Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir dort ebenfalls so.
a) Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2014 und 2015 (Haushaltsgesetz 2014/2015 – HG 14/15)
Ich eröffne die erste Lesung des Haushaltsgesetzes. Ich habe die Gesetzesvorlage mit Drucksache 17/1100 vorab federführend an den Hauptausschuss und mitberatend in Bezug auf die Einzelpläne bzw. einzelnen Kapitel an die entsprechenden Fachausschüsse überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung hierzu feststellen.
Die Fachausschüsse haben bereits teilweise mit den Haushaltsberatungen begonnen. Die Vorlage der Finanzplanung ist am Dienstag eingegangen. Die Fraktionen haben sich auf eine dringliche Behandlung und eine Verbindung mit dem Haushaltsgesetz verständigt. – Hierzu
höre ich keinen Widerspruch. Zunächst werden die Vorlagen durch den Senat begründet. Das Wort hat der Finanzsenator Herr Dr. Nußbaum. – Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Finanzpolitik verlangt Klartext. Klartext verlangt, zum Kern der Dinge vorzudringen. Deshalb gestatten Sie mir zum Anfang dieser Haushaltsberatung, Klartext zu reden.
Manche, auch aus dem Kreis dieses Parlaments, hängen der Vorstellung an, Berlin sei finanzpolitisch bereits auf der richtigen Seite. Manche sehen Überschüsse. – Ich frage mich, wo diese sein sollen. Am Jahresende sind sie wieder verschwunden. Manche glauben, sogar zusätzliche Steuereinnahmen in Milliardenhöhe zu erkennen. Das sind aber Schimären, bestenfalls unerkannte Fata Morganen. Manche – bitte sehen Sie mir diese Bemerkung nach – können auch einfach nicht rechnen.
Im Klartext: Finanzpolitisch ist Berlin auf einem guten Weg. Gerettet ist der Haushalt aber noch lange nicht. Wir wollen den strukturell ausgeglichenen Haushalt 2015 erreichen. Das ist in zwei Jahren. Heute sind wir davon noch ein Stück weit entfernt. Ich muss nur noch einmal daran erinnern, dass uns der Zensus aufgezeigt hat, was es bedeutet. Damit verbunden sind dauerhafte Mindereinnahmen.
Es gibt auch exogene Faktoren, die wir nicht beeinflussen können. Keiner weiß, wie sich die europäischen Schuldenkrisen entwickeln. Wir wissen auch nicht, wie sich das Wachstum in der Bundesrepublik weiter entwickelt. Heute erleben wir zum großen Teil in diesem Haushalt, unabhängig von unseren Konsolidierungserfolgen, dass die Kapitalmarktzinsen niedrig sind und wir ein gutes Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik haben. Ein Viertelpunkt Wirtschaftswachstum bedeutet etwa 200 Millionen Euro Steuereinnahmen für diesen Haushalt. Deshalb wird auch ein guter Teil dieses strukturellen Defizits, welches wir nach wie vor noch haben, dadurch übertüncht, dass die Zinsen historisch niedrig sind und die Steuereinnahmen sprudeln.
Was aber auch historisch ist, ist nach wie vor ein historisch hoher Schuldenstand von 63 Milliarden Euro. Pro Einwohnerin und Einwohner haben wir das 2,2-Fache des Länderdurchschnitts an Schulden pro Kopf. Das ist unser finanzpolitisches System. Das können Sie auch nicht wegdiskutieren. Es wird auch dann nicht wegdiskutiert, wenn wir einen ausgeglichen und strukturell ausgeglichenen Haushalt 2015 erreichen.
Unsere Aufgabe im Senat ist es, diesen Schuldenberg anzugehen und nicht – wie Sie das von der Opposition wollen –, weitere Aufgaben darauf zu setzen.
Sie sollten auch nicht vergessen, dass Berlin nach wie vor ein Konsolidierungshilfeland ist. Wir sind gleichzeitig ein Sanierungsland. Wir erhalten deshalb auch 80 Millionen Euro Konsolidierungshilfen. Wir haben uns gegenüber den Geberländern verpflichtet, unseren Länderhaushalt zu sanieren, und uns dazu auf ein Sanierungsprogramm verpflichtet, über welches wir berichten. Der aktuelle Bericht liegt jetzt gerade vor. Berlin legt seine Zahlen vor. Wir befinden uns unter strikter Beobachtung. Auch der Stabilitätsrat prüft im Rahmen der laufenden Haushaltsbeobachtung von Bund und Ländern unsere Haushaltskennziffern. Wie Sie wissen, beobachten uns auch andere Länder aus anderen Gründen, insbesondere die aus dem süddeutschen Raum, die uns immer unterstellen, wir gingen mit ihrem süddeutschen Geld unsauber und unordentlich um und lebten über unsere Verhältnisse. Deswegen ist es wichtig, noch einmal daran zu erinnern, dass wir uns darauf verständigt haben, nicht so sehr die Seite der Einnahmen zu betrachten, sondern eine Ausgabenlinie einzuhalten. Seit Jahren konsolidiert dieser Senat über eine Zurückhaltung bei den Ausgaben. Das ist auch richtig so. Da wir das langfristig tun, sehen wir inzwischen auch die Erfolge. Man kann nicht darauf reagieren, dass man sagt: Es gibt jetzt die Erfolge, dann kann man auch die Konsolidierung noch einmal verschieben, und die schönen Einnahmen und niedrigen Zinsen erlauben es, neue Ausgaben zu tätigen.
Ich sage das auch genau zu Ihnen in der Opposition: Sie reden den Haushalt schön. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, welche Risiken und Probleme nach wie vor in diesem Haushalt enthalten sind.
Trotzdem ist Berlin auf einem guten Weg. Die Berliner Wirtschaft ist seit 2005 um 19 Prozent gewachsen. Zur Erinnerung: Der Bundesdurchschnitt betrug lediglich 11,5 Prozent. Und ich sagte es schon, wir haben unsere Ausgaben konsequent begrenzt auf insgesamt 5,3 Prozent in zehn Jahren – 5,3 Prozent in zehn Jahren!
Zum Vergleich: Baden-Württemberg, das gerade auch im Zusammenhang mit dem Länderfinanzausgleich so heftig jammert, hat sich in der gleichen Zeit Ausgabenzuwächse von 19 Prozent geleistet, und Hessen, ein Klägerland vor dem Bundesverfassungsgericht, von sage und schreibe 32 Prozent. Das heißt, in den letzten zehn Jahren haben diese Bundesländer deutlich mehr ausgegeben als wir. Deswegen kann man auch mit einer gewissen Gelassenheit dieser Klage entgegensehen. Ich denke, wir haben uns da nichts vorzuwerfen. Aber – auch das wird in der Klage beschrieben – uns werden in dieser Klageschrift der Länder Bayern und Hessen der hohe Schuldenstand
und die daraus natürlich resultierenden Zinsaufwendungen im laufenden Haushalt vorgeworfen. Deswegen sage ich es noch einmal: Solange man einen Schuldenstand von ca. 63 Milliarden hat, gibt es auch keine Entwarnung. Die spannende Frage ist ja: Wie wollen Sie denn, wenn Sie weitere Ausgaben einfordern, diesen Schuldenstand abbauen, wenn man nicht gerade in Betracht zieht, eine Bank zu überfallen?
[Joachim Esser (GRÜNE): Das wollen wir gar nicht! – Ramona Pop (GRÜNE): Sie können ja mal wieder eine gründen!]
Dann bleibt mir doch nichts anderes übrig als selbst erwirtschaftete Tilgung. Das ist deswegen der einzige Weg, dass wir Überschüsse weiter zum Schuldenabbau einsetzen, nicht für zusätzliche Ausgaben.
Sie sind soeben mit Ihren Forderungen über das Zensusthema hinweggegangen. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, der Zensus kostet uns zum Stichtag 9. Mai 2011 470 Millionen Euro. Mit der Dreifachabrechnung im laufenden Jahr haben wir die Belastung auf 940 Millionen Euro geschätzt. Im September zahlen wir die Abrechnungen für 2011 und 2012 und das erste Halbjahr 2013, insgesamt 830 Millionen Euro. Um einmal ein bisschen Wasser in den Wein zu kippen: Dieser Betrag geht übrigens von dem sehr guten Halbjahresergebnis wieder ab. Denn, wie gesagt, dieser Überschuss pro Kopf, der von der Bundesregierung zum Halbjahr gerechnet worden ist, war eine Halbjahresbetrachtung. Und die Zensusabführungen waren damit nicht drin. Damit nicht genug: Im Dezember ist dann noch die Rate für das dritte Quartal 2013 fällig. Im März 2014 zahlen wir die Abrechnung für das vierte Quartal. Deswegen kann ich nicht nachvollziehen, wie man einfach über diesen Zensuseffekt hinweggeht und sagt: Mit diesem Zensuseffekt hat uns der Finanzsenator ja ins Bockshorn gejagt.
Das sind ja Zahlen, die so sind. Und bei den Einwohnern, die uns da fehlen und die jetzt wieder durch Einwohnerzuwächse kompensiert sind, haben wir einen Basiseffekt. Das sind Millionen, die uns laufend fehlen und die wir in jedem Fall sonst obendrauf gehabt hätten. Ich kann noch einmal sagen, dass wir diese Zahlen auch immer offengelegt haben. Wir haben ja auch in dem Statusbericht vom 30. Juni dieses Jahres nochmals deutlich gemacht, dass wir zum Jahresende 150 Millionen mehr erwarten, aber allerdings auch, weil dort Sondereffekte drinstecken.
Zu den Schwerpunkten dieses Haushalts: Wir geben erstens mehr Geld für Bildung aus, für Hochschulen, Kitabetreuung, Schulsanierung und Brennpunktschulen, insgesamt über 6 Milliarden Euro. Das ist fast ein Drittel unseres Gesamtbudgets, das für Bildung ausgegeben wird. Wir stärken auch die Bezirke in den kommenden Jahren mit 50 Millionen Euro. Wir stellen sie frei, auch von den Folgen des Zensusergebnisses.
Wir stellen weiterhin 64 Millionen Euro pro Jahr über Verpflichtungsermächtigungen und auch über Liquiditätsabfluss für den Wohnungsneubau zur Verfügung. Damit wollen wir vorrangig die Neubauaktivitäten unserer städtischen Wohnungsbauunternehmen fördern. Wir wollen sozialen Wohnraum bereitstellen. Und ich sage das nochmals, damit das Bild auch in Gänze rund wird: Was man nicht im Haushalt sieht, ist, dass wir auf eine Eigenkapitalverzinsung des den Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung gestellten Stammkapitals verzichten. Wir haben dieses Eigenkapital der Wohnungsbaugesellschaften in unseren 63 Milliarden Euro Schulden. Wir zahlen im Haushalt Zinsen dafür. Die Zinsen sind bei uns verbucht und nicht bei den Wohnungsbaugesellschaften. Sie vergüten uns dafür nicht. Das heißt, dass wir hier insgesamt noch einmal 120 Millionen Euro über einen höheren Zinsaufwand in unserem Haushalt haben, mit denen wir die Wohnungsbaugesellschaften zusätzlich stärken.
Wir haben beim Schulbau alles aufgenommen, was uns an Maßnahmen gemeldet worden ist. Wir stärken den Bereich innere Sicherheit mit 160 zusätzlichen Stellen und Ausbildungsplätzen für Polizei, Feuerwehr und LKA. Wir haben das Tarifergebnis umgesetzt mit insgesamt 5,6 Prozent in zwei Jahren. Wir finanzieren die Entgeltanpassung an den Bundesdurchschnitt bis 2017. Wir haben den Beamtinnen und Beamten gesagt: Sie bekommen unabhängig von Tarifverhandlungen eine feste Zulage von 2,5 Prozent pro Jahr.
Das ist in einem Haushalt, der nach wie vor ein strukturelles Defizit hat, der nach wie vor auf eine Verschuldung ausgelegt ist, eine ganz klare und eindeutige Schwerpunktsetzung dieses Senats.
Aber gleichzeitig denken wir über den konkreten Doppelhaushalt 2014/2015 hinaus. Wir haben damit eine Finanzplanung vorgelegt. Da sagen wir noch einmal eindeutig: Unser Ziel ist neben dem operativen Haushalt 2014/2015, nachhaltige Haushalte aufzustellen. Und es ist ja schon bedauerlich, dass man den Grünen den Begriff Nachhaltigkeit erklären muss.
Das haben sie nämlich ganz vergessen. Denn Nachhaltigkeit bedeutet, den Haushalt abzuschirmen gegen exogene Störungen und Entwicklungen der Weltkonjunktur. Denn ich sagte es schon, unsere Risiken liegen im Wesentlichen in der Zinsentwicklung und auch in einer möglichen schwächeren Wirtschaftsentwicklung. Deswegen sage ich: Es kann nicht sein, dass wir, wie Sie das wollen, diesen Haushalt immer auf der Flughöhe null, also in