Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 23. Mai 2013 Drucksache 17/1013
Anstelle einer Beratung haben sich die Fraktionen darauf verständigt, dass vorbereitete Reden zu Protokoll gegeben werden können. Dazu haben Sie nun die Gelegenheit.
Sämtliche arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zielen auf eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt – so auch die sogenannten Arbeitsgelegenheiten. Ziel dieser Maßnahmen ist, die Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit insbesondere von langzeiterwerbslosen Menschen zu erreichen und sie für den ersten Arbeitmarkt fit zu machen. Das ist im gesamten Bundesgebiet so, nur nicht in Berlin, denn in Berlin haben wir eine Positivliste. Diese Positivliste ist eine Altlast aus rot-roten Zeiten, sie wird aber auch nicht von der Regierungskoalition von SPD und CDU infrage gestellt – wie wir im Rahmen der Ausschussberatungen erfahren mussten. 2005 hat Harald Wolf als Senator für Arbeitsmarktpolitik die Liste von Handwerkskammer, IHK und Unternehmerverband Berlin-Brandenburg erstellen lassen, und, sehr geehrte Frau Senatorin Kolat, Sie sind dafür sehr wohl zuständig, auch wenn Sie meinen, die Positivliste sei eine Sache zwischen Jobcenter und Handwerkskammer. Nein, die Positivliste ist eine Idee des Senats, und nur dieser kann sie für nichtig erklären, aber hier sehen Sie leider keinen Handlungsbedarf.
Und so besteht diese „Giftliste“ leider fort und verhindert eine arbeitsnahe Qualifizierung erwerbsloser Menschen. Regelmäßig aktualisiert führt die Positivliste Tätigkeiten auf, bei denen – ich zitiere – „eine Gefährdung der gewerblichen Wirtschaft nicht zu erwarten ist“. In sechs Bereichen – von der Gesundheit und Pflege bis hin zum Tourismus – werden 97 Tätigkeitsfelder aufgelistet, die im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten förderfähig sind. Als unbedenklich werden u.a. Tätigkeiten eingestuft wie: Bau von Geruchs- und Tastkästen für Kinder oder Erfassung von Ambrosiapflanzen, Bärenklau und Eintrag in eine vorhandene Datenbank oder gemeinsame Einrichtung von Kleintiergehegen im Rahmen von Projektarbeiten bspw. mit Kindern, Jugendlichen und Senioren – sicherlich alles wichtig und notwendig.
Aber, meine Damen und Herren von der SPD und der CDU, Sie können doch nicht ernsthaft annehmen, dass mit diesen Arbeiten eine arbeitsmarktnahe Qualifizierung langzeiterwerbsloser Menschen erfolgen kann. Das Gegenteil ist der Fall, mit diesen Tätigkeiten halten Sie die Menschen vom Arbeitsmarkt fern und nehmen ihnen jegliche Chance auf eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Was Arbeitsgelegenheiten dürfen, ist in dem am 1. April 2012 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt klar und umfassend geregelt. Dazu brauchen wir keine detailversessene Positivliste, die zu einer noch restriktiveren Auslegung führt und die weit über den Inhalt und Zweck des neuen § 16d SGB II hinausgeht. Und es ist ein paradoxes Verhalten der Berliner Wirtschaft: Auf der einen Seite beklagt sie die mangelnde Arbeitsmarktnähe erwerbsloser Menschen, auf der anderen Seite verhindert sie mit der Positivliste die Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit dieser Menschen – das ist doch absurd! Gerade für Erwerbslose mit Vermittlungshemmnissen geht es doch um eine individuelle und auf Integration ausgerichtete Arbeitsmöglichkeit.
Frau Senatorin Kolat! Sie fordern zwar ständig echte Qualifizierung. Damit können Sie aber nicht ernsthaft den Bau von Geruchs- und Tastkästen für Kinder oder die gemeinsame Einrichtung von Kleintiergehegen meinen. Ich gebe Ihnen recht, wir brauchen echte Qualifizierung und diese muss arbeitsmarktnah sein. Es ist doch die zentrale Aussage ihres Papiers „Berlin-Arbeit“, dass die Integration in den regulären Arbeitsmarkt Vorrang hat – auch für langzeiterwerbslose Menschen. Aber zu einer guten Qualifizierung gehört die arbeitsmarktnahe Erprobung, auch in Arbeitsgelegenheiten, und dies wird durch die Positivliste verhindert.
Wir brauchen den Ideenreichtum und die Flexibilität der Maßnahmen. Gerade für Erwerbslose mit Vermittlungshemmnissen sind individuelle und auf Integration ausgerichtete Arbeitsmöglichkeiten unerlässlich. Die Positivliste ist arbeitsmarktfern, und deshalb muss sie abgeschafft werden. Aber allem Anschein nach haben dieser Senat
und die Regierungskoalition kein Interesse an einer arbeitsmarktnahen Qualifizierung erwerbsloser Menschen. Das zeigt, dass sie bis heute nicht begriffen haben, welche Verantwortung das Land Berlin bei der Ausrichtung und Gestaltung der lokalen Arbeitsmarktpolitik hat. Und die Regierungskoalition will nur, dass alles so bleibt wie es ist – bitte nur keine Veränderungen! – Schade, denn damit reduzieren Sie die Chancen erwerbsloser Menschen auf eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt.
Uns liegt ein interessanter Antrag der Grünen vor, der den Senat auffordert, etwas abzuschaffen, was er nicht abschaffen kann. Die Positivliste für Arbeitsgelegenheiten ist ein Gemeinschaftsprojekt zur Unterstützung der Arbeit der Jobcenter. Sie wurde im Jahr 2006 unter Federführung der Handwerkskammer in Abstimmung mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, der Industrie- und Handelskammer Berlin und dem Unternehmerverband Berlin erarbeitet.
Bei der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten hat das zuständige Jobcenter vorab u. a. die Wettbewerbsneutralität zu prüfen. Die Positivliste hilft bei dieser Prüfung und trägt damit zur Erleichterung und Beschleunigung der Bewilligungsverfahren bei den Jobcentern bei. Sie wurde in den letzten Jahren mehrfach überarbeitet. Die Positivliste ist nicht perfekt. Sie ist in ihrer Kleinteiligkeit teilweise unübersichtlich. Auch wenn sie bisweilen eine ausschließende Wirkung zu haben scheint, ist sie nicht abschließend. In Zweifelsfällen können Unbedenklichkeitsbescheinigungen regionaler Wirtschaftsverbände eingeholt werden.
Die Positivliste gibt einen Rahmen vor, und sie ist ein Kompromiss derer, die sich auf sie verständigt haben. Änderungen und Verbesserungen lassen sich nicht verordnen, sondern nur im Dialog und unter Beteiligung der Akteure erreichen. Die SPD-Fraktion lehnt den Antrag der Grünen zur Abschaffung der Positivliste für Arbeitsgelegenheiten ab.
Die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung – MAE –, also die Ein-Euro-Jobs, erlangten mit der Einführung der Hartz-Gesetze durch die rot-grüne Bundesregierung traurige Berühmtheit. Menschen müssen arbeiten, allerdings in keinem regulären Arbeitsverhältnis, was zu einer relativ rechtlosen Situation führt. Statt Lohn gibt es eine Mehraufwandsentschädigung zum Arbeitslosengeld II. Obwohl festgelegt war, dass EinEuro-Jobs keine regulären Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt vernichten dürfen, waren die Erfahrungen andere, und es gibt dafür bundesweit viele Beispiele.
Vor diesem Hintergrund wurde in Berlin die Positivliste eingeführt und mit den Sozialpartnern abgestimmt. Die Positivliste sollte die Vernichtung von regulären Arbeitsplätzen verhindern, und dieses Anliegen halten wir auch noch heute noch für richtig. Geplant war, dass die Positivliste, ihre Bereiche und Tätigkeitsfelder weiterentwickelt werden. Das wurde allerdings nur unzureichend umgesetzt. Die Positivliste ist ein starres Instrument, und sie verhindert oftmals, dass sinnvolle Maßnahmen umgesetzt werden können. Oftmals werden nur Maßnahmen bewilligt, die in der Positivliste aufgeführt sind, und aufgrund dieser Erfahrungen werden auch fast nur noch solche Maßnahmen beantragt. Die Probleme, die dadurch entstehen, sind im Antrag der Grünen benannt.
Wir halten allerdings die Abschaffung der Positivliste für keine Lösung, denn das Risiko der Arbeitsplatzvernichtung würde sich dadurch wieder vergrößern. Deshalb stimmen wir dem Antrag zur Abschaffung der Positivliste nicht zu. Wir fordern aber die Senatsverwaltung auf, sich mit den Sozialpartnern ins Benehmen zu setzen und sich dafür einzusetzen, dass die Positivliste nicht länger als starres Instrument betrachtet wird. Der von den Grünen eingeforderte Ideenreichtum und die Flexibilität von Maßnahmen sind nötig und auch umsetzbar, wenn die restriktive Anwendung der Positivliste beendet und ihre Weiterentwicklung gewünscht, gefördert und zugelassen wird.
Wir freuen uns, dass die Grünen sich in der Begründung zu ihrem Antrag Gedanken über die Umsetzung des Arbeitsmarktprogramms „Berlin-Arbeit“ machen. Ja, tatsächlich geht es der Koalition darum, dass die verstärkte Integration von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt eine vordringliche Aufgabe ist. Ein Blick auf die Arbeitslosenstatistik zeigt, dass wir damit erfolgreich sind: Von den 212 873 Arbeitslosen des Monats Mai 2013 waren 169 189 dem SGB II zugeordnet. Das sind 1 464 weniger als im April 2013 und 6 620 weniger als im Mai des vergangenen Jahres. Die arbeitmarktpolitischen Instrumente, die für die öffentlich geförderte Beschäftigung zum Einsatz kommen, haben zweifellos ihren Anteil daran. Gerade bei arbeitsmarktfernen Kunden der Jobcenter ist es wichtig, niedrigschwellige Angebote vorzuhalten, damit sie perspektivisch wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Öffentlich geförderte Arbeitsgelegenheiten sind ein Weg dahin.
In Berlin wird mit der Positivliste für Arbeitsgelegenheiten dafür gesorgt, dass bei deren Umsetzung ein Interessenausgleich mit der Wirtschaft erfolgt. In der Positivliste sind Arbeitsfelder aufgelistet, für die eine Wettbewerbsbeeinträchtigung der gewerblichen Wirtschaft im Regelfall nicht zu erwarten ist. Die Fördermaßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass reguläre Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt verdrängt wird. Wenn öffentlich subventionierte Arbeitsplätze den Wettbewerb aushebeln
könnten, blieben bereits existierenden Arbeitsplätze auf der Strecke. Die Erfahrungen zeigen, dass tatsächlich Wettbewerbsverzerrungen auf dem Arbeitsmarkt weitestgehend vermieden werden. Aus Sicht der Jobcenter und der Kammern ist die Positivliste hilfreich. Mit ihrer Hilfe können Träger im Vorfeld die Tätigkeiten abstimmen. Dadurch ist eine schnellere Antragsbearbeitung in den Jobcentern möglich. Die Liste ist nur ein unterstützendes Arbeitsmittel und soll nicht die eigentliche Bewilligungsentscheidung der Jobcenter vorwegnehmen. Sie war auch nie dazu gedacht, dass sich die Arbeitsgelegenheiten ausschließlich an den aufgelisteten Tätigkeitsfeldern orientieren müssen.
Gegenwärtig ist kein Förderinstrument der vom Land Berlin finanzierten öffentlich geförderten Beschäftigung von den Regelungen der Positivliste betroffen. Sie war vorgesehen für die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, an deren Förderung sich das Land Berlin nie beteiligt hat, und für Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante, die inzwischen nicht mehr gefördert werden. Die aktuelle Positivliste wurde im Jahr 2012 durch die federführende Handwerkskammer überarbeitet. Daneben waren an der Erstellung der Liste die IHK Berlin, die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, die Senatsverwaltung für Arbeit sowie die Vereinigung der Unternehmensverbände beteiligt. Der Senat hat also allein gar keine Möglichkeit, die Positivliste abzuschaffen.
Wir sind überzeugt, dass ein sinnvoller Umgang mit der Positivliste sowie ein abgestimmtes Vorgehen von Verwaltung und Wirtschaft zu mehr Erfolgen bei der Wiedereingliederung von Arbeitslosen führen, als eine Liste abzuschaffen, die eine Orientierung für die Jobcenter bietet. Die vorliegende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen empfiehlt die Ablehnung des Antrags der Grünen zur Abschaffung der Positivliste. Die Koalition wird sich der ablehnenden Beschlussempfehlung anschließen.
Zum Antrag Drucksache 17/0623 empfiehlt der Arbeitsausschuss mehrheitlich – gegen Grüne bei Enthaltung Piraten – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie sechs Mitglieder der Fraktion der Piraten. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD, der CDU, Die Linke und der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Die übrigen Mitglieder der Piratenfraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 8. Mai 2013 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 29. Mai 2013 Drucksache 17/1024
Der Antrag soll heute vertagt werden. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den höre ich nicht, dann verfahren wir so.
Kassensturz bei Flughafengesellschaft und BER: komplette Aufschlüsselung der bisherigen und künftig zu erwartenden Mehrkosten für den Bau des BER, Offenlegung aller finanziellen Risiken für den Landeshaushalt sowie wahrheitsgemäße Darstellung der zu erwartenden Wirtschaftlichkeit des Großflughafens
Eine Beratung wird nicht mehr gewünscht. – Zum Antrag Drucksache 17/0968 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU und der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Sehe ich nicht. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Die Tagesordnungspunkte 16 bis 18 stehen auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 19 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Nummer 5.1.
Der Antrag soll heute vertagt werden. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 5. Juni 2013 Drucksache 17/1056
Zum Antrag Drucksache 17/0295 empfiehlt der Bauausschuss einstimmig mit allen Fraktionen die Annahme in neuer Fassung. Wer dem Antrag in neuer Fassung im Wortlaut der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der CDU, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, die Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Gibt es Enthaltungen? – Auch keine Enthaltungen, dann ist das so einstimmig beschlossen.