Protokoll der Sitzung vom 16.01.2014

auf Bundesebene – die ich mit Skepsis sehe, aber das ist eine persönliche Auffassung –, die letztendlich Maßgeblichkeit hat. Von daher können wir uns hier die Köpfe darüber erhitzen, aber das ist vergossene Milch, wie man so schön sagt. Nun ist ja der Hinweis gegeben worden: Hamburg hat hier eine Absichtserklärung abgegeben, das schon in vorauseilendem Gehorsam für sich umzusetzen. Frau Bayram, die ja für sich immer große Kenntnisse in diesen Rechtsfeldern reklamiert, hat schon erklärt, dass alles ganz unproblematisch und natürlich auch noch Bürokratieabbau ist. Ich sage Ihnen: Das wird woanders ganz anders gesehen. Diese Regelung hat eine hohe Rechtsunsicherheit, vor allem ist sie auch vollständig gegen die Systematik. Solange das Bundesrecht gilt, gilt das Bundesgesetz. Das ist einfach so. Ein einzelnes Land kann das nicht einfach aussetzen und sagen: Nur weil es dort eine Absicht gibt, verfahren wir anders.

[Canan Bayram (GRÜNE): Ich kann Ihnen Gerichtsentscheidungen geben!]

Aus diesem Grund würde ich auch nicht vorschlagen, dass wir jetzt im Land Berlin – auch wenn das ein bisschen anders gelagert ist – grundsätzlich so vorgehen, dass wir jetzt die Vorratsdatenspeicherung schon in Kraft setzen, denn das hat ja die Koalition auch vorgesehen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Stellen Sie einen Antrag!]

Von daher bitte ich, da ein bisschen die Kirche im Dorf zu lassen. – Ich habe gerade davon geredet, dass ich solchen unsinnigen Absichten nicht folgen würde, vorauseilend irgendwelche Dinge für ein Land in Kraft zu setzen. Von daher können wir gern im Ausschuss noch einmal darüber reden. Ich persönlich halte das sehr sensible Rechtsgebiet des Staatsbürgerschaftsrechtes nicht geeignet für föderale Sonderwege. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Taş das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Juhnke, es gibt Gerichtsentscheidungen, wodurch es tatsächlich möglich ist, dass einzelne Bundesländer auch anders handeln und entscheiden können, das Modell Hamburg kennen Sie aktuell.

1988 sind SPD und Grüne in den Bundestagswahlkampf gezogen und haben um Migrantenstimmen geworben mit dem Versprechen, es werde das Geburtsortprinzip eingeführt und Mehrstaatigkeit werde zum Regelfall. Das Ergebnis dürfte uns auch nach 14 Jahren sicherlich bekannt sein: Nicht nur, dass das Versprechen nicht eingelöst wurde, es wurde auch die Möglichkeit abgeschafft, die

ursprüngliche Staatsangehörigkeit wieder zurückzuerlangen. Bei der Einführung des Geburtsortsprinzips wurde der eigenartige Optionszwang eingeführt.

[Canan Bayram (GRÜNE): Das war die FDP!]

Die Grünen werden an der Stelle entweder nach der FDP oder nach Roland Koch schreien, damit habe ich gerechnet. – Aber ich bin informiert, Frau Kollegin Bayram: Die Hessen-Wahl erklärt nicht, was danach geschah: Der Optionszwang, den der nicht gerade für linke Positionen bekannte ehemalige CDU-Bundesinnenminister Dr. Manfred Kanther für verfassungswidrig hält – nachzulesen übrigens in der „FAZ“ vom 11. Februar 1999. Einer der Erfinder des Optionsmodells war der damalige FDPJustizminister von Rheinland Pfalz, Herr Herbert Mertin, ein Deutsch-Chilene. Aber da schauen wir nicht so genau hin. Und beim ehemaligen deutsch-britischen CDUMinisterpräsidenten von Niedersachsen, Herr David McAllister, haben wir auch nicht so genau hingeschaut. Und heute, nachdem Herr Gabriel auf dem SPD-Parteitag voller Inbrunst die rote SPD-Linie bei der Mehrstaatigkeit propagiert hat, ist die SPD wieder einmal eingeknickt.

Die vorgesehene Aufhebung der Optionspflicht, soweit sie denn überhaupt kommt, ist auch nur eine halbe Sache. Allerdings zeigt sie einmal mehr, wie unsinnig – um nicht zu sagen verlogen – die Position der Gegner der Mehrstaatigkeit ist. Die Zahl der Mehrstaatler in unserem Land steigt stetig. Die Zahl der Einbürgerungen unter Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft steigt stetig. Im Jahre 2012 betrug sie 50 Prozent aller Einbürgerungen. Führen Sie bitte nicht die Gegenseitigkeit in der EU an, denn 34,5 Prozent der Einbürgerungen unter Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft waren Personen aus Nicht-EU-Staaten! 22,6 Prozent der Einbürgerungen unter Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft waren türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Die Zahl der Mehrstaatler in unserem Land steigt auch deshalb stetig, weil Kinder aus binationalen Ehen mit zwei Staatsangehörigkeiten geboren werden und sie beide Staatsangehörigkeiten ihr Leben lang behalten. Mit der neuen Regelung wird die Zahl der Mehrstaatler noch mehr zunehmen. Die überwiegende Zahl der Jugendlichen, für die das Optionsmodell abgeschafft werden soll, sind Drittstaatler. Welche Argumente bleiben nunmehr übrig, um auch bei Einbürgerungen generell die Mehrstaatigkeit zu verweigern? – Ich würde sagen: nichts, außer Ideologie.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Anfang Dezember 2013 hat Hamburgs Innensenator Neumann, SPD, dem nicht gerade revolutionäre Tendenzen nachgesagt werden können, angekündigt, die Optionspflicht auszusetzen. Wir unterstützen den Antrag der Piraten und fordern den Senat auf, dem Hamburger Beispiel zu folgen.

(Dr. Robbin Juhnke)

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Henkel hat das bisher abgelehnt, warum ist nicht ganz klar. Will er diese unhaltbare Ideologie wenigstens noch eine Weile aufrechterhalten? Oder hofft er, dass die SPD noch einmal einknickt und die Aufhebung des Optionszwangs doch nicht kommt? Herr Saleh und Frau Kolat sollten ihren Worten tatsächlich Taten folgen lassen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Die Kollegin Bayram hat um eine Kurzintervention gebeten. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

[Torsten Schneider (SPD): Oh! Ein Riss in der Opposition!]

Nein, das ist kein Riss, sondern ich kann das nur nicht so unwidersprochen stehen lassen. Das Lustige ist, 1999 war ich noch nicht einmal grün, da war ich in der SPD und deswegen war ich rot-grün. – Wenn Sie diesen Vorwurf machen

[Hakan Taş (LINKE): Das ist Tatsache, das ist kein Vorwurf!]

es ist ein Vorwurf, dass Sie diese Tatsache erwähnen –, dann müssen Sie gleichzeitig aber auch loben, dass wir überhaupt die Mehrstaatlichkeit so eingeführt haben und dass dann 15 Jahre später die CDU so weit war, in einer großen Koalition mit der SPD auf den Weg zu bringen, dass wir wahrscheinlich in den nächsten Monaten ein Gesetz auf den Weg bekommen werden.

[Hakan Taş (LINKE): Da können Sie aber noch 15 Jahre auf die CDU warten!]

Deswegen kann ich mich jetzt auch hinstellen und kann sagen, seinerzeit war das der erste Schritt, den ich unterstützt habe und heute ist es der zweite Schritt, bei dem ich nicht mit in der Verantwortung bin, der Fraktionen, die das im Bundestag entscheiden. Trotzdem unterstütze ich das, weil ich denke, im Ergebnis hilft und nützt es den jungen Menschen, die sich wirklich mit ihrem Studium, ihrer Zukunft oder ihrer großen Liebe auseinandersetzen sollen, aber nicht mit Staatsbürgerschaft – entscheide ich mich für diese oder entscheide ich mich für jene. Das ist absoluter Quatsch, dieser Quatsch muss nach 15 Jahren ein Ende haben. Was mich besonders beruhigt ist, dass die jungen Leute erst ab jetzt in das Alter kommen, in dem es wirkt. Deswegen finde ich es auch wichtig zu sagen: Der Zeitpunkt ist gut, es jetzt abzuschaffen, weil die Zahl der Menschen, die tatsächlich in diese Regelung fällt, wird demnächst immer größer. Deswegen kommt

das Gesetz jetzt rechtzeitig. Und umso wichtiger ist es, in den Bundesländern keine Fakten zu schaffen, das heißt, nicht zu riskieren, dass die Leute 23 Jahre alt werden und sich wegen anderer wichtiger Dinge nicht darum gekümmert haben und dann die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren. Das müssen wir verhindern, und deswegen ist dieses Aussetzen jetzt so wichtig. So weit von mir.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön, Frau Kollegin Bayram! – Herr Kollege Taş hat das Recht zu antworten, und ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr!

Frau Bayram gibt mir immer wieder Steilvorlagen, und das kann ich nicht alles unbeantwortet lassen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Mit dem Schwachsinn können Sie wirklich alles rechtfertigen und erklären.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Sie loben sich ja immer selbst

[Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

und loben inzwischen auch sogar CDU-Senatoren. Sie können natürlich auch weitere 15 Jahre warten, bis die CDU soweit ist, wo Sie heute stehen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Sie hatten Regierungsverantwortung in diesem Land auf Bundesebene übernommen. In dieser Zeit haben Sie nichts verändert, Frau Bayram. Das ist die Realität, das nehmen Sie auch bitte so hin.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Piratenfraktion hat die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen hingegen beantragen die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Rechtsausschuss. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Das sind die Piraten, Teile der Linken und einige Grüne. – Das war nicht deutlich zu sehen. Im Nachhinein wird festgestellt, dass alle dagegen waren. – Wer enthält sich? – Keiner. Das Erste war die Mehrheit. Damit wird der Antrag überwiesen.

(Hakan Taş)

Ich bitte um eine Sekunde Geduld, weil mich meine Kollegin jetzt ablöst.

[Martin Delius (PIRATEN): Pause!]

Nein, Pause ist nicht. Es geht sofort weiter. Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 17

Alle Berliner Kinder müssen die Schule besuchen – die Prävention gegen Schulschwänzen stärken, die Schulpflicht konsequent durchsetzen!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 14. November 2013 Drucksache 17/1337

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1004