Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

Jetzt der Kollege Morlang bitte für die Fraktion der Piraten!

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir haben eine Debatte, und sie ist völlig unvorhersehbar. Das ist erstaunlich. Es geht um Wirtschaftspolitik. Die Koalition sagt: Hey, die Wirtschaft boomt, und wir haben ganz viele Dinge ganz toll gemacht! – Wenn die Wirtschaft nicht boomt, sagen alle: Mein Gott, die böse Wirtschaftskrise, dafür können wir nichts! – Das ist so das Bild. Ich weiß, nicht ob Sie es kennen, aber Hunde können Türen öffnen, indem sie sie anstarren. Sie starren die Tür so lange an, bis sie sich öffnet, und ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass die Wirtschaftsförderung durch die Politik – das betrifft gar nicht die aktuelle Wirtschaftsförderung der Koalition – im Wesentlichen so ist: Die Wirtschaft funktioniert, wenn die Politik sie in Ruhe lässt, und wenn die Politik hilft, funktioniert sie, und wenn sie kaputt geht, geht sie nach dem Motto kaputt: Wenn es schiefgeht, können wir leider auch nicht so viel tun.

Nichtsdestotrotz haben wir wieder den Effekt, dass die Koalition sagt: Das haben wir toll gemacht. – Die Grünen sagen: Wir hätten es besser gekonnt. – Die Linke sagt: Das Tolle ist alles nur unser Verdienst, und die Koalition hat es nur geklaut. – Das ist eine ganz klassische Debatte, wie wir sie hier häufiger haben.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Dennoch haben wir ein paar kleinere Probleme: Wir haben ein Dienstleistungsgewerbe, bei dem die Produktivität massiv nachlässt und wenig Investitionen getätigt werden, während im verarbeitenden Gewerbe eine ganze Menge zurückgeht und uns dieser Sektor langsam flöten geht. Das bedeutet: Wir haben ein großartiges Wachstum, aber dieses Wachstum wird nicht besonders lange halten. Bisher redet darüber keiner, und einen guten Plan, wie wir das lösen, haben wir auch noch nicht. Wir müssten tatsächlich mehr produzierendes Gewerbe haben. Wie das so ist: Wir können die Tür noch ein Weilchen anstarren

(Jutta Matuschek)

und hoffen, dass sie sich öffnet, aber der Unternehmer kommt erst, wenn es passt.

Die großartige Tourismusnummer ist ganz toll und wird hier immer wieder mit Schulterklopfen bedacht. Aber Hamburg und Leipzig wachsen stärker. Nun können wir einmal gucken, was die besser oder wir falsch machen, aber das werden wir bestimmt nicht jetzt und hier machen. Das sollten wir aber einmal machen, denn sonst geht uns das auch noch flöten. Wir brauchen die Kohle, denn wir wollen ja den Laden auf Trab halten. Die einen sagen: Wir müssen die Kohle rauswerfen! – Die anderen sagen: Wir müssen Schulden abbauen! – Aber das Geld muss erst einmal hereinkommen, und das ist das, was sie mich an der ganzen Geschichte super fasziniert: Alle reden gerne über Themen, wo Geld ausgegeben wird – wir müssen für die Umwelt, den Wohnungsbau, für Soziales Geld ausgeben; alles ist wichtig –, aber das einzige, was in diesem Parlament nicht wichtig ist, ist die Frage, woher die Kohle kommt, und das ist die Wirtschaft.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Irgendwoher muss die Kohle kommen. Da sind Unternehmen, die Leute beschäftigen. Da werden Steuern erhoben. Diese Steuern werden nicht aus dem Nichts erhoben, sondern kommen aus der Wirtschaft, und über die reden wir fast als Letztes. Entweder ist das Bösartigkeit, oder es ist das Ding, dass das mit dem Hund und der Tür tatsächlich gültig und es eigentlich egal ist.

Ich streiche nun ein paar Sachen aus der Rede des Kollegen Mayer und sage: Wir sind nicht mehr die Letzten, wir sind die Vorletzten. Das heißt, wir sind jetzt knapp vor Mecklenburg-Vorpommern. Das ist gar nicht so schlecht, aber wir müssen an unserer Unterbeschäftigungsquote arbeiten. Sie ist immer noch saumäßig, und daran müssen wir arbeiten. Was die Haushaltspolitik betrifft, machen wir die sogenannte Superpositionspolitik, das heißt, wir nehmen gleichzeitig völlig gegensätzliche Positionen ein und sagen: Es ist alles gut – mehr sparen und mehr ausgeben.

Nichtsdestotrotz glauben wir, dass dieser Haushaltsentwurf zumindest im Einzelplan Wirtschaft keinen besonders großen Schaden, wahrscheinlich gar keinen Schaden anrichtet und man ihn deshalb nicht ablehnen muss. Unsere Haushaltspolitiker sehen das anders, aber die Fachpolitiker aus dem Ausschuss sagen: Man kann sich dazu auch enthalten – es wird kein relevanter Schaden angerichtet. – Danke, meine Damen und Herren!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Jetzt hat Frau Senatorin Yzer das Wort. – Bitte schön, Frau Senatorin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftsstandort Berlin – das ist von vielen Rednern heute bereits erwähnt worden – wächst wieder, und im Dynamik-Ranking der deutschen Wirtschaftsstandorte liegt Berlin wieder vorn. Wir haben eine einzigartige Forschungslandschaft, die sich an dem Bedarf von Unternehmen orientiert. Das sind mehr als 70 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die bereits aktuell über ein jährliches Budget von 1,8 Milliarden Euro verfügen. Diese außeruniversitären Forschungseinrichtungen werden wir weiter stärken, indem wir im Haushalt einen Aufwuchs von 5 Prozent jährlich verzeichnen können. Das wird diese Forschungseinrichtungen nicht nur in ihrer technologischen Leistungsfähigkeit stärken, sondern auch dazu beitragen, dass die Kooperation mit den Unternehmen weiter zunimmt, und diese Kooperation ist wirtschaftspolitisch ausdrücklich erwünscht.

Berlin ist Gründerhauptstadt. Technologiestarke Industrieunternehmen wachsen wieder in Berlin. Sie siedeln sich hier an, und Global Player investieren wieder in Berlin. Und die, die dies nicht wahrhaben wollen, und das habe ich auch in einigen Beiträgen heute gehört, die muss ich fragen: Leben Sie denn als Politikerinnen und Politiker überhaupt in dieser Stadt,

[Christopher Lauer (PIRATEN): Nein!]

dass Sie dieses Wachstum, das zu verzeichnen ist, nicht wahrnehmen?

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Die Erfolge im Wirtschaftsfeld sind in der Tat nicht das Verdienst der Politik, sondern von Männern und Frauen, die bereit sind, ins unternehmerische Risiko zu gehen. Ich erwarte, dass wir als Politikerinnen und Politiker dieses Engagement und diese Risikobereitschaft anerkennen und mit bestmöglichen Rahmenbedingungen unterstützen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und zu diesen Rahmenbedingungen wird auch dieser Haushalt beitragen.

Innovationen sind das Salz in der Suppe der Standortentwicklung, und diese Innovationskraft bringen gerade auch Berliner Industrieunternehmen auf. Die industrielle Wertschöpfung ist in den letzten beiden Jahren um 9 Prozent gestiegen. Berliner Unternehmen sind hervorragend in internationalen Märkten verankert. Der Auslandsumsatz ist um rund 15 Prozent gestiegen. Mehr als die Hälfte des Berliner Industrieumsatzes wird auf ausländischen Märkten erzielt, und deshalb werden wir auch, so wie der Haushalt angelegt ist, diese Industrieunternehmen weiter in ihrer Internationalisierungsstrategie nachhaltig unterstützen.

(Alexander Morlang)

Berlin ist mit 44 000 neuen Unternehmen Gründerhauptstadt. Technologiegründungen machen von sich reden. Es geht um Informations- und Kommunikationstechnologien und Digitalwirtschaft, aber nicht nur darum. Es geht ebenfalls um Gesundheitswirtschaft, Energie- und Umwelttechnologien, insgesamt um urbane Technologien, die wir aus der Stadt heraus in die Welt bringen wollen. Deshalb sollten wir gemeinsam positiv über diese Technologiestärke Berlins reden. Es muss uns doch nicht wundern, dass Bayern langsam nervös wird und eine Expertengruppe beauftragt, herauszufinden, was die Berliner denn richtig machen, weil die Gründungsdynamik hier funktioniert, und wir hören hier im Parlament, dass dieses Gründungsgeschehen hinterfragt wird.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Was wir jetzt tun müssen, ist, eine Vernetzung von jungen Start-up-Unternehmen mit den etablierten Industrieunternehmen zu schaffen. Deshalb haben wir gerade auch in diesem Einzelplan Mittel vorgesehen, damit dieses Matchmaking künftig gelingen kann. Wir werden die Zukunftsorte ausbauen, ob es die VISTA in Adlershof mit inzwischen über 1 000 Unternehmen ist, ob es aber Tempelhof und künftig Tegel sind. Wir werden die Ländererschließung für den Tourismus fortsetzen. Wir werden den Ausbau von Ausbildungs-, Fortbildungs- und Umschulungsstätten mit GRW-Mitteln fördern. Wir werden weiter in Technologiezentren investieren, und das in der Fabeckstraße, das heute schon mehrfach erwähnt wurde, ist ein wichtiges Zentrum, damit die stärkste Branche, die wir in Berlin haben, nämlich die Gesundheitswirtschaft, auch bei den jungen Unternehmen weiter gestärkt werden kann.

Ich kann nur unterstreichen, wie sehr ich mich freue, dass gerade auch der Hauptausschuss noch einmal klar gemacht hat, dass hier das Grundstück zur Verfügung gestellt werden soll. Ich kann nur unterstreichen, dass wir als Verwaltung bereits unser grundsätzliches Ja zu diesem Projekt gegeben haben, die Förderfähigkeit bereits bejaht haben und dass wir jetzt mit aller Kraft vorangehen werden, um die Notifizierung, die auf europäischer Ebene erforderlich ist, schnellstmöglich voranzubringen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir haben in diesem Jahr die Fusion von Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie nach jahrelanger Diskussion abgeschlossen. Wir haben den einheitlichen Ansprechpartner, der für Unternehmen Anlaufstelle ist und alle Formalitäten für sie erledigt, schnell, effizient und unbürokratisch, deutlich ausgebaut. Sowohl diesen einheitlichen Ansprechpartner als One-Stop-Agency als auch die neue Institution Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie werden wir nach unserem Haushaltsansatz weiter deutlich befördern, denn wir wollen, dass Unternehmen Service aus einer Hand bekommen und dass vor allen Dingen auch im wichtigen Technologiefeld Berlin Partner eine stärkere Rolle übernimmt, damit Berliner Unternehmen gemeinsam mit Forschungseinrichtungen

erfolgreich Forschungsmittel in der Europäischen Union beispielsweise aus dem neuen Programm Horizon 2020 einfordern können.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir werden gemeinsam mit den Forschungseinrichtungen auch darauf achten, dass Berliner Unternehmen in Ausgründungen bei Neugründungen durch diese Einrichtungen unterstützt werden.

Gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft werden wir insgesamt 40 Millionen Euro für das Innovationszentrum für intelligente Sensorsysteme am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration investieren.

Ein anderes Beispiel: Am Fraunhofer-Institut werden wir darüber hinaus einschlägige Kompetenzen in der hochwertigen Systemintegration anbieten, smarte Anwendungen in Gesundheit, Verkehr, Sicherheit und neue Wertschöpfungsketten befördern, weil es darum geht, Leuchttürme der Wissenschaftslandschaft darin zu unterstützen, dass der Weg ins Produkt, der Weg zum Unternehmen eröffnet wird. Deshalb gehören dazu auch Laborkapazitäten, und es gehört dazu, dass wir den Marktzugang begleiten. Ein Beispiel für die Referenzstadt Berlin, für die wir auch im Haushaltsansatz Vorsorge getroffen haben, ist das Schaufenster Elektromobilität. Rund 30 Kernprojekte werden hier gestartet, wobei Unternehmen mit 35 Millionen Euro einen beachtlichen Eigenbetrag leisten werden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Aber wir stellen auch große Summen bereit, damit es gelingt, dass Bosch und Siemens beispielsweise eine Plattform für Mobilitätsdienste aufbauen, dass Alcatel und Deutsche Bahn einen Fuhrparkservice der Zukunft mit E-Flotten einrichten, dass Bombardier, Schneider Elektrik und HAKON die Erprobung eines S-Bahnhofs als intelligente intermodale Verkehrsdrehscheibe einrichten, dass Daimler, Hermes und andere hier mit E-Logistiksystemen antreten, damit es insgesamt gelingt, mehr Industrie durch solche Projekte, die Referenzprojekte sind, an den Standort zu binden. Wenn Sie allein die Liste der jetzt neu tätig werdenden Unternehmen in diesem Projekt angehört haben, dann werden Sie das Wachstum des Industriestandorts Berlin nicht mehr ernsthaft hinterfragen können.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Deshalb lassen Sie uns den Haushalt nutzen, damit wir diese unglaubliche Wachstumsdynamik weit über Bundesdurchschnitt auch nutzen werden, damit diese überdurchschnittliche Dynamik anhält und dass wir die Rekordwerte der beiden vergangenen Jahre auch in der Haushaltsperiode, die wir jetzt beschließen, erreichen können. – Herzlichen Dank!

(Senatorin Cornelia Yzer)

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – Für die zweite Runde, Herr Kollege Karge!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte als Erstes noch einmal kurz auf Frau Matuschek eingehen. Berlin ist eine Erfolgsgeschichte, sagen Sie, und können das nicht ernst nehmen. Ich denke, wir können sehr wohl darauf stolz sein, was wir in den letzten Jahren in der Wirtschaftspolitik erreicht haben. Man kann sich nicht immer die Rosinen heraussuchen. Sie sagen immer grundsätzlich: Jeder Erfolg dieser Regierung ist Zufall, und wenn es dann doch mal irgendetwas anderes ist, dann ist es eben Glück – wie auch immer. Jedenfalls kann die Regierung Ihnen das nicht recht machen.

[Evrim Sommer (LINKE): Sie haben es erfasst!]

Ich kann Ihnen nur sagen, das ist hier das typische Oppositionsgehabe, das wir den ganzen Tag erlebt haben: Berlin macht irgendetwas, die Regierung macht es falsch, die Regierungsparteien machen es falsch und die Opposition hat die Weisheit mit Löffeln gefressen. Sorry!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Lars Oberg (SPD): Bravo!]

Aber festzuhalten bleibt doch, ich rede hier vor allem zum Thema Forschungspolitik, dass Berlin ein anerkannter Forschungsstandort ist, der auch international ausstrahlt. Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, ein Netzwerk für Forschung zu schaffen, das Wissenschaft, Industrie und Forschung vernetzt. Wir haben in Berlin eine vielfältige Forschungslandschaft geschaffen mit über 60 öffentlich finanzierten außerhochschulischen Forschungseinrichtungen. Ich finde, in den Haushaltsberatungen hat sich herauskristallisiert, dass wir den Haushalt im Forschungsbereich aufgewertet haben. Ich sage auch ganz klar: Nicht alles, was wünschenswert war und ist, ist auch in den Haushaltsberatungen realisiert worden. Aber vieles von dem, was wir uns vorgenommen haben, um die Forschung in dieser Stadt zu stärken, haben wir mit Erfolg umgesetzt. Ich sage nur: Heinrich-Hertz-Institut, Konrad-Zuse-Zentrum, und wir haben es auch geschafft, die Grundsicherung für das Forum Transregionale Studien abzusichern. Es bleibt festzuhalten: Forschung bleibt für Berlin ein wichtiger Standortfaktor!

Verbunden mit den positiven Effekten tragen unsere Überlegungen den Faktor Forschung in unserer Stadt in einen wichtigen Bereich hinein. Forschung schafft Arbeitsplätze, Forschung führt zu zusätzlichen Geldeinnahmen und Forschung führt dazu, dass wir Mittel einwerben, sogenannte Drittmittel. Die Themen, die wir setzen werden, sind E-Mobility, Smart-City und weitere neue

Technologien. Ich denke, der Doppelhaushalt 2014/2015 gibt uns die Chance, den Forschungsstandort Berlin zu stärken, zu verbessern und in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Schäfer!