Protokoll der Sitzung vom 03.07.2014

Ein anderes Stichwort ist der soziale Wohnungsbau der Vergangenheit. Warum ist es bisher nicht gelungen, eine größere Zahl von Wohnungen in den Mietspiegel zu überführen? Warum gibt es immer noch so viele Wohnungen zu überhöhten Preisen, mit überhöhten Baukosten aus den Achtziger- und Neunzigerjahren? Da ist nichts passiert! Da steht eine große Aufgabe vor Ihnen. Jedes Jahr fallen ungefähr 10 000 Sozialwohnungen weg. Wenn die danach auch noch so überteuert sind, dann sind sie für die soziale Wohnraumversorgung Berlins verloren. Um das zu kompensieren, müssten Sie zusätzlich 10 000 Wohnungen bauen. Das schaffen Sie mit den bisherigen Zahlen nicht. Da muss einfach mehr geschehen!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Als letztes Beispiel seien die Mietenpolitik und all das erwähnt, was auf Bundesebene passiert. Wir haben hier wie auch im Bund die große Koalition. Da nimmt man als Oppositionsmensch natürlich an, dass Sie auch mal miteinander reden, dass man sich vielleicht auch mal trifft und überlegt, welche Vorhaben im Bund vordringlich sind. Vom Justizminister gab es zunächst einmal ein paar Ankündigungen; er hat gesagt, die Mietpreisbremse komme fast sofort nach der Wahl. Dann hat er einen Referentenentwurf vorgelegt, der überhaupt nicht abgestimmt gewesen ist. Damit hat er die Koalition mutmaßlich verärgert. Und jetzt passiert nichts mehr. Er hat neulich verkündet: Vielleicht im Jahr 2015! – Je länger das mit dieser sogenannten Mietpreisbremse dauert, umso sinnloser ist die Aktion. Die muss jetzt bald kommen. Das brauchen wir für Berlin, und da fordere ich Sie auf: Reden Sie mit der großen Koalition! Sie müssen sich doch irgendwie nahe sein. Das ist eine Tagesaufgabe.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Das ist der Rahmen, da geht es um den Bestand. Jetzt will ich noch etwas zu der Neubauthematik sagen.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ja, sagen Sie mal was dazu!]

Herr Buchholz! Der Stadtentwicklungsplan Wohnen ist in diesem Parlament bis heute nicht angekommen. Es kursiert ein Entwurf, wir waren auch mal eingeladen und durften unsere Meinung sagen. Von unserer sachlichen Kritik, von unseren Vorschlägen ist nicht viel aufgenommen worden, und das Ding ist bis heute hier nicht angekommen. Auf welcher Basis arbeiten Sie eigentlich, Herr Müller?

Der StEP Wohnen, soweit der Entwurf jedenfalls zu sehen war, setzt einseitig auf großflächige Projekte auf der grünen Wiese. Die kann es geben, aber das, was sonst noch an Potenzial in der Stadt ist – leerstehende Gewerbeflächen, Nachverdichtungspotenziale,

[Daniel Buchholz (SPD): Das lehnen Sie ab in den Bezirksverordnetenversammlungen! – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Aufstockungen, Umnutzungspotenziale –, all das nutzen Sie nicht, Herr Müller, und das macht auch Herr Buchholz nicht! Herr Buchholz ist ein Schreihals.

[Zurufe von der SPD – Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Aber Sie machen nichts dergleichen! In die Debatte zum StEP Wohnen haben Sie sich nicht eingebracht, und das, glaube ich, ist auch eine Kritik, die hier sehr berechtigt ist!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN) und Philipp Magalski (PIRATEN)]

Gerade nach Tempelhof ist es notwendig, dass Projekte besser vorbereitet werden,

[Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

dass man so etwas wie eine Bereichsentwicklungsplanung hat, dass man nicht mit einem Investor auf irgendein Grundstück kommt und sagt: So, jetzt geht es hier los! Wir machen gleich ganz doll, es wird sehr schön! – und dann die nächste Bürgerinitiative am Hals hat, die dagegen protestiert.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Sind doch alles Grüne!]

Das muss doch besser vorbereitet werden. Wir brauchen eine bessere Planungsqualität.

Wenn hier vorhin gesagt wurde, wir hätten irgendeinem Bebauungsplan mal nicht zugestimmt: Herr Buchholz! Das hat immer damit zu tun, dass das schlechte Planungen waren!

[Lachen von Daniel Buchholz (SPD)]

Wir sind sehr gerne bereit, Ihren Plänen zuzustimmen. Ich nenne aber mal ein Beispiel. Hier um die Ecke, am Leipziger Platz: Das Ding ist hinterher beklagt worden und musste aufgehoben werden, weil Sie nicht sachgerecht gearbeitet haben. Auch da bieten wir Ihnen Hilfe an, hier im Abgeordnetenhaus und über unsere Bezirksstadträte.

[Ülker Radziwill (SPD): Wow!]

Sie wissen es selbst: Die sind vorne mit dabei, in Pankow, in Tempelhof-Schöneberg und in FriedrichshainKreuzberg. Da wird das meiste gebaut, und die sind bereit, Sie zu unterstützen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der SPD]

Ich will noch etwas zum Thema Förderprogramm sagen. Ich war neulich mit Herrn Müller bei einer Grundsteinlegung oder einem ersten Spatenstich bei der GESOBAU in Pankow. Die bauen da 100 Wohnungen.

[Zuruf von der CDU: Sehr gut!]

Wir haben uns angeguckt, was die da machen wollen, 100 Wohnungen, das ist ja erst einmal in Ordnung. Ich habe mir angeschaut, welche Mieten die sich da vorstellen und wie groß die Wohnungen sein sollen. Nach dem, was auf dem Zettel stand, sind die Wohnungen weder geeignet für Leute, die ALG II beziehen, noch sind sie für unsere Landesförderung geeignet, dafür sind sie nämlich zu groß. Herr Müller! Da frage ich mich schon, wenn Sie da den ersten Spatenstich machen: Wie ist so etwas eigentlich vorbereitet? Gibt es eine Vorgabe an die, ihr müsst soundso viel Wohnungen mit unserem Förderprogramm bauen, damit wir da eine entsprechende rechtliche Bindung erreichen? Und: Ihr müsst soundso viel Wohnungen bauen, damit die aus sozialen Gründen für Bezieherinnen und Bezieher von ALG II zur Verfügung stehen? Das habe ich da nicht gesehen, und ich weiß nicht, ob das an anderen Stellen funktioniert. Das müssen Sie heute bitte erklären!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Ich habe vorhin schon auf den Bestand verwiesen. Da gibt es einen interessanten Zusammenhang. Die CDUFraktion hat auf Ihrer Klausur beschlossen: Sie wollen ein Familienwohnungsförderprogramm. Das klingt erst einmal gut.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. Manuel Heide (CDU): Danke!]

Ja, klatschen Sie ruhig mal! – Dann habe ich aber gelesen, dass Sie das nicht für Neubau, sondern im Wesentlichen für Bestandsankäufe haben wollen. Da habe ich mich gefragt: Moment mal! Da wollen Sie Geld ausgeben und im Bestand Wohnungen ankaufen, und das soll irgendwie mit Familien zusammenpassen, andererseits führen Sie heute eine Neubaudebatte durch? – Und da ist mir der Zusammenhang aufgefallen: Sie sind gegen die Umwandlungsverordnung. Wir wollen, dass in Berlin, in den Altbaugebieten nicht länger Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden,

[Beifall bei den GRÜNEN]

weil dort in der Regel preiswerte Wohnungen vernichtet werden. Die Leute, die da ausziehen müssen – für Prenzlauer Berg kann ich Ihnen eine ganze Liste von Häusern geben, wo das so ist –, müssen Sie an anderer Stelle mit Wohnungen versorgen. Da würde ich sagen: Wenn Sie etwas für Familien tun wollen, dann machen Sie das beim Neubau, denn dann haben wir zusätzliche Wohnungen! Das ist eigentlich auch der einzige Ort, wo ich mir das gut vorstellen kann. Wir haben Erfahrungen mit Bau

gruppen, wir haben mit Projekten Erfahrungen. Wenn Sie unbedingt eine Förderung machen wollen, dann machen Sie das da! Aber machen Sie es nicht im Altbau, befördern Sie nicht diese unselige Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen! Das ist sozial schlecht für diese Stadt!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Die Förderung, das habe ich schon gesagt, ist ein wichtiger Punkt. Sie haben mit dem Haushalt ein schmales Förderprogramm beschlossen. Ich glaube, dass da mehr passieren muss. Wenn Sie wirklich wollen, dass nicht nur Landeseigene – die haben es schon schwer genug –, sondern auch Private Wohnungen für Menschen mit wenig Geld bauen, dann müssen Sie beim Förderprogramm mehr tun. Sie müssen vor allem auch dafür sorgen, dass die das annehmen.

Noch ein Wort zu den Bündnissen: Ich habe dieses Bündnispapier von gestern gelesen, Herr Müller.

Herr Kollege! Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich bin gleich fertig! – Da steht drin: Der BFW und der BBU – jeweils noch mit unterschiedlichem Text – würden vielleicht ein paar Wohnungen, wenn nicht wirtschaftliche, wenn nicht grundstückspolitische und alle möglichen anderen Gründe dagegen sprächen, in der Größenordnung von 10 bis 20 Prozent unter 7,50 Euro bauen. Herr Müller! Diese Bündnisse sind eine schöne PR-Geschichte, die helfen uns aber nicht weiter. Sie brauchen harte Zahlen, harte Verträge. Machen Sie ein Förderprogramm und eine Stadtentwicklung, die den Namen verdient! – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Oliver Friederici (CDU): Der Applaus war aber mau! – Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Brauner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Berlin ist eine wachsende Stadt. Lieber Herr Otto, ich will gleich auf Sie eingehen und mit einigen Zahlen und Fakten aufwarten, die sehr deutlich machen, dass wir an dieser Stelle vernünftig arbeiten und schon einiges getan haben.

(Andreas Otto)

Im Jahr 2006 hatten wir 4 381 Baugenehmigungen, im Jahr 2009 4 329 und im Jahr 2012 waren wir schon bei 9 941 – und das sogar ohne Bündnis. Bei den Baufertigstellungszahlen war es im Jahr 2009 so, dass wir rund 2 800 fertiggestellte Wohnungen hatten und im Jahr 2012 lagen wir da bei 5 400, das Ganze in nur zwei Jahren. Ich denke, das ist eine vernünftige Bilanz, und unsere gute Arbeit setzen wir mit dem Bündnis fort.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Heidi Kosche (GRÜNE): Da müssen Sie aber laut rufen, damit Sie das selber glauben!]

Da brauche ich noch nicht einmal laut zu rufen, ich bin sogar fest davon überzeugt, dass wir das Richtige tun. – Wir haben einen Dreiklang in unserer Wohnungspolitik: Wir haben angefangen, als wir mit der Koalitionsvereinbarung die Grundlage gelegt haben

[Steffen Zillich (LINKE): Ding, dang, dong!]

und haben sehr deutlich gemacht, dass wir mit den Themen Nutzung der Potenziale der städtischen Gesellschaften, sinnvolle Regulierung und Neubau genau die richtigen Instrumente an der Hand haben, um die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt in die entscheidende Richtung zu beeinflussen. Wir haben die Punkte nach und nach abgearbeitet. Wir haben als Erstes ein Bündnis mit den städtischen Gesellschaften gemacht, recht erfolgreich. Das haben wir hier auch schon besprochen. Wir haben im Bereich der Regulierung – Herr Otto, hören Sie genau zu! – so ziemlich jedes brauchbare Instrument genutzt, das wir im Bestand anwenden können. Wir haben deutlich gemacht, indem wir als erstes Bundesland die Kappungsverordnung genutzt haben, dass Mietanstieg im Bestand auf 15 Prozent begrenzt ist. Wir haben ein sehr weit reichendes Zweckentfremdungsverbotsgesetz gemacht, und wir haben deutlich gemacht, dass wir im Bereich der Regulierung auch durchgreifen. Darüber hinaus haben wir

[Steffen Zillich (LINKE): Umwandlungsverordnung?]

relativ schnell den Schutz vor Eigenbedarfsklagen in ganz Berlin auf zehn Jahre erweitert. Alles wichtige und richtige Instrumente, die in der Regulierung den Mieter schützen und den Mietanstieg dämpfen, weil wir das in einer Boomphase benötigen. Jetzt sagen Sie uns nicht, wir hätten nichts gemacht. Wir haben eine ganze Menge gemacht

[Steffen Zillich (LINKE): Umwandlungsverordnung?]