Protokoll der Sitzung vom 20.02.2014

Ich kann schon mal hier sagen: Wir als Grüne-Fraktion wollen eine Gestaltung des Tempelhofer Feldes. Für uns sind dabei vor allem drei Aspekte zentral. Erstens: Wir wollen, dass das Feld ökologischer wird. Das gilt für das Feld, das Regenbecken und die Quartiere. Zweitens: Wir wollen, dass die Quartiere sozialer werden, und schlagen daher, anders als Sie, eine Quotenregelung vor, die mindestens zwei Drittel der Wohnungen sozial gestaltet. Und drittens: Wir wollen, dass die Berlinerinnen und Berliner endlich ernst genommen werden. Deshalb ist für uns das Verfahren mit einer anderen Beteiligungskultur essentiell.

[Lars Oberg (SPD): Was für ein Quatsch!]

Hören Sie doch mal zu, Herr Oberg! Wir alle stehen vor der Herausforderung eines anstehenden Europawahlkampfs, der schon jetzt von einer Stimmung geprägt ist, von den kleinen Leuten da unten, die es mal den großen Leuten da oben zeigen wollen. Ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang nicht ratsam, weiteres Vertrauen in die Politik zu verspielen. Ich warne deshalb sehr vor einer Lagerabstimmung am 25. Mai. Dann laufen Sie nämlich allesamt Gefahr, dass es nicht nur eine Abstimmung über die Zukunft des Tempelhofer Feldes wird, sondern auch eine Abstimmung über die Zufriedenheit mit der Berliner Regierung.

[Zurufe von der SPD]

Klaus Wowereit kann sich gut in Szene setzen. Am 25. Mai haben die Berlinerinnen und Berliner dann aber direkt mal die Möglichkeit, das zu bewerten. Und bei Ihrem Gebaren in der Frage André Schmitz halte ich das zum jetzigen Zeitpunkt für keine gute Idee.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Für die Fraktion der SPD jetzt der Kollege Buchholz!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen! Meine Herren! Ich gestehe eines: Diese Krawatte ist eine politische Aussage.

[Uwe Doering (LINKE): Nein!]

(Antje Kapek)

Ja! – Es geht um das Tempelhofer Feld, und wir sagen als SPD-Fraktion eines ganz eindeutig – und Sie wissen, dass das auch die Haltung der gesamten Koalition ist:

[Unruhe]

Die große grüne Freifläche – 230 Hektar, das ist eine Fläche, die größer ist als der Staat Monaco, größer als der Große Tiergarten in Berlin – wollen und werden wir gesetzlich sichern. Punkt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Entschuldigung: Ausrufezeichen!

Und ich würde bitten: Liebe Kollegin Kapek! Haben Sie es nicht eine Nummer kleiner?

[Antje Kapek (GRÜNE): Nein!]

Wissen Sie eigentlich, dass Sie hier zur Aktuellen Stunde reden? Da halten Sie die Begründung für ein anderes Thema – interessant, wenn wir uns die neue Tagesordnung anschauen. Aber vor allen Dingen frage ich mich eines: Zwischen Zuckerbrot und Peitsche, die anderen Begriffe, die Sie hier anbieten, will ich gar nicht benutzen – was will die Grüne-Fraktion denn hier wirklich? Das ist das Problem der Grünen: Sie wissen nicht, was sie wollen!

[Beifall bei der SPD]

Es ist eines eindeutig – Frau Kapek, Sie haben es gesagt: Sie können als Fraktion oder als Landesverband der Grünen diesem Volksbegehren nicht zustimmen, weil auch sie für eine Randbebauung sind, mindestens am westlichen Rand. Die Linksfraktion kann dem auch nicht zustimmen, weil sie mindestens für den Bau der ZLB und den Bau von sozialverträglich bezahlbaren Wohnungen ist.

[Uwe Doering (LINKE): Das ist doch mal eine Aussage!]

Also können sie auch dem Volksentscheid nicht zustimmen. Wenn wir uns an den Wortbeitrag der Piraten vor vier Wochen zurückerinnern: Auch diese sagen, eine behutsame Randbebauung soll möglich sein.

[Uwe Doering (LINKE): Warum reden wir dann darüber?]

Eines ist schon mal klar: In diesem Parlament findet sich keine Fraktion, die sagt, die große grüne Freifläche ist zu sichern, und alle sagen, es kann und soll eine behutsame – wirklich behutsame – Bebauung an den Rändern geben. Dann, glaube ich, ist das Angebot, das wir als Koalition aussprechen, und dass wir Ihnen die Hand reichen und sagen, wir sind offen für Gespräche, sehr ernst gemeint. Wir erwarten aber auch, dass es von Ihnen ernst gemeint ist.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Florian Graf (CDU) und Stefan Evers (CDU)]

Denn es geht nicht, dass Sie, Kollegin Kapek, sich hier einen ganz schlanken Fuß machen und einerseits sagen: Ist es denn nun am 25. Mai eine Abstimmung über den Regierenden Bürgermeister? Oder über die Haltung der Grünen-Fraktion? Oder vielleicht doch über Tempelhof?

Kollegin Kapek! Es geht um das Volksbegehren „100 Prozent Tempelhofer Feld“. Und dann müssen Sie einmal ganz ehrlich eingestehen, wer diesem Volksbegehren zustimmt, der sagt, es darf dort keine Schule entstehen. Es dürfen dort nicht die vorgesehenen Kitas entstehen. Es dürfen dort keine Radwege entstehen. Es dürfen dort keine 4 700 Wohnungen zu sozialverträglichen Preisen entstehen. Da frage ich mich: Wo leben Sie eigentlich, wenn wir gestern gehört haben, dass 50 000 Menschen neu pro Jahr in diese Stadt kommen? Die neuen Berlinerinnen und Berliner wollen auch bezahlbaren Wohnraum, und dafür müssen wir hier sorgen – verdammt noch mal!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Es reicht nicht aus, sich immer herauszureden, es gäbe viele Potenzialflächen für neuen Wohnraum in der Stadt. Gerade Ihre Fraktion, verehrte Kollegin, macht es sich sehr einfach. Fragen Sie mal die Grünen-Bezirksfraktion, welche einzelne Brachfläche in den Bezirken – theoretisch – zur Verfügung steht! Aber praktisch: Nein! Diese Fläche gerade nicht! Da lebt die Zauneidechse! Da geht Fiffi baden! Da erholen sich die Leute! Da kann auf gar keinen Fall Wohnungsbau entstehen!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

So geht das nicht! Das ist keine verantwortliche Stadtpolitik.

Und ich sage Ihnen: Es ist gut, dass wir diese Bebauungspläne hier als Parlament zu entscheiden haben. Es ist eine stadtweite Frage. Und ich sage ganz ausdrücklich für die SPD-Fraktion: Wir freuen uns, dass der 25. Mai der Tag des Volksentscheides ist. Es ist der Tag der Europawahl, und es müssen sich alle Berlinerinnen und Berliner einen Kopf darüber machen: Was machen wir mit der großen zentralen Fläche? Es ist klar, dass die große Grünfläche erhalten bleibt. Und dann muss jeder und jede für sich in der Wahlkabine beantworten: Wie ist es eigentlich, wenn ich morgen vielleicht doch umziehen muss oder möchte? Wenn meine Kinder eine Wohnung suchen, wo soll sie entstehen? Wo sollen die ganzen Neuberliner wohnen, wo wir merken, Berlin ist attraktiv, leuchtet, zieht neue Menschen an, schafft neue Arbeitsplätze, mehr als jedes andere Bundesland? Wir sind attraktiv, aber mit dieser Chance müssen wir auch wirklich wuchern und sagen: Ja, wir freuen uns auf alle, die nach Berlin kommen, aber bitte, dann müssen wir auch den Wohnungsbau unterstützen dort, wo er in die Stadt passt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich sage es gern immer wieder: Für das, was schon an Planung vorliegt für die Seite am westlichen Rand des Feldes, Tempelhofer Damm, 1 700 Wohnungen, davon zwei von städtischen Wohnungsbaugesellschaften und eine von einer Genossenschaft, die Senator Müller vertraglich zugesichert haben, dass die Hälfte der Wohnungen zu Preisen von 6 bis 8 Euro entstehen, und das vor dem Hintergrund, dass eigentlich jede Neubauwohnung heute mindestens 10 Euro kalt kosten müsste, wenn sie einfach mal die neue Energieeinsparverordnung und andere Dinge einhalten müssen: Das ist ein Angebot an die Stadt, das niemand, der politisch verantwortlich und vor allem nachhaltig handeln will, ausschlagen kann. Seien Sie sich darüber bitte bewusst, dass es leichtfertig wäre, diese Chance, die wir haben, die große Freifläche als Erholungsfläche, als Natur- und Artenschutzraum, als schlichtweg Landschaftsbild, als Raum zur Erholung, ob zum Skaten, zum Wandern, zum Toben, zum Grillen an den Ecken, wo es erlaubt ist, nicht zu nutzen! Das ist eine tolle Kombination. Es ist ein faszinierendes Freifeld. Ich habe gerade Besuch aus den USA gehabt, der sagt auch: Phantastisch, diese Fläche! Und dann frage ich ihn: Wenn du demnächst hierher ziehen müsstest, wäre es für dich sehr belastend, wenn wir an den Rand noch einige Häuser bauen? Da sagt er: Natürlich nicht, warum tut ihr das nicht als Land Berlin? Ergreift diese Chance und zeigt, dass ihr auch an die nächste Generation denkt. – Das ist unsere Verantwortung!

[Beifall bei der SPD]

Und ich wünsche mir eins, was alle drei Oppositionsfraktionen mit den Anträgen, die heute zur Beratung stehen, offensichtlich für sich nicht beantwortet haben. Frau Kapek, Sie sprechen ja gerade mit Ihrem Kollegen. Aber was sagen Sie denn nun? Sie haben uns eben erzählt, wir sollen doch bitte hier keine vollendeten Tatsachen schaffen. Es ist zugesichert, es wird nichts gebaut, bevor der Volksentscheid stattgefunden hat, erste Feststellung. Und das heißt, dort werden keine Wasserbecken gebuddelt, dort werden keine Keller von irgendwas ausgehoben. Also die Behauptung, wir würden Fakten schaffen, können Sie gleich vergessen.

Dann kommt von Ihnen noch die Behauptung, wir würden die Berlinerinnen und Berliner nicht mitnehmen. Frau Kapek, wo waren Sie eigentlich die letzten zweieinhalb Jahre? Es haben Standortkonferenzen stattgefunden, es haben Stadtwerkstätten stattgefunden. Es gibt einen Nutzerbeirat. Es gibt die ersten Entwürfe für die Bebauungspläne. Es gibt den Masterplan. Und ich kann es nur immer wieder erzählen: Wenn Sie da vor Ort gewesen wären, Frau Kapek – ich war da –: Es saßen im Hauptgebäude des ehemaligen Flughafens Tempelhof über 350 Leute und haben engagiert mitdiskutiert. Wo waren Sie denn da, als es darum ging, mit den Bürgerinnen und

Bürgern über die Zukunft dieser Fläche zu reden? – Sie waren nicht da, Frau Kapek!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Philipp Magalski (PIRATEN): Nein, aber sie durfte nicht entscheiden!]

Lieber Kollege Magalski! Vielleicht kennen Sie die Planungsverfahren im Land Berlin nicht. Wenn wir ganz bewusst sagen, es gibt eine frühzeitige Bürgerbeteiligung für Bebauungspläne, und bevor wir den FNP, den Flächennutzungsplan von Berlin, als oberste Planungsinstanz ändern, suchen wir ganz bewusst das Gespräch mit den Berlinerinnen und Berlinern – und übrigens, Herr Magalski, über das Internet und live und in Farbe, das ist eine tolle Ergänzung –, dann ist das eine super Sache. Sagen Sie mir bitte, was daran schlecht ist! Ich kann Ihnen die Liste gern noch mal vorlesen. Es sind anderthalb DIN-A-4-Seiten von Veranstaltungen, die vor Ort stattgefunden haben. Sie müssen sich einfach auch mal bekennen, ob Sie öffentliche Diskussion gut finden, Herr Magalski, oder ob es Ihnen reicht, wenn irgendein altes, vergammeltes PDF-Dokument im Internet steht. Uns reicht das nicht, sage ich Ihnen ganz klar. Wir wollen echte Bürgerbeteiligung.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Und wir müssen eins sehen, der BBU hat es gestern so schön zusammengefasst: In den letzten zwei Jahren haben wir ein Bevölkerungswachstum, Saldo, weil Berlin so attraktiv ist und Menschen anzieht, von rund 90 000 Menschen. Diese Menschen drängen auf den Wohnungsmarkt. Das ist richtig. Dieser Wohnungsmarkt ist schon ein Stück angespannt. Da müssen Sie, lieber Kollege Doering, auch mal eine Antwort finden,

[Uwe Doering (LINKE): Ja!]

auch Sie, auch Ihre Fraktion. Ich bin gespannt darauf, wie Ihre konsistente Antwort dazu aussieht. Das wird Ihnen vielleicht ein bisschen schwerfallen.

Eins noch, Kollegin Kapek, Sie haben sich beschwert, dass wir doch tatsächlich – ich verstehe es gar nicht, wie wir von der SPD-Fraktion so schlimm und blöd sein können – uns Gedanken darüber machen, wie denn ein Gesetzentwurf aussehen könnte. Frau Kapek, das ist aber ganz was Schlimmes im parlamentarischen Geschehen, dass sich ein Abgeordneter, dass sich eine Parlamentsfraktion Gedanken über einen Gesetzentwurf macht. Ich sage Ihnen mal eins: Der Kollege Müller ist nicht nur Senator, er ist auch Mitglied der SPD-Fraktion. Wir sind stolz darauf, und darum diskutieren wir gern mit ihm die Entwürfe von Gesetzen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Alles andere wäre schlichtweg lächerlich. Und da kann ich Ihnen nur sagen: Wenn Sie mir am Rande des Stadtentwicklungsausschusses sagen, Sie würden sich freuen,

wenn wir doch mal über Ihren und unseren Entwurf reden könnten, und heute sagen Sie, ist aber böse, böse, dass die SPD sich schon mal ein bisschen Gedanken gemacht hat, dann merkt man, dass das, was Sie für offene Gespräche zwischen den Fraktionen vorschlagen, vielleicht doch ein bisschen halbseiden ist. Vielleicht klären Sie das erst mal in Ihrer Fraktion! Wir stehen dazu, die große Freifläche zu erhalten.

Und zum Abschluss muss ich dieses Bild hochhalten. Es ist immer wieder das Gleiche, aber ich zeige es Ihnen immer wieder gerne. Man sieht die große Grünfläche, man kann sie nicht wegdiskutieren. Das ist der Masterplan, den wir vorlegen. Wir wollen nicht, dass mit dem Volksentscheid der Stillstand in der Stadt ausgerufen wird, die Käseglocke über dieses Feld gelegt wird. Wir stehen für Zukunft und für nachhaltige Entwicklung. Wir bitten Sie dafür um Unterstützung. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Steffen Zillich (LINKE): Worin bestand jetzt gleich die inhaltliche Offenheit für Gespräche?]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Die Linke spricht die Kollegin Lompscher.