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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier im Haus schon oft über den Einsatz der stillen SMS in Berlin geredet und unzählige Mal diskutiert, ob man Instrumente wie die stille SMS oder die Funkzellenabfrage braucht und ob sie rechtsstaatlich eingesetzt werden. Die Vertreter der Koalition haben immer gesagt: Alles ist gut. Wir brauchen das, und wir vertrauen den Ermittlungsbehörden. – Heute haben wir auch nichts Neues dazu gehört.
Wir von der Opposition hatten da unsere Zweifel, und wir haben sie immer noch. Wir können natürlich lange diskutieren, aber das Problem besteht immer darin, dass wir vom Senat keine Daten bekommen. Wir wissen nicht, wie viele stille SMS an wie viele Beschuldigte gesendet werden. Wir wissen nicht, bei welchen Straftatbeständen stille SMS gesendet werden, und wir wissen nicht, mit welchem Erfolg sie eingesetzt wurden. Wir können also nicht nachprüfen, ob der Einsatz verhältnismäßig ist und ob er nach rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgt. Es ist aber unsere parlamentarische Aufgabe, das Handeln der Ermittlungsbehörden zu kontrollieren. Wir können das nicht tun, weil uns der Senat die Daten hierzu verweigert. – Herr Justizsenator! So verhindern Sie parlamentarische und öffentliche Kontrolle bei Instrumenten, die tief in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Das kann nicht sein!
Denn wir verfügen nicht über die hellseherischen Kräfte, über die anscheinend die Vertreter der Koalition verfügen. Herr Zimmermann von der SPD wusste übrigens schon in der Plenarsitzung am 9. Juni 2016 über das Instrument der stillen SMS – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:
Wir brauchen diese besonderen statistischen Daten, die Sie haben wollen, nicht, um die Verfassungsmäßigkeit dieses Instruments herzustellen.
Und der Kollege Trapp von der CDU-Fraktion konnte uns in derselben Sitzung versichern – Zitat:
Deshalb haben die datenschutzrechtlichen Bedenken keinen Bestand, sie entbehren jeder Grundlage.
Ich frage mich, woher Sie das wussten.
Jetzt haben wir ein Prüfungsergebnis von der Datenschutzbeauftragten, und der Bericht kommt zu einem ganz anderen Ergebnis, lieber Herr Zimmermann und lieber Herr Trapp. Das Ergebnis ist verheerend. Wir haben keine klare Rechtsgrundlage für den Einsatz der stillen SMS, und das Instrument wird völlig uferlos angewandt, oft übrigens, ohne dass es überhaupt erforderlich ist und ohne die Betroffenen über den Grundrechtseingriff zu informieren.
Herr Henkel und Herr Heilmann! Warum haben wir eigentlich zu diesem Thema noch gar nichts von Ihnen beiden gehört? Sie sind die ersten, die eigentlich auf so ein Prüfergebnis reagieren müssten. Ich fordere Sie auf: Schützen Sie die Rechte der Berlinerinnen und Berliner, und beenden Sie diese rechtswidrige Praxis in Berlin!
Wenn Sie erst eine Aufforderung durch das Parlament brauchen, können Sie sie haben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der CDU! Sie hatten gegen eine Prüfung durch die Datenschutzbeauftragte nichts einzuwenden, aber jetzt müssen wir auch entscheiden, wie wir mit dem Ergebnis umgehen. Und da macht der vorliegende Antrag genau die richten Vorschläge. Der Einsatz ohne eine klare Rechtsgrundlage darf nicht stattfinden. Die richterliche Kontrolle und die Dokumentationspflicht müssen gestärkt werden. Und wir brauchen eine detaillierte Statistik über den Einsatz der stillen SMS. Das ist das Mindeste, um diese rechtswidrige Praxis zu beenden. Deshalb wird meine Fraktion diesem Antrag selbstverständlich zustimmen.
Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal der Piratenfraktion danken, die wahrscheinlich heute ihren letzten Auftritt im Abgeordnetenhaus hat. Ein Antrag wie dieser zeigt, dass Sie hier wichtige Initiativen ergriffen haben, und Sie waren uns bei den Themen Datenschutz und Grundrechte wichtige Verbündete. Viele ehemalige Piraten unterstützen jetzt Die Linke.
Ich hoffe, dass wir und andere diese Themen auch im künftigen Parlament gemeinsam hochhalten können. Herzlichen Dank dafür!
Herr Schreiber scheint ein bisschen größer zu sein als ich.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein unabhängiger Polizeibeauftragter wird für Berlin gewünscht. Das Zusammentreffen mit Polizistinnen und Polizisten stellt für die Bürgerinnen und Bürger eine Begegnung mit dem Staat dar. Weil die Polizei das staatliche Gewaltmonopol ausübt, ist das eine besondere Begegnung.
Klar ist, der Polizeiberuf ist keine einfache Aufgabe. Die allermeisten Polizisten leisten gute und rechtmäßige Arbeit. Bei polizeilichem Fehlverhalten oder gar Polizeigewalt haben wir ein Aufklärungsproblem. Die Statistik zeigt, dass die große Mehrheit von Fällen bei unrechtsmäßigem Polizeihandeln unaufgeklärt bleibt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es gibt wenig Fehlerkultur. Das erleben wir übrigens auch immer wieder im Innenausschuss. Es gibt halbherzige Ermittlungen oder reflexhafte Gegenanzeigen von Polizisten.
Auch hier im Parlament stoßen unsere Möglichkeiten der Aufklärung schnell an ihre Grenzen. Wir stellen kritische Fragen zu Polizeieinsätzen oder fordern Berichte an und bekommen dann vom Innensenator oder Polizeipräsidenten die Antwort, es sei alles rechtmäßig gelaufen, es seien keine Fehler gemacht worden, und damit ist die Sache erledigt.
Erinnern wir uns an den Polizeieinsatz in der AliceSalomon-Hochschule. Die Polizei stürmte das Gebäude, hielt alle Personen in der Aula fest und beschlagnahmte ein Transparent gegen Nazis. Gleichzeitig ist sie aber nicht gegen Hitlergrüße auf der Demo der Rechten vorgegangen. Es gab dazu viele folgenlose Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern. Auch hier im Abgeordnetenhaus ist das behandelt worden. Wirklich untersucht wurden die Ereignisse immer noch nicht.
(Tom Schreiber)
Das ist ein Problem. Das ist schädlich für das Vertrauen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei.
Genau dieses Problem wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Oppositionsfraktionen angehen. Wir wollen die Institutionalisierung einer unabhängigen Stelle außerhalb des Polizeiapparates. Es soll eine Beauftragtenstelle geschaffen und mit umfangreichen Ermittlungsbefugnissen ausgestattet werden. An diese Stelle können sich alle Menschen und übrigens auch die Polizeibediensteten selbst mit Vorschlägen, Kritik und vertrauensvollen Anliegen wenden.
Vor einigen Jahren hat Rot-Rot die Kennzeichnungspflicht in Berlin eingeführt. Damit haben wir in Berlin bewiesen, dass wir unseren Polizeibediensteten vertrauen und dass wir keine Angst vor Transparenz und Fehlerkultur haben. Auch damals gab es ähnliche Bedenken wie jene, die heute vorgetragen wurden. Inzwischen gehört die Kennzeichnungspflicht zum Grundwesen der Berliner Polizeibehörde, und die Erfahrungen fallen äußerst positiv aus. Nicht mal Frank Henkel kann noch irgendeinen Grund finden, sie wieder abzuschaffen. Das ist ein großer Erfolg.
Die Umsetzung einer unabhängigen Beauftragtenstelle wäre nun die logische Fortsetzung des Projekts der bürgernahen Polizeibehörde. Leider haben SPD und CDU in den letzten fünf Jahren nicht weiter an diesem Thema gearbeitet, im Gegenteil. Wenn wir im Innenausschuss umstrittene Polizeieinsätze beraten, liest der Innensenator, wenn er überhaupt kommt, nichtssagende Zettel vor, und die SPD hat überhaupt keine kritische Frage. Deshalb braucht es an dieser Stelle einen Verstoß der Opposition.
Was wir hier beantragen, ist anderswo übrigens selbstverständlich, nicht nur Rheinland-Pfalz, das Herr Lux bereits genannt hat, hat positive Erfahrungen mit einem unabhängigen Beauftragten gemacht. Auch in vielen Ländern Europas und der Welt sind unabhängige Beschwerdestellen ganz normal, z. B. auch in Großbritannien, Belgien, Norwegen. Wir müssen unseren Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, sich bei einer objektiv handelnden Stelle im Fall von Verstößen gegen ihre Freiheitsrechte zu beschweren. Zudem müssen wir unseren Polizeibediensteten die Gelegenheit geben, sich ohne Angst vor dienstlichen Benachteiligungen über Missstände und Fehlverhalten zu äußern. Das ist die Grundlage für eine gut funktionierende und sich ständig verbessernde Polizeibehörde. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Versendung von sogenannten Stillen SMS stellt einen schweren Eingriff in die Grundrechte dar und
(Dirk Behrendt)
bedarf somit der parlamentarischen Überprüfung. Eine kurze Aufklärung scheint an dieser Stelle notwendig zu sein: Stille SMS werden von den Ermittlern eingesetzt, um den Standort eines Verdächtigen herauszufinden und um Bewegungsprofile zu erstellen. Dafür wird eine SMS an das Handy des vermeintlichen sogenannten Kriminellen geschickt, die für den Besitzer nicht sichtbar ist. Während des Prozesses fallen u. a. Standarddaten an, die vom Mobilfunkbetreiber durchaus gespeichert werden. Aus mehreren Stillen SMS kann so die Bewegung des Verdächtigen nachgezeichnet werden. Lange Rede, an der Stelle auch kurzer Sinn: Sie stellen eine heimliche Art der aktiven polizeilichen Überwachung dar und greifen somit intensiv in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen ein. Auch aus diesem Grund muss diese polizeiliche Maßnahme dringend einer kritischen Betrachtung seitens des Parlaments unterzogen und auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden.
Doch wie kann man feststellen, ob eine Maßnahme angemessen, effektiv und verhältnismäßig ist? – Das geht nur im Wege der statistischen Erfassung von detaillierten Einzelangaben. Wir müssen wissen, für welche Straftaten die Stillen SMS eingesetzt wurden und ob sie für die Ermittlungen überhaupt etwas gebracht haben. Diese Daten liegen uns aber nicht vor, Herr Behrendt ist bereits darauf eingegangen. Sowohl die Linksfraktion als auch die Piraten haben Anfragen dazu gestellt, aber keine aussagekräftigen Informationen erhalten. Bis heute hat uns der Innensenator nicht erklären können, warum es so schwer sein soll, uns diese Daten zu liefern. So entziehen Sie sich der parlamentarischen Kontrolle, und das geht gar nicht, lieber Herr Henkel!
Haben die Koalitionsfraktionen etwa die Befürchtung, dass Teile der Daten die Bevölkerung verunsichern könnten? – Wir können an der Stelle nur spekulieren.
Das Einzige, was wir wissen, ist, dass im Jahr 2014 insgesamt 246 340 und im Jahr 2015 137 905 Stille SMS versandt wurden. Bei der Frage, ob die Behörden leichtfertig mit diesem Instrument umgehen, mangelt es an der bloßen Angabe der Gesamtanzahl und der Aussagekraft. Nur detaillierte Fakten erlauben Rückschlüsse auf die Effizienz und können belegen, wann der Einsatz gerechtfertigt ist oder nicht. Das fehlt ganz klar.
Was der Antrag fordert, ist kein Hexenwerk: konkrete Angaben zur Verwendungspraxis, insbesondere dazu, wie viele Stille SMS zur Standortermittlung beigetragen haben, auf wie viele Verfahren, wie viele Beschuldigte pro Verfahren und in welcher Häufigkeit pro Beschuldigter sich Stille SMS verteilen und welche Anlasstat dem jeweils zugrunde lag. Und natürlich müssen wir wissen, wie viele der Ortungsimpulse überhaupt zu einer Standortermittlung beigetragen haben und wie viele ins Leere gingen, weil das angewählte Telefon z. B. nicht einge
schaltet war. Solange wir diese Daten nicht haben, können wir auch nicht von dem Instrument der Stillen SMS überzeugt sein. Es ist ein bisschen so wie bei der Videoüberwachung: Der Innensenator will sie ausweiten, ist aber nicht bereit, sie zu evaluieren. Das ist keine seriöse Sicherheitspolitik in Berlin, und das ist schon gar nicht bürgerrechtsfreundlich, denn nicht wir müssen uns für unsere Grundrechtsausübung rechtfertigen, sondern der Staat, der in diese eingreifen will.
Die informationelle Selbstbestimmung und die Vertraulichkeit individueller Kommunikation sind die die Gesellschaftsordnung konstituierenden Grundrechte und bedürfen eines besonderen Schutzes. Dieser muss insbesondere durch parlamentarische Kontrolle dann selbstverständlich auch erfolgen können. Auf Grauzonen darf sich niemand berufen können. Deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Behrendt hat mit der gerade gemachten Aussage recht. Es ist durch die Arroganz der Macht, wie wir gerade gehört und erlebt haben, schlecht bestellt um den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in Deutschland. Nicht erst seit Edward Snowden wissen wir, Herr Zimmermann: Hinweise aus Behörden, Unternehmen und anderen korruptionsanfälligen Institutionen können für den Schutz unserer demokratischen Grundwerte extrem wertvoll sein. Die Mehrheit aus Union und SPD im Bundestag hat bislang alles getan, um einen besseren Schutz von Hinweisgebern zu verhindern. Noch immer müssen Menschen, die Missstände, Korruption oder Ähnliches öffentlich machen, mit strafrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Sanktionen rechnen.
Damit verpasst Deutschland nicht nur die Chance, wirksamer gegen Korruption vorzugehen, sondern verstößt auch gegen internationale Vorgaben. Deutschland hat die Antikorruption der vereinten Nationen ratifiziert. Deutschland ist Mitglied im Europarat. Auch der verlangt ein Hinweisgeberschutzgesetz. Aber an die Umsetzung dieser Abkommen denkt Deutschland nicht. Das kann nicht sein, meine lieben Damen und Herren!
Die Fraktion Die Linke im Bundestag – Herr Behrendt ist bereits darauf eingegangen – und auch die Grünen haben dazu Anträge eingereicht und konkrete Vorschläge hierzu gemacht. Das alles wurde abgelehnt, und solange Union und SPD im Bund alles blockieren, will ich hier keine wohlfeilen Reden aus der Koalition hören. Wir wissen alle: Auf Landesebene können wir wenig machen. Was in den vorliegenden Anträgen gefordert wird, ist eine Krücke, aber wir sollten das tun, was wir tun können.
Über Regelungen im Beamtenrecht und über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst soll ein besserer Schutz für Hinweisgeber, die verbeamtet oder angestellt sind, auch hier in Berlin erreicht werden. Disziplinarrechtlich hätten sie dann einen besseren Schutz, strafrechtlich bliebe allerdings immer noch ein Risiko. Darüber hinaus soll der Verfassungsschutzausschuss als Anlaufstelle für Hinweisgeber dienen. Das ist außergewöhnlich, aber der Verfassungsschutz ist auch eine außergewöhnliche und kaum kontrollierbare Behörde, wie wir in den letzten Jahren leidvoll immer wieder erfahren haben. Also, unterm Strich werden mit den Anträgen sehr kleine Schritte getan, aber wir sollten diese Schritte gehen und ihnen heute auch zustimmen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir, die Linksfraktion, begrüßen und unterstützen den Antrag der Piratenfraktion zur Legalisierung von Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus.
Ich möchte an dieser Stelle an uns alle appellieren: Machen wir uns die Sache nicht einfach, indem wir nach dem Motto verfahren: Diese Menschen sind selbst daran schuld, dass sie keinen Aufenthaltsstatus besitzen oder nur noch geduldet werden. – Wie im Antrag ausführlich dargelegt, gibt es ganz unterschiedliche Gründe, warum Menschen in unserem Land keinen legalen Aufenthaltsstatus besitzen bzw. ihn nicht mehr besitzen. Ich möchte diese heute hier nicht wiederholen. Nach unserem Verständnis von Menschenrechten und dem Auftrag des Grundgesetzes haben auch diese Menschen einen Anspruch auf eine humane Behandlung und auf eine Chance, ein menschenwürdiges Leben hier bei uns anzufangen.
Drei im Antrag ausführlich erläuterte Gründe für einen Neuanfang möchte ich heute nur als Überschrift nennen: erstens Menschenrechte, zweitens Anerkennung von gesellschaftlichen Realitäten und drittens Entlastung von Behörden und Polizei.
Viele dieser Menschen leben in unwürdigen Wohnverhältnissen, werden auf dem Arbeitsmarkt brutal ausgebeutet. Ihre Gesundheitsvorsorge ist, wenn überhaupt möglich, katastrophal. Ihre Kinder haben keine Bildungsmöglichkeiten und keine Zukunftsperspektiven. Ein krimineller Lebensweg ist dadurch möglicherweise vorgezeichnet. In welcher Angst, entdeckt und abgeschoben zu werden, diese Menschen leben müssen, vermag ich mir heute gar nicht vorzustellen.
Wir unterstützen auch die Forderung im vorliegenden Antrag, dass dieses Ziel nicht durch Strafvorschriften, beispielsweise § 95 Aufenthaltsgesetz, eingeschränkt wird.
Der Bund hat bekanntlich in den letzten Jahren das Aufenthalts- und das Asylrecht massiv verschärft. Diktaturen
wurden als sogenannte sichere Herkunftsstaaten eingestuft, von der skandalösen Kapitulation vor der AKP und Erdogan-Regierung in der Türkei ganz zu schweigen. Das Land Berlin hat sich am Oranienplatz lächerlich gemacht, indem eine von einer Senatorin unterzeichnete Abmachung von einem anderen Senator gekippt wurde.
Wie im Antrag ausführlich dargelegt, wäre solch eine Legalisierung kein Novum. Weltweit hat es in den vergangen Jahren in vielen Staaten vergleichbare Regelungen gegeben. Dort hat es diese Koalition nicht gegeben. Diese Regelungen waren unterschiedlich ausgestattet, die Kriterien waren teilweise eng, meiner Ansicht nach zu eng gefasst, aber nicht nur die USA, sondern auch die EU-Staaten haben in dieser Richtung richtig gehandelt, auch die Bunderepublik, wäre dies kein Novum. Die Bleiberechtsregelung der Bundesinnenministerkonferenz hat für rund 20 000 Personen einen Aufenthaltsstatus gebracht.
Eines der gängigen Argumente gegen eine Legalisierungsoffensive ist, diese könne weiterem sogenanntem illegalen Zuzug Vorschub leisten. Wir meinen, wir sind hier in einer humanitären Verpflichtung, und diese sollten wir ohne Angst erfüllen.
Mir ist bewusst, dass gerade in Zeiten, wo die AfD und andere menschenfeindliche Parteien und Bewegungen Zulauf erhalten, solch eine Maßnahme nicht gerade als populär bezeichnet werden kann. Es gibt aus der sogenannten politischen Mitte genug Vorbeugung in Richtung AfD und Co. Das erlebt gerade in Treptow-Köpenick, wer dort an Montagsdemonstrationen teilnimmt. Aber gerade deshalb, nicht nur, um den betroffenen Menschen zu helfen, sondern auch, um ein politisches Zeichen zu setzen, sollte das Berliner Abgeordnetenhaus diesen Antrag heute verabschieden. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist ein wichtiges Rechtsgut, die Persönlichkeitsrechte der Berlinerinnen und Berliner aber auch. Die Installation einer Kamera in der Öffentlichkeit, insbesondere die Speiche
rung der aufgenommenen Daten, stellt einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar. Folglich hat diese Maßnahme Ultima Ratio zu sein, das heißt, letztes mögliches Mittel, auf das zurückgegriffen werden muss, wenn keine milderen Alternativen zur Verfügung stehen. Vor allem muss sie wirksam sein – genau darüber haben Sie noch keinen Nachweis erbracht, lieber Herr Innensenator! Sie sind daher gehalten, eine vernünftige und breite wissenschaftliche Studie in Gang zu setzen, denn nicht wir müssen uns für unsere Freiheitsrechte rechtfertigen, sondern der Staat, der in diese Freiheitsrechte eingreifen will.
Ich habe Zweifel am Sinn und Zweck der Videoüberwachung. Vergegenwärtigen wir uns hierzu die Lage auf einem verlassenen Bahnsteig, auf dem jemand von mehreren vermummten Personen angegriffen wird! Die Koalitionsfraktionen müssen mir doch zustimmen, dass Sicherheitspersonal zur Verhinderung einer solchen Straftat geeigneter ist als eine Videokamera.
Niemand bestreitet, dass begangene Straftaten in manchen Fällen mithilfe von Videobildern aufgeklärt werden. Das kann aber nicht unser alleiniges Ziel sein. Wir wollen, dass Straftaten gar nicht erst verübt werden können. Das effektivere Mittel ist der Ausbau des Sicherheitspersonals, das in einer Gefährdungssituation zugunsten der Bürgerinnen und Bürger intervenieren kann.
In den vergangenen Jahren ist der Einsatz von Kameras zur Überwachung des öffentlichen Raums übrigens enorm angestiegen. So haben wir es im Land Berlin inzwischen mit nahezu 15 000 Kameras zur Bewachung der Öffentlichkeit zu tun, mit anderen Worten, die Berlinerinnen und Berliner werden auf Schritt und Tritt beobachtet, insbesondere wenn sie den öffentlichen Nahverkehr benutzen. Was hat das bislang für die Kriminalitätsbekämpfung in dieser Stadt tatsächlich gebracht? – Ich sage, wenig, die CDU und die SPD sagen, viel. Wirklichen Aufschluss über diese Fragen kann uns nur eine breite wissenschaftliche Untersuchung geben. Diese aber verweigern Sie uns mit der Begründung, eine wirkliche Evaluation wäre nicht nötig und auch gar nicht möglich. – Wenn Sie sich so sicher sind, warum haben Sie Angst davor?
Sie verstecken sich nicht nur hinter fadenscheinigen Argumenten, sondern haben auch noch eins draufgesetzt und ein neues Modellprojekt am Alexanderplatz vorgeschlagen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Sie wollen keine Untersuchung über die bestehende Videoüberwachung, Sie wollen aber ein neues Überwachungsprojekt einführen, damit das dann untersucht werden kann. Das ist vollkommen absurd und wi
(Dr. Robbin Juhnke)
dersprüchlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition!
Von uns bekommt der vorliegende Antrag die uneingeschränkte Zustimmung. Leider scheinen die Koalitionsfraktionen nicht ganz sattelfest hinter ihrer vorgetragenen Meinung zu stehen, denn sonst gäbe es gleich eine breite Zustimmung für diesen Antrag. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin heute eigentlich davon ausgegangen, dass Herr Wansner über den 1. Mai redet. Dann wäre es ein bisschen Karneval, aber der Karnevalist scheint heute nicht da zu sein. Das ist vielleicht auch gut so.
Wir reden heute über etwas Ernsthaftes, nämlich über den Tag der Arbeit. Der Tag der Arbeit gehört zu den wichtigsten Feiertagen mit politischem Charakter. Wie an keinem anderen Tag wird am 1. Mai über die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, den Wert der Arbeit an sich und über Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Menschen diskutiert. Wie es sich für einen Feiertag gehört, werden auch die Errungenschaften der Arbeiterbewegung gefeiert. Es ist ein schöner Tag mit einer wichtigen politischen Botschaft. Angesichts der turbokapitalistischen Zeiten, in denen wir leben, ist der Tag der Arbeit heute wichtiger denn je. Wir leben in einer Zeit, in der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz einer Vollzeitstelle aufstocken gehen müssen. Wir leben in einer Zeit, in der die Rechte der Beschäftigten kontinuierlich beschnitten werden. Wir leben in einer Zeit, in der die Stammbelegschaften immer wieder gegen Leiharbeiter und -arbeiterinnen ausgespielt werden. Wir leben in einer Zeit, in der 45 volle Erwerbsjahre oftmals nicht mehr ausreichen, um ein würdiges Leben im Alter zu führen. Wir leben in einer Zeit, in der ein Stundenlohn von 8,50 Euro als Triumph der Arbeiterbewegung verkauft wird, ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einer Zeit, in der die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung in Deutschland von der Politik stiefmütterlich behandelt wird. Insofern sind Kundgebungen, Proteste und Feierlichkeiten zu diesem Thema eine wichtige Auseinandersetzung mit der aktuellen politischen Entwicklung. Wir brauchen diese Feierlichkeiten, weil sie eine wichtige und akute gesellschaftliche Herausforderung in den Mittelpunkt rücken.
Die überwältigende Mehrheit der Demonstrierenden am 1. Mai möchte am Tag der Arbeit friedlich auf den gefährdeten Stellenwert der Erwerbsarbeit aufmerksam machen. Leider kommt es neben den politischen Demonstrationen seit den Achtzigerjahren auch zu regelmäßigen Ausschreitungen in Kreuzberg.
Man muss zu den Anfängen im Jahr 2003 zurückgehen, um die Bedeutung des Myfestes für einen friedlichen Tag der Arbeit zu verstehen. Die Berlinerinnen und Berliner hatten verstanden, dass die ritualisierte Gewalt am 1. Mai nur verhindert werden kann, wenn Senat, Bezirk und die Kreuzberger Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen. Infolgedessen haben Anwohnerinnen und Anwohner, Gewerbetreibende und zivilgesellschaftliche Initiativen das Kreuzberger Myfest ins Leben gerufen. Mit ihrer Initiative bilden die Aktivistinnen und Aktivisten einen Gegenpol zu den gewalttätigen Ausschreitungen. Zusammen mit der neu eingeführten Deeskalationsstrategie der Polizei war das die Voraussetzung dafür, dass der 1. Mai in den folgenden Jahren weitgehend befriedet werden konnte. Auch wegen der Myfest-Feierlichkeiten ist die Gewalt am 1. Mai deutlich zurückgegangen. Zudem erfreut sich das Fest eines regen Andrangs. Es bietet ein breites kulturelles Angebot auf zahlreichen Bühnen und spiegelt den Charakter unserer Hauptstadt sehr gut wider. Ob die zunehmende Beliebtheit des Myfestes der politischen Botschaft zugunsten besserer Arbeitsbedingungen zugutekommt, darüber kann man sicherlich streiten. Ich glaube, dass der politische Charakter des Festes an diesem besonderen Tag wieder gestärkt werden sollte. Daran müssen alle Beteiligten gemeinsam arbeiten.
Allerdings, das Myfest ist als friedliche, gewaltlose Gegenveranstaltung nach wie vor ein Erfolgsmodell, und auch das ist eine politische Funktion, die man würdigen muss. Dieses Erfolgsmodell wird übrigens auch von allen Seiten gewürdigt. Selbst die Polizei führt den Rückgang der Krawalle auf das friedliche Myfest zurück. Das alles muss man sich bewusst machen, um zu begreifen, was tatsächlich auf dem Spiel steht. Man sollte eigentlich davon ausgehen, dass dieses Erfolgsmodell vom Senat vollumfänglich unterstützt wird. Leider stellt sich die Realität etwas anders dar. Die Polizei kündigt die Vereinbarung auf, das Myfest unter den Schutz des Versammlungsrechts zu stellen, und es beginnt ein monatelanges und unwürdiges Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Innensenator und Bezirk. Ich glaube, dass der Innensenator allen Grund hat, sich für ein Gelingen des Festes einzusetzen, anstatt sich hinter juristischen Problemen zu verstecken und die Verantwortung auf den Bezirk abzuwälzen.
(Björn Eggert)
Wer mit dem Myfest seine parteitaktischen Spielchen spielt, der handelt fahrlässig und gefährlich. Und genau das werfe ich dem Innensenator, genau das werfe ich Ihnen, Herr Henkel, vor, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Nun scheint es eine Lösung für das Zustandekommen des Myfests in diesem Jahr zu geben. Dies begrüßen wir selbstverständlich ausdrücklich. Ob das in der Praxis funktionieren wird, wird man sehen. Der Senat ist jedenfalls gut beraten, sich hierfür aktiv einzusetzen. Egal, wie der Senat zur Botschaft des Tags der Arbeit steht, er muss zumindest die gewaltpräventive Wirkung eingestehen. Allein diese Motivation sollte doch ausreichen, um das Fest nicht nur in diesem Jahr, sondern auch für die kommenden Jahre sicherzustellen. Das ist übrigens auch das, was wir als Oppositionsfraktionen seit geraumer Zeit fordern. Sonst haben wir jedes Jahr dasselbe Theaterstück wie in den vergangenen Jahren. An der Stelle vielleicht angemerkt: Angemeldet werden können hätte das Myfest von dem zuständigen Stadtrat Peter Beckers, nicht von Frau Herrmann.
Damit wir das Theaterstück dort nicht fortsetzen, ist selbstverständlich an der Stelle insbesondere Herr Henkel gefragt. Als Innensenator dieser Stadt ist es Ihre Pflicht und Aufgabe, für Sicherheit in dieser Stadt zu sorgen. Und dazu gehört am 1. Mai nun mal ein funktionierendes politisches Myfest. Ich bin froh, dass die Oppositionsfraktionen diese wichtige Frage unermüdlich ansprechen, und hoffe sehr, dass wir dem Ziel eines dauerhaften Myfests in absehbarer Zeit ein Stück weit näherkommen. Insofern werbe ich hier noch einmal für die Unterstützung unseres Antrags. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist erfreulich, dass auch die CDU diesen Antrag interessant findet. Die Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner ist nicht verhandelbar, ihre Grundrechte aber auch nicht, Herr Lenz! Die Installation einer Kamera in der Öffentlichkeit ist ein tiefer Eingriff in die Grundrechte eines jeden Menschen. Auf das Mittel der Videoüberwachung darf deshalb nur zurückgegriffen werden, wenn keine geeigneten Alternativen gegeben sind. Doch wie soll man feststellen, ob und an welchen Orten eine Kameraüberwachung angebracht ist? Und vor allem: Wie soll man feststellen, ob das in dem Moment auch etwas bringt? Ich sage, derjenige, der neue Überwachungstechnik einführen will und Eingriffe in die Grundrechte plant, muss nachweisen, dass das etwas bringt und das Mittel im Verhältnis zum Zweck steht.
(Stephan Lenz)
Das ist im Fall der immer weiter ausgedehnten Videoüberwachung in Berlin und ganz besonders im öffentlichen Nahverkehr nicht geschehen. Hierzu ist es notwendig, eine unabhängige und breite wissenschaftliche Studie anzulegen. Deshalb unterstützen wir dieses Anliegen. Wir haben das schon bei der Ausweitung der Speicherfrist auf 48 Stunden erlebt, die Koalitionsfraktionen verlassen sich bei derart wichtigen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen auf Bauchentscheidungen und allgemeine Stimmungslagen. Das kann nicht der richtige Weg sein. Deshalb muss dieses Instrument so schnell wie möglich einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.
Über die Wirkung von Kameraüberwachung lässt sich streiten. Eines ist jedoch sicher: Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Sicherheitspersonal in dieser Stadt abgebaut wurde. In Bussen und Bahnen muss man schon Glück haben, mal auf ansprechbares Personal zu treffen.
Und auf den allermeisten Bahnhöfen in der Stadt: Menschenleere und Kameras. Ob das in der konkreten Situation Sicherheit schafft, da habe ich meine Zweifel. Eine Kamera kann in einer Gefahrensituation nicht eingreifen. Sie kann höchstens bei erfolgten Straftaten dazu führen, dass die Täter schneller ermittelt werden. Es geht doch aber darum, dass Straftaten gar nicht erst verübt werden. Was wir deshalb brauchen, sind Einsatzkräfte, die in einer konkreten Gefährdungssituation auch zum Schutz betroffener Bürgerinnen und Bürger eingreifen können. Der Ausbau der Überwachungstechnik wird die Probleme nicht lösen, sondern höchstens verlagern.
Das kann nicht das Ziel einer vernünftigen Sicherheitspolitik in der Stadt sein. In den vergangenen Jahren ist der Einsatz von Kameras zur Überwachung des öffentlichen Raums enorm angestiegen. Wir haben es in Berlin inzwischen mit fast 15 000 Kameras zur Überwachung der Öffentlichkeit zu tun. Das heißt im Umkehrschluss, dass eine Berlinerin und ein Berliner kaum auf die Straße gehen kann, ohne in irgendeiner Weise mit Kameras in Berührung zu kommen.
In Berlin können wir auf eine positive Entwicklung verweisen. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist seit Jahren eine zurückgehende Gewaltkriminalität in Berlin aus. Auch die Jugendkriminalität ist so niedrig wie lange nicht. Wir haben es also nicht, wie viele Befürworter der Videoüberwachung behaupten, mit einer Eskalation der Gewalt in der Stadt zu tun. Panikmache ist fehl am Platz. Es kann deshalb nicht sein, dass die Koalitionsfraktionen den Einsatz der Kameraüberwachung in der Stadt noch weiter intensivieren wollen, ohne vorher die Wirkung zu evaluieren. Insofern unterstützen wir diesen Antrag. – Herzlichen Dank!
Lieber Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Immer wieder ist es passiert, auch in Berlin, Menschen, die zum Schutz anderer engagiert werden, missbrauchen ihre Macht und wenden sinnlose Gewalt an. Sicherheitsdienstleister werden in Berlin derzeit verstärkt zum Schutz Geflüchteter eingesetzt. Diese fliehen vor kriegerischen Auseinandersetzungen, vor Vertreibung, vor Hunger und Elend. Flüchtlinge gehören zu den schutzbedürftigsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Gerade im Zusammenhang mit diesen Menschen ist es in der
Vergangenheit immer wieder zu Übergriffen gekommen. Wir haben erschreckende Videos von LAGeSo-Gelände gesehen und erschreckende Berichte aus den Massenunterkünften in Berlin erhalten.
Was hat sich seither getan? – Die gleiche Firma ist immer noch am LAGeSo aktiv. Weitere Skandale sind dazugekommen. Auch heute können sich potenzielle Täter darauf verlassen, dass sie im Falle eines Ausrasters ihre Anonymität bewahren. Insbesondere Sie, lieber Herr Czaja, müssen sich vorwerfen lassen, Sie haben noch nichts unternommen, um dieses Problem zu lösen. Noch immer kommen große Firmen, auch ohne Ausschreibung, an Aufträge für Sicherheitsleistungen. Die können das dann weiter an Subunternehmer vergeben. Subunternehmer geben die Aufträge an weitere Subunternehmer. Am Ende entsteht ein Geflecht an beteiligten Unternehmen, und keiner blickt mehr richtig durch. Da sollten wir ein Mindestmaß an Standards einführen, die für alle in Berlin gelten.
Die individuelle Kennzeichnungspflicht, wie sie hier von der Piratenfraktion eingefordert wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Diese Forderung haben wir für die Polizei gestellt und durchsetzen können. Die bisherigen Erfahrungen sind ausschließlich positiv. Wir müssen aber mehr tun. Wir müssen sicherstellen, dass alle beteiligten Sicherheitskräfte ein erweitertes Führungszeugnis einreichen, das kontrolliert wird. Wir müssen sicherstellen, dass die Sicherheitsleute anständig qualifiziert werden, damit sie in solch sensiblen Zusammenhängen arbeiten können. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass zusätzlich zu der Sicherheitsprüfung auch interkulturelle Kompetenzen geschult und diese für den Einsatz vorausgesetzt werden.
Deshalb unterstützen wir diesen Antrag, sagen aber auch, das ist nur ein Baustein. Vom Senat fordern wir selbstverständlich mehr. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Ich frage den Senat noch einmal zum Thema Korruptionsvorwürfe beim LAGeSo. Wenn Sie hier betonen, dass Sie es nicht wussten und die Staatsanwaltschaft erst ermittelt, wie können Sie dann so sicher sein, dass nur das Vertragsverhältnis zwischen Betreiber und Sicherheitsdienst betroffen ist und nicht das Vertragsverhältnis zwischen LAGeSo und Betreiber?
Bereits zweimal wurde beim LAGeSo die Innenrevision eingesetzt. Ein drittes Mal wollen Sie nun die Innenrevision dort einsetzen. Wann werden sich dort die Zustände endlich tatsächlich verbessern?
Danke, Herr Präsident! – Herr Czaja! Ist Ihnen bekannt, dass auch für die Verlängerung der Aufenthaltsgestattung die Geflüchteten in Berlin aktuell auf einen Termin bis Juni warten müssen?
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig, wir und die gesamte EU stehen vor großen Herausforderungen. – Hier stimmt aber irgendwas nicht. Es kann nicht sein, dass ich jetzt nur noch 60 Sekunden habe. Das kann bei mir zumindest nicht der Fall sein. Das kommt zwar häufiger vor, aber aktuell stimmt es nicht.
Es ist richtig, wir und die gesamte EU stehen vor großen Herausforderungen. Es wird uns einiges abverlangen, das Recht auf Asyl und Schutz aufrechtzuerhalten und diesen Menschen eine würdige Lebensperspektive anzubieten. Wir müssen aber diese Situation bewältigen, ohne unsere Werte und Prinzipien aufzugeben. Die Bundesregierung versucht, mit einer Gesetzesflut die im Grundgesetz verbliebenen Reste des Asylrechts auch noch abzuschaffen. Bei diesem Vorgehen lässt sich die Bundesregierung weder von den Erfahrungen unserer Vergangenheit noch vom internationalen Recht beeindrucken. Es wurde mehrfach vorgetragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ich möchte es nochmals wiederholen: Das Recht auf Asyl und Schutz ist ein individuelles Recht. Nicht jeder Mensch, der in einer Diktatur lebt, ist bedroht. Hingegen können Menschen auch in einer halbwegs funktionierenden Demokratie durchaus bedroht sein. Deshalb ist die Einstufung „sicherer Herkunftsstaat“ eine völlige Verkehrung des Rechts auf Asyl und Schutz.
Abgesehen davon stellt die Einstufung beispielsweise von Ghana, Senegal oder Kosovo eine Verhöhnung der dort betroffenen Menschen dar. Jetzt sollen dieser Liste auch noch Marokko, Tunesien und Algerien zugefügt werden. Diese Staaten sind so sicher wie Horst Seehofers Lieblingsstaat Russland. Wir sollten Herrn Seehofer aber an der Stelle vielleicht nicht unrecht tun: Der Lieblingsstaat der Bundesregierung ist zurzeit die Türkei – dieselbe Türkei, die noch vor Kurzem als EU-untauglich gehandelt wurde.
Zur Frage der zahlenmäßigen Obergrenzen für Asylsuchende und Geflüchtete hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einer Ausarbeitung vom 16. Dezember 2015 festgestellt – ich darf mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitieren –:
Insgesamt ist festzuhalten, dass das geltende primäre und sekundäre EU-Asyl- und Flüchtlingsrecht keine Regelungen enthält, die eine zahlenmäßige Begrenzung der Aufnahme von international Schutzsuchenden vorsehen.
Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen.
In Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes steht:
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
Dort steht übrigens nicht: Die deutsche Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Abgesehen von dem Auftrag des Grundgesetzes: Glaubt jemand ernsthaft daran, dass Kinder ohne Eltern, Männer und Frauen ohne Partnerin und Partner oder Menschen, die nicht wissen, ob sie einen Daueraufenthaltstitel erhalten werden, die von der Union so gepriesene sogenannte Integration besser schaffen werden?
Die Grünen-Chefin Simone Peter hat davon gesprochen, dass der großen Koalition eigentlich nichts mehr heilig ist.
Sie hat recht. Wir hoffen, dass alle rot-grün bzw. rot-rotgrün regierten Bundesländer – Baden-Württemberg an der Stelle natürlich ausgenommen – diesem erneuten Abbau des Asylrechts nicht zustimmen werden. Das erwarten wir selbstverständlich auch von Berlin. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es geht heute in der Runde nicht um Frau Wagenknecht, sondern um die Ungleichbehandlung der Menschen in der Ausländerbehörde. Ich kann an der Stelle sagen: Ich gebe zu, dass wir die Ungleichbehandlung in der Ausländerbehörde abschaffen wollen.
Es gibt seit Jahrzehnten massive Kritik an der Ausländerbehörde – und zwar zu Recht, Herr Juhnke. Diese Behörde löst bei vielen Menschen aus Drittstaaten unangenehme Gefühle aus, sogar bei denjenigen, die eigentlich in dem Wissen dorthin gehen, dass bei Ihnen alle Voraussetzungen für eine Aufenthaltsgenehmigung gegeben sind. Ich selbst übrigens habe dies früher auch erfahren müssen. Um eines klarzustellen: Es liegt mir fern, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörde unter Generalverdacht zu stellen. Sicherlich ist die heutige Situation in dieser Behörde besser als vor 30 Jahren; die jetzige Leitung ist im Vergleich zu damals zumindest aufgeschlossen. Unter der Führung von Innensenator Henkel hat sich die Situation in den letzten Jahren jedoch total verschlechtert. Die Beschwerden über die Behandlung in der Behörde steigern sich tagtäglich. Wir stellen oft fest, dass Spielräume zugunsten der Betroffenen nicht genutzt werden; die Menschen werden auf ihre Rechte und Möglichkeiten nicht hingewiesen. Die hohe Arbeitsbelastung der letzten Jahre trägt sicherlich auch dazu bei. Weil Innensenator Henkel es versäumt hat, die Ausländerbehörde rechtzeitig personell und räumlich adäquat auszustatten, muss ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin in Spitzenzeiten über 60 Fälle bearbeiten. Das ist natürlich auch dem Gesetz geschuldet, das hier zur Anwendung kommt, dem sogenannten Zuwanderungsgesetz, das in erster Linie dem Schutz des Abendlandes dienen soll. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, darf ich § 1 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz – Zweck des Gesetzes –, zitieren:
Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland.
Innensenator Henkel sieht das ebenso. – Ist er noch im Raum? – Ja!
Bitte!
Möglicherweise hat Herr Juhnke die Rede sogar von denjenigen aufgeschrieben bekommen, die Sie gerade benannt haben.
Die Position von Senator Henkel ist im Übrigen nicht anders. Dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg schrieb er 2011:
Die Ausländerbehörde muss den Vollzug des Ausländerrechts garantieren und ist keine Sozialberatungsstelle.
Mit diesem Gesetz und einem so positionierten Innensenator ist es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde wahrlich nicht leicht, eine Service- und Willkommenskultur zu entwickeln. Dafür bleibt nicht viel Raum. Herr Reinhardt hat ja bereits alles aufgezählt, ich möchte das nicht wiederholen, zumal hier das rote Lämpchen leuchtet. – Oder habe ich noch etwas Zeit? – Ich habe noch ein wenig Zeit, das ist gut.
Die kann ich sinnvoll nutzen und darauf hinweisen, dass die SPD-Fraktion am 25. Januar 2015, also vor fast genau einem Jahr, die Umbenennung der Ausländerbehörde in Landesamt für Einwanderung und die Prüfung der Eingliederung in die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen beschlossen hat. Unser Ziel ist es, die Ausländerbehörde weiterzuqualifizieren und insbesondere den Service für Zuwanderinnen und Zuwanderer zu verbessern. Sie können insofern nur für diesen Antrag stimmen, lieber Herr Zimmermann. Selbstverständlich freuen wir uns darüber, dass die Grünen unserem Antrag zustimmen werden. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Karneval der Kulturen zeigt die kulturelle Vielfalt und Lebendigkeit unserer Stadt, fördert durchaus das Zusammenleben und zieht über 700 000 Menschen aus ganz Europa an. Senatsmitglieder treten gerne vor die Kameras und verkünden: Der Karneval der Kulturen ist zweifellos ein Aushängeschild für unsere Stadt! – Senatorin Kolat lässt sich gerne beim Karneval der Kulturen fotografieren.
Wenn es aber darum geht, eine stetige und angemessene Finanzierung für den Karneval der Kulturen zu gewährleisten und die zahlreichen Initiativen zu unterstützen, haben alle gerade etwas anderes zu tun. Nur intensive Bemühungen und Druck aus der Gesellschaft konnten dazu führen, dass die Koalition die Finanzierung für das Jahr 2016 gesichert hat.
(Dr. Susanna Kahlefeld)
Was 2017 und in den darauffolgenden Jahren geschehen soll, ist weiterhin offen.
Der Karneval der Kulturen hat nicht nur einen kulturellen Wert für die Bundeshauptstadt. Die Investitionsbank Berlin hat bereits 2011 auf die wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Dimensionen des Karnevals hingewiesen, die ich kurz zusammenfassen möchte. 2006 bis 2011 haben die Ausgaben der Veranstalter, die Investitionen der Künstlergruppen und der Konsum der karnevalsbegeisterten Touristen ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt von insgesamt 53,2 Millionen Euro angestoßen. Die öffentlichen Einnahmen Berlins wurden durch die zusätzlichen Wertschöpfungseffekte um insgesamt 4,2 Millionen Euro erhöht. Allein 2011 brachte jeder in den Karneval der Kulturen öffentlich investierte Euro das Fünffache an öffentlichen Einnahmen zurück. In diesem Zeitraum wurden durch den Karneval der Kulturen rund 220 Arbeitsplätze in der Hauptstadt gesichert bzw. neu geschaffen. Diese Tatsachen müssten für den Berliner Senat Anstoß sein, entsprechend zu handeln. Es existiert offensichtlich eine Finanzierungslücke; diese lässt sich nicht allein durch Sponsoren schließen. Berlin steht durch den Zuzug von Flüchtenden vor neuen Herausforderungen an Partizipation und Integration. Das gilt auch für die organisatorische Aufstellung und inhaltliche Ausrichtung des Karnevals jenseits des Kommerzes. Wir verlangen, dass der Senat nicht kurzzeitige Lösungen präsentiert, und dies nur, weil er unter zivilgesellschaftlichen Druck gerät, sondern eine langfristige Strategie in der Stadt entwickelt.
Nun wissen wir ja, dass der Berliner Senat auf dem Feld langfristiger Strategien nicht sehr innovativ ist, nicht beim LAGeSo und offensichtlich nicht beim Karneval der Kulturen. Der Karneval der Kulturen lebt in hohem Maß vom Engagement der Aktiven und Ehrenamtlichen. Diese werden aber kaum gewürdigt. Es sind mir keine Aktivitäten von Senatorin Kolat bekannt, dass sie die Zeit nach dem Karneval der Kulturen 2015 dafür genutzt hätte, die Erfahrungen der letzten Jahre auszuwerten und unter Einbeziehung der Akteure ein zukunftsfähiges Konzept zu erarbeiten. Die Senatsverwaltung hat zwar für die Selbstverständigung der Karnevalsgruppen 30 000 Euro bereitgestellt, sich aber darüber hinaus nicht eingeschaltet.
Richtig ist, dass der Karneval eine Berlinmarke geworden ist, von der zuständigen Senatsverwaltung aber bisher nichts Handfestes zu hören ist, wie dies weiterentwickelt und verstetigt werden kann. Ich bin, wir alle sind gespannt, was die zuständige Senatsverwaltung dem Auflagenbeschluss des Abgeordnetenhauses folgend dem Hauptausschuss zum 31. Januar vorlegen wird. Es reicht nicht, sich beim Karneval der Kulturen fotografieren zu lassen, liebe Frau Kolat. Der Karneval der Kulturen ist zweifellos ein Aushängeschild für unsere Stadt. Sorgen
Sie dafür, dass dies in der Hauptstadt auch so bleibt! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Pfefferspray ist nicht harmlos, wie in der Begründung unseres Antrags aufgeführt. Ist sich auch die Berliner Polizei bewusst, welche schwerwiegenden Folgen mit dem Einsatz von Pfefferspray verbunden sein können? Auch wenn man davon ausgehen kann, dass bei gesunden Personen keine bleibenden Schäden zu erwarten sind, besteht
(Thorsten Karge)
jedoch ein erhebliches Risiko für Asthmatiker und Allergiker sowie für Menschen, die Beruhigungsmittel, Drogen oder bestimmte Medikamente eingenommen haben. Bei einem Einsatz in Menschenansammlungen ist es im Übrigen nicht auszuschließen, dass Unbeteiligte getroffen werden oder dass Menschen aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes durch Pfefferspray schwer verletzt oder gar getötet werden. Aus unseren Anfragen und aus vielen Berichten ist bekannt, dass die Polizei dieses Mittel immer häufiger und immer hemmungsloser einsetzt. In der Regel werden die Betroffenen eben nicht umgehend medizinisch versorgt, wie es der Polizeipräsident im Innenausschuss immer wieder behauptet hat. Vor diesem Hintergrund ist es das Mindeste, dass wir den Einsatz von Pfefferspray auf den äußersten Notfall beschränken und ihn genau dokumentieren. Es ist nicht akzeptabel, dass Pfefferspray offensiv eingesetzt wird, etwa um Personen oder Personengruppen zu bestimmten Bewegungen zu zwingen oder um Sitzblockaden aufzulösen.
Anders als viele es behaupten, wollen wir das Pfefferspray nicht verbieten. Dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte ein Recht auf Selbstverteidigung haben, steht außer Zweifel.
Ebenso ist unstrittig, dass der Schlagstock, lieber Benedikt Lux, nicht die bessere Wahl ist. Bei der Selbstverteidigung sollte es aber auch bleiben. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir mit unserem Antrag erreichen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Haushalt für den Bereich Inneres spiegelt ziemlich genau die Politik des Innensenators Henkel wider.
Die Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU haben es geschafft, diesen Haushaltsplan genau auf Innensenator Henkel auszurichten, nämlich auf leere Symbolpolitik, eine Politik der Überschriften und teuren Projekte, die für die Sicherheit in unserer Stadt nichts bringen werden – ohne Inhalt und ohne Konzepte, wenn man zu den wirklichen Problemen kommt.
Diese Probleme bleiben liegen, genauso wie der Innensenator regelmäßig abwesend ist, wenn wir sie im Parlament behandeln.
Stattdessen findet eine vollkommen falsche Prioritätensetzung statt, was ich anhand einiger Beispiele deutlich machen möchte. Der Verfassungsschutz soll 45 neue Stellen bekommen. Das ist ein Plus von 25 Prozent.
Mehr, als sich selbst zu loben, können Sie auch nicht! – Mit der dazugehörigen Ausstattung kostet das über 10 Millionen Euro.
Bei den Bürgerämtern gibt für Monate keine Termine mehr. Die Bezirke müssen um jede einzelne Stelle betteln. Beim LAGeSo werden Flüchtlinge nicht versorgt, und es wird jeden Tag geltendes Recht gebrochen, weil nicht genug Personal da ist. Aber SPD und CDU stecken Millionen in die Aufrüstung des Geheimdienstes. Das ist die rot-schwarze Prioritätensetzung. Beispiel TKÜZentrum: Für 3 Millionen Euro will der Senat ein neues Zentrum zur Telekommunikationsüberwachung schaffen,
er konnte uns aber noch nicht mal sagen, wann und wo das gebaut wird und welche Aufgaben dort erledigt werden sollen.
Kommen wir zu Ihrem sogenannten Anti-Terror-Paket: Ich finde es schon einigermaßen erstaunlich. Nach den Terroranschlägen von Paris haben wir immer wieder gefragt, ob wir in Berlin eine erhöhte Terrorgefahr haben, und der Innensenator hat immer wieder gesagt: Nein! Wir haben eine unveränderte Sicherheitslage. – Trotzdem machen Sie mal eben 16 Millionen Euro für neue Waffen
(Dr. Robbin Juhnke)
und für eine neue Taskforce locker. Das ist genau die Symbolpolitik, die wir in dieser Stadt nicht brauchen.
Wir brauchen Geld und Personal für die tägliche Kriminalitätsbekämpfung in der Stadt und nicht für konzeptlose Antiterrormaßnahmen, die der Bevölkerung Sicherheit nur vorgaukelt.
Es gibt genug Probleme, für die man Geld in die Hand nehmen muss. Die Schießstände der Berliner Polizei sind marode und baufällig. Von 73 Schießbahnen stehen nur 40 uneingeschränkt zur Verfügung. Dazu gibt es kein Konzept vom Innensenator, keine Million von der Koalition. Neue Schusswaffen für die Polizei soll es geben, aber das Schießtraining muss ausfallen. Das sind die Zustände in Berlin, und die machen mir Angst.
Nehmen wir das Thema Personal: Noch immer werden Polizeivollzugsbeamte beim Objektschutz eingesetzt, um das dortige Personalloch zu stopfen. Noch immer müssen Vollzugsbeamte vor Botschaften stehen, anstatt Verbrecher zu jagen. Auch hierzu gibt es keine Lösung.
Thema Beamtenbesoldung: Nach diesem Haushaltsplan wird Berlin den anderen Ländern noch viele Jahre hinterher hinken. Herr Henkel persönlich hat den Beamtinnen und Beamten im Wahlkampf versprochen, die Besoldung bis 2017 anzugleichen. Das wird nicht passieren, und somit hat die Koalition ihr Versprechen gebrochen. Der Innensenator hält es nicht einmal für nötig, vor dem Innenausschuss zu erscheinen, wenn dort eine Anhörung der Volksinitiative zur Beamtenbesoldung stattfindet. Auch wenn SPD und CDU das Thema offenbar abgeschrieben haben: Die Linksfraktion wird heute wieder einen Antrag für eine schnellere Besoldungserhöhung stellen. Sie können sich also noch entscheiden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute von der CDU wirklich nichts Neues gehört. Wie sie mit schutzbedürftigen Flüchtlingen, mit Geflüchteten, in der Stadt aktuell umgeht, ist allgemein in der Stadt bekannt. Innensenator Herr Henkel und die CDU haben, vorsichtig ausgedrückt, ein merkwürdiges Verständnis in Sachen Geflüchtete und Asylsuchende. Und nicht, Herr Henkel, dass Sie jetzt rechtliche Schritte gegen mich einleiten, aber der Website des „RBB“ von 23.10.2015 ist folgende Aussage des Berliner Innensenators zu entnehmen. Ich darf an der Stelle mit Ihrer Erlaubnis zitieren:
So wurden im vergangenen Jahr in Berlin rund 9 600 Asylbewerber abgelehnt, aber den Angaben zufolge nur 602 abgeschoben, das sind rund 6,3 Prozent. In diesem Jahr wurden bis zum 1. Oktober von 9 332 Abgelehnten 618 abgeschoben, ein Anteil von 6,6 Prozent. Damit liege Berlin „schon jetzt über den Abschiebezahlen des gesamten Vorjahres“, sagte Henkel.
Wir haben in der Bundeshauptstadt einen Innensenator, der von Amts wegen auch für die Einhaltung der Verfassung zuständig sein dürfte. Er rühmt sich damit, dass er die Zahl der abgeschobenen Schutzsuchenden erhöht hat. Wenn das kein Skandal ist!
In der gleichen „RBB“-Meldung wird übrigens auch der Regierende Bürgermeister Müller zitiert:
Abschiebungen werden das Problem nicht lösen. Dazu kommen in der Masse viel zu viele Asylbewerber.
Ich muss es zum wiederholten Mal sagen: Auch wenn Asylgründe nicht vorliegen sollten, gibt es berechtigte Gründe, diesen Menschen Schutz vor Verfolgung, Unterdrückung und Diskriminierung zu gewähren, wie wiederum mehrfach angeführt.
Wie wiederum mehrfach angeführt, weisen zahlreiche Berichte von Nichtregierungsorganisationen auf die existenzielle Bedrohungssituation von Minderheitengruppen wie der Roma, Ashkali und „Ägypter“ insbesondere in Serbien, in Mazedonien, im Kosovo, in Montenegro, in Bosnien, in Herzegowina und in Albanien hin. Die Menschen in diese lebensbedrohlichen Gegenden abzuschieben und dann noch in den Wintermonaten, ist unmenschlich.
Sehr geehrter Herr Henkel! Das ist nicht der Auftrag unseres Grundgesetzes.
Auf dem Landesparteitag 2015 hat die Berliner SPD einen Winterabschiebestopp gefordert. Besonders makaber ist die Entscheidung, das ehemalige Abschiebegefängnis in Berlin in eine Unterkunft für sogenannte aussichtslose Fälle umwandeln zu wollen. Welch eine Ironie, wenn es hier nicht um Leib und Leben der Betroffenen ginge. Das Mindeste, was der Berliner Senat machen muss, um dem Auftrag des Grundgesetzes zu genügen, ist, eine gründliche Einzelfallprüfung – so wird übrigens auch in Thüringen vorgegangen – vor jeder Abschiebung vorzunehmen. Die Forderung der Antragstellerinnen und Antragsteller bleibt aber, aus humanitären Gründen einen generellen sofortigen Winterabschiebestopp für alle schutzbedürftigen Menschen ab sofort und in Zukunft ab November eines Jahres bis einschließlich 31. März des Folgejahres zu erlassen. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat: Treffen Berichte zu – habe ich Herrn Graf heute richtig verstanden; er ist in seiner Rede darauf eingegangen –, dass im Berliner Abschiebege
wahrsam Grünau nun eine Unterkunft insbesondere für Menschen aus dem Westbalkan geschaffen werden soll, und soll das jetzt so etwas werden wie das bayerische Modell?
Herr Senator! Wie und von wem wird entschieden, wer dort, in diesem ehemaligen Abschiebeknast, untergebracht werden soll und wer woanders? Wer entscheidet darüber?
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im September vergangenen Jahres waren wir erschüttert über die Bilder aus Nordrhein-Westfalen: Ein gefesselter Flüchtling lag am Boden und hatte den Fuß eines Wachmanns in seinem Nacken. – Die Bilder stammten aus einer Notunterkunft für Geflüchtete in Nordrhein-Westfalen. Bereits zu diesem Zeitpunkt haben wir den Senat aufgefordert, Maßnahmen zum Schutz Geflüchteter vor derartigen Gewaltausbrüchen zu ergreifen. Die Menschen fliehen aus kriegerischen Auseinandersetzungen, vor Vertreibung, vor Hunger und Elend. Flüchtlinge gehören zu den schutzbedürftigsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Das Leben und die Sicherheit der Schutzbedürftigen muss höchste Priorität staatlichen Handelns haben.
Inzwischen haben wir leider auch vor unserer Haustür Gewaltausbrüche gegen Flüchtlinge verzeichnen müssen – ausgerechnet von denjenigen, die dazu engagiert wurden, Flüchtlinge vor Übergriffen zu schützen. Sie kennen sicherlich alle die Videos vom Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales. Die Videos zeigen deutlich, wie Sicherheitsmitarbeiter der dubiosen Firma Spysec auf brutalste Art und Weise Menschen verprügeln, die ohnehin auf dem Boden liegen. Das wäre in jedem Fall fatal, wenn es sich bei den Opfern jedoch um traumatisierte Menschen handelt, ist der Skandal um einiges größer.
Nun fragen sich einige: Wie konnte es so weit kommen. Warum haben wir das alles nicht mehr im Griff? – Ich erkläre es Ihnen: Im Rahmen öffentlicher Ausschreibungsverfahren bekommen große Firmen den Zuschlag für bestimmte Sicherheitsobjekte. Das ist die Quelle allen Übels. Die öffentliche Sicherheit ist nicht verhandelbar und sie darf nicht in die Hände intransparent handelnder privater Sicherheitsunternehmen vergeben werden. Nun nimmt eine große Firma den Auftrag an und gibt ihn an Subunternehmer weiter. Subunternehmer geben die Aufträge ebenfalls an weitere Subunternehmen weiter, und am Ende entsteht ein Geflecht beteiligter Unternehmen,
und niemand blickt mehr richtig durch. Wenn wir dieses Geflecht schon nicht unterbinden, sollten wir ein Mindestmaß an Standards einführen, die für alle gelten.
Die individuelle Kennzeichnungspflicht, wie sie von der Fraktion der Piraten eingefordert wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Diese Forderung haben wir damals für die Polizei gestellt und durchsetzen können. Die bisherigen Erfahrungen damit sind ausschließlich positiver Natur. Wenn wir die öffentliche Sicherheit schon in die Hände dubioser Firmen geben, sollten wir zumindest die Mindestauflagen für Beschwerden übernehmen, denen auch unsere Polizei unterliegt. Ein verprügelter Mensch muss doch wohl die Möglichkeit haben, sich darüber zu beschweren, dass er verprügelt wurde. Das ist ja wohl das Mindeste. Die vorbeugende Wirkung individueller Kennzeichen ist einleuchtend. Deshalb ist dieser Antrag aus unserer Sicht unterstützenswert.
Trotz unserer Zustimmung kann dies jedoch nur ein Anfang sein. Wir müssen sicherstellen, dass alle eingesetzten Sicherheitsmitarbeiter ein erweitertes Führungszeugnis einreichen und diese Zeugnisse seitens der Auftraggeber auch tatsächlich eingefordert und kontrolliert werden. Zudem reichen die Sicherheitsprüfungen nach § 34a GewO noch lange nicht, um Sicherheitsangestellte in sensiblen Zusammenhängen mit Flüchtlingen einzusetzen. Dies gilt insbesondere in Bereichen, in denen Spannungen, wie zum Beispiel auch auf dem Gelände des LAGeSo, vorhersehbar sind. Wenn uns traumatisierte Menschen erreichen, ist es – verdammt noch mal – unsere Pflicht, ihnen einfühlsam entgegenzutreten. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass zusätzlich zu der Sicherheitsprüfung auch interkulturelle Kompetenzen im Rahmen von Schulungen trainiert und diese beim Einsatz der entsprechenden Mitarbeiter vorausgesetzt werden.
Zusammengefasst: Die Weitergabe der öffentlichen Sicherheit an private Dienstleister befreit den Senat nicht von der Pflicht, die Erfüllung dieser Aufgaben zu kontrollieren. Die öffentliche Sicherheit ist nicht verhandelbar und sie muss ohne Wenn und Aber gewährleistet werden. In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir gesehen, dass dies nicht umfassend geschieht. Der richtige Weg wäre es nun, auf geschulte Polizeibeamte des Objektschutzes im Bereich der Flüchtlingseinrichtungen zu setzen. Wenn die Koalition schon nicht über genügend Sachverstand verfügt, um diese sinnvolle Maßnahme umzusetzen, dann sollte sie wenigstens den Anstand haben und Mindestauflagen für das Sicherheitspersonal formulieren, das insbesondere im Zusammenhang mit Geflüchteten zum Einsatz kommt. Hierzu gehört unter anderem eine individuelle Kennzeichnungspflicht. Wie bereits erläutert, kann dies jedoch nur ein Anfang sein. Eine Reihe von Auflagen, wie zum Beispiel das Vorhandensein interkultureller Kompetenzen und besondere Schulungen müssen dem selbstverständlich noch folgen. – Herzlichen Dank!
(Dr. Robbin Juhnke)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seien wir ehrlich, die Härtefallregelung ist eine Krücke. Das Aufenthaltsrecht der Bundesrepublik Deutschland ist kompliziert, selektiv und restriktiv. In weiten Teilen ist es ein Einwanderungsverhinderungsrecht. Es gibt diskriminierende Sondergesetze für Asylsuchende und Geduldete. Es gibt jede Menge Hindernisse und Fallstricke für Menschen, die hier in Deutschland bleiben wollen. Selbst Menschen, die einen legalen Aufenthaltsstatus haben, wird es schwer gemacht, diesen zu verstetigen und sich hier in Deutschland eine eigenständige Zukunft aufzubauen.
In diesem Kontext muss man die Härtefallregelung betrachten. Sie ist eine wichtige Auffangmöglichkeit für besondere Härten. In unserer Rechtsordnung gibt es viele, die trotz großer Anstrengungen und eines langjährigen Aufenthalts durch den Rost fallen. Berlin hatte übrigens 1990 die bundesweit erste Härtefallkommission eingerichtet. Über deren Arbeit sind seitdem viele Menschen zu einem legalen Aufenthalt in Berlin gekommen, doch mittlerweile ist das weniger geworden, denn es weht ein kalter Wind vom Innensenator Henkel.
Hierzu eine Einschätzung – wenn Sie vielleicht zuhören können, Herr Heilmann und Herr Henkel –
eines wahrhaft unverdächtigen Zeugen. Ich darf mit Ihrer Erlaubnis zitieren, Herr Präsident!
Bernd Szymanski von der Evangelischen Kirche Anfang dieses Jahres wörtlich:
Wir haben keinen guten Dialog mit Herrn Henkel. Wir wünschen uns einen offeneren Umgang.
Zu Recht üben Kommissionsmitglieder aus den Nichtregierungsorganisationen massiv Kritik an Herrn Henkels übertriebener Härte. Henkel hat bislang zwei Drittel der Empfehlungen der Kommission abgelehnt. Sein Vorgänger Ehrhart Körting war dagegen in seiner Amtszeit rund zwei Dritteln der Empfehlungen gefolgt. Hier hat Innensenator Henkel sogar das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge übertroffen. Während das Bundesamt seit der Gesetzesänderung, die die Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt hat, in neun Fällen Sinti und Roma ein Recht auf Asyl wegen ethnischer Verfolgung zugestanden hat, weigert sich Henkel grundsätzlich, in diesen Fällen den Empfehlungen der Kommission zu folgen.
Mitglieder der Härtefallkommission beschwerten sich über die völlig unzureichende Zusammenarbeit des Innensenators mit der Kommission. So blieben viele Schreiben der Härtefallkommission wochenlang unbeantwortet. Deshalb ist eine Reform der Regelung zur Härtefallkommission dringend notwendig.
Die Härtefallkommission soll, wie der Name sagt, besondere humanitäre Fälle behandeln, wo die gesetzlichen Regelungen nicht greifen. Hier müssen humanitäre Gesichtspunkte im Vordergrund stehen. Es ist absurd, dass das Kriterium der vollständigen Lebensunterhaltssicherung oder eine Straffälligkeit von Herrn Henkel zu Ausschlusskriterien erklärt worden sind, ohne die Lebensumstände des Menschen zu berücksichtigen. Herrn Henkel scheint es auch nicht zu interessieren, dass Antragsteller in Berlin geboren bzw. aufgewachsen sind.
Das Verhalten von Innensenator Henkel hebelt den Sinn der Härtefallregelung aus. Sie bedeutet doch gerade, besondere Lebensumstände zu berücksichtigen und jeden Einzelfall zu betrachten. Die Härtefallkommission und der Innensenator entscheiden über Schicksale. Deshalb ist es notwendig, dass der Innensenator seine ablehnenden Entscheidungen der Kommission gegenüber schriftlich begründet und ihr die Möglichkeit einer Antwort gibt, bevor die endgültige Entscheidung gefällt wird.
Liebe Frau Bayram! Über Ihre Verbesserungsvorschläge werden wir sicherlich im Innenausschuss beraten. Ob auch Abgeordnete in der Härtefallkommission mitarbeiten können – dem steht, denke ich, nichts im Wege. – Herzlichen Dank!
(Dr. Robbin Juhnke)
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Vorsitzender! Zunächst einmal möchte ich meinen Dank aussprechen: Sowohl die Freiwillige Feuerwehr als auch die Berliner Berufsfeuerwehr leisten Tag für Tag großartige Arbeit. Ich denke, ich spreche im Namen aller, wenn ich sage: Wir hätten ein ganz anderes Stadtbild, gäbe es die Retterinnen und Retter in der Not nicht. Herzlichen Dank!
Wir sind uns einig, dass die Attraktivität der Freiwilligen Feuerwehr erhöht werden muss. Dafür ist auch meine Fraktion. Der Koalitionsantrag ist aus meiner Sicht aber nichts Halbes und auch nichts Ganzes. Er ist an den meisten Stellen zu unkonkret, enthält zu viele Prüfaufträge; es sind Ansätze da, aber keine klaren Konzepte.
Zunächst begrüße ich ausdrücklich die Forderung, Menschen mit Behinderung in den Einsatzdienst der Freiwilligen Feuerwehr einzubeziehen, sehe aber angesichts der strengen Prüfungsbestimmungen praktische Umsetzungsschwierigkeiten. Auch die geforderte interkulturelle Öffnung der Freiwilligen Feuerwehr begrüße ich ausdrücklich. Jedoch fehlt auch hier ein konkretes Konzept, das den Migrantinnen und Migranten den Zugang zur Freiwilligen Feuerwehr erleichtern könnte.
Ja, bitte!
Wir haben schon mehrfach in dem dafür zuständigen Ausschuss deutlich gemacht, dass es in Berlin 1 400 Menschen gibt, die Tag für Tag hervorragende Arbeit leisten, und dass man diese Arbeit selbstverständlich auch
(Alexander J. Herrmann)
anerkennen muss. Wir haben neulich hierzu auch einige Vorschläge im Innenausschuss gemacht – ich komme gleich noch dazu, dann bekommen Sie die Frage automatisch beantwortet. Vielleicht hätten Sie ein bisschen warten sollen!
Bitte, Herr Schreiber! Ich bin ja heute nicht so!
Lieber Herr Schreiber! Ich denke, der Senat verfolgt in diesem Bereich insgesamt eine Politik, die aus meiner Sicht nicht auf Nachhaltigkeit beruht.
Hören Sie doch erst mal zu! Sie hätten ja auch Fragen stellen können; das haben Sie jetzt leider verpasst – beim nächsten Mal! – Durch Einsparungen im Bereich der erforderlichen Erhaltungsinvestitionen gefährdet dieser Senat die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Es ist so – das für Sie als Information, Herr Schreiber; wenn Sie schon eine Frage stellen, sollten Sie auch zuhören –, dass nicht mal jeder zweite Rettungswagen innerhalb der vereinbarten acht Minuten am Unfallort erscheint. Und in den Außenbezirken kommt übrigens nicht einmal jeder vierte Rettungswagen innerhalb der Rettungsfrist am Unfallort an. Sie waren am Montag doch im Innenausschuss dabei! Haben Sie da gar nicht zugehört, was ich dazu gesagt habe? Also wirklich!
Ja, aber das macht er nicht! – Auch die geforderte interkulturelle Öffnung, lieber Herr Schreiber, der Freiwilligen Feuerwehr begrüße ich selbstverständlich ausdrücklich. Jedoch fehlt auch hier ein konkretes Konzept von
Ihnen, das den Migrantinnen und Migranten, das habe ich bereits unterstrichen, den Zugang zur Freiwilligen Feuerwehr erleichtern könnte.
Wenn Sie davon sprechen, wenn die Koalition davon spricht, eine berlinweite Werbekampagne zu starten, um mehr Neumitglieder für die Freiwillige Feuerwehr zu begeistern, dann frage ich mich abermals, was sich die Koalition darunter tatsächlich vorstellt. In der Anhörung zu diesem Thema vor ein paar Monaten, Herr Schreiber, kam zum Beispiel der Vorschlag, ich zitiere: Wir können ein paar Busse bedrucken mit der Aufschrift „Gehen Sie zur Freiwilligen Feuerwehr“.
Das soll die Attraktivität der Freiwilligen Feuerwehr in dieser Stadt erhöhen? – Ich bitte Sie!
Um der Sache auf den Grund zu gehen, lieber Herr Schreiber, würde ich die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen gern an folgende Aspekte erinnern: Um sich bei der Freiwilligen Feuerwehr zu engagieren, reicht es eben nicht, einen Lebenslauf zu verschicken, nein, es geht auch um die Frage, ob Bewerberinnen und Bewerber in der Nähe der Freiwilligen Feuerwehr wohnen, und natürlich auch um die Frage, ob sie sich die Miete überhaupt leisten können. Es geht weiterhin um die Frage, ob das Engagement mit dem Hauptberuf und dem Familienleben vereinbar ist. Insbesondere im Bereich des Brandschutzes, Katastrophenschutzes und des Rettungsdienstwesens übernimmt die Freiwillige Feuerwehr eine wichtige Verantwortung in unserer Stadt. Mit eigenen Rettungswagen leistet die Freiwillige Feuerwehr übrigens auch in diesem Bereich ihren Beitrag. Über das Rettungswesen verliert der Antrag jedoch kein einziges Wort. Werbekampagnen, Ehrenamtskarten sind gut und schön, was jedoch her muss, ist etwas Handfestes.
Es gilt die Frage, was man tun muss, um bestehende Mitgliedschaften zu halten. Eine Ehrenpension – das habe ich bereits im Innenausschuss vorgeschlagen – in Höhe von 50 bis 100 Euro monatlich beispielsweise wäre ein richtiger Ansatz, um die ehrenamtliche Arbeit angemessen zu würdigen.
Niemand will in einer Bruchbude arbeiten. Deshalb fordern wir ein ausgearbeitetes Konzept, wie und mit welchem Zeitplan dieser Sanierungstau abgebaut werden soll. Stattdessen lesen wir im Antrag einen Prüfauftrag.
Doch! – Das ist inakzeptabel. Die Zustände müssen jetzt verbessert werden. Dazu bedarf es, lieber Herr Schreiber, keines Prüfauftrages, sondern einer konkreten Prioritätenliste. Mit dem Koalitionsantrag soll eine Kampagne losgetreten werden, die der Freiwilligen Feuerwehr schnellstmöglich Neuzugänge bescherten. Viel wichtiger
für die Attraktivität ist aber, bestehende Mitgliedschaften zu stärken,
indem die ehrenamtliche Tätigkeit anständig gewürdigt wird und Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessert werden.
Hierzu müssen fertige Konzepte anstatt vereinzelter Maßnahmen und Lösungen anstatt Prüfaufträge hervorgebracht werden.
Wir werden uns deshalb der Stimme enthalten. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen vor der größten Herausforderung seit dem Mauerfall. Aber auch diese Herausforderung lässt sich meistern, wenn wir ohne Hektik, ohne Pauschalisierungen, Diskriminierung und Kriminalisierung der Schutzsuchenden eine humane Asyl- und Flüchtlingspolitik im Sinn unseres Grundgesetzes umsetzen. Dazu gehört auch, mit der hilflosen und wirkungslosen Abschottungspolitik Schluss zu machen. Von der großen Koalition im Bund kommen ja wieder neue, haarsträubende Vorschläge, weshalb wir schon jetzt den Senat auffordern, weitere Einschränkungen des Asylrechts im Bundesrat abzulehnen.
Unser heutiges Thema ist der gemeinsame Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, der auf eine ganz besonders irrsinnige und kriminalisierende Praxis bei der Aufnahme von Flüchtlingen abzielt. Zurzeit läuft in Berlin ein bürokratischer Unfug ersten Grades ab: Aufgrund der eingeschränkten Öffnungszeiten der zentralen Aufnahmeeinrichtung stellen viele Flüchtlinge ihren Asylantrag bei einer Polizeidienststelle, oder die Polizei kommt selbst in die Notunterkünfte. Gegen Flüchtlinge, die ohne Visum oder erforderlichen Aufenthaltstitel eingereist sind, werden dann Strafverfahren wegen unerlaubter Einreise oder illegalem Aufenthaltsstatus eingeleitet. Diese Verfahren werden später fast ausnahmslos von der Staatsanwaltschaft eingestellt. – So etwas an Bürokratismus hätten sich nicht einmal Aziz Nesin oder Ephraim Kishon vorstellen können. Anstatt den Menschen nach einer langen und gefährlichen Flucht schnell eine ordentliche Unterkunft und medizinische
Versorgung zukommen zu lassen, werden sie wie Kriminelle behandelt. Das ist Irrsinn, und das kann nicht sein.
Die Polizei und die Staatsanwaltschaft, die ohnehin mit ihren originären Aufgaben stark überlastet sind, müssen hier einen weiteren unnötigen bürokratischen Aufwand betreiben, und das für nichts. Selbst die Beschäftigten der Polizei und die zuständigen Gewerkschaften haben diese Praxis als völlig sinnlos kritisiert. Das ist auch nicht verwunderlich.
Außerdem, was ist eigentlich mit internationalem Recht, an das auch Berlin gebunden ist? Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet, die unrechtmäßige Einreise von Flüchtlingen zu bestrafen. So ist Flucht als Rechtfertigungsgrund zu interpretieren, der einen Straftatbestand der unerlaubten Einreise von vornherein ausschließt. Wenn jetzt gleich die Redner der Koalition darauf hinweisen, dass der Senat das auch so sieht und das abstellen will, dann frage ich: Warum haben Sie das nicht schon längst gemacht? Warum müssen dann erst Tausende angezeigt werden? Warum musste die Opposition erst aufschreien, damit der Senat handelt?
Wir machen in unserem Antrag die richtigen Vorschläge. Es ist dringend notwendig, einen 24-Stunden-Dienst in der zentralen Aufnahmeeinrichtung des Landes Berlin für Asylbewerber sicherzustellen, wie dies beispielsweise in Hamburg der Fall ist. Der Senat muss die Polizei anweisen, gegen Flüchtlinge keine Strafverfahren mehr wegen unerlaubter Einreise oder unerlaubten Aufenthalts einzuleiten und keine erkennungsdienstliche Behandlung durchzuführen. Wir sollten in Berlin, wo die überwiegende Mehrheit große Solidarität mit den Flüchtlingen zeigt, auch die Politik entsprechend gestalten. Man kann nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, Willkommenskultur predigen und dann mit einer solchen Praxis Kriminalisierung und Ausgrenzung betreiben.
Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, dass Sie unseren Antrag unterstützen, damit schnellstens Schluss ist mit diesem Irrsinn. – Herzlichen Dank!
Herr Henkel! Nun ist nachgewiesen worden, dass die Aussagen von Frau Breitenbach gestern in der Pressemitteilung richtig waren. Werden Sie sich heute für Ihre nicht richtigen Aussagen bei Frau Breitenbach entschuldigen?
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was nach dem Bekanntwerden der NSU-Verbrechen zutage getreten ist, war ein Desaster für die Sicherheitsbehörden in ganz Deutschland. Und was an Kungelei und Verstrickungen zwischen Staat und der Neonazi-Szene zutage getreten ist, ist unerträglich, und zwar ganz besonders in Bezug auf die Polizei und die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern. Über die Praxis der V-Leute ist hier schon mehrmals diskutiert worden. Meine Fraktion hat dazu eine klare Haltung. Der Staat darf nicht mit Neonazis und Verbrechern paktieren und denen auch noch Geld zahlen.
Die Praxis ist unkontrollierbar, auch für uns als Parlament. Missstände können sich ungestört ausbreiten und verfestigen, und die Aufklärung im Nachhinein wird systematisch durch die Mauer des Geheimschutzes verhindert. Kurz: Der Einsatz von V-Personen bringt keinen Nutzen, sondern schadet der Demokratie und muss deshalb beendet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir jetzt, fast vier Jahr nach dem Auffliegen des NSU, erleben, ist nicht etwa eine selbstkritische Analyse der Sicherheitsstrukturen in Deutschland. Wir erleben, dass genau die Strukturen, die für das Versagen der Sicherheitsbehörden verantwortlich sind, auch noch gestärkt werden. SPD und CDU im Bund haben die Geheimdienste weiter aufgerüstet, die parlamentarische Kontrolle bleibt eine Farce. Das neue Verfassungsschutzgesetz sieht vor, dass auch weiterhin Schwerkriminelle als V-Personen angeworben werden dürfen. Es wird sogar geregelt, dass diese Straftaten begehen dürfen. Auch in Berlin ist es nicht anders.
Nein, ich möchte meine Rede erst weiter fortführen. – Mit dem neuen Haushalt wollen SPD und CDU den Verfassungsschutz massiv aufstocken, und sie wollen den Einsatz von V-Leuten ausweiten. Schaut man in den entsprechenden Titel beim Verfassungsschutz, liest man dort, dass es statt 530 000 Euro im Jahr jetzt 680 000 Euro im Jahr sein sollen. Bei der Polizei sieht es übrigens ähnlich aus. Wenn das so weitergeht, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir einen neuen V-Leute-Skandal auch hier in Berlin haben.
(Tom Schreiber)
Nun zum Antrag der Grünen: Sie haben sich endlich dazu durchgerungen, die Abschaffung der V-Leute beim Verfassungsschutz zu fordern. Das hat eine Weile gedauert, aber es ist zu begrüßen. Allerdings geht es bei Ihnen nur um den Verfassungsschutz. Was ist mit der Polizei, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen? – Wir hatten hier in Berlin den großen Skandal um den V-Mann Thomas Starke, der vom LKA zehn Jahre lang geführt wurde. Dieser Mann ist dem engen Unterstützerkreis des NSU zuzurechnen und hat der Polizei sogar einen Hinweis auf das Trio gegeben. Dieser Mann war ein Neonazi und Verbrecher von der ganz schlimmen Sorte. Wir haben es hier gemeinsam erlebt: Alles, was Sie in Ihrem Antrag über V-Leute beim Verfassungsschutz schreiben, trifft auch auf die Polizei zu.
Das Land Berlin hat Herrn Starke Geld gezahlt und so die Umtriebe von Neonazis gefördert. Der Erkenntnisgewinn war übrigens zweifelhaft. Den Hinweisen von Herrn Starke ist man nicht nachgegangen. Die Machenschaften waren nicht kontrollierbar. Und auch im Nachhinein haben der Innensenator und die Polizei gemauert und immer wieder den Quellenschutz vorgeschoben. Also, liebe Grüne, wenn Sie sich auf den Verfassungsschutz beschränken, bleiben Sie auf halber Strecke stehen.
Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob Sie nicht wieder umkehren und zurücklaufen. Ihr Antrag zeigt wieder einmal, dass Sie sich nicht entscheiden können, ob Sie staatstragend oder kritisch sein wollen.
Wenn Sie zuhören, können Sie das noch mitbekommen. –
Lieber Benedikt Lux! Auf der einen Seite kritisieren Sie zu Recht die Machenschaften der Geheimdienste und die Gefahren des V-Leute-Einsatzes beim Verfassungsschutz. Auf der anderen Seite aber vertrauen Sie in der Antragsbegründung bei der Polizei auf die Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte. Wir haben bei der Aufarbeitung des Berliner NSU-Skandals alle gesehen, dass das nicht funktioniert. Das ist inkonsequent und unlogisch. Deshalb bekommen Sie von uns zwar Unterstützung für Ihr Anliegen, aber zum Antrag nur eine Enthaltung. – Herzlichen Dank!
Manchmal muss man wirklich zuhören, lieber Herr Tom Schreiber!