Protokoll der Sitzung vom 08.05.2014

Es gibt auch noch andere Probleme im Integrationsförderbereich. Zum Beispiel finde ich immer noch, dass es eine mangelnde Unterscheidung zwischen Projekt- und Strukturmitteln gibt. Also was ist eigentlich ein Projekt, das jetzt mal kurzfristig ein bestimmtes Ergebnis liefern soll, oder was ist eben eine Strukturförderung, die langfristig notwendig in dieser Stadt ist? Dazu gehört dann wieder diese Bedarfsplanung.

Auch die Frage, warum z. B. die Werkstatt der Kulturen in der Förderung von rund nur 1 Million Euro und mit über 400 Veranstaltungen im Jahr im Integrationsbereich ist, aber viele andere Kulturprojekte mit weniger Veranstaltungen und mit wesentlich mehr Finanzierung, wo sie eigentlich hingehören, im Kulturbereich sind – das ist ja was, wo sich Kollege Renner, der sich heute vorgestellt hat, vielleicht mal überlegen könnte, ob die Werkstatt der Kulturen nicht auch in den Kulturbereich verschoben werden könnte.

Das sind alles Themen, derer man sich eigentlich, wenn man über Integrationsprojektförderung oder Integrationsförderung allgemein spricht, annehmen könnte und sollte. Aber es gibt auch viele andere entscheidende Themen, die in Berlin kaum diskutiert werden: Es gibt z. B. immer noch kein Landesantidiskriminierungsgesetz, wie es im Koalitionsvertrag eigentlich vorgesehen ist und das eigentlich schon seit 2010/11 unterschriftsreif vorliegt, weil die CDU dieses wichtige Vorhaben blockiert. Die für die Integration so wichtigen Sprachkurse für Asylsuchende und Geduldete, die wir in den aktuellen Doppelhaushalt eingestellt haben, laufen immer noch nicht. In ganz Deutschland wird über die Abschaffung der Optionspflicht diskutiert, aber Berlin verweigert sich der Debatte und will noch nicht mal eine Landesregelung, obwohl es sie in zahlreichen anderen Bundesländern gibt. Das waren jetzt einfach mal so ein paar Beispiele für Themen, die im Integrationsbereich eigentlich gerade brennend sind.

Stattdessen bringt die Koalition regelmäßig Anträge wie: Wir wollen zentrale Partys für Neudeutsche. Oder: Wir wollen mehr Werbung an den Schulen für den deutschen Pass. – Das sind dann eben genau diese Punkte, wo ich sage: Integrationspolitik findet hier im Großen und Ganzen nicht statt. Da würde ich mir dann doch wünschen, dass da ganz andere und ein bisschen fortschrittlichere und wegweisendere Anträge kommen, unabhängig davon, dass der Antrag selber möglicherweise ja doch sinnvoll ist. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Kollege Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Thema nicht vor.

Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 29

a) Bibliotheken sind unverzichtbare Bildungs- und Kultureinrichtungen: Berlin braucht ein aktuelles Bibliothekskonzept

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1620

b) Keine Fakten beim Neubau der Zentral- und Landesbibliothek schaffen

Dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1629

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Auch hier wieder grundsätzlich fünf Minuten Beratung, und es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es hat das Wort die Kollegin Kapek. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 100 Jahre nach den ersten Plänen für eine neue Landesbibliothek in Berlin sollte es doch endlich gelingen, eine solche zu bauen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Aber sogar jedem Hausmann ist doch klar: Bevor man sich einen neuen Anzug kauft, schaut man erst mal, was noch im Schrank hängt bzw. was das eigene Portemonnaie so hergibt. – In Berlin fehlt dieser gesunde Menschenverstand leider grundsätzlich, wenn es um Kosten und Umfang von Bauprojekten geht, nicht nur beim BER und der Staatsoper. Nein, auch für die Zentral- und Landesbibliothek – kurz ZLB – hat sich Klaus Wowereit in den Kopf gesetzt, diese als Neubau durchzudrücken, koste es, was es wolle. Welche finanziellen Folgen dies für Berlin haben wird, spielt dabei wieder mal keine Rolle.

[Andreas Otto (GRÜNE): Unerhört!]

Seit Jahren mahnen wir an, dass die veranschlagten 270 Millionen Euro für den Neubau der ZLB keinerlei seriöse Berechnungsgrundlage haben. Die Kosten wurden einfach willkürlich in den Raum gestellt. Das bestätigt jetzt auch der Berliner Rechnungshof. Er weist in seinem Bericht vom Montag dem Senat gravierende Verfahrensfehler nach. Wichtige haushaltsrechtliche Vorgaben

(Fabio Reinhardt)

wurden einfach übergangen. Auch Sie, Herr Wowereit, stehen nicht über Recht und können dies nicht ignorieren.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Denn auch die Berliner Verwaltung ist Teil des Rechtsstaats und unterliegt damit den rechtlichen Grenzen und Vorgaben, innerhalb derer die vorgeschriebenen Verfahren stattzufinden haben. Wenn der Senat beim Bau der ZLB jetzt von einem Sonderfall spricht, der über Recht und Gesetz erhaben ist, verkennen Sie, dass es hier nicht um Ihr Geld geht, sondern um Steuergelder.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Nach dem Motto „L’état c’est moi, der Staat bin ich“ soll es reichen, dass der Regierende seinen politischen Wunsch einer neuen ZLB verkündet. Wirtschaftlichkeit brauchen wir nicht. Haushaltsrecht, was ist das denn? Bedarfsprogramm, seien Sie doch nicht so kleinlich! Und am Ende heißt es nur: Man gönne dem Wowereit einfach seine Erfolgsgeschichte und seien Spaß nicht.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Die hat er doch schon beim BER!]

So wie Sie bei der ZLB agieren, Herr Wowereit, fügen Sie der Berliner Bibliothekslandschaft großen Schaden zu. Eine gute Bibliothekspolitik in Berlin ist eine Politik für die ganze Stadt. Hier reicht kein einzelnes Hochglanzprojekt. Was wir brauchen, ist eine Breitenbildung an vielzähligen Standorten in ganz Berlin und nicht nur in Ihrem Heimatbezirk Tempelhof. Und das, lieber Senat, ist Ihre bildungspolitische Aufgabe.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Wolfram Prieß (PIRATEN)]

Mit der Konzentration auf den überdimensionierten ZLBNeubau verhindern Sie den Erhalt eines niedrigschwelligen Zugangs zur kulturellen Bildung in allen Berliner Bezirken. Aber gerade Kinder und Jugendliche brauchen Bibliotheken im direkten Wohnumfeld. Dafür braucht man kurze Wege und Kiezangebote. Genau darum geht es: die Bibliotheken als Ort für kulturelle Bildung der gesamten Berliner Bevölkerung. Deshalb braucht Berlin schnellstens ein Bibliothekskonzept.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Aber dieser Senat hält sich für die Situation der Bezirksbibliotheken nicht zuständig. Dabei irren Sie gewaltig. Es ist nämlich genau die Aufgabe des Senats, ein gesamtstädtisches Bibliothekskonzept zu entwickeln, das sowohl die ZLB als auch die Bibliotheken in den Bezirken zueinander in Beziehung setzt. Kümmern Sie sich darum, bevor Sie den Neubau der ZLB weiterplanen! Die Bezirksbibliotheken als erste Kultur- und Bildungsorte für die Bevölkerung dürfen nicht weiter ins Abseits Ihrer Politik rutschen.

Daher haben wir heute zwei Anträge eingebracht, einen für ein Bibliothekskonzept für die gesamte Stadt und zum Zweiten einen dringlichen Antrag „Keine weiteren Gelder für den Neubau der ZLB ausgeben“. Wir hoffen auch, dass der Bericht des Rechnungshofs die Koalition endlich zur Vernunft bringt und auch Sie zur Verschwendung von öffentlichen Geldern endlich stopp sagen, zumindest so lange, bis die Forderungen des Rechnungshofs erfüllt sind. Das heißt, der Öffentlichkeit und dem Parlament müssen verlässliche Zahlen, eine systematische Wirtschaftlichkeitsprüfung und die seit Langem fällige Prüfung von Alternativstandorten vorgelegt werden. Das gilt für das Bestandsgebäude genauso wie für weitere Teilkosten für die Ertüchtigung der ÖPNV-Anbindung. Diese werden vom Rechnungshof bereits jetzt auf mehrere Millionen Euro geschätzt.

Wie kann es eigentlich sein, dass seit Planungsbeginn die Fläche der ZLB, also des Neubaus, um 16 000 m², das sind mehr als zwei Fußballfelder, reduziert wurde, die Kosten aber trotzdem bei 270 Millionen bleiben? Da wollen Sie uns noch erzählen, dieser Preis sei nicht rein politisch motiviert. Wir wissen doch jetzt schon, dass die aktuellen Planungen mindestens 350 Millionen Euro kosten werden. Wo wollen Sie denn jetzt noch sparen? Die Fläche weiter reduzieren? Dann reicht es ja vielleicht, sie irgendwann im Bestandsgebäude zu belassen.

Wir müssen die Kritik des Rechnungshofs ernst nehmen. Wir dürfen vor allem dem Senat ein solches Vorgehen nicht durchgehen lassen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Denn dann kann es auch gelingen, nach 100 Jahren Planung endlich zu einer neuen Zentralbibliothek in Berlin zu kommen und gleichzeitig das Angebot vor Ort und in den Kiezen zu sichern, denn das, glaube ich, haben die Menschen in dieser Stadt verdient.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Vielen Dank, Frau Kollegin Kapek! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort die Kollegin Lange. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kapek! Sie haben mit Ihrer Forderung im Prinzip recht,

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE) und Carsten Schatz (LINKE)]

der Senat möge sich für den Erhalt der Bezirksbibliotheken einsetzen. Aber wir haben da ein Problem, um mal

(Antje Kapek)

mit „Radio Eriwan“ zu sprechen. Der Senat ist nicht zuständig – zuständig sind die Bezirke.

Berlin wendet im Bundesdurchschnitt eine vergleichsweise hohe Summe für die Bibliotheken auf.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Nein!]

Doch! Es ist höher als im Bundesdurchschnitt. – Diese Summe wird über den Globalhaushalt an die Bezirke für den Erhalt der Bezirksbibliotheken zugewiesen. Aber leider ist es so, dass von den Millionen, die die Bibliotheken über das Budgetierungsverfahren erwirtschaften, nur ein Teil auch in den Bibliotheken ankommt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Remlinger?

Nein, heute nicht!