Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Für die Fraktionen steht jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Piraten in Gestalt des Kol
Danke schön, Herr Präsident! – Sehr verehrte Damen und Herren! Meine Gestalt wird jetzt diese Rede halten. – Kürzlich wurde der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung abgeschlossen, und dieser sieht doch kleine, zumindest ansatzweise erkennbare Verbesserungen im Staatsangehörigkeitsrecht vor. Aus unserer Perspektive muss ich erst mal ganz offen sagen, dass ich die umfassende Debatte über das Staatsangehörigkeitsrecht im Rahmen des Themenfelds Migrationspolitik eigentlich für ein bisschen überholt oder verfehlt halte. Uns geht es darum, dass die Menschen, die hier wohnen und hier leben, mehr Rechte bekommen, sich einbringen können und teilhaben können. Das Wahlrecht ist z. B. ein Thema, auf das wir immer wieder drängen und das hier blockiert wird. Wenn z. B. für dieses Wahlrecht die Staatsangehörigkeit notwendig ist, dann sollen die Menschen halt eben mehrere Staatsangehörigkeiten haben und auch die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen oder behalten können. Wenn sie zwei oder mehr Staatsangehörigkeiten haben, dann soll das eben auch so sein.
Es lohnt sich vielleicht ein kurzer Rückblick darauf, wie das damals so abgelaufen ist, denn aus dieser Perspektive heraus hat die rot-grüne Bundesregierung 1998 doch eigentlich ganz gute Pläne gehabt. Sie wollte nämlich im Bereich der doppelten Staatsangehörigkeit grundsätzliche Verbesserungen erreichen. Leider kam dann der Verlust der Mehrheit im Bundesrat und im Zusammenhang damit eine überaus unangenehme, ekelhafte Hetzkampagne u. a. im Bundesland Hessen – eine Schmutzkampagne des rechten CDU-Flügels. Deshalb kam es dann zu einem Kompromiss, und das Ergebnis dieses Kompromisses bei der Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts war eine unterirdische Leistung – eine absurde Regelung mit der Verpflichtung der nach 1990 Geborenen, sich bis zu ihrem 23. Lebensjahr entscheiden zu müssen. Das Schlüsseljahr hierbei ist das Jahr 2013, und deshalb hat das auch in dem jüngsten Wahlkampf eine Rolle gespielt.
Aber schauen wir uns diese Regelung noch einmal kurz an: Es gibt eine Ungleichbehandlung von Menschen, die z. B. eine EU-Staatsangehörigkeit haben, und Menschen, die keine EU-, sondern z. B. eine türkische Staatsangehörigkeit haben. Es gibt ein Bürokratiemonster mit unfassbaren Ausmaßen, mit Kontrollen und Prüfungen, und es gibt eine Beteiligungsquote, die unglaublich gering ist. Über 50 Prozent derjenigen, die eigentlich von dieser Regelung betroffen sind – das sind um die 40 000 Menschen pro Jahr –, haben sich überhaupt nicht beteiligt und einfach nicht reagiert. Ihnen und anderen droht jetzt die Aberkennung der Staatsangehörigkeit.
Gleichzeitig ist diese neue Regelung – das betone ich jetzt noch einmal – ein absoluter Misstrauensantrag gegen
die eigene Bevölkerung. Zu sagen: Wenn ihr zwei Staatsangehörigkeiten habt, müsst ihr bis zum 23. Lebensjahr eine abgeben – eben dann die deutsche Staatsangehörigkeit –, ist ein Generalverdacht. Diesen gilt es an dieser Stelle herauszuheben und zu beenden.
Jedenfalls war 2013 ein Schlüsseljahr, und die SPD machte es zu einem Schlüsselthema im Wahlkampf. Sie versprach, mit der CDU eine Verbesserung der damaligen, bescheuerten Kompromisse auszuhandeln. Das Ergebnis ist leider, dass die doppelte Staatsangehörigkeit wieder nicht Realität wird, dass die erste und zweite Generation von Migranten wieder ausgenommen wird und dass lediglich für die jungen Leute eine kleine Verbesserung erreicht wird, weil nämlich die Optionspflicht abgeschafft wird. „Abgeschafft“ ist gut, aber die Frage ist, wann das geschieht. Noch tut sich da nichts. Die Minister und Ministerinnen haben es sich gerade im Amt bequem gemacht. Es ist nicht zu erkennen, dass sich da in nächster Zeit irgendwelche Veränderungen ergeben. Es steht im Koalitionsvertrag, und da kann es auch die nächsten vier Jahre stehen.
Insofern ist es sinnvoll, dass z. B. Hamburg gesagt hat: Wir wollen das auf Länderebene regeln. Wir wollen nicht, dass weiterhin Tausenden von jungen Menschen im Jahr aufgrund von dämlichen Wahlkämpfen in den Neunzigerjahren die Staatsangehörigkeit aberkannt wird, und wir wollen das deshalb auf Landesebene aussetzen. – Da freut mich dann, dass Kollege Saleh auch für Berlin gesagt hat, dass er das vorantreiben will und auch für Berlin will, dass das ausgesetzt wird. Lieber Raed Saleh! Wir sind nicht in allen Punkten immer einer Meinung, aber wenn du gerade mal nicht in Rotterdam bist, machst du ja auch ganz gute Sachen hier in Berlin.
Insofern würde ich mich sehr freuen, wenn wir gemeinsam diese Sache weiter vorantreiben könnten. Nachdem die SPD nach dem Wahlkampf die erste und zweite Generation von Migranten im Stich gelassen hat, freue ich mich, wenn wir die Aussetzung der Optionspflicht zumindest auf Berliner Ebene gemeinsam hinbekommen. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist zunächst einmal, unserem Antrag zuzustimmen, und den Rest wird dann Senator Henkel sicherlich in den nächsten Wochen ganz unkompliziert und ganz eilig regeln. Insofern freue ich mich auf die Zustimmung zu diesem Antrag. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Kollege Reinhardt! – Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Kollegen Lehmann das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die SPD hat in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene einen Paradigmenwechsel im Staatsangehörigkeitsrecht durchsetzen können. Die Optionspflicht wird abgeschafft.
Das ist ein großer Erfolg für uns und wird – was noch viel wichtiger ist – in den nächsten Jahren Hundertausenden von Betroffenen helfen. Unter die Optionspflicht fallen bisher automatisch diejenigen Kinder ausländischer Eltern, die seit dem 1. Januar 2000 in Deutschland geboren wurden. Das ursprünglich von Rot-Grün beschlossene Gesetz beinhaltete, dass Kinder ausländischer Eltern von Geburt an zwei Staatsangehörigkeiten haben dürfen. Zusätzlich konnten ausländische Eltern für ihre Kinder bis zum 31. Dezember 2000 einen Antrag stellen, wenn diese zwischen 1990 und 2000 in Deutschland geboren wurden. Jedoch mussten sich in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder mit ausländischen Eltern dann zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr entscheiden – also optieren –, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit behalten wollen oder die ausländische der Eltern. Beide Pässe zu behalten, war für die Kinder bisher nicht möglich. Meldeten sich die Jugendlichen nicht auf die Optionsaufforderung der Behörden zurück, konnten sie ihren deutschen Pass verlieren.
Diese Optionsregelung, die von der FDP einst erfunden und von der CDU/CSU unterstützt wurde, greift im Jahr 2013 für mehr als 4 000 Jugendliche. Diese Jugendlichen wurden im Jahr 1990 geboren, die Eltern stellten einen Antrag auf Optionspflicht, und im Jahr 2013 trat diese somit spätestens im Alter von 23 Jahren ein. Wir haben immer gesagt, dass die Optionspflicht und damit verbunden auch das generelle Verbot der Mehrstaatigkeit integrationshemmend sind. Es kann nicht sein, dass wir Jugendliche vor die Wahl zwischen zwei Identitäten stellen und ihnen drohen, mit dem Erwachsenwerden plötzlich zu Ausländern gemacht zu werden.
Die Identität wurde ihnen somit geraubt. Mit dem betreffenden Passus im Koalitionsvertrag haben wir erreicht, dass in den nächsten Jahren jährlich mehr als 4 000 Jugendliche beide Pässe behalten können. Diese Zahl wäre vom Jahr 2018 an sprunghaft auf ca. 40 000 Jugendliche jährlich angestiegen, weil dann die Optionspflicht für die seit dem Jahr 2000 in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern automatisch eingetreten wäre.
Die Optionspflicht hätte nicht nur zu einer integrationspolitischen Fehlwirkung geführt, sondern wäre zusätzlich auch ein bürokratisches Monstrum für die Verwaltungsbehörden unseres Landes geworden. Zukünftig muss kein Kind in Deutschland mehr befürchten, bei Volljährigkeit eines Teils der Identität beraubt zu werden. Die Abschaffung der Optionspflicht ist ein wichtiger Schritt in Rich
tung der generellen Hinnahme doppelter Staatsbürgerschaften. Natürlich war es das Ziel der SPD, Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung auch in allen anderen Fällen dauerhaft hinzunehmen, z. B. bei Menschen, die seit Jahrzehnten in unserem Land leben, arbeiten und ihre Heimat gefunden haben, aber nicht die Wurzeln zu ihrem Herkunftsland kappen oder/und den ausländischen Pass abgeben möchten. Das war allerdings mit unserem Koalitionspartner nicht zu machen.
Auch in Zukunft werden wir dieses Ziel aber nicht aufgeben und an dieser Stelle weiter Überzeugungsarbeit leisten. Schon heute wird bei mehr als 50 Prozent der Einbürgerungen die doppelte Staatsbürgerschaft hingenommen, etwa bei den meisten EU-Ausländern, bei Schweizern, aber auch bei Menschen aus Staaten, die ihre Bürgerinnen und Bürger nicht aus der Staatsbürgerschaft entlassen, etwa Afghanistan, Algerien, Kuba oder Marokko. Deshalb ist auch in Berlin zu überdenken, wie wir bis zur endgültigen Abschaffung der Optionspflicht mit der Thematik umgehen sollen, ob auch für Berlin beispielsweise das Hamburger Modell Anwendung finden sollte.
Die Richtung ist klar: Wir werden den eingeschlagenen Weg weitergehen. Unser Ziel bleibt die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Lassen Sie uns das Thema in sachlicher Weise in den dazugehörigen Ausschüssen diskutieren! Es eignet sich nicht für parteipolitisches Geplänkel. Deshalb beantragen wir an dieser Stelle die Überweisung in den zuständigen Ausschuss. – Herzlichen Dank!
Herzlichen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Bayram – bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Tatsächlich geht es ja heute nicht mehr darum, ob wir für oder gegen den Optionszwang hier im Hause eine Entscheidung treffen, sondern es geht nur noch darum, ob wir schon im Vorgriff auf dieses Gesetz reagieren, das auf Bundesebene demnächst sowieso erlassen werden wird. Ich denke, es gibt aktuell viele gute Gründe, die jungen Menschen nicht in diese Zwangslage zu bringen, sich gegen die ursprüngliche Nationalität, die ihre Eltern und Großeltern haben, entscheiden zu müssen. Es ist eine Entscheidung, die uns hier obliegt, diesen Auftrag, es auszusetzen, über den Innensenator in die Bezirke, in die Einbürgerungsämter zu geben.
denn wir haben kürzlich erst eine Anhörung im Integrationsausschuss gehabt, und da wurde uns berichtet, dass die Einbürgerungsämter unzureichend mit Personal ausgestattet sind. Das heißt, der Nutzen, es jetzt schon zu machen, ist da. Natürlich lesen wir aktuell immer, dass sich der Innensenator – das ist ja auch seine Pflicht als Verfassungssenator – an Recht und Gesetz hält. Die meisten Abgeordneten hier, denke ich, tun das auch, und andere Bezirke tun das auch.
Ich will ja nur herausstellen, dass der eine es für sich in Anspruch nimmt und betont und andere es wohl auch praktizieren. Jedenfalls kann man das zu diesem Zeitpunkt im Vorgriff auf das bereits verabredete Gesetz juristisch unproblematisch machen, ohne dass es Schwierigkeiten gibt.
Das Interessante an dieser Änderung ist für mich – die ganzen Ausführungen, wie sie entstanden ist, brauche ich nicht zu wiederholen –, dass wir die Menschen ja jetzt auch nicht zwingen, mehrstaatig zu sein, sondern ihnen lediglich die Freiheit geben, die alte Staatsbürgerschaft beizubehalten oder eben aufzugeben. In dem Zusammenhang will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich mich ganz freiwillig dafür entschieden habe, meine frühere Staatsbürgerschaft aufzugeben. Aber es gibt eben – dazu gibt es eine Umfrage – 64 Prozent der aktuell Betroffenen, die ihre Staatsbürgerschaft gern behalten möchten. Da gibt es tatsächlich keinen vernünftigen Grund, sie daran zu hindern.
Wenn Sie hier sagen, Herr Lehmann, dass wir das im Ausschuss noch mal diskutieren sollten, dann muss ich ernsthaft fragen: Was wollen wir denn noch diskutieren? Wie der Herr Senator das umsetzen soll, wie die Einbürgerungsämter das umsetzen sollen? Ich denke, die Vorgaben sind verwaltungstechnisch schnell erledigt. Ich verstehe nicht, warum nicht schon auf Zuruf von Herrn Saleh das eine oder andere auf den Weg gebracht wurde. Man könnte es sofort umsetzen. Eine weitere Debatte in den Ausschüssen wird uns wirklich nicht weiterbringen. Aber wenn Sie koalitionsintern noch Gesprächsbedarf haben und sich von der Debatte im Ausschuss erhoffen, sich unter Ihren Kolleginnen und Kollegen da noch näher zu kommen, und das Ganze zeitnah passiert, dann habe ich dagegen schon etwas einzuwenden, weil ich denke,
Das Einzige, was mich besorgt, ist, dass sich die Bundesregierung aktuell ja nicht dadurch auszeichnet, dass sie ihre im Koalitionsvertrag gefassten Beschlüsse schnell umsetzt,
sondern sich um alles streitet und man sich wirklich fragen muss: Worauf haben die sich eigentlich geeinigt? Das ist das, was mir auch bei der Aufhebung des Optionszwangs Sorge bereitet. Ich denke, wir sollten in dem Fall – in anderen Fällen nicht – dem Beispiel von Hamburg folgen und auch von anderen Bundesländern, die uns das schon ein Stück weit vorgemacht haben. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie ich sehe, gibt es eine gewisse Erwartungshaltung an die Ausführungen, die ich gleich hier machen werde.
Vielen Dank! – Vielleicht kann ich sie erfüllen, vielleicht auch nicht. Wir haben uns über die doppelte Staatsbürgerschaft in diesem Hause schon häufiger unterhalten. Ich glaube nach wie vor, dass es gute Argumente dagegen gibt und dass sie in keinem Fall ein wirklicher Beitrag zur Integration sein dürfte.
Ich kann auch die Argumente nicht nachvollziehen, dass ein Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft droht. Jeder, der an der deutschen Staatsbürgerschaft tatsächlich ein Interesse hat, kann diese, wenn er in der Lage ist, wie die Menschen, über die wir hier sprechen, beantragen, und dann wird er auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Von daher ist diese Diskussion auch immer ein bisschen scheinheilig. Über die türkische wird im Übrigen in dem Zusammenhang – nur am Rande, das fällt mir auf – kaum geredet. Das ist ein ganz interessanter Zug.
Gleichwohl weiß ich im Gegensatz zu vielen anderen und vielen anderen Debatten, die wir in diesem Hause führen, um die Zuständigkeit in dieser Frage, und die Zuständigkeit liegt nicht beim Abgeordnetenhaus, sondern beim Deutschen Bundestag. Sie haben es erwähnt: Es gibt eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag der großen Koalition