Protokoll der Sitzung vom 07.11.2013

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung zur Gesetzesvorlage auf Drucksache 17/1101 und schlage vor, die Einzelberatung der vier Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis IV – Drucksache 17/1101. Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen.

Zur Gesetzesvorlage Drucksache 17/1101 empfiehlt der Wirtschaftsausschuss einstimmig bei Enthaltung Linke die Annahme. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Teile der Piraten, die CDU, die SPD, der fraktionslose Kollege und die Grünen. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Bei Enthaltung einiger Piraten und der Linkspartei ist dieses Gesetz so beschlossen.

Ich komme zu

lfd. Nr. 6 A:

Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung der Hebesätze für die Realsteuern für die Kalenderjahre 2007 bis 2011 und des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 6. November 2013 Drucksache 17/1280

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1217

Zweite Lesung

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die zweite Lesung zur Gesetzesvorlage auf Drucksache 17/1217 und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II – Drucksache 17/1217. Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen.

Zur Gesetzesvorlage Drucksache 17/1217 empfiehlt der Hauptausschuss einstimmig bei Enthaltung Grüne, Linke und Piraten die Annahme. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD, die CDU und die Grünen. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Linke und einige Piraten.

[Heiko Herberg (PIRATEN): Wir haben uns gerade bei Enthaltungen ordentlich gemeldet!]

Sie haben sich alle enthalten? Wenn sich alle enthalten, Herr Kollege Herberg, müssen auch alle die Hand heben. Das ist bei Ihnen nicht immer der Fall. – Trotzdem ist dieses Gesetz so beschlossen.

Ich komme zu

(Präsident Ralf Wieland)

lfd. Nr. 7:

Gesetz über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1220

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Kollegin Kahlefeld, Sie haben das Wort! Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das vorgelegte Gesetz zur Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse erfüllt gerade mal die Minimalanforderungen. Wesentliches fehlt, um mit diesem Gesetz tatsächlich qualifizierte Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Zu wenig, zu spät – integrationspolitisch geht mit diesem Senat gar nichts.

Wer sich das Gesetz ansieht, wird feststellen, dass es für fast alle aufgezählten Berufsqualifikationen ausgeschlossen ist. Das soll heißen, es gelten die bisherigen Regelungen zur Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse weiter. Eine Neuregelung durch das BQFG Bund erfolgt nicht außer in einem einzigen Punkt: Die bisherigen Berliner Anerkennungsverfahren werden für Drittstaatler geöffnet.

Ein Beispiel aus einer Berufsgruppe, an der es in dieser Stadt besonders mangelt: Eine Mathematiklehrerin aus der Ukraine z. B. kann nun als Drittstaatlerin nach dem EG-Richtlinien-Umsetzungsgesetz für Lehrkräfte in Berlin anerkannt werden. Dieses EG-Richtlinien-Umsetzungsgesetz gibt es nämlich schon. Sie hat außerdem nach dem neuen Gesetz einen Anspruch darauf, in ihrem Anerkennungsverfahren beraten zu werden, und sie wird in der Statistik aufgeführt, die ebenfalls gesetzlich verankert werden soll. Wenn sich diese Mathematiklehrerin ihren Lebensunterhalt bisher als Kassiererin verdient, muss sie nicht nur die horrenden Übersetzungskosten für ihre Zertifikate, sondern auch die Gebühren für das Anerkennungsverfahren selber zahlen. Für die Zeit, in der sie an Nachqualifikation für den Lehrberuf an einer Berliner Schule teilnimmt, wird sie auch ihre Arbeit aufgeben müssen. Anders als in Hamburg bekommt sie für den Übergang keinerlei Unterstützung. Und was erwartet sie nach erfolgreicher Anerkennung und Nachqualifikation? – Sie kann nicht als reguläre Lehrerin arbeiten, sondern findet allenfalls eine temporäre Beschäftigung, finanziert aus PKB-Mitteln. Mit PKB-Mitteln können Schulen Leute einstellen, die sie benötigen: Sozialarbeiter, Künstler, Handwerker für Schülerprojekte usw.

Eine Anstellung als Lehrerin ist das nicht. Da hatten wir sehr viel mehr erwartet, und mit uns nicht nur die im Ausland qualifizierten Lehrerinnen und Lehrer, sondern vor allem auch die Schulen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Von der Ankündigung, die die Kollegin Becker am 21. März hier in der Priorität von SPD und CDU – immerhin! – zum Thema Anerkennungsgesetz vorgebracht hat, ist wenig geblieben.

Wir lassen es nicht … zu,

hatte sie damals gesagt –

dass die dringend benötigte Erzieherin ungewollt als Crêpes-Verkäuferin … aushilft oder sich der ausgebildete Ingenieur als Küchenhelfer … verdingen muss.

Frau Kolat hat im Ausschuss erklärt, dass die meisten Anerkennungsverfahren bisher von Menschen angestrengt werden, die im SGB-II- oder SGB-III-Bezug sind. Die Gruppe, die immer in der öffentlichen Diskussion genannt wurde, die Ingenieure am Spültisch im Restaurant, wird in Berlin bisher also kaum erreicht. Daran wird das vorgelegte Gesetz auch nichts ändern. Es gibt kein Konzept für die Übergangsfinanzierung, um aus der Crêpes-Verkäuferin auf dem Weihnachtsmarkt wirklich eine Steuerzahlerin zu machen. Auch da hatten wir mehr erwartet.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Hamburg lässt sich diese Übergangsfinanzierung ca. 250 000 Euro im Jahr kosten – gut angelegtes Geld. Das wäre wirklich mal eine Förderung, die in den ersten Arbeitsmarkt führt, denn dieses Ziel, Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, teilen wir natürlich mit der Senatorin, die für Arbeit zuständig ist.

Im Ausschuss werden wir die weiteren Mängel des Berliner BQFG zu besprechen haben: Was ist mit den Gebühren, vor allem für die, die ihren Lebensunterhalt bisher schon alleine, aber unter ihrer Qualifikation bestreiten? Was ist mit Anschlussqualifikationen? Warum ist das alles so unübersichtlich durch Ausnahmen und Ergänzungen geregelt, statt ein BQFG Berlin aus einem Guss vorzulegen? – Wir hoffen, dass im Ausschuss noch das eine oder andere zu retten ist.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion jetzt Frau Kollegin Becker!

(Präsident Ralf Wieland)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, dass der Senat ein Gesetz zur Feststellung der Gleichwertigkeit und Anerkennung ausländischer Berufsqualifikation eingebracht hat. Das Thema hat einen hohen politischen Stellenwert. Ich begrüße, dass nun eine fortschrittliche Gesetzesvorlage ihren parlamentarischen Weg geht. Gut Ding will manchmal Weile haben.

Das BQFG Berlin ist eine dringende Notwendigkeit. Es gilt für bundes- und landesrechtlich geregelte Berufe. Nun wird es ein transparentes und verbindliches Verfahren mit umfangreichen Beratungsmöglichkeiten geben. Die Bewertung und Anerkennung erfolgt unabhängig von der Nationalität, dem Herkunftsland und dem Aufenthaltsstatus. Spätestens nach drei Monaten wird ein rechtsfähiger Bescheid ausgestellt.

Die SPD-Fraktion setzt sich nachhaltig für eine noch bessere Aufstiegskultur und Integration ein. Wir erkennen endlich berufliche Abschlüsse, Erwerbsbiographien und Bildungsleistungen von Zuwanderern an, die damit im erlernten Beruf arbeiten können. Das ist die Idee des Bundes-BQFG, das am 1. April 2012 in Kraft getreten ist und auf eine Initiative der SPD-Bundesfraktion zurückgeht. Das ist ein großer Erfolg.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Alles in allem verknüpfen wir mit dem Gesetz die Erwartung, dass mehr Fachkräften der Zugang zu Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten besser und passgenauer gelingen wird. Davon profitieren die Berliner Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung, die vor großen personellen Herausforderungen stehen und für die sich nun ein Mehr an Fachkräften anbietet.

Lassen Sie mich neben dem Lob folgende Kritikpunkte ansprechen: Im Hinblick auf die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen teile ich nicht die Linie des Senats und finde den Entwurf halbherzig. Beim Vollzug des Gesetzes halte ich es gerade für landerechtlich reglementierte Berufe für geboten, eine Finanzierung der Kosten zu ermöglichen. Interessierte sollen auch dann an Fortbildungen und Anpassungsmaßnahmen teilnehmen können, wenn ihre wirtschaftliche Situation angespannt ist und sie keine Leistungsbeziehenden nach SGB II oder III sind. Das ist bislang nicht vorgesehen.

Natürlich kann man sagen, das sei kein Bestandteil des Gesetzes, und Bedarf sowie Umfang von Anpassungsqualifizierungen seien derzeit nicht kalkulierbar. Unser Kernanliegen ist es aber, das Gesetz gut umzusetzen und Aufstieg und Integration zu ermöglichen. Darum geht es doch! Ich werbe daher für ein nachrangiges Stipendienprogramm, das nach Bedarf Hilfe zum Lebensunterhalt oder Einmalzuschüsse gewährt, und bitte den Senat, die

ses zu prüfen. Meine Berechnungen dazu ergaben bei überschaubaren Fallzahlen einen darstellbaren Betrag, der weit unter einer halben Million Euro liegt. Als Datengrundlage diente mir das Berliner IQ-Netzwerk und eine Kleine Anfrage der Hamburger Bürgerschaft mit der Drucksachen-Nr. 20/3089.

Haushälterisch betrachtet gebe ich zu bedenken, dass die Kosten des Unterlassens für das Land Berlin langfristig höher sind, als wenn man einer definierten Zielgruppe einmalig eine Teilfinanzierung ermöglichte, die mit einer realistischen Wahrscheinlichkeit verbunden ist, anschließend gut in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Auch wenn die Fallzahlen derzeit nicht valide sind und sich im Ungefähren bewegen, ist doch ein Trend erkennbar. Berlin sollte von Anfang an ein starkes Signal setzen. Hamburg hat das vorgemacht und ein Stipendienprogramm für reglementierte Berufe aufgelegt. Die Entscheidung für oder gegen eine Berufeanerkennung darf nicht an der eigenen Geldbörse scheitern.

Nicht nur der Türkische Bund in Berlin kritisiert, dass das BQFG nicht in den Fachgesetzen verankert werden soll. Die positive Ausnahme bilden lediglich die Sozial- und die Medizinalberufe, die ich ausdrücklich hervorhebe. Damit wird auf Engpässe am Arbeitsmarkt reagiert. Das heißt, die Aufstiegschancen vieler werden möglicherweise wieder verschenkt. Das BQFG dehnt zwar die Verfahrensprivilegien des EU-Rechts auf alle Antragsteller aus und baut damit rechtliche Hürden zwischen EUBürgern und Drittstaatsangehörigen ab, doch die subsidiäre Regelung des Fachrechts über das BQFG schränkt es bis auf die oben erwähnten Ausnahmen wieder ein. Damit ist das BQFG Berlin eben nicht auf alle landesrechtlich geregelten Berufe anwendbar. Betroffen sind etwa Ingenieure, Architekten oder Lehrkräfte. – Das haben Sie eben auch schon ausgeführt. – Damit das Gesetz ein starker Tiger wird, sollten die Ausnahmen erweitert und das BQFG Berlin in weiteren Fachrechten verankert werden. Das sieht auch die IHK so.

Eingangs sagte ich es, und ich wiederhole es gerne: Die Vorlage für das BQFG Berlin ist arbeitsmarkt- und integrationspolitisch ein riesiger Erfolg. Ich bin auf die Beratung im Ausschuss mit Sachverständigen und den Kolleginnen und Kollegen gespannt und verweise vorsorglich auf das strucksche Gesetz, welches auch hier gilt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Fraktion Die Linke jetzt Frau Kollegin Breitenbach! – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben lange auf dieses Gesetz gewartet, jetzt liegt es endlich vor, und es ist erst einmal kein großer Erfolg. Man muss einfach sagen, da wurde zu kurz gesprungen. Auf den ersten Blick dachte ich auch: Oh, es entspricht vieles unseren Anforderungen, die wir Ihnen vorgelegt haben, aber das war nur der erste Blick.

Vielfältige Sachen, die hier kritisiert wurden, einen uns offensichtlich. Es wird zwar behauptet, es könnten jetzt alle ihre Qualifikationen, die sie im Ausland erworben haben, anerkennen lassen, aber wenn man sich das genauer anguckt, stellt man fest, dass es mitnichten so ist. Das ist nicht das Gesetz, das wir wollten. Das ist übrigens auch kein Gesetz, über das wir diskutiert hatten. Wir wollten eine Anerkennung von allen im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen und für alle Menschen, die hier leben. Das war übrigens auch ein großes Verständnis über alle Fraktionen hinweg.