber die Rahmenbedingungen so setzen, dass allen Menschen in Berlin angemessener Wohnraum zur Verfügung
steht, so unterschiedlich die Bedürfnisse auch sein mögen. Deshalb muss sie vorausschauend sein und frühzeitig eingreifen. Das ist eine Mammutaufgabe. Packen Sie sie an! Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren!
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]
Herr Senator Müller! Man muss Ihnen zugestehen: Sie haben eine Wende in der Wohnungspolitik eingeleitet.
Fast jeden Monat kommt ein neuer Vorstoß von Ihnen, und davon gehen auch alle in die richtige Richtung. Aber das Problem ist doch: Sie müssten diese Vorschläge auch mal in echte Gesetze und Verordnungen gießen. Sie haben es in der Hand, die Berliner Bevölkerung vor den rapiden Mietsteigerungen zu schützen. Da reicht es auch nicht, einfach immer wieder auf das Bundesmietrecht zu verweisen.
Nach fast zwei Jahren müssen wir Ihnen und Ihrer Koalition also leider eine beschämende Bilanz ausstellen: Eine wohnungspolitische Gesamtstrategie haben Sie nicht. Eine Vorstellung, wohin sich Berlin entwickeln soll, fehlt. Bisher wurde vom Senat lediglich ein sogenanntes Mietenbündnis mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vereinbart und die bundesrechtlich mögliche Kappung der Mietsteigerungen auf 15 Prozent genutzt – übrigens, weil das hier immer falsch dargestellt wird: Bayern und NRW haben das auch schon gemacht.
Neubau ist für die wachsende Stadt Berlin dringend nötig. Eine neue soziale Wohnraumförderung hilft aber nur, wenn bei den Wohnungsbeständen auch alle ordnungsrechtlichen Mittel durch den Senat genutzt werden. Das sogenannte Wohnungsbaukonzept der Koalitionsfraktionen ist widersprüchlich und teilweise unsinnig. Es wirft mehr Fragen auf, als es Antworten gibt, heißt es sogar von den eigenen Senatsvertretern. Diese Vorschläge führen doch nur zu lähmender Selbstbefassung, anstatt Abhilfe zu schaffen.
Wir Grünen fordern mindestens 25 000 Wohnungen in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu einem Quadratmeterpreis von 6 Euro.
Denn etwa 20 Prozent der Berliner Bevölkerung, ob wir es wollen oder nicht, werden dauerhaft auf preiswerten Wohnraum angewiesen sein. Bei den knappen Mitteln Berlins wollen wir für die Menschen bezahlbaren Wohnraum fördern, den sie auch dringend brauchen, und nicht ganze Objekte, wie die CDU das möchte. Wir wollen eine neue soziale Wohnraumförderung auflegen, die die Bauherrenvielfalt fördert und die Baukosten auch begrenzt, indem zum Beispiel Bauprojekte ausgeschrieben werden.
Außerdem: Der rot-schwarze Senat hat bis heute keine Lösung hinsichtlich des alten sozialen Wohnungsbaus. Wir brauchen Konzepte der Rekommunalisierung, sprich: des Ankaufs, um diese Wohnungen wieder bezahlbar zu machen. Daher haben wir einen Antrag für ein Moratorium von Mietsteigerungen gestellt. Nur das verschafft uns auch die Zeit, um die Sozialwohnungen wieder zu bezahlbarem Wohnraum zu machen. Das sind wir den dort Lebenden aber schuldig. Die können nämlich nichts für die Betrugsbaupolitik aus Westberliner Zeiten.
Die Mieterinnen und Mieter, das sind 85 Prozent der Berliner Bevölkerung, haben ein Recht darauf, dass endlich etwas passiert. Deshalb frage ich den Senat genauso wie die Koalitionsfraktionen: Erstens: Wo bleibt zum Beispiel das Gesetz zum Verbot von Ferienwohnungen, von Abriss und spekulativen Leerstand für ganz Berlin, und zwar sofort?
Zweitens: Was ist mit einer Verordnung, die endlich die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einschränkt?
Drittens: Was ist mit einem langfristigen Schutz von Mieterinnen und Mietern vor Eigenbedarfskündigungen, und das auch für alle Berlinerinnen und Berliner?
Viertens: Wo bleibt eine rechtskonforme, faire Regelung für Miet- und Heizkostenzuschüsse für ALG-II- und Grundsicherungsbeziehende?
Fünftens: Warum versuchen Sie nicht, Bezirke wie Neukölln und Treptow-Köpenick von der Notwendigkeit zu überzeugen, auch Milieuschutzgebiete dort zu erlassen?
Sechstens: Wo bleibt eine echte soziale Ausgestaltung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, und warum haben diese immer noch keine Liegenschaftsgrundstücke zum Bauen bekommen, obwohl Sie das hier permanent ankündigen?
Ich sage: Wohnen ist ein Menschenrecht, weil es elementar ist für das persönliche Grundbedürfnis. Berlin darf kein zweites Paris oder London werden. Wohnen darf nicht zur politischen Disposition stehen und taugt schon gar nicht als Opfer für eine falsche Sparpolitik. Wer sagt, es sei keine politische Aufgabe, bezahlbare Wohnungen für alle zu schaffen, der spielt mit dem sozialen Frieden im Land. Wir brauchen eine neue Wohnungspolitik, die sowohl auf den Ausbau des Bestands als auch auf Neubau setzt. Wir brauchen aber auch das gesamte Bündel an
ordnungsrechtlichen und förderpolitischen Maßnahmen. Nur wenn alle möglichen Maßnahmen gegen Spekulation und Vernichtung preiswerten Mietwohnraums genutzt werden, kann eine soziale Wohnraumförderung überhaupt Erfolg haben.
Die Leute da draußen wollen warme Wohnungen statt warmer Worte, liebe rot-schwarze Koalition. Wachen Sie endlich auf und lassen Sie uns diese Mammutaufgabe gemeinsam anpacken, nicht für die nächste Wahl, sondern für die Menschen in dieser Stadt! – Vielen Dank!
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! – Frau Schmidberger! Einige Sätze vorab zu Ihnen: Sie haben gesagt, zehn Jahre schauten Sie zurück und rot-rot habe in dem Sinne nichts getan. Bei Ihnen brauche ich nur auf vier Jahre zurückzugucken. Da wollten Sie meistbietend 30 000 Wohnungen aus der Berliner Immobilienholding verkaufen. Da haben Sie schätzen lassen, wie viel eigentlich der gesamte Wohnungsbestand im Land Berlin wert ist. Bei Ihnen braucht man nur auf ein paar Jahre zurückzugucken und merkt schon, wie falsch Sie hier leider auch spielen.