Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Also allgemeine Aufregung! Ich finde, Sie sollten die Papiere, die Sie im Senat mittragen, vielleicht dann doch mal ein bisschen genauer lesen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Thomas Birk (GRÜNE)]

Das trifft jetzt nicht nur auf Herrn Czaja zu, sondern das würde ich mir dann auch von den Parlamentariern und Parlamentarierinnen wünschen.

Wir sind in einer Situation, wo der Mangel schon vorhanden ist. Ich sage ganz klar: Nein! Ich will mich nicht damit abfinden, dass seit Jahren über 320 Stellen im öffentlichen Gesundheitsdienst unbesetzt sind. Ich will mich nicht damit finden, welche Folgen das hat – bei wachsender Stadt, bei Zuwanderung, bei dem Thema Flüchtlinge. Damit muss sich diese Stadt auseinandersetzen. Ich weiß auch gar nicht, ob im Senat angekommen ist – Herr Czaja, ich glaube, das ist wieder ein Thema für Sie –, wie denn angesichts dieser vielen unbesetzten Stellen, für die Sie ja dann auch keine Verantwortung übernehmen, weil Sie sagen, das sei Bezirksangelegenheit, z. B. das Impfen trotzdem stattfindet. Auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte übernehmen das freiwillig und unentgeltlich. Ansonsten könnte diese Pflichtaufgabe des Staates gar nicht mehr stattfinden. Aber Sie unterschreiben als Senat ein Konzept, wo steht: Personalabbau!

Herrn Heilmann möchte ich an der Stelle gern loben – auch wenn ich ihn jetzt nicht sehe –, denn er hat ein Personalkonzept für seine Justizverwaltung vorgelegt, wo er sich des Problems annimmt, dass sich die jungen Leute nicht mehr in ausreichender Zahl auf Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst bewerben und man gar nicht mehr die Möglichkeit hat auszuwählen. Er hat das Thema an

der Stelle gut durchdekliniert. Mal sehen, ob er damit durchkommt, denn das passt ja auch nicht zum Personalabbau. Die Frage ist auch, warum ihm niemand von seinen Senatskollegen und Senatskolleginnen folgt. Im vergangenen Jahr haben Sie von 443 fertig Ausgebildeten 75 sofort übernommen – 280 befristet. Selbst, wenn Sie alle übernehmen, reicht die Kapazität auch dafür nicht aus, sondern nur zu 50 Prozent.

Bei der Ausbildung – das kann ich Ihnen nicht ersparen, das muss ich auch noch mal vorlesen – sind Sie auch sehr, sehr innovativ, denn Sie schreiben in dem Papier, eine Ausbildungsoffensive sei nicht notwendig:

Einer weiteren Initiative bedarf es aus Sicht des Senates zurzeit nicht, da Personalmarketingmaßnahmen bereits umfassend gestartet wurden.

Dann wird „Berlin braucht dich!“ und der Girls' Day aufgezählt. Glückwunsch! Als hätte sich nach Rot-Rot an der Stelle nichts verändert und sich die Lage nicht, wie ich gerade zu schildern versucht habe, deutlich zugespitzt! Sie sagen, dass man an der Stelle nichts machen muss und schon alles dafür getan hat. Ich glaube, an dem Punkt werden Sie dann auch nicht weiterkommen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Beenden Sie diese Auseinandersetzung, die Sie untereinander führen! Sie müssen das Problem produktiv lösen, denn sonst können Sie die vielen Punkte, die man angehen muss, um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes zu halten und auszubauen, nicht angehen. Mit Rivalitäten und mit der Nicht-Entscheidung, ob Sie Personal abbauen wollen oder ob Sie mehr Personal benötigen – auch durch die wachsende Stadt –, können Sie dieses Problem nicht klären. Sie können es nicht zur Chefsache machen. Sie sind nicht entscheidungsfähig.

[Thomas Birk (GRÜNE): Es gibt doch keinen Chef mehr!]

Am Ende noch ein kleines Beispiel, das sehr einfach und einfach zu erklären ist: Wir haben uns zwei Jahre mit der Innenverwaltung darüber auseinandergesetzt, dass es faktisch, von wenigen Bezirken abgesehen, so gut wie keine Leistungsprämien im öffentlichen Dienst gibt, weil die Leute darauf verweisen, dass es ein furchtbares Ungerechtigkeitsproblem gibt, weil Beamte Leistungsprämien bekommen können, Tarifangestellte aber nicht. Das macht furchtbar Ärger, wenn man sich für die hervorragenden Leistungen, die ja im öffentlichen Dienst erbracht werden, bei den einen revanchieren kann, bei den anderen aber nicht. Sie haben zwei Jahre lang bei den Haushaltsberatungen immer erklärt, dass das nicht geht und wo sie überall nachgefragt haben. Aber Sie sind nie auf die Idee gekommen, einen Anruf oder eine Recherche im Land Brandenburg zu machen. Die haben das Problem ganz einfach gelöst: Sie machen einfach außertarifliche Leistungsprämien für Tarifangestellte, nehmen das in starkem

Maße in Anspruch, haben das Ungerechtigkeitsproblem gelöst und sind handlungsfähig. Aber das schaffen Sie nicht, und daraus kann man doch ableiten, dass Sie dieses Problem auch gar nicht lösen wollen. Sie können das nicht entscheiden, Sie wollen das Problem nicht lösen, aber die Stadt hat verdient, dass man das schnell tut.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Thomas Birk (GRÜNE)]

Vielen Dank, Frau Bluhm! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort Frau Abgeordnete Flesch. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Bluhm! So manchmal erinnert mich die Debatte, die wir in dieser Woche führen, an den Untergang des Abendlandes. Ist nicht, ist wirklich nicht! Diese Verwaltung Berlins besteht schon ein paar Jahre. Alle 40 Jahre gibt es einen Generationswechsel. Das war Anfang der Siebzigerjahre so, wie es heute ist, und die Berliner Verwaltung wird auch weiter bestehen.

[Udo Wolf (LINKE): Wenn alles von selbst passiert, brauchen wir auch keine Regierung!]

Aber ich gebe Ihnen recht: Der Entscheidungszustand, nein, der Umsetzungszustand dessen, was wir hier vor etwas über einem Jahr beschlossen haben, ist nicht so, dass man darüber jubeln könnte. Im Gegenteil: Meine Fraktion hatte das Thema Anfang des letzten Jahres ganz nach oben auf die Agenda gesetzt. Wir haben dann gemeinsam mit dem Koalitionspartner Anträge entwickelt und hier beschlossen. Das Ergebnis dieser Anträge haben wir in dieser Woche sehr ausführlich im Unterausschuss diskutiert und festgestellt: Ja, mit der Umsetzung dessen, was wir beauftragt haben, hapert es in fast allen Verwaltungen.

[Udo Wolf (LINKE): Die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – ist grotesk!]

Ich will nicht so weit gehen wie Sie, Herr Wolf. – Das finden wir auch nicht lustig. Deswegen dürfen alle noch einmal nachsitzen. Wir haben das Gefühl, dass nicht in allen Häusern klar ist, dass Personalgewinnung, -bedarfsplanung und -entwicklungsplanung Chefsache sein sollte.

Es gibt rühmliche Ausnahmen, aber die meisten sollten sich erst einmal anschauen, was diese rühmlichen Ausnahmen gemacht haben, und dann den Weg gehen. Ich bin schon der Meinung, da verkennen Sie das Wesen dieser Mitteilung – zur Kenntnisnahme –, dass der Auftrag mehrstufig ist. Anhand der Zielzahlen, die im Haushaltsgesetz in Summen umgegossen sind, ist erst einmal der Personalbedarf aufgabenkritisch darzustellen. Man muss sich Gedanken machen, ob man die Aufgaben noch

wahrnehmen muss. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung macht genau dieses. Deswegen ist sie von uns einvernehmlich als vorbildlich genannt worden.

Aber zu glauben, dass das, was wir eigentlich alle gemeinsam erreichen wollen, mit einem Personalstaats– sekretär beim Regierenden Bürgermeister zu lösen sein wird, ist Illusion, denn jedes Haus, jeder Senator, jede Senatorin ist selbst für die Entwicklung und den Personalbedarf verantwortlich. Da sollte tatsächlich noch etwas passieren. Das, was Sie als Aufgaben des Personalstaatssekretärs fordern, sind originäre Steuerungsaufgaben der Innenverwaltung. Wir können darüber streiten, ob die die voll umfänglich erfüllen, aber dazu braucht es keines weiteren Staatssekretärs. Darüber würde sich nur der Rechnungshof freuen, wenn er uns unter dem tosenden Applaus der Opposition beschimpfen könnte, wir hätten eh schon zu viele.

[Zurufe von Steffen Zillich (LINKE) und von Martin Delius (PIRATEN)]

Ich sehe schon, dass die Berliner Verwaltung in die Spur gesetzt ist, aber den Bahnhof hat sie gerade einmal verlassen, und die Strecke ist noch weit. Sie müssen noch dazulernen, aber Sie müssen nicht so tun, als sei gar nichts passiert, nur weil Sie – wie schon öfter – die Vorlagen nicht so richtig verstanden haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Flesch! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Schruoffeneger. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Flesch! Wer hier die Vorlagen nicht richtig verstanden hat, ist ja noch die Frage. Es handelt sich mitnichten, wie Sie sagen, um einen Prozess in mehreren Schritten, denn dann stünde hier nämlich: Der Senat bittet das Abgeordnetenhaus, folgenden Zwischenbericht zur Kenntnis zu nehmen. – Das steht da aber nicht. Es ist der Abschlussbericht. Und darunter steht: Es wird gebeten, die Beschlüsse damit als erledigt anzusehen. – War wohl nix! Da ist gar nichts erledigt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wir diskutieren hier die Anträge der Linken vor dem Hintergrund eines absoluten Politikversagens des Senats in der Personalpolitik. Am 28. August ist dieser Senatsbeschluss gefasst worden. Überschrift: Aufgabenkritisches Personalkonzept. Das Ganze ist ein Wahlkampfthema innerhalb der SPD. Nach außen wird der

(Carola Bluhm)

Eindruck erweckt, man würde sich intensiv und ernsthaft damit befassen. Aber nach innen passiert gar nichts. Herr Zimmermann sagte am Montag im Innenausschuss, die Zielzahl von 100 000 sei doch längt vom Tisch. Und der Senat beschließt gleichzeitig – ich zitiere aus Seite 5 des Papiers –:

Die laufende Personalplanung des Senats zielt insgesamt auf einen aufgabengerechten Personalabbau ab.

Die SPD diskutiert über Personalaufbau, und der Senat beschließt den Abbau. Die beiden Diskussionsprozesse haben ja nichts miteinander zu tun. Wenn man sich dann mal Seite 6 anguckt, stellt man fest: Bis auf zwei Verwaltungen – Sie haben es gesagt, Frau Flesch – hat niemand seine Aufgabenkritik gemacht. Es heißt dann:

Bei den übrigen Verwaltungen wird aufgrund der jetzigen Nachbesetzungsplanung der prognostizierten Personalabgänge die Einsparvorgabe nicht vollständig erreicht. Als Gründe werden u. a. genannt, dass … der Personalabbau durch die nicht planbare sonstige Fluktuation erbracht wird.

Was für ein Blödsinn! Das hat mit Aufgabenkritik nichts zu tun. Die sonstige Fluktuation soll es bringen. Und weiter hinten – Sie haben es zitiert – wird die Nachbesetzungsquote von 100 Prozent eingefordert. Alles Schrott!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wenn Sie sich das dann im Detail angucken, teilt uns der Regierende Bürgermeister mit seiner Leitlinienkompetenz mit, dass er nicht dazu in der Lage ist, seine 5,5 Vollzeitäquivalente einzusparen, da – wie sagt er so schön – erst in den nächsten Jahren die Abgänge anstünden. – Logisch! Es ist aber der Sinn von Aufgabenkritik, dass man mal in die nächsten Jahre guckt und nicht nur auf den heutigen Personalkörper. – So weit der Regierende Bürgermeister!

Die Innenverwaltung sagt uns immerhin, dass sie die 132 Stellen durch Fluktuation erbringen wird. Das ist ja auch eine klasse Vorbildleistung dieser Verwaltung. Ich sage Ihnen eines: Wenn ein Bezirk so etwas macht, gibt es die Haushaltssperre bis zur vollständigen Auflösung der PMA, und zwar stellenscharf. Das ist die doppelte Zunge, mit der Sie sprechen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Noch besser wird es, wenn man sich dann den angemeldeten Mehrbedarf anguckt. Die Gesundheitsverwaltung, die immerhin keine einzige konkrete Stelle zum aufgabenkritischen Personalabbau meldet, listet auf acht Seiten insgesamt über 200 zusätzliche Stellenbedarfe auf, und zwar ganz konkret, bis hin zu halben Stellen. Ich lese Ihnen nicht vor, was das alles ist und wie sich das begründet, aber wenn dann z. B. ein Stellenmehrbedarf für

das Jahr 2016 mit der Regierungserklärung und Koalitionsvereinbarung aus dem Jahr 2010 begründet wird, dann fühlt man sich doch nur noch hintergangen. Haben Sie die bisher nicht umgesetzt? Haben Sie sie nicht verarbeitet oder was? Was wollen Sie uns damit sagen? Eine Verwaltung mit 1 060 Stellen meldet einen Mehrbedarf von 205 Vollzeitäquivalenten an. Das ist ein Aufwuchs von über 20 Prozent – und das unter der Überschrift „Aufgabenkritischer Personalabbau“.

Fast noch besser ist die Innenverwaltung. Unter der Überschrift „Wachsende Stadt“ werden zwei zusätzliche Stellen für die Auswertung des Linksextremismus beantragt. Kann mir jemand den Zusammenhang mit der wachsenden Stadt erklären?

[Martin Delius (PIRATEN): Mehr Linke!]

Ja, mehr Linke! Alle, die zuwandern, sind Linksradikale. Oder entwickelt die alternde Bevölkerung Altersradikalität? Kann alles sein, aber das ist alles schlichtweg Blödsinn.

Der Regierende Bürgermeister hat die Vorlage auch unterschrieben. Er beantragte am 28. August zehn zusätzliche Stellen für die zentrale Sportanlage Tempelhofer Feld. Am 28. August! Phantomschmerz oder was? Da ist nichts mehr, wofür man etwas beantragen kann.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN - Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wenn man sich dann anguckt, dass das Landesamt für Bürgerämter 79 zusätzliche Stellen – davon 24 für die Führerscheinstellen aufgrund der Zuwanderung – beantragt und gleichzeitig die Bezirke zwingt, jetzt – im September bis November – über 600 Stellen stellenscharf als Rate für das Jahr 2015 abzubauen, und nicht mal auf die Idee kommt zu sagen, was für die Führerscheine gilt, muss auch bei den Bürgerämtern und die Personalausweise gelten, dann hat man sich augenscheinlich von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema endgültig verabschiedet.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN - Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Da hilft es dann auch nicht, wenn der Finanzsenator in einem großen Interview in der „Morgenpost“ sagt, die Bezirksbürgermeister machen ihre Arbeit nicht. Die einzigen, die ihre Arbeit nicht machen, sind die Senatoren und ihre Verwaltungen.