Um möglichst viele zu erreichen, müssen Barrieren, sprachliche, inhaltliche und räumliche, aktiv abgebaut werden. Die gute Idee der Pioniernutzung sollte auch
dazu dienen, die Nutzer an der Planung zu beteiligen. Die Regeln für Bewerbung und Nutzungsdauer müssen transparenter werden. Und übrigens: Bewerbungen und Mitsprache müssen auch auf Englisch und Türkisch möglich sein. Das ist bis heute nicht so.
Die Partizipationsangebote müssen für alle zugänglich sein. Laien müssen den Diskussionen folgen können. Infobroschüren müssen auch in anderen Sprachen verfügbar sein.
Auch behindertengerechte Veranstaltungsorte und Gebärdendolmetscher gehören dazu. Das sind alles Anforderungen an eine wirkliche Partizipation.
Im Ergebnis sehen wir diese beiden Möglichkeiten: Entweder Senat und Koalition begeben sich auf diesen Weg der Beteiligung und Konsenssuche und gehen auf die Initiative mit konkreten Vorschlägen zu, oder sie machen den Weg frei für eine Abstimmung am 25. Mai. Das entspricht im Übrigen der Verfassung von Berlin, die vier Monate bis zum Volksentscheid vorgibt. Wenn der Senat ein Votum zu seinen Plänen will, dann muss er an einer hohen Beteiligung interessiert sein. Einen zweiten Trick mit der Terminwahl sollte er nicht versuchen.
Das Abgeordnetenhaus kann natürlich einen eigenen Gesetz- oder Beschlussentwurf zur gleichzeitigen Abstimmung vorlegen –
wohlgemerkt zeitgleich und nicht in manipulativer Weise vorher wie beim Energievolksentscheid. Dieser Gesetzentwurf müsste spätestens 60 Tage vor dem Tag des Volksentscheids beschlossen sein, also Ende März. Diese Zeit sollte für die Meinungsbildung ausreichend sein.
Bedenklich fand ich übrigens die aktuelle Äußerung eines SPD-Abgeordneten, es gehe nicht an, dass die Opposition mithilfe von Volksentscheiden Gesetze am Parlament vorbei mache. Was ist das für eine Geringschätzung in einer Regierungsfraktion gegenüber der Volksgesetzgebung, die man seinerzeit gemeinsam beschlossen hat?
Es ist bekannt, dass wir das Anliegen des Volksbegehrens nicht zu 100 Prozent teilen. Wir sind aber weit näher an den Zielen der Initiative als an den Plänen des Senats. Wir wollen keine Bebauung am Columbiadamm, an der Oderstraße und entlang des S-Bahnrings. Wir drängen seit Langem darauf, dass ein würdiger Gedenkort für das
KZ Columbiadamm und die Zwangsarbeiterlager entsteht. Wir unterstützen einen zentralen Bibliotheksstandort, aber nicht um jeden Preis. Und wir sind für den Bau bezahlbarer Wohnungen, wollen jedoch keine Baufeldentwicklung für private Investoren. Wir halten lediglich am Tempelhofer Damm – da gibt es dann vielleicht schon einen Einigungsweg – Wohnungsbau im Zusammenhang mit dem Bibliotheksstandort für möglich, ausschließlich von öffentlichen und dem Gemeinwohl verpflichteten Trägern mit dauerhaften sozialen Bindungen und bezahlbaren Mieten, und das nicht nur für 50, sondern für 100 Prozent der Wohnungen.
Mit diesen Vorstellungen beteiligen wir uns an der dank der Initiative der vielen Unterzeichnenden jetzt wieder eröffneten Debatte. Wir erwarten von Senat und Koalition, dass sie keine Fakten schaffen – dazu gehört auch die Fortführung der B-Pläne – und dass sie bereit sind für einen neuen Dialog. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Kollegin Lompscher! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Stefan Evers das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst schließe auch ich mich den Glückwünschen an die Initiatoren und die beteiligten Bürger zum voraussichtlich erfolgreichen Volksbegehren an.
[Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Katrin Lompscher (LINKE): Was für ein Opportunismus!]
233 000 Unterschriften, das ist eine Zahl, die Respekt verdient, und zwar unabhängig davon, ob wir die Inhalte teilen, unabhängig davon, ob wir die Argumente teilen, und auch unabhängig davon, ob am Ende das notwendige Quorum erreicht wird oder nicht, denn das ist noch offen.
Der Erfolg des Volksbegehrens liegt schon jetzt darin, dass in der ganzen Stadt und weit über ihre Grenzen hinaus über die Zukunft des Tempelhofer Feldes diskutiert
Wenn nun die Berlinerinnen und Berliner aufgerufen sein sollten, in einem Volksentscheid über die Zukunft des Tempelhofer Feldes zu diskutieren und am Ende zu entscheiden, dann ist mir davor gar nicht bange. Ganz im Gegenteil, denn ich kann darin nur Chancen erkennen. Ich kann Chancen darin erkennen, dass es für uns heißt, weiter und noch intensiver als bisher Überzeugungsarbeit zu leisten, Überzeugungsarbeit dafür, dass das Tempelhofer Feld mit der gebotenen Sensibilität – und die erkennen wir durchaus in dem Masterplan als Gesprächsgrundlage an – weiterzuentwickeln zu einem Ort, der in ganz vielfältiger Weise einen Beitrag dazu leistet, die Herausforderungen einer wachsenden Stadt zu bewältigen. Das müssen wir übrigens ganz unabhängig davon, ob der Volksentscheid kommt oder nicht. Denn nur so werden wir am Ende eine breite Akzeptanz für die politischen Entscheidungen finden, die hier im Hause noch zu treffen sind. Sie sind noch nicht getroffen, sie stehen noch bevor.
Nicht zuletzt wegen seiner kulturhistorischen Bedeutung als Ort Berliner Geschichte, der Luftfahrt, der Architektur ist das Tempelhofer Feld in seiner Gesamtheit von einmaligem Wert. Das erklärt die hohe Mobilisierungsquote des Volksbegehrens, aber das erklärt sie nur zu einem Teil.
Wir haben erlebt, dass die Vorgängerregierung ohne jede Not und – schlimmer noch – ohne jede Idee für den Tag danach den Flughafen Tempelhof gegen erhebliche Widerstände geschlossen hat. Was folgte, war eine Zeit der großen Ratlosigkeit. Aber dann ist etwas Wunderbares geschehen. Es ist geschehen, dass die Berlinerinnen und Berliner sich dieses Ortes selbst angenommen haben. Sie haben ihn sich erschlossen in seinen vielfältigen Möglichkeiten als Raum zur Erholung, zur Freizeitgestaltung. Die Identität des Tempelhofer Feldes als ein Ort Berliner Freiheit speist sich heute ganz wesentlich aus dieser Tatsache. Es ist völlig selbstverständlich, dass die Menschen nun über seine Zukunft mitbestimmen wollen. Wir müssen uns bewusst machen, dass natürlich jede bauliche Entwicklung auf dem Feld von den Berlinerinnen und Berlinern als Einschränkung seiner heutigen Nutzungsmöglichkeiten verstanden werden kann. Deswegen werden wir Akzeptanz nur dann für zukünftige Planungen schaffen, wenn alle Beteiligten sie als Gewinn für Berlin und als Gewinn für das Tempelhofer Feld verstehen.
Wir legen als CDU-Fraktion weiterhin großen Wert darauf, dass vor einem möglichen Volksentscheid keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Das ist eine völlige Selbstverständlichkeit. Uns überrascht nicht, dass diese Position bei dem einen oder anderen für Aufregung
sorgt. Ich werde hier in den letzten Tagen und Stunden permanent darauf angesprochen, wofür wir den in der Sache stehen, ob wir die Anliegen des Volksbegehrens teilen oder nicht,
womöglich auch nur, um dem Koalitionspartner eins auszuwischen, wie ich in der Zeitung heute Morgen gelesen habe.
Ich wurde heute sogar gefragt, ob ich mit der Farbe meiner Krawatte eine politische Aussage verbinde. Ich kann nur sagen: Völliger Unsinn! Erstens finde ich Grün zu schön, um es einer Partei allein zu überlassen
und zweitens würden Sie meinen Namen auf den Unterschriftenlisten finden, wenn ich der Linie des Volksbegehrens folgen könnte. Zwischen CDU und SPD passt kein Blatt in der Frage, auch wenn Sie es gerne hätten.
Ob wir gemeinsam für ein Nein beim Volksentscheid werben, das ist doch völlig klar. Denn für uns gilt nicht erst seit gestern, dass die Ränder des Feldes ein geeigneter Ort sein können, um die Stadt von morgen zu entwickeln.
Wir können doch nicht ignorieren, dass die Einwohnerzahl Berlins bis 2030 um voraussichtlich eine Viertelmillion Menschen wachsen wird. Und natürlich müssen wir uns fragen, welchen Beitrag das Tempelhofer Feld über die Gewährleistung einer großen Freifläche hinaus leisten kann zur Lösung der gewaltigen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wir sagen sehr deutlich: Eine begrenzte Quartiersentwicklung von den Rändern her ist für uns ein grundsätzlich sinnvoller Ansatz, die räumliche Charakteristik des Feldes auf der einen Seite zu erhalten und gleichzeitig einen Beitrag dazu zu leisten, den wachsenden Bedarf der Stadt an zusätzlichem Wohn- und Gewerberaum, an sozialer Infrastruktur, an gedeckten und ungedeckten Sportflächen zu entsprechen.
Das Volksbegehren schießt inhaltlich deutlich über das Ziel hinaus, wenn es das Tempelhofer Feld dauerhaft, wie hier schon gesagt wurde, unter eine Käseglocke stellt, es dauerhaft von jeder solchen Entwicklungsperspektive abschneidet. Ich höre zwar sehr wohl die Worte der Träger des Volksbegehrens, es ginge in erster Linie darum, die Senatsplanung zu stoppen, weil sie ihnen nicht gefällt. Sie wollen neu über die Entwicklung des Tempelhofer Feldes verhandeln. Gut und schön, davon steht aber nichts in dem Gesetzentwurf, der zur Abstimmung steht.
Nach dem Willen der Träger des Volksbegehrens steht zur Entscheidung, auf dem Tempelhofer Feld in Zukunft
buchstäblich keinen Stein mehr umzudrehen. Das ist mit uns nicht zu machen. Bei allem Verständnis für manche Kritik, bei allem Verständnis für berechtigte Bedenken: So nicht, meine Damen und Herren!
Ganz klar ist die Tempelhofer Freiheit kein beliebiger Ort. Hier zu bauen ist eine gewaltige Herausforderung. Allein die Flughafengebäude in Tempelhof stehen mit der Luftbrücke als Symbol der Freiheit Europas und sind historisches Mahnmal. Jede Form von Stadtgestaltung in dieser Umgebung muss inhaltlich, muss qualitativ dem einzigartigen Anspruch dieses Standortes genügen und darf letztlich nur dort denkbar sein, wenn sie nicht beliebig oder provinziell erscheinen soll. Wir reden hier nicht darüber, den zentralen Festplatz zu bebauen, sondern wir reden über einen der prominentesten Orte dieser Stadt. Es hat seinen Grund, dass das Feld einmal vorgesehen war für eine internationale Bauausstellung. Wir haben völlig zu Recht immer noch hohe Ansprüche an jede Form zukünftiger Entwicklung. Was immer dort entstehen mag, die Berlinerinnen und Berliner sollen am Ende stolz darauf sein können und einen Wert für sich darin erkennen. Wenn wir also über neue Quartiere an den Rändern des Feldes sprechen, dann müssen sie Vorbildcharakter haben. An dem Ort ist nur Quartiersentwicklung zu rechtfertigen, wenn sie soziale, ökologische Nachhaltigkeit, wenn sie anspruchsvolle Architektur und eine lebendige, eine funktionierende Nutzungsmischung miteinander verbindet.
Die weiteren Planungen werden nach unserer Überzeugung nur dann erfolgreich sein können und auf Akzeptanz stoßen, wenn der Bürgerbeteiligung breiter Raum gegeben wird. Da sind wir völlig beieinander und übrigens auch mit dem Senat. Wir setzen uns schon lange dafür ein, dass die Planungen weiter mit intensiver Bürgerbeteiligung erfolgen und diese Ansätze auch intensiviert werden. Wir wollen, wir müssen mit den Berlinerinnen und Berlinern über den Sinn, über die Machbarkeit, über die Konsequenzen für Menschen und Natur und natürlich auch über Kosten möglicher Quartiersentwicklung diskutieren.
Wir müssen ihnen aber auch deutlich machen, was es für die Stadt bedeutet, wenn wir die Chancen dieses Ortes nicht nutzen. Deswegen laden wir Sie ein, die Tempelhofer Freiheit mit uns gemeinsam zu gestalten. Wir sind offen für Ihre Argumente, für Ihre Nutzungswünsche und Ihre Ideen. Bürgerbeteiligung ist für uns kein Selbstzweck, wie Sie darstellen.