Protokoll der Sitzung vom 08.12.2011

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Worum geht es heute?

[Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Nach den einschlägigen Bestimmungen des Urhebergesetzes sind Vervielfältigen aus Schulbüchern an Schulen nur mit Einwilligung der Inhaber der Urheberrechte zulässig. Solche Vervielfältigungen sind für den Schulalltag an unseren Schulen unabdingbar und wichtig, weil ohne diese Möglichkeit unsere Lehrer den täglichen Unterricht nicht vernünftig vorbereiten können.

[Martin Delius (PIRATEN): Das ist richtig!]

Die erforderliche Einwilligung haben die Bundesländer durch Abschluss des hier genannten Gesamtvertrages nach § 53 Urhebergesetz vom 21. Dezember 2010 erwirkt. Das war richtig und notwendig.

[Zurufe von den PIRATEN]

Nun warten Sie doch mal ab! Sie dürfen ja gleich noch mal! – Inzwischen haben auch die Oppositionsfraktionen von diesem Gesamtvertrag Kenntnis genommen, und sie legen uns heute einen Antrag vor, wonach die Anwendung des Vertrags auszusetzen sei. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Grüne, Linke und Piraten wollen, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer für die Vorbereitung ihres täglichen Unterrichts keine Kopien aus Unterrichtswerken mehr verwenden dürfen.

[Martin Delius (PIRATEN): Das ist falsch! Wir wollen nicht, dass sie doppelt draufzahlen!]

Wenn Sie Ihren Beschlussantrag selbst ernst nehmen, bedeutet das, dass Sie den Schulbetrieb an unseren Schulen lahmlegen.

[Beifall bei der CDU – Lachen bei den GRÜNEN]

Ein Zweites fällt nicht nur dem Rechtskundigen auf: Einen Vertrag kann man nicht einfach aussetzen. Was soll das überhaupt heißen, „aussetzen“?

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke! – Was haben Sie eigentlich für ein Rechtsverständnis, dass Verträge nicht einzuhalten sind, sondern einseitig willkürlich ausgesetzt werden können? Sie wollen offenbar, dass das Land Berlin vertragsbrüchig und schadensersatzpflichtig wird.

[Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ein Weiteres kommt hinzu. Wir wissen: Jede Nichtbeachtung des Urheberrechts führt dazu, dass die sich gesetzeskonform verhaltenden Menschen erhebliche Mehrkosten zu tragen haben. Das können Sie doch nicht wollen.

Meine Damen und Herren von Grünen, Linken und Piraten! Ich möchte Sie doch bitten, bevor Sie dieses Haus mit Ihren Anträgen beglücken, einmal über die relevanten Fragen ernsthaft nachzudenken.

[Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

Zum Thema der Plagiatssoftware ist bereits in der Debatte am 10. November alles gesagt worden.

[Nein! von den PIRATEN]

Es stimmt, dass § 6 des Gesamtvertrages die Einführung einer Plagiatssoftware vorsieht. Mit dieser sollen unzulässige digitale Kopien auf Schulrechnern identifiziert werden. Der vormalige Bildungssenator Zöllner hat in der Debatte am 10. November dazu Folgendes ausgeführt – ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin wörtlich –:

Klar ist, dass es beim Einsatz dieser Software nicht um eine Überwachung von Lehrkräften, sondern um den Schutz von Schulen vor Raubkopien geht.

[Zurufe von den PIRATEN]

Ich zitiere! –

Natürlich dürfen Schulen nicht mit einer solchen Software ausspioniert werden. Gleichwohl muss geistiges Eigentum geschützt werden. Und darum geht es im Urheberrecht. Im Land Berlin wird eine „Plagiatssoftware“ erst dann zur Anwendung kommen, wenn vorab sichergestellt ist, dass durch diese Software die Persönlichkeitsrechte der Lehr

kräfte und Schülerinnen und Schüler nicht berührt werden.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zurufe von den PIRATEN: Nie!]

Ich darf hinzufügen: Auch der Gesamtvertrag, den Sie ja aushebeln oder aussetzen wollen, bestimmt in § 6 Abs. 4 exakt das, was Sie wollen, nämlich dass die von den Verlagen zu entwickelnde Software nur eingeführt wird, wenn die datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit der Software gewährleistet ist.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Nie! – Weitere Zurufe von den PIRATEN: Nie!]

Das bedeutet im Umkehrschluss: Sie darf nicht zum Einsatz kommen, wenn die datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit nicht gewährleistet ist. Ich möchte im Namen meiner Fraktion und sicherlich auch der gesamten Koalition ganz deutlich sagen: Mit uns wird es keine Einführung einer Plagiatssoftware geben,

[Beifall bei den PIRATEN]

die nicht technisch oder datenschutzrechtlich unbedenklich ist, denn genau so ist es vertraglich und gesetzlich geregelt.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Martin Delius (PIRATEN): Also nie, danke schön!]

Da es die Plagiatssoftware aber noch gar nicht gibt, ist es recht müßig, hierüber erhitzte Debatten zu führen. Wenn die Software vorliegt, dann traue ich uns allen zu, dass wir unserer parlamentarischen Verantwortung gerecht werden. Wir werden eingreifen, wenn ein rechtsstaatlicher Einsatz dieser Plagiatssoftware nicht gewährleistet ist.

[Zuruf von den PIRATEN: Mit Hubschraubern!]

Anstatt also Hysterie über nichtexistierende Schultrojaner zu verbreiten und Lehrer, Eltern und Schüler zu verunsichern, sollten wir unserer Verantwortung gerecht werden. Diese Debatte muss versachlicht werden.

[Lachen bei den PIRATEN]

Wir müssten uns über ein Gesamtkonzept zur Umsetzung dieser Vereinbarung unterhalten, und wir müssen uns auch über grundsätzliche Fragen unterhalten: Wie können im Einzelnen die neuen Medien in den Bildungsprozess an unseren Schulen besser einbezogen werden?

Herr Abgeordneter! Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, sehr kurz! – Wie ist ein Interessenausgleich herbeizuführen zwischen dem Urheberrecht der Kreativen in unserer Stadt auf der einen Seite und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf der anderen Seite?

Herr Abgeordneter! Bitte kommen Sie zum letzten Satz!

Jawohl! – Lassen Sie uns mit diesen sachlichen Fragen beginnen, und verzichten wir auf Angstmacherei! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der Linken hat die Abgeordnete Kittler das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dregger! Gleich an Sie das Wort: Hinterfragen Sie mal bitte Ihr Rechtsverständnis! Wenn Unrecht geschieht, sollte man sich ja wohl auflehnen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ich denke mal, hier passiert gerade ein solches, bzw. das ist schon geschehen.

Dass dieser Antrag der Großen Anfrage bzw. der Mündlichen Anfrage der Sitzung vom 10. November folgt, ist nur logisch. Die entscheidenden Fragen wurden durch Herrn Senator Zöllner nicht beantwortet. Er konnte das auch gar nicht, denn das Vertragswerk gibt diese Antworten nicht her. Wir konnten hier im Haus nur Beschwichtigungen und vage Absichtserklärungen des Senators und der Regierungsparteien, im Speziellen von dem schon mehrfach genannten Herrn, hören. Das hat sich heute nicht sonderlich verändert. Die Frage ist natürlich, warum das so ist. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Weil Fehler prinzipiell nicht eingestanden werden? Weil niemand im Senat wirklich geprüft hat, welche Ungeheuerlichkeit auf uns zurollt?

[Sven Kohlmeier (SPD): Ihr habt damals im Senat gesessen! ]

Die Linke stellt sich jedenfalls an die Seite der Bundesjustizministerin – Herr Kohlmeier, Sie offensichtlich nicht – und fordert eine rechtliche Überprüfung des Gesamtvertrags.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]