Protokoll der Sitzung vom 05.06.2014

Ich finde, ein Wahlkampfleiter ist das Eine, BER und andere Dinge sind das Andere. Dazu hätten Sie sich heute äußern können, das tun Sie aber nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Da meldet also eine Oppositionsfraktion dieses wichtige Thema an und die Koalition greift natürlich dankbar zu. Um es frei heraus zu sagen: Ich glaube nicht, dass es Ihnen von der Koalition um das Thema geht, sondern dass Sie sich, Herr Wowereit, werte Kollegen und Kolleginnen von SPD und CDU zur Koalitionskrise und zum BER wegducken. Das ist verantwortungslos und ziemlich peinlich.

[Starker Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Mit Verlaub, Herr Wowereit, so als Duckmäuser kenne ich Sie eigentlich gar nicht und finde es auch sehr schade.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Siehste!]

Die Stadt und das Parlament haben ein Recht zu erfahren, warum Ihnen noch irgendwer ein Wort – auch zum Thema Fahrradverkehr – glauben soll. Bei Ihnen passt doch nichts mehr zusammen. Ihre politische Mehrheit ist doch zu einer rechnerischen hier im Haus zusammengeschrumpft. Das spüren Sie auch. Deswegen machen Sie so merkwürdige Vorschläge, die nicht Hand und Fuß haben. Glauben Sie denn ernsthaft, dass diese Koalitionskrise nichts mit den wichtigen Themen der Stadt zu tun hat?

[Torsten Schneider (SPD): Sollen wir mal die Autos der Grünen da hinten auf dem Parkplatz zählen?]

Glauben Sie nicht, wenn nachher Senator Müller hier ans Pult tritt, um zum Thema Berliner Radverkehr zu sprechen, dass sich dann viele fragen werden: Welches Gewicht hat das denn eigentlich noch, was der da sagt? – Es sind lauter Bau-, Verkehrs- und Infrastrukturthemen, die die Stadt seit Jahren – –

[Zuruf]

Ja! Hätte Herr Wowereit sich hingestellt und gesagt: Das ist mein Mann, Tempelhof hat nichts mit Müller zu tun! –, dann hätten wir da Klarheit. So haben wir diese Klarheit nicht. So ist das eine offene Frage, Herr Wowereit.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Es sind lauter Bau-, Verkehrs- und Infrastrukturthemen, die die Stadt seit Jahren bewegen. Diese Koalition ist als

selbsternannte Infrastrukturkoalition gestartet. Wir haben das alle noch in den Ohren. Inzwischen? – SBahnausschreibung verschleppt, Gestaltung von Tempelhof gegen die Wand gefahren, Chaos und Korruption am BER, aber auch die Straßenbahn am Hauptbahnhof bringen Sie nicht zum Ende. Das Thema freies WLAN in Berlin vertiefen wir an dieser Stelle lieber nicht. Auch beim Radverkehr: Mit Ihrer Geschwindigkeit haben wir in ca. 80 Jahren an allen Hauptverkehrsstraßen eine passable Radverkehrsanlage. Das ist alles sehr, sehr traurig!

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Ich möchte in aller Deutlichkeit festhalten: SPD und CDU sind beim Thema Infrastruktur krachend gescheitert. Sie, Herr Müller, Herr Wowereit, wollen zur Tagesordnung übergehen.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Wir?]

Das verstehe ich total. Eine solche Niederlage wie in Tempelhof schmerzt. Die Bevölkerung hat Ihnen immerhin gesagt: Dann bleibt der Bagger eben in der Garage. Aber jetzt einfach weitermachen, das funktioniert nicht.

[Torsten Schneider (SPD): Sagen Sie doch auch mal was zum Thema!]

Ich finde es gut, wenn der Senat sich jetzt dem Thema Fahrradverkehr zuwenden soll, denn Berlin ist Fahrradstadt – so lautet zumindest der Titel der Aktuellen Stunde. Ja, der Fahrradverkehr in Berlin hat zugenommen. Das passiert aber leider trotz und nicht wegen der Senatspolitik. In der Rangliste der fahrradfreundlichsten Städte Deutschlands landete Berlin auf welchem Platz? Dem ersten, den zweiten, den dritten, dem fünften? – Dem 24.!

[Andreas Baum (PIRATEN): Von? Von? Von?]

Das ist weiß Gott alles, aber keine Erfolgsgeschichte.

[Beifall bei den GRÜNEN – Andreas Baum (PIRATEN): 38!]

Gleichwohl sage ich, wir müssen diesen positiven Trend in der Stadt unterstützen.

Im Verkehr geht es um Zeit. Alle wollen schnell von A nach B. Es geht um Stadtraum, wie viel Platz bekommen der Fußverkehr, wie viel Platz der Radverkehr, das Auto auf der Straße? Aber es geht insbesondere auch um Sicherheit. Als Bündnis 90/Die Grünen halten wir natürlich an der Vision Zero fest, das heißt keine Verkehrstoten mehr. Ich glaube, das ist eigentlich auch Konsens hier im Hause.

[Torsten Schneider (SPD): Dann macht mal ’ne Helmpflicht!]

Und wir wissen, dass das ein schwer zu erreichendes Ziel ist. In zwei Wochen ist der Tag der Verkehrssicherheit. Da gilt es, einmal Bilanz zu ziehen.

[Alexander Spies (PIRATEN): Leinenzwang für Fahrradfahrer!]

Im Verkehrssicherheitsprogramm wird festgestellt, dass der Fahrradfahreranteil in Berlin rund 15 Prozent beträgt, mit zunehmender Tendenz. Aber der Anteil bei Schwerverletzten und Todesopfern liegt bei über 30 Prozent. Auch deswegen, Herr Kreins, ist Erfolgsgeschichte echt das falsche Wort.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Selbst Senator Müller schreibt in seinem Verkehrssicherheitsbericht, dass das eine eher ernüchternde Zahl ist. Das finde ich sogar noch verharmlosend. Alle zwei Stunden verunglückt in Berlin ein Radfahrer, das sind während der acht Stunden Plenum vier Menschen. Das heißt, wir sind in der Pflicht, das Thema mit aller Kraft anzugehen. Dabei geht es um verstellte Radwege, es geht um rabiate Autofahrer. Herr Henkel! Machen Sie eine Ansage an Ihre Verwaltung, die Polizei sollte bei Autos auf Radwegen anhalten und das Problem angehen und nicht daran vorbeifahren!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wenn Sie das machen, dann können Sie auch mal gemeinsam mit Senator Müller eine Pressekonferenz machen, statt die Gelegenheit auszulassen.

Da geht es aber weiter um Verkehrserziehung, und zwar insbesondere in der Schule. Frau Scheeres! Schüler ab 11 Jahren sind besonders gefährdet. Deswegen muss Verkehrserziehung auch in die Schulen. Es reicht nicht aus, das nur den Bezirken zu überlassen, denn da fehlen die finanziellen Ressourcen. Sie wissen vielleicht auch, Rot und Schwarz, SPD und CDU, haben eine Verkehrserziehungsschule in Mitte vor Kurzem geschlossen.

[Martin Delius (PIRATEN): Unerhört!]

Das ist einfach der falsche Weg.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Das bedeutet, Herr Müller, dass man die Kreuzungen so umbaut, dass die Verkehrsteilnehmer sich gegenseitig sehen; denn wer sich sieht, fährt sich nicht um. Das passiert aber viel zu wenig. Es ist dem Senat bewusst, dass die Anstrengungen intensiviert werden müssen, weil der Radverkehr zunimmt. Das haben Sie sogar so aufschreiben lassen, Herr Müller. Ein Mittel dazu sei die lückenlose Radverkehrsinfrastruktur. – Ja, dann legen Sie doch mal los! Es hält Sie doch keiner auf, oder? – Doch, einer: Senator Nußbaum. Denn es geht um Geld. Leider ist er gerade nicht anwesend, schade! Ihm würde ich gern zurufen: Nicht bloß in Gasnetze Milliarden investieren, mit ungewissen ökonomischen und ökologischen Auswirkungen,

[Daniel Buchholz (SPD): Traurig!]

sondern eben auch in Sicherheit, ja in Verkehrssicherheit.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Sie können nicht hier eben mal 1 Milliarde durchwinken und dann in Sachen Fahrradverkehr Grabenkämpfe mit der Verkehrsverwaltung führen. Das ist falsch, das ist nicht der richtige Weg!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Herr Müller! Sie wissen uns in dieser Frage an Ihrer Seite. Das wollen wir ganz klar so sagen, das wissen Sie auch.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Sehr großzügig!]

Ich glaube, dass Sie auch wissen, dass wir nicht bloß in den haushalterischen Kämpfen an Ihrer Seite stehen, sondern dass wir auch mit ganz konkreten Vorschlägen zum Thema Fahrradnetz – das ist schon angeklungen – überlegen, wie man die Stadt künftig gestaltet. Es geht darum, Berlin radverkehrsfreundlicher zu machen. Da haben wir noch einen weiten Weg. Bislang ist der Fahrradverkehr in Berlin eine Graswurzelbewegung. Wir sollten den Fahrradverkehr hier in der Stadt so stärken, dass Berlin eine echte Fahrradstadt wird. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Friederici. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon ein sehr seltsames Demokratieverständnis der Oppositionsfraktion der Grünen, wenn sie heute hier kritisieren, dass ein Thema einer anderen Oppositionsfraktion zum Thema in der Aktuellen Stunde gemacht wird. Letztes Mal haben Sie kritisiert, dass die Regierung ein Thema genommen hat, heute kritisieren Sie ein anderes Oppositionsthema, dass die überhaupt drangekommen sind. Das ist ein sehr seltsames Verständnis von Ihnen bei den Grünen, wie man hier mit der Opposition umgeht. Das muss ich Ihnen mal sagen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Radfahren in Berlin wird immer beliebter. Rund 1,5 Millionen Wege werden bereits täglich in der Hauptstadt mit dem Fahrrad zurückgelegt. Das Radroutenhauptnetz wird bis 2017 weiter ausgebaut. Es wird dann rund 350 Kilometer umfassen und entsprechend ausgeschildert sein. Damit wird der wachsenden Bedeutung des Radverkehrs in unserer Stadt Rechnung getragen. Es ist mit Abstand das größte aller deutschen Großstädte, und ich finde, das ist eine Erfolgsgeschichte. Denn gerade in Berlin ist in den letzten Jahren grundsätzlich zu wenig in die allgemeine Verkehrsinfrastruktur und damit auch in das Fahr