Protokoll der Sitzung vom 06.03.2014

(Thomas Isenberg)

alles nicht mehr. Es geht also offensichtlich um Ideologie.

Deshalb kommen wir jetzt zum eigentlichen Grund der Ablehnung. Es geht um die Frage: Wollen wir den Frauen in einer Notlage helfen, oder wollen wir uns weiterhin von der letzten ideologischen Abwehrschlacht gegen einen aufgeklärten Umgang mit Verhütung und Abtreibung bremsen lassen?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Als Argument wird stets ins Feld geführt, es müsse aufgeklärt und beraten werden. Ich sage ja, Sie haben recht. Natürlich bedarf es auch bei einer rezeptfreien Medikamentenabgabe wie bei der „Pille danach“ umfassender Aufklärung und Beratung in der Apotheke und ggf. auch des Verweises auf andere Experten. Es geht eben nicht nur um mögliche Nebenwirkungen des Medikaments, sondern auch darum, die Kompetenzen von Frauen durch die Beratung zu stärken, um selbstbestimmt entscheiden zu können, ob sie die „Pille danach“ nehmen möchten oder nicht.

Aber ich kann nicht verstehen, dass Sie es besser finden, dass im Zweifelsfall ein Hals-Nasen-Ohrenarzt am Wochenende im Dienst es besser entscheiden könnte als eine Apothekerin oder ein Apotheker. Das ist für mich etwas, wo ich mich nach langer Überlegung und vielen Gesprächen Frage: Wo sind eigentlich da noch Argumente, dieses Recht den Frauen vorzuenthalten? Ich sage: Niemand hat das Recht, Frauen zu bevormunden, weder Ideologen noch der Bundesgesundheitsminister.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Sehr geehrter Kollege Isenberg! Ich möchte Ihren Vorschlag sehr gerne aufnehmen. Ich schlage deshalb vor, dass wir bei der Schlussabstimmung die Fraktionsdisziplin hintanstellen und eine Gewissensentscheidung ermöglichen. Unsere PGFs sollen das vereinbaren und dann können wir in ein paar Wochen hier tatsächlich offen über die Frage abstimmen. Ich bin sehr gespannt, ob nicht sogar eine Mehrheit in der CDU nicht sogar zustimmt, weil ich durchaus auch eine Unterstützung in der CDU sehe. – Vielen Dank

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Ludewig das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema „Pille danach“ ist in der Tat kein einfaches. Ein klares „Ja“ oder ein klares „Nein“ ist aus meiner Sicht sehr schwierig zu geben.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Da seid Ihr aber die Einzigen! – Zurufe von der LINKEN]

Zum einen habe ich volles Verständnis dafür, dass dieses Medikament, welches ja auch möglichst zeitnah eingenommen werden muss, möglichst ohne Barrieren für Frauen zugänglich sein muss und sollte. Auf der anderen Seite gilt in Deutschland die Rezeptpflicht für die Medikamente, die laut § 48 des Arzneimittelgesetzes auch bei bestimmungsgemäßen Gebrauch die Gesundheit des Menschen gefährden können. Allgemein spricht man von stark wirksamen Arzneimitteln, die unter Rezeptpflicht zu stellen sind. Die „Pille danach“ ist ein solches hochdosiertes Medikament. Dieses hormonell wirksame Präparat hat einen zehnmal höheren Hormongehalt als die Standard-Pille, die unter Rezeptpflicht steht, und einen 50-mal höheren Hormongehalt im Vergleich zur Mini-Pille, die auch unter Rezeptpflicht steht. Die mögliche Beeinträchtigung des Hormonhaushalts ist nicht unerheblich. Unterschiedlich stark sind mögliche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Schwindelgefühl und Blutungen. Bei einer bereits vorliegenden Schädigung der Leber sind weitere Nebenwirkungen und gesundheitsgefährdende Zustände zudem möglich. Aus diesen Gründen verweisen die Bundesärztekammer und auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf die Gefahren möglicher Nebenwirkungen und warnen daher vor einer Abschaffung der Rezeptpflicht, ich zitiere:

Wer diese Mittel zur Anwendung bringt, sollte in der Lage sein, die Notwendigkeit ihres Einsatzes zu klären, Fragen zu Wirksamkeit, Kontraindikationen, Neben- und Wechselwirkungen zu beantworten und im Einzelfall, bei entsprechender Anamnese, auch eine bereits bestehende Schwangerschaft auszuschließen.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich komme gleich zum Ende. – Auch der Berufsverband der Frauenärzte lehnt die Rezeptfreiheit im Interesse der Patientensicherheit ab, ich zitiere:

Die Beratung über Effektivität, Neben- und Wechselwirkungen erfordert Spezialwissen, das in der Regel die apothekerliche Berufsausbildung bei weitem überschreite.

(Heiko Thomas)

Bei Betrachtung all dieser möglichen Nebenwirkungen scheint die Sinnhaftigkeit eines Arzt-PatientenGesprächs, einer guten Beratung und einer Beibehaltung der Rezeptpflicht zumindest nicht völlig von der Hand zu weisen zu sein. In diesem Sinne freue ich mich auf konstruktive und sachliche Beratungen im Fachausschuss. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke jetzt Herr Dr. Albers. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Eigentlich ist es ganz einfach, Herr Ludewig. Da empfiehlt der zuständige Sachverständigenausschuss beim Bundesinstitut für Arzneimittel mit all seiner Kompetenz, die sogenannte „Pille danach“ von der Verschreibungspflicht auszunehmen. Es gebe keine medizinischen Argumente, die einer Entlassung aus der Rezeptpflicht entgegenstünden, so wie in 28 anderen europäischen Ländern. Der neue Gesundheitsminister entscheidet dann, borniert und lebensfremd und auf das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Frauen pfeifend, genau das Gegenteil. Er wird dann dafür öffentlich von seinem Koalitionsfreund, dem gesundheitspolitischen Sprecher der SPD Herrn Lauterbach vehement beschimpft, er bevormunde mit seiner Entscheidung Frauen und enthalte ihnen ihre Rechte in einer Notlage vor. Genau deshalb empfiehlt der nette Herr Lauterbach in der gleichen Stellungnahme eine Bundesratsinitiative gegen die Entscheidung seines Gesundheitsministers. Genau hier setzt nun unser Antrag an, den die Piraten dankenswerterweise auch zu ihrer Sache gemacht und heute aufgerufen haben.

Levonorgestrel verhindert, unabhängig vom Zyklustag der Einnahme, die Reifung der Eizelle sowie den Eisprung unter der Voraussetzung, dass dieser noch nicht stattgefunden hat. Die „Pille danach“ ist deshalb keine Abtreibungspille.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Je zeitnaher das Medikament nach der Verhütungspanne eingenommen wird, umso sicherer ist die Wirkungsweise. Erfolgt die Einnahme innerhalb von 24 Stunden, besteht zu 95 Prozent ein Schutz vor ungewollter Schwangerschaft. Mögliche Nebenwirkungen, Herr Ludewig, sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Brustspannschmerzen, leichte Bauchschmerzen, Schwindelgefühle, leichte Blutungen und Zyklusverschiebungen, von der WHO als selten und mit milden Verläufen beschrieben. Rezeptfreie Schmerzmittel zum Beispiel dürften in dieser Hinsicht allemal problematischer sein.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Die Ablehnung der Rezeptfreiheit wird dann ja auch nicht mit diesen unerwünschten Nebenwirkungen begründet, sondern dabei steht dann immer die angeblich so notwendige Beratung bei der Verschreibung im Vordergrund. Herr Montgomery, oberster Lobbyist der Bundesärztekammer, entdeckt plötzlich die therapeutische Notwendigkeit des Arzt-Patienten-Gesprächs im Hinblick auf geplatzte Kondome und möchte im Deutschlandfunk am 11. Februar im Zusammenhang mit der Verschreibung, wörtlich, „unbedingt ein Gespräch darüber führen, wie so etwas auch für die Zukunft verhindert werden kann“.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Allgemeine Heiterkeit]

Also ganz nah am Leben, das nächtliche Beratungsgespräch am Wochenende, allerdings nicht in der Praxis, denn die hat geschlossen, der spezialwissende, vielgeplagte Freiberufler schläft zu diesen Zeiten, sondern in den eh überfüllten Notaufnahmen der Krankenhäuser. So eine Scheinheiligkeit!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die haben da weiß Gott andere Probleme als geplatzte Kondome. Das sorgfältige Abwägen von Risiken für den Betroffenen stehe im Vordergrund. Das größte Risiko für die betroffenen Frauen besteht darin, nicht rechtzeitig an ein entsprechendes Rezept zu kommen, nachdem sie z. B. – es wurde ja erwähnt – von katholischen Krankenhäusern nachts abgewiesen worden sind, wie in NordrheinWestfalen, in Köln geschehen, und dann Gefahr zu laufen, ungewollt tatsächlich schwanger zu werden, und dann möglicherweise zu einer Schwangerschaftsunterbrechung greifen zu müssen. Welch groteske Logik!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Meine Damen und Herren von der SPD! Ihre Sache wird hier verhandelt. Es ist halt so eine Posse, wenn Katz und Hund gemeinsam regieren. Sie haben eh kaum mehr Gemeinsamkeiten, wenn ich mir den Herrn Henkel vorgestern in der Abendschau anschaue, also kommt es darauf nun auch nicht mehr an. Unterstützen Sie ganz einfach unseren Antrag! – Ich sehe, hier ist eine Zwischenfrage.

Ja! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lauer?

Kein Problem, Herr Lauer!

(Gottfried Ludewig)

Hallo! Herr Ludewig hat ja leider nicht christideologisch argumentiert, sondern so pseudosachlich.

[Zurufe von der CDU]

Könnten Sie vielleicht als Mediziner mal irgendwie beschreiben, was so auf eine Frau zukommt, wenn sie denn dann schwanger wird? Also das stelle ich mir ja auch nicht ohne Risiko vor.

Herr Lauer! Vielleicht können wir dieses Beratungsgespräch am Wochenende in der Nacht führen, ja?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Zuruf: Ja, danke!]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 23 und 24 stehen auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 25 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter lfd. Nr. 3.1. Die Tagesordnungspunkte 26 bis 28 stehen wiederum auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 28 A:

Teilnahme Berlins am Schulobstprogramm der EU gewährleisten

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1503

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. – Frau Möller! Sie haben das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank! – Ich vertrete heute meine verehrte Kollegin Regina Kittler, die leider krank ist und die ich von hier aus herzlich grüße, und ich wünsche ihr Genesung.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Torsten Schneider (SPD)]

Ihr Beitrag ist dieser: Durch die Teilnahme am Schulobstprogramm können Grundschulkinder bis zehn Jahre mehrfach in der Woche oder auch täglich frisches Obst oder Gemüse erhalten, z. B. in der Frühstückspause. Dass das gesund und gut für die Kinder ist, wird hier niemand bezweifeln. Jedes fünfte Grundschulkind kommt ohne