Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Antragsteller des dringlichen Antrags Drucksache 17/1166 – neu – haben die sofortige Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag aller fünf Fraktionen Drucksache 17/1166 – neu – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen und der fraktionslose Kollege. Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir das einstimmig beschlossen.

[Allgemeiner Beifall]

Es wird die Überweisung des Antrags der Piratenfraktion Drucksache 17/1162 federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss empfohlen. Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6:

a) Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Berlin (SchulG)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 6. Juni 2013 Drucksache 17/1078

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0588

Zweite Lesung

b) Änderung des Schulgesetzes für das Land Berlin (SchulG)

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1082

Erste Lesung

c) Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Berlin

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1137

Erste Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung zu a und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II Drucksache 17/0588.

Ich eröffne die ersten Lesungen zu b und c. Der Antrag zu b soll jetzt nicht beraten werden. Für die Beratung zu a und c steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Kollege Mutlu, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Früheinschulung beschäftigt uns in diesem Hause schon seit geraumer Zeit. Dieser Antrag ist eine Konsequenz oder ein Ergebnis der Debatten in der Stadt, aber auch in diesem Haus. Leider hat sich die Koalition nicht unserem Antrag anschließen können, was wir außerordentlich bedauern. Warum bedauern wir das? – Weil seit Einführung der Früheinschulung in diesem Land Berlin die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die zurückgestellt werden, von Jahr zu Jahr steigt. Warum bedauern wir diese Entscheidung der Koalition? – Weil Ihnen scheinbar die Wünsche, Bedürfnisse der Kinder, aber auch der Eltern egal sind. Wie begründe ich das?

Jetzt haben wir vor einigen wenigen Wochen in der Stadt in einer großen Berliner Tageszeitung lesen können, dass in diesem Schuljahr die Zahl der Rückstellungen auf 3 800 gestiegen ist. Das ist ein rasanter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Diesen Anstieg haben wir seit Jahren permanent. 3 800 Kinder, deren Eltern der Meinung waren, dass ihr Kind nicht mit fünfeinhalb eingeschult werden soll, das ist ein Zeichen, das Ihnen zu denken geben sollte. Deshalb bedauere ich, dass Sie diesen Schritt heute nicht mitgehen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

(Fabio Reinhardt)

Berlin ist im Übrigen das einzige Bundesland, das immer noch an dieser Früheinschulung festhält. Damals, als die PISA-Studie das erste Mal präsentiert wurde, hat man verschiedene Reformen im Hauruck-Verfahren durchgeführt. Manche davon haben sich als gut erwiesen, andere wiederum nicht. Diese gehört zu den Reformen, die sich mit der Zeit nicht nur überholt haben, sondern auch als falsch erwiesen haben.

Andere Bundesländer, auch unser Nachbarland – wir reden ja immer wieder gerne von der Bildungsregion Berlin-Brandenburg – haben diesen Schritt der Früheinschulung längst zurückgenommen, weil es der Entwicklungspsychologie der Kinder widerspricht. Berlin hält aus irgendeinem Grund daran fest, was ich einfach nicht verstehe.

Ich habe heute zudem eine Erklärung der Senatorin gelesen in Bezug auf die freien Schulen. Da heißt es, es gibt nirgendwo in einem Bundesland die Tatsache, dass freie Schulen bei bewährten Trägern bezuschusst werden von Anfang an. Ich kann dann in die Richtung der Senatorin sagen, auch an dieser Stelle gibt es kein anderes Bundesland, das daran festhält. Dann nehmen Sie sich ein Beispiel an den anderen Bundesländern: Schaffen Sie diese Früheinschulung ab, die den Kindern schadet!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich sage das auch als jemand, der das nicht bei seinem eigenen Kind, aber bei den Kindern, die mit meinem Kind eingeschult worden sind, begleitet hat. Meine Tochter wurde damals auch mit fünfeinhalb eingeschult, und sie hatte viele, viele Freundinnen und Freunde in der Klasse, die ebenso mit fünfeinhalb eingeschult worden sind. Viele dieser Kinder sind nicht nur Verweiler geworden, sondern die meisten von denen haben Dinge verloren in der Zeit am Anfang wegen der Früheinschulung, die sie später nicht mehr eingeholt haben. Und viele dieser Kinder haben auch später keine Gymnasialempfehlung bekommen, sondern eher eine Sekundarschulempfehlung. Das sind Indizien dafür, dass diese Früheinschulung schädlich ist, den Kindern schadet. Deshalb sagen wir nochmals: Kommen Sie zur Vernunft, auch wenn Sie unseren Antrag im Ausschuss abgelehnt haben! Stimmen Sie dem heute zu, damit wir endlich den Weg dafür ebnen, die Früheinschulung abzuschaffen!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Mir bleibt nicht mehr so viel Zeit, deshalb will ich kurz etwas zu dem Antrag der Piraten sagen. Auch der will etwas an dem Einschulungsalter ändern. Ich bezweifle aber, dass diese Flexibilisierung der Einschulung, die über zwei Jahre gestreckt werden soll, einen Sinn macht, weil das das Problem der Früheinschulung nicht löst.

[Martin Delius (PIRATEN): Welches Problem löst es denn dann?]

Das ist auch absolut unpraktikabel deshalb, weil du einfach ein Datum haben musst, wann du die Kinder ein

schulst. Wenn die Kinder nach Belieben zwei Jahre früher oder ein Jahr später eingeschult werden sollen, dann frage ich mich, wie das denn in den Schulen organisiert werden soll. Dann hast du schon in der ersten Klasse Kinder – –

[Martin Delius (PIRATEN): Mit JÜL!]

Das kannst Du gleich sagen, Martin! Kommst ja gleich ran! –

[Martin Delius (PIRATEN): Ich will es nur im Protokoll!]

Dann haben wir dieses Chaos erst recht, und wir wollen eben kein Chaos, wir wollen Ruhe, wir wollen, dass die Kinder ihrem Alter entsprechend gefördert werden können und sagen deshalb: Früheinschulung abschaffen, und ich hoffe auf Ihre Vernunft.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion jetzt der Kollege Özışık.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schulgesetz wird mit vielen kleinen Änderungen für Berliner Schülerinnen und Schüler angepasst und verbessert. Gesetze sind lebendig und dynamisch wie unsere Stadt und die Gesellschaft. Diese Entwicklungen in der Gesellschaft müssen sich auch im Schulgesetz widerspiegeln. Zum Beispiel: Für die Geschwisterkinder und Bezirkskinder schaffen wir künftig in den weiterführenden Schulen einen Vorrang. Damit entlasten wir die Eltern und fördern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

[Beifall von Roman Simon (CDU) – Martin Delius (PIRATEN): Zur Sache!]

Das Thema der sprachlichen Defizite ist für uns auch sehr wichtig, denn es ist unmöglich, mit Defiziten eine soziale Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in der Grundschule in unserer Stadt zu gewährleisten. Wir ändern das Schulgesetz, damit die Kinder ein Jahr vor der Einschulung an einem Sprachtest teilnehmen und bei Auffälligkeiten eine Sprachförderung erhalten können.

[Beifall bei der SPD – Martin Delius (PIRATEN): Zur Sache!]

Das Gesetz reagiert auch auf den Zuzug von Kindern aus dem Ausland in unsere Stadt. Deswegen sieht es eine Gesundheitsuntersuchung für ausländische Kinder vor, die schulpflichtig sind.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Zu welchem Antrag reden Sie denn?]

Sie müssen sich spätestens drei Monate nach dem Schuleintritt untersuchen lassen. Darüber hinaus können die Grundschulen die Schulanfangsphase von zwei auf drei

(Özcan Mutlu)

Jahrgänge erweitern. Die Schülerinnen und Schüler mit einem befriedigenden Notendurchschnitt dürfen sich an einem Gymnasium nur dann anmelden, wenn die Familie vorher ein Beratungsgespräch geführt hat.

Ich möchte eine weitere Änderung erwähnen: Schülerinnen und Schüler, die die ganze 10. Klasse im Ausland verbringen wollen, kommen ohne MSA in die gymnasiale Oberstufe, –

[Özcan Mutlu (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mutlu?

Nein! – auch wenn der mittlere Schulabschluss nicht abgelegt worden ist. Sie bekommen die Gelegenheit eines Probehalbjahrs im ersten Semester. Bei Erfolg haben sie den MSA.

Die eine vorgeschlagene Änderung des Schulgesetzes der Oppositionsfraktionen betrifft das Aufnahmeverfahren für die Grundschule. Möchten Erziehungsberechtigte ihr Kind an einer anderen Grundschule anmelden und besteht für die Wahlgrundschule eine Übernachfrage, erfolgt die Vergabe der noch freien Plätze in abgestufter Reihenfolge der Aufnahmegründe.