In diesem Zusammenhang begrüße ich ganz herzlich die Vertreter und Vertreterinnen von „Citizen für Europe“, die anwesend sind.
Jetzt habe ich den Eindruck, die SPD sagt: Eure Stimme interessiert uns nicht, denn ihr habt keine Stimme. – Deshalb bringe ich diesen Antrag ein, um Ihnen eine Gelegenheit zu geben, das nochmals zu überdenken. Der Zeitpunkt ist richtig gewählt. Wir sind am Anfang der Legislaturperiode. Das heißt, wir können es in Ruhe beraten, wir können es rechtzeitig auf den Weg bringen, damit es zur nächsten Wahl, 2016 spätestens – hoffentlich wesentlich früher –, die Möglichkeit gibt, die Migrantinnen und Migranten in Berlin an den Wahlen zu beteiligen.
Als Mitglied des Rechtsausschusses, wo ich mir gestern einige Stunden auf Fragen keine Antworten anhören musste, muss ich auch sagen: Bei mir entsteht der Eindruck, sie spielen „Lässt du meinen Senator in Ruhe, gebe ich dir einen Staatssekretär dafür“. Wer hat den Schaden? – Den haben die Berlinerinnen und Berliner, die Bürgerinnen und Bürger mit und ohne Migrationshintergrund haben den Schaden davon, dass Sie sich die Posten zuspielen und Ihre definierten Wahlkampfziele dabei auf der Strecke bleiben.
Sehr geehrte Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen! Ich denke, dass das unverantwortlich, dass das keine seriöse Politik ist.
Es ist sehr interessant, Herr Saleh, dass Sie jetzt in den Saal gekommen sind, wo Sie doch Vorsitzender des Vereins „Jede Stimme zählt“ gewesen und durch dieses Land gelaufen sind und behauptet haben, Sie setzten sich dafür ein.
Als Vorsitzender Ihrer Fraktion haben Sie die Gelegenheit, darauf einzuwirken, dass unser Antrag für ein kommunales Wahlrecht für alle Berlinerinnen und Berliner – ich sage Ihnen ganz ehrlich, am Liebsten wäre es mir, dass wir das Wahlrecht auf Landesebene für alle EUBürgerinnen und –Bürger und alle Nicht-EU-Bürgerinnen und -bürger hätten –,
angenommen wird. Ich hoffe inständig auf die Pioniere aus Bremen, die in dem Bereich bereits aktiv sind. Herr Saleh! Setzen Sie sich dafür ein, machen Sie sich stark für den Antrag! Die SPD hat einen ähnlichen Antrag bereits vor vier Jahren auf den Weg gebracht. Jetzt werden Sie sich davor doch nicht scheuen!
[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Wolfgang Brauer (LINKE) und Regina Kittler (LINKE)]
Vielen Dank! – Ich muss die Zuschauerinnen und Zuschauer leider darauf hinweisen, dass Beifallsbekundungen oder gegebenenfalls auch Unmutsäußerungen von der Tribüne nicht gestattet sind. Es tut mir leid.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Sehr geehrte Frau Bayram! Ich muss gleich einmal mit einem Märchen aufräumen, denn der Vorsitzende des Vereins „Jede Stimme zählt“ ist nicht Herr Saleh, sondern Herr Robert Schaddach. Sie hätten sich einmal ein bisschen informieren sollen.
Vielfalt fördern, Zusammenhalt stärken, das ist das Motto des Berliner Integrationskonzepts. Wir wollen, dass die Vielfalt in Berlin als etwas Positives erlebbar wird. Kulturelle Vielfalt ist der wahre Reichtum dieser unserer Stadt. Deshalb ist es wichtig, gemeinsam an der Sache für die gleichberechtigte Teilhabe von allen Berlinerinnen und Berlinern ungeachtet ihrer Herkunft oder Nationalität zu arbeiten.
Zu einer gleichberechtigten Teilhabe gehört natürlich auch, dass alle in Berlin lebenden Menschen mit gleichen Rechten und Pflichten in unserer Gesellschaft ausgestattet werden.
Hierzu gehört zweifelsohne das kommunale Wahlrecht. In der letzten Wahlperiode ist unsere Fraktion hier schon tätig geworden. Um den aktuellen Anforderungen eines modernen und demokratischen Wahlrechts gerecht zu werden, bedarf es einer Anpassung des Grundgesetzes. Daher haben wir bereits im Jahr 2007 gemeinsam mit dem damaligen Koalitionspartner einen Antrag zum kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger eingebracht, der zum Ziel hatte, sich mittels einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass die dauerhaft in Deutschland lebenden Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger ein kommunales Wahlrecht erhalten.
[Benedikt Lux (GRÜNE): Wo ist denn der für das Wahlrecht zuständige Senator oder wenigstens der Staatssekretär?]
Das kommunale Wahlrecht ist ein wichtiges Instrument für politische Selbstbestimmung, Teilhabe und Gleichberechtigung. Deshalb wurde in diesem Jahr die Kampagne „Jede Stimme 2011“ als Gemeinschaftsprojekt von Jede Stimme e. V. und Citizens For Europe e. V. ins Leben gerufen.
Sie brauchen hier gar nicht weiter zu pöbeln! Ich rede trotzdem weiter, Herr Lux. – Unter dem Motto „Wahlrecht für alle“ wurden innerhalb einer Woche im Vorfeld zu den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 460 000 Berlinerinnen und Berliner ohne deutschen Pass angesprochen; es wurden symbolische Wahlen durchgeführt. Dadurch hat sich ein Netzwerk aus Vereinen, Freiwilligen und Unterstützern aufgebaut, das es gilt, erfolgreich fortzuführen.
Zum Zusammenleben auf gleicher Augenhöhe gehört, dass auch Menschen aus Nicht-EU-Staaten, die teilweise seit Jahrzehnten in Deutschland leben, endlich das kommunale Wahlrecht erhalten.
Auf Bundesebene waren wir ebenfalls aktiv. So hat beispielsweise unsere SPD-Bundestagsfraktion im März 2010 einen Antrag ins Parlament eingebracht, der einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes Artikel 28 beinhaltet. Dabei geht es um das dringliche Erfordernis, die Integration aller hier wohnenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger durch die dem demokratischen Prinzip entsprechenden Einräumungen des kommunalen Wahlrechts zu fördern.
Zu den eben genannten Initiativen gehören aber immer politische Mehrheiten in Regierungsverantwortung, um diese umzusetzen. In den derzeitigen Konstellationen auf
Bundes- wie auch auf Landesebene ist uns dies nicht möglich. In jeder Koalition gibt es einen Koalitionsvertrag. Das hat Frau Bayram scheinbar vergessen, weil die Grünen solange nicht in Koalitionsverantwortung waren.
Wir werden aber als SPD nicht von unserer Forderung abweichen und fordern weiterhin das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger,
denn nur dann kann eine Integration und Teilhabe in unserer Gesellschaft erfolgreich sein. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Lehmann! – Ich bin gebeten worden, noch einmal darauf hinzuweisen, dass der für Wahlrechtsangelegenheiten zuständige Senator für Inneres ganztägig wegen der Innenministerkonferenz entschuldigt ist.
[Benedikt Lux (GRÜNE): Und seine Vertretung? – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wer ist Staatssekretär? Die Lücke ersetzt ihn voll!]
Als nächstes hat der Kollege Taş für die Linksfraktion das Wort. – Der Staatssekretär ist ebenfalls auf der Innenministerkonferenz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linke unterstützt jeden ernsthaften Vorschlag zur Erweiterung der Rechte von Menschen mit Migrationshintergrund.
Dazu zählen wir an vorderster Stelle ein modernes, einfaches Einbürgerungsverfahren unter Hinnahme der Mehrstaatlichkeit sowie das Wahlrecht. Insofern kann der Antrag der Fraktion der Grünen, der heute hier eingebracht wurde, mit unserer grundsätzlichen Zustimmung rechnen.
Die CDU wird sicherlich, wie üblich, dagegen sein. Dazu fällt mir, ehrlich gesagt, auch nichts mehr ein. Das reimt sich sogar. Ein Wort möchte ich noch an die SPD richten: Herr Saleh, wenn Sie auch zuhören würden!
Sie haben ins Koalitionsprogramm Ihr ganzes Wahlprogramm integriert. Es wäre schön gewesen, wenn Sie sich auch in Sachen kommunales Wahlrecht durchgesetzt hätten. Dieser Verzicht war wohl ein Entgegenkommen wegen anderer Punkte. Die Berlinerinnen und die Berliner haben Sie nicht für eine Koalition mit der CDU gewählt.