Protokoll der Sitzung vom 24.10.2013

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Oder Herr Dr. Garmer, der hier diese Terminverschiebung damit begründet hat, dass er verhindern wolle, Gesetze durchs Parlament zu peitschen.

[Lachen bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Was ist denn gestern passiert? Was war denn das, wenn nicht ein Durchpeitschen durchs Parlament, Herr Dr. Garmer?

[Dr. Michael Garmer (CDU): Liegt doch seit einem Jahr vor, das Gesetz!]

Nein! Ihre Änderung zu diesem Gesetz, die lag uns zu Beginn der Sitzung gestern noch nicht vor, sondern erst anderthalb Stunden später. Während der Sitzung wurde die reingereicht. Ein schlimmeres Durchpeitschen habe ich noch nicht erlebt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Das Zweite ist: Was zum Respekt vor direkter Demokratie gehört, ist, dass man einigermaßen redlich argumentiert. Wenn der Senat in seinem Beschluss sagt, das ist ein

verfassungsgemäßer Gesetzentwurf, dann die Koalition in ihre Stellungnahme schreibt, die sie an alle Berlinerinnen und Berliner verschickt, dieser Gesetzentwurf sei verfassungswidrig – das ist unredliche Argumentation, Herr Saleh!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Sie, Herr Dr. Garmer, sagen, dieser Gesetzentwurf würde ausschließen, dass Fachleute in den Gremien sitzen – das Gegenteil ist doch der Fall. Sie fordern Fachleute in Aufsichtsgremien. Da fangen Sie mal beim BER-Aufsichtsrat an! Wo ist denn da ein Fachmann in diesem Gremium? Das frage ich Sie.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Zuruf von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Und dann sagen Sie den Leuten, dieser Gesetzentwurf sei ein Haushaltsrisiko. Das Haushaltsrisiko sitzt hier an diesem Senatstisch. Das ist Herr Wowereit.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf]

Man muss doch mal sehen: Am BER verlieren wir durch die Terminverzögerung, an der Herr Wowereit durch seine vermaledeite Kontrolle maßgeblich mit schuld ist, jeden Monat 30 bis 40 Millionen Euro.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Das ist ein Limburger Bischofssitz, den wir pro Monat verlieren.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Weitere Zurufe]

Wir könnten uns jeden Monat so einen schicken Bischofssitz bauen, wenn der Mann seinen Aufsichtsrat im Griff hätte. Der Energietisch zieht die Konsequenz daraus, weil er es nämlich unmöglich macht, diesen Aufsichtsrat nur mit Staatssekretären, Senatoren und Regierenden Bürgermeistern zu besetzen. Das ist ein Vorteil dieses Volksentscheidgesetzentwurfs.

Ein letzter Punkt: Dazu, direkte Demokratie mit Respekt zu behandeln, gehört auch, dass man, wenn man eine Alternative hat, diese dem Volk auch zur Abstimmung vorlegt, Herr Saleh, dass man nicht zehn Tage vor dem Volksentscheid in derselben Sache im Parlament einen Beschluss fasst. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Wenn Sie eine Alternative haben, dann legen Sie sie zur Abstimmung vor, und zwar nicht hier und heute, zehn Tage vor dem Volksentscheid, sondern dem Volk am 3. November. Warum haben Sie das nicht gemacht? Diese Erklärung sind Sie uns schuldig!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Über Ihren Umgang mit dem Parlament will ich gar kein Wort mehr verlieren, aber dieser Umgang mit dem

Souverän, mit der Bevölkerung, diese Termintrickserei, dieses Foulspiel bei der Argumentation und dann noch dieser letzte Punkt mit einem Attrappen-Stadtwerkgesetzentwurf, der kein wirkliches Stadtwerk schafft, der versucht, dem Volksentscheid den Wind aus den Segeln zu nehmen: Das ist unterste Schublade, was Sie hier machen!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Worum geht es in der Sache? – Wir könnten hier ein Stadtwerk haben, das wirklich stark ist. Allein wenn es die ungenutzten Ressourcen des Landes und der landeseigenen Unternehmen nutzen würde, allein damit könnte es mehrere Hunderttausend Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. Da sind 27 Windräder auf den Stadtgütern allein in den nächsten zwei Jahren. Frau Yzer hat gerade schon gesagt, die will sie nicht haben. Da sind BSRDeponien, alte Flächen – auch da ist Windenergie möglich. Da sind 200 000 Tonnen Laub, Rasenschnitt, 150 000 Tonnen Klärschlämme bisher unverwertet, 170 000 Tonnen biogener Reststoffe aus der Müllsortierung. Allein die biogenen Reststoffe sind Energie für mehrere Hunderttausend Haushalte. Dann haben wir Photovoltaik. Wir können ein Pilotprojekt tiefe Geothermie machen. Blockheizkraftwerke – ein riesiges Potenzial, wenn man es nicht wie Sie und nur mit regenerativen Stoffen oder einem Anteil macht. Mit dieser Einschränkung machen Sie das Stadtwerk zum Zwerg, selbst wenn es Geld hätte. Allein die Turbine Ruhleben: Durch Ihren heutigen Gesetzentwurf wird ausgeschlossen, dass wir den Dampf aus Ruhleben selber nutzen, Energie für hunderttausend Haushalte kann man damit produzieren. Das ist doch Wahnsinn, das für ein solches Stadtwerk nicht zu nutzen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Daniel Buchholz (SPD): Das ist doch Unsinn, was Sie da sagen!]

Stattdessen produziert Ihr Stadtwerkskonzept schon in der Konzeption, die Herr Müller am Anfang vorgelegt hat, weniger Energie als mancher Bauernhof in Bayern. So sieht es aus. Und das ist jetzt keine bildliche Übertreibung.

[Zuruf von der SPD: Doch!]

Das ist ein Fakt.

Und jetzt machen Sie Frau Yzer dafür zuständig, Frau Yzer, die eben noch mal gesagt hat, sie findet Stadtwerke eigentlich Kokolores. Sie und Herr Nußbaum sind die beiden im Senat, die das überhaupt nicht wollen. Und Frau Yzer soll jetzt für das Stadtwerk zuständig werden? Das ist ja, als würde man die NSA zum Datenschutzbeauftragten machen. Das ist wirklich absurd!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Das Stadtwerk wird bei Ihnen jeden Monat kleiner und kleiner. Sie spielen uns hier einen Kinofilm „Liebling, ich habe das Stadtwerk geschrumpft!“ vor, der heute zu seinem traurigen Ende gekommen ist.

Darum geht es: Die Leute, die ein Stadtwerk, ein starkes Stadtwerk wollen, müssen am 3. November zu dem Volksentscheid Ja sagen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Und die Leute, die wollen, dass Frau Yzer die fünf Windräder von Herrn Müller nicht baut, die können nein sagen. Das ist die Entscheidung, vor der Berlin steht.

Und eine zweite Entscheidung steht an, nämlich die, ob wir endlich anfangen, die Macht von Vattenfall etwas zu begrenzen.

[Lars Oberg (SPD): Das geht mit dem Volksentscheid nicht!]

Vattenfall verklagt die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs auf Schadenersatz in Millionenhöhe. Vattenfall hat den versprochenen Braunkohleausstieg hier in Deutschland gekippt. Uns alle verklagt dieser Konzern – die Bundesrepublik Deutschland, das sind wir alle zusammen. Vattenfall produziert und verkauft mehr Strom als jeder andere Wettbewerber, mehr als alle anderen Wettbewerber zusammen in Berlin. Und diesem Konzern, diesem größten Marktbeherrscher, dem wollen Sie das Monopol für das Stromnetz auch noch anvertrauen? Das ist doch ordnungspolitischer Irrsinn, was Sie hier vorhaben!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Dann fragen Leute: Kann ein Stadtwerk billiger arbeiten als Vattenfall? – Ich sage es mal so herum: Die kleine Energiegenossenschaft, bei der ich 100 Prozent Ökostrom beziehe, ist billiger als der Vattenfall-Grundversorgungstarif hier. Es gibt eigentlich keinen, der teurer ist als Vattenfall. Sogar Vattenfall ist billiger als Vattenfall. Wenn Sie in Kerpen, in Nordrhein-Westfalen VattenfallStrom bestellen, dann zahlen Sie im zweiten Jahr für einen Zweipersonenhaushalt durchschnittlich 612 Euro und im ersten Jahr wegen eines Bonus nur 501 Euro. Und hier in Berlin zahlen Sie für dieselbe Strommenge beim Grundversorger Vattenfall 764 Euro. Das sind 50 Prozent mehr als im ersten Jahr in Kerpen. Das ist die Abzocke, die Vattenfall hier macht. Und da wird es Zeit, dass Berlin sich dagegen wehrt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

625 000 Ja-Stimmen, das wäre eine Sensation sechs Wochen nach der Bundestagswahl, wenn das wirklich

gelingt. Aber schon heute sind 197 424 Briefwahlanträge, bearbeitet worden. Es gibt eine realistische Chance für diese Sensation. Wir kämpfen sehr dafür, dass sich die Menschen in dieser Stadt an diesem Volksentscheid beteiligen, denn jedes Ja zu diesem Volksentscheid ist ein Ja zu einem starken Stadtwerk. Jedes Ja zum Volksentscheid ist ein Ja dazu, die Macht von Vattenfall in dieser Stadt zu begrenzen. Stimmen Sie mit Ja, sehr geehrte Damen und Herren! Auch Sie haben die Möglichkeit dazu!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Schäfer! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Buchholz. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Heute stehen wirklich wichtige Entscheidungen auf der Tagesordnung dieses Abgeordnetenhauses. Und ich bin überrascht: Über den Teil Landeshaushaltsordnung wird ja fast gar nicht mehr gesprochen, wo wir die völlig neue Ausrichtung der Liegenschaftspolitik dieses Landes gesetzmäßig verankern, um zu zeigen: Ja, mit den Liegenschaften des Landes gehen wir anders um. Das sollte auch mal besprochen werden. Ich hoffe, dass das den Leuten vielleicht auch medial auffällt. Das sind grundsätzlich neue Entscheidungen. Hier wird nicht mehr verscherbelt. Hier wird genau geschaut: Was können wir Neues mit den landeseigenen Grundstücken machen? Das wäre auch mal einen Applaus wert!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich befürchte aber, dass die meisten heute nur etwas zum Thema Energie hören möchten. Selbstverständlich kommen wir gern diesem Wunsch nach.

Kollege Schäfer! Ihre Rede verwundert mich doch nicht nur ein bisschen.

[Lars Oberg (SPD): Die war schlecht!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich?