Protokoll der Sitzung vom 12.09.2013

innerhalb von zehn Wochen einen Antrag zu bearbeiten, automatisch als genehmigt. Ich bitte Sie! Vor dem Hintergrund der bestehenden Personalausstattung in den Bezirken ist das ein zahnloser Tiger.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel, eines aus Ihrem Antrag ganz konkret: Sie kündigen in Ihrem Antrag den Schutz vor Eigenbedarfskündigung an und wollen diesen auf zehn Jahre verlängern. Da sage ich nur vorbehaltlos: Gut so, längst überfällig! Eins verstehe ich dabei aber nicht: Der Senat hat ohne Ihr Zutun, ohne Ihren Antrag bereits vor Wochen den Kündigungsschutz für Gesamtberlin auf zehn Jahre verlängert.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brauner?

Ich würde jetzt gern den Punkt kurz ausführen. Machen wir gleich!

[Oh! von der CDU]

In Ihrem Antrag ist nunmehr die Rede von – ich zitiere – „Gebiete(n), in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist“. Was heißt das jetzt genau? Wollen Sie den Senat damit auffordern, den berlinweiten Kündigungsschutz wieder einzuschränken?

[Torsten Schneider (SPD): So steht es im Gesetz! Mal nachlesen!]

Sie wollten eine Zwischenfrage stellen. Bitte schön, Herr Brauner!

Entschuldigung! Jetzt hat der Kollege Brauner das Wort zur Zwischenfrage.

Sehr geehrte Kollegin Kapek! Noch mal zum Zweckentfremdungsverbotsgesetz zurück: Wenn Sie in dem Gesetz lesen, stimmen Sie mir vielleicht auch zu, dass das Wörtchen „kann“ keine Rechtsgrundlage für eine Genehmigungsfiktion ist. Wir haben nämlich im Gesetzestext nicht einen Genehmigungsanspruch ausgesprochen, sondern die Möglichkeit des Anspruchs. Das haben wir mit dem Wörtchen „kann“ dargestellt.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Ja, Herr Brauner, das ist ein wunderschönes Beispiel dafür, wie Sie Planungssicherheit für die Bezirke, die

Verwaltungen und die Investoren, in diesem Beispiel in Ferienwohnungen, schaffen. Wenn Sie nämlich Interpretationsspielraum schaffen, wird die Folge sein, dass der eine Bezirk es so und der andere es anders auslegt. Das bringt uns als Land auch nicht weiter und schützt uns nicht vor der Ausweitung von Ferienwohnungen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Uneinigkeit herrscht aber nicht nur in der Koalition, die herrscht auch in der SPD. Das fängt schon bei der Frage an: Was ist überhaupt sozialer Wohnraum? Was ist ein sozialer Mietpreis? Da spricht Herr Stöß von 7 bis 8 Euro pro Quadratmeter und meint, das ist sozial. Herr Wowereit unterbietet ihn gerade mit 6 Euro. Ich frage: Was gilt denn da? Wie passt das vor allem dazu, dass Herr Wowereit, wenn ihn ältere Damen auf der Straße ansprechen und sagen: Herr Wowereit! Bei mir steigt die Miete, ich mache mir Sorgen –, immer noch verkündet: Ja, freuen Sie sich doch! Das ist doch ein Zeichen von Aufschwung. – Ich sage Ihnen aber, dass diese alte Dame nicht aus purem Egoismus in ihrer Wohnung bleiben will, weil es so schick in der Innenstadt ist. Nein, diese Frau will in der Wohnung bleiben, weil sie das soziale Netzwerk in ihrem Kiez braucht, weil es, wenn es ihr schlecht geht, vielleicht wichtig ist, auch mal die Nachbarn um Hilfe bitten zu können oder ein Umfeld zu haben, in dem man sich auskennt, weil wir uns so vielleicht sogar mal die teuren Pflegedienste sparen können. Ich sage Ihnen deshalb ganz deutlich, Herr Wowereit: Steigende Mieten sind nicht gut so, steigende Mieten sind unsozial.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Die Wohnungsfrage ist doch die soziale Frage schlechthin in Berlin. Wenn Sie die weiter so beantworten, wie Sie es bisher tun, dann spalten Sie Berlin sozial.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Deshalb ist es auch unsozial, wenn Sie den Neubau von Wohnungen als Totschlagargument missbrauchen, um jede stadtentwicklungspolitische Schweinerei zu rechtfertigen. Sie machen Kleingärten, Friedhöfe, Grünflächen platt mit der hehren Behauptung, damit den Mietmarkt zu entlasten. Was am Ende aber dabei herauskommt, ist in der Regel das genaue Gegenteil, nämlich Luxuswohnungen, Eigentumswohnungen oder schicke Denkmäler, die Sie sich selbst setzen. Dadurch sinkt keine einzige Miete in Berlin.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Sie sagen zu Recht, Berlin wächst. Egal, ob der Zensus nun stimmt oder nicht, mehr Menschen heißt nicht nur mehr Wohnungen, das heißt auch, wir brauchen mehr Schulen, mehr Kitas, mehr Bäcker, mehr Bushaltestellen und vieles mehr. Reiner Wohnungsbau schafft noch keine Kieze, er schafft keine soziale Stadtentwicklung und vor

allem keine lebendigen und durchmischten Stadtquartiere, sondern monofunktionales Wohnen. Deshalb ist es auch dringend notwendig, in den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur zu investieren statt in prestigeträchtige Großprojekte, die Sie dann doch gegen die Wand fahren.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Berlin braucht neue Wohnungen, und zwar jede Menge davon. Was wir aber in erster Linie brauchen, sind kleine Wohnungen, familiengerechte Wohnungen, altersgerechte und barrierefreie Wohnungen und vor allem – ganz wichtig – bezahlbare Wohnungen, und zwar für alle Menschen mit allen Portemonnaies und nicht nur für die mit dem dicken Geldbeutel.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wir haben deshalb im August ein Konzept vorgelegt – nach meiner Zeitrechnung, Herr Saleh, ist das vor Ihrem Antrag geschehen, über das Copyright müssen wir nicht streiten –, in dem wir eine soziale Wohnraumförderung erarbeitet haben. Wir wollen damit großflächig bezahlbaren Wohnraum, und zwar für ganz Berlin und für alle Berlinerinnen und Berliner, ganz im Unterschied zu Ihrem sogenannten Neubauprogramm, denn Sie wollen sich mit 30 000 Wohnungen schmücken. Von diesen 30 000 werden aber gerade mal 7 000 gefördert, die restlichen 23 000 sollen vor allem für teure Eigentumswohnungen verwendet werden. Auch hier gibt es keine Aussage über eine Miethöhe, es gibt gerade mal einen Hinweis auf eine Belegungsbindung. Auch da sage ich Ihnen: Wir brauchen Belegungsbindung, aber mindestens für 30 Jahre und nicht, wie Sie fordern, für 15 Jahre, sonst haben wir nämlich in zehn Jahren wieder genau das gleiche Problem, das wir auch heute haben.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ihr Antrag verschweigt zudem die Gefahr einer horrenden Verschuldung der Wohnungsbaugesellschaften. – Sie, Frau Spranger, reden zwar von 775 Millionen Euro, im Doppelhaushalt ist aber davon kaum ein Cent wiederzufinden. Sie wünschen sich 320 Millionen Euro für einen Wohnungsbaufonds, das ist aber nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Und dann soll es noch so eine Fremdkapitalfinanzierung in Höhe von 600 Millionen Euro geben. Wie die funktionieren soll, sagen Sie aber gar nicht. Wir dagegen wollen in den nächsten zehn Jahren 650 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt bereitstellen und diese durch die Mittel der IBB auf insgesamt 2 Milliarden Euro aufrunden. Das ist doppelt so viel, wie Sie vorhin gefordert haben. Die Hälfte davon wollen wir den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften für Neubau und Zukauf von Wohnungen zur Verfügung stellen. So schaffen wir nämlich ganze 50 000 neue Wohnungen – und die zu bezahlbaren Mieten.

Kommen wir noch mal zum Thema Liegenschaftspolitik! Herr Otto hat es vorhin schon gesagt: Das Abgeordnetenhaus hat eine Neuausrichtung bereits 2010 beschlossen. Ich weiß also gar nicht, warum wir das heute noch einmal tun müssen, vor allem, wenn sich ja eh kein Senator daran hält – Beispiel Tempelhof. Was soll es dann also bringen, einen Antrag vorzulegen? Ich sage Ihnen: Führen Sie doch lieber mal ein klärendes Gespräch mit Herrn Nußbaum!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Übrigens, damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Die höchste Neubaurate in ganz Berlin finden Sie in den Bezirken, in denen es grüne Baustadträte gibt.

[Zurufe von der SPD und der LINKEN]

Und genau diese versuchen, alle möglichen Maßnahmen für tatsächlichen Mieterschutz auszunutzen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wie wenig Mieterinnen und Mietern also geholfen ist, wenn man eine sogenannte große Koalition an der Regierung hat, zeigt das Beispiel Berlin und zeigt leider auch Ihr Antrag. Das Tragische dabei ist: Das wichtigste Großprojekt dieser Stadt, nämlich der soziale Wohnungsbau, wird durch Sie zum Scheitern gebracht. Wenn Sie es wirklich ernst meinen, dann reicht es nicht, schöne Anträge zu schreiben, sondern dann müssen Sie, verdammt noch mal, auch das Geld für die entsprechenden Maßnahmen in den Landeshaushalt einstellen. Tun Sie dies nicht, bleibt es wie alles, was Herr Graf und Herr Saleh gemeinsam machen, viel Lärm um ein ganz großes Nichts.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Meine Damen und Herren! Bevor ich dem Kollegen Graf das Wort erteile, möchte ich ganz herzlich auf der Tribüne die Damen und Herren des Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreises bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen!

[Allgemeiner Beifall]

Jetzt erteile ich dem Kollegen Graf für die Fraktion der CDU das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Berlin ist und bleibt eine Mieterstadt. Gerade hier in Berlin ist Wohnungs- und Mietenpolitik auch Sozialpolitik. Genau deshalb ist das ein wichtiges Thema, ein absoluter Schwerpunkt für diese Koalition aus SPD und CDU.

(Antje Kapek)

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Wohnungspolitik stellt in den nächsten Jahren eine besondere Herausforderung dar, die Dynamik des Wohnungsmarkts einerseits, der soziale Wandel, die Bevölkerungsprognosen, der Zuwachs auf der anderen Seite. Ja, in Berlin wurde deutlich zu spät auf diese Entwicklung am Wohnungs- und Mietenmarkt reagiert. Aber ich betone: Diese Koalition aus SPD und CDU, – und Frau Kapek, ob der Bausenator oder die Fraktionen, das geht hier bei dem Thema Hand in Hand – hat von Beginn an Maßnahmen eingeleitet, die sich diesen drängenden Herausforderungen stellen. Diese Koalition kümmert sich jetzt und hier.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Herr Wolf! „Genug gelabert“ plakatieren Sie im Wahlkampf. „Genug gelabert“ haben Sie heute als Aktuelle Stunde beantragt. Das ist mal eine besondere Form der Selbsterkenntnis des eigenen Versagens in der Regierung.

[Beifall bei der CDU]

Denn in der Tat: Sie haben viele Jahre lang gelabert, aber diese Koalition handelt. Der Neustart, den Frau Lompscher heute angemahnt hat, hat mit Ihrer Abwahl begonnen.

[Beifall bei der CDU – Lachen bei der LINKEN]

Wir starten mit der Philosophie: mehr neue Wohnungen, schnellere Genehmigungen und konsequenter Mieterschutz.

[Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Werden Sie doch einmal konkret!]