Stromvergabeverfahren noch einmal sorgfältig zu prüfen und zu verbessern. Der Senat hat geprüft und will jetzt offenbar verbessern. Insofern kann ich mich über das, was aktuell passiert ist, nicht beklagen.
Vielleicht noch etwas zu der Debatte! Ich fühlte mich an ein tschechisches Sprichwort erinnert, das übersetzt lautet: „Nach dem Krieg ist jeder General“.
Und auch die geradezu revolutionäre Forderung, die in dem Antrag der Grünen steht, man möge den Vergabebrief unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung überarbeiten, fand ich nicht hilfreich.
Aber jetzt zum Gasnetz! Was mich am meisten gestört hat: Sie haben gefragt, ob wir den Antrag der Grünen unterstützen. Aber die Forderungen, die zum Gasnetz drinstehen, haben mit der Vergabe überhaupt gar nichts zu tun.
Natürlich sind wir alle dafür, aus wirtschaftspolitischer Sicht die Frage zu stellen, was mit der Rest-GASAG passiert. So macht das sicherlich Sinn. Aber das Ganze in einen Zusammenhang mit der Vergabe zu bringen, finde ich geradezu fahrlässig. Und dass die Grünen – da haben wir immer wieder so einen elementaren Streit – das Gasnetz nicht mögen, weil kein Biogas hindurchfließt, das kann sich in Zukunft ändern. Das Gasnetz, darauf weise ich immer hin, hat eigentlich – rein quantitativ – eine größere Bedeutung als das Stromnetz, darüber kommt in Spitzenzeiten die vierfache Energielast und die doppelte Energiemenge. Insofern wird uns das Gasnetz noch sehr, sehr lange erhalten bleiben. – Ich sehe auch keinen Nutzen darin, an der Stelle eine externe Risikoanalyse in Auftrag zu geben. Was soll denn das bringen? Das ist mir nicht klar.
Und die Frage der Rest-GASAG – da ist der Drops doch längst gelutscht! Das wurde bei der Frage entschieden, ob sich Berlin um die Gaskonzession bewirbt. Das war der Punkt, an dem man sich darüber hätte Gedanken machen können oder müssen. In dem Moment, wo man sich bewirbt, ist klar, dass man möglicherweise auch gewinnen kann.
Ich möchte mit dem Appell an den Senat schließen, sich unseren Antrag aus der vergangenen Plenarsitzung noch weiter zu Herzen zu nehmen und, wie schon mehrfach gesagt wurde, die Vergabe der Netze in ein energie- und
klimapolitisches Gesamtkonzept einzubetten und – auch bei den Vergabekriterien – sich genau insbesondere an energie- und klimapolitischen Zielen zu orientieren. Diese Ziele erfordern ein langfristiges Planen und Handeln, das vom Wesen her eine stabile Eigentümerkonstellation benötigt. Insofern sehe ich an der Stelle einen klaren Weg. In diesem Sinne: Hauen Sie rein!
Vielen Dank, Herr Mayer! – Nun hat der Finanzsenator darum gebeten, dass ihm das Wort erteilt wird. Bevor ich das tue, weise ich darauf hin, dass danach allen Fraktionen noch mal eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung steht. – Bitte, Herr Dr. Nußbaum!
Liebe Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich rate im Zusammenhang mit der Vergabe der Opposition zu einem Stück Gelassenheit. Weil Sie auch die Finanzverwaltung angegriffen haben, nehme ich mir an dieser Stelle heraus, noch einmal deutlich zu machen, dass – unabhängig von meiner Person – diese Finanzverwaltung, die Beamtinnen und Beamten, die in dieses Verfahren involviert sind, seit über einem Jahr eindeutig versuchen, das Verfahren transparent und diskriminierungsfrei zu machen, und dass wir es nicht ergebnisorientiert sehen, sondern dass wir das Verfahren ordentlich gestalten. Es ist mir sehr wichtig, das noch mal für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klarzustellen.
Sie haben auch erst angefangen, das Verfahren zu skandalisieren bei dem Ergebnis, dass die GASAG es nicht wird.
Vorher sind die Verfahrensbriefe auch für die Opposition, auch für die Linke und die Grünen, im Parlament gewesen, im Senat gewesen. Transparenter kann man ein Verfahren aus meiner Sicht nicht machen.
Nun sind hier verschiedene BGH-Entscheidungen zitiert worden. Wie es immer so ist, lieber Kollege Lederer, Sie haben ja Jura studiert: mehrere Juristen, mehrere Meinungen! Warten Sie doch erst mal ab, bis die Verfahren, die uns betreffen, entschieden worden sind! Sie jonglieren hier mit Gerichtsentscheidungen und -daten herum, als wenn es freie Bälle wären. Ich möchte Ihnen dazu Folgendes zur Aufklärung sagen: Das Kartellamt – Sie gebärden sich manchmal so, als wenn Sie Angestellter des Kartellamts wären – hat erst am 30. Juni 2014 – hier ist das Schreiben – im Stuttgarter Verfahren wortwörtlich Folgendes geschrieben –
mit Bezug auf das OLG Düsseldorf; zum Unterschied OLG Düsseldorf und BGH, das eine war Heiligenhafen, das andere war Gelsenkirchen, sage ich Ihnen noch was –:
Bislang hat die Beschlussabteilung die Gewichtung von Unter- und Unterunterkriterien sowie deren Bekanntmachung vor finaler Angebotsabgabe allerdings nicht gefordert und den vergebenden Kommunen insoweit Ermessensspielraum zugestanden.
Am 30. Juni – das ist Wochen nach unserer Entscheidung – sagt selbst das Kartellamt: Wir haben es nicht gefordert, wir wussten es nicht. – Nach Ihrer These hätte selbst das Kartellamt die BGH-Entscheidung zugrunde legen können, ein bisschen früher, im Stuttgarter Verfahren. Das hat es nicht gemacht. Deshalb sagt das Kartellamt, deswegen habe die Beschlussabteilung im LHS-, also im Verfahren der Landeshauptstadt Stuttgart, nicht im Rahmen der Vorgespräche auf diesen Aspekt hingewiesen. Das hat sie bei uns übrigens auch nicht gemacht. Inzwischen sieht die Beschlussabteilung jedoch gute Gründe – gute Gründe! –, die detaillierte Gewichtung auch im Dienste der Nachvollziehbarkeit der Auswahlentscheidung und der besseren Überprüfbarkeit zu fordern. Die Entscheidung vom OLG Düsseldorf vom 17. April 2014 erging indes erst nach der Auswahlentscheidung des Gemeinderats von LHS. Deshalb sieht die Beschlussabteilung davon ab, ein Verfahren gegen die LHS auf diesen Aspekt zu stützen. – Ich sage Ihnen nur so viel zu dem berühmten Kartellamt, das Sie immer heranziehen. Warten Sie doch erst mal ab, was das Kartellamt in unserem Verfahren sagt!
Es gibt einen zweiten Unterschied, den Sie auch nicht zur Kenntnis nehmen wollen, obwohl wir Ihnen das schon mehrfach zu erklären versucht haben. Wir haben in dem Gasverfahren keine Unter- oder Unterunterkriterien gebraucht. Das müssen Sie wissen, denn die ganzen Vergabebriefe – 1., 2., 3. Verfahrensbrief – waren im Parlament und waren im Senat. Sie haben zu Recht gesagt, sie waren auch transparent im Internet veröffentlicht. Sie wissen, wir haben weder Unterkriterien noch Unterunterkriterien benutzt.
Jetzt kommen wir zu den Gerichtsentscheidungen, die Sie zitieren: Die berühmte Entscheidung des OLG Düsseldorf betraf einen Fall, wo eine Kommune, nämlich Gelsenkirchen, in dem Verfahren Unterkriterien, respektive Unterunterkriterien, angewandt hatte, anders als wir – und noch schlimmer: Die sind hingegangen und haben anscheinend in dem Verfahren diese Unterunterkriterien noch einmal verändert. So sagt es nämlich das Gericht: Die beklagte Kommune hat der Angebotsbewertung teilweise Unterkriterien zugrundegelegt, die sie den Bietern zuvor nicht mitgeteilt hat. Das eröffne ihr bei der späteren Angebotsbewertung unzulässige Manipulationsmöglich
keiten. – Also überhaupt nicht unser Fall! Weder haben wir Unter- oder Unterunterkriterien gebildet, noch haben wir sie später verändert in dem Verfahren. Das war Gegenstand dieses Verfahrens.
Dann bezieht sich das OLG ausdrücklich auf die von Ihnen so vielfach zitierte BGH-Entscheidung und sagt auf Seite 16:
Aus dem Transparenzgebot folgt als allgemeiner Grundsatz diskriminierungsfreier Auswahlverfahren die Pflicht zur Offenlegung der Entscheidungskriterien
der Gemeinde. Das haben wir – das ist auch von Ihnen nicht bestritten – deutlich gemacht. Ob Sie dann inhaltlich mit den Entscheidungskriterien, wie wir sie hier im Parlament und im Senat festgelegt haben, zufrieden sind, ist eine zweite Frage. Wir haben sie rechtzeitig offen vorgelegt. Deswegen sagt auch das Gericht hier: Diese müssen ebenso wie ihre Gewichtung den Wettbewerbsteilnehmern „rechtzeitig vor Angebotsabgabe“ mitgeteilt werden. Da bezieht sich das Gericht auf diese BGHEntscheidung. Diese BGH-Entscheidung zu Heiligenhafen hat nichts mit Unterkriterien zu tun, sondern hat nur mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot und Transparenzgebot zu tun. Deswegen sagt das Gericht im Nachsatz:
Nur so kann eine diskriminierungsfreie Teilnahme aller Interessenten am Auswahlverfahren gewährleistet werden, die ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen ausschließt.
Was will ich damit sagen? – Ich will hier kein juristisches Seminar für Sie machen, das können in der Tat nur die Gerichte. Aber die Frechheit, mit der Sie einfach behaupten, die Senatsverwaltung für Finanzen hätte hier vorsätzlich ein rechtswidriges Gasverfahren gemacht und hätte das rechtzeitig vor der Bewertung korrigieren müssen, – das weise ich noch einmal in aller Entschiedenheit zurück.
Jetzt komme ich noch einmal zum Stromverfahren. Beim Stromverfahren haben wir auch noch nicht beschlossen, wie das hier gesagt wurde, sondern ich habe dem Senat angekündigt, weil wir auch hier im Parlament schon eine Nachfrage hatten und die Bieter zu Recht danach fragen, dass wir das Verfahren auf den 2. Verfahrensbrief resetten. Der 2. Verfahrensbrief sind die Auswahlkriterien. Wir resetten das nicht von Anfang an. Auch das ist eine bewusste Falschmeldung. Denn von Anfang an würde heißen, sie müssten noch einmal ihre Geeignetheit nachweisen. Müssen sie nicht, sondern wir resetten das auf den 2. Verfahrensbrief.
Wir resetten das auch nicht deshalb, weil wir überzeugt sind, wir hätten im Gasnetzvergabeverfahren einen Fehler gemacht und müssten deswegen das Stromnetzvergabeverfahren korrigieren, sondern ganz einfach, weil die zwei Bieter, die noch de facto neben unserem Betrieb übriggeblieben sind, klar in dem Verfahren, das ein Dialogverfahren ist, gesagt haben, sie fänden es sozusagen gut, wenn wir Unterkriterien bilden würden. Jetzt kann man als Finanzverwaltung sagen, das interessiert uns nicht, wir ziehen unseren Stremel durch, oder wir sagen, wir hören darauf.
Auch da müssen Sie abwägen, denn in den Diskussionen mit dem Kartellamt ist natürlich auch herausgearbeitet worden, warum man Unterunterkriterien nimmt, warum man keine nimmt. Deshalb hat das Kartellamt das bislang auch nicht gemacht gehabt, bis zur Entscheidung des OLG Düsseldorf, denn es gibt auch gute Gründe, keine Unterkriterien zu nehmen. Warum? – Wenn Sie die Unterkriterien vorher definieren und nach der Rechtsprechung den Bietern mitteilen, gibt es über diese Unterkriterien von den Bietern keine Chancen, sich zusätzlich mit neuen Ideen zur Nachhaltigkeit, zur Umweltfreundlichkeit, zum Betrieb des Gas- oder Stromnetzes zu qualifizieren und zusätzliche Punkte zu sammeln. Das heißt, Sie verengen das Auswahlverfahren auf die Kriterien, die Sie vorher festgelegt haben.
In einem offenen Verfahren, wo auch andere Bewerber teilnehmen können, könnte es ja sein, so ist es beispielsweise beim Gasverfahren auch gewesen, dass sich neue innovative Ideen von den anderen Bietern – Alliander hat das beispielsweise gemacht – absetzen. Dazu kommt: Die können Sie dann bei Unterunterkriterien nicht mehr benutzen, weil der andere Bieter das nicht wusste und sagen wird, ich bin diskriminiert worden. Die Frage der Unterkriterien und Unterunterkriterien ist nicht nur eine rein formale, sondern sie hat auch damit etwas zu tun: Beschränkt man den Kreis der Kriterien, oder gibt man den Bietern in einem solchen langwierigen Verfahren auch die Möglichkeit, sich über eine Kür zusätzlich zu qualifizieren? Das Bundeskartellamt hat deswegen in der Vergangenheit gesagt, nein, wir wollen keine Unterkriterien, oder ist gar nicht auf die Idee gekommen, sondern hat das in einer Bewertung offen gelassen, damit auch solche neuen Aspekte hineinkommen.
Wenn jetzt die neuen Regeln – noch sind sie gar nicht in einer obergerichtlichen Rechtsprechung festgeklopft worden, es gibt eine OLG-Entscheidung Düsseldorf, der BGH hat, wie gesagt, überhaupt nicht von Unterkriterien gesprochen, sondern von einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren – in Zukunft über eine höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt werden, dann werden eben Unterkriterien gebildet. Da fällt einem doch kein Zacken aus der Krone. Man weiß aber, es gibt dann nicht die Chance, sich zusätzlich zu qualifizieren.
Ich komme zurück zum Stromverfahren: Im Stromverfahren haben die beiden verbleibenden Bieter gesagt, sie könnten mit Unterkriterien leben. Wenn das der Fall ist, dann heißt das ohne Anerkennung einer Rechtspflicht durch die vergebende Stelle es besser jetzt zu tun, als dann möglicherweise, weil die Rechtslage immer noch nicht ausgeurteilt ist, am Ende des Verfahrens wieder über Klagen eine Verzögerung des Verfahrens herbeizuführen. Genau das ist die Abwägung gewesen, die wir gemacht haben. Deswegen werden wir in den Senat – es ist noch nicht beschlossen – in Kürze auch keine inhaltliche Veränderung der Auswahlkriterien bringen – ich sage es noch einmal: keine inhaltlichen Veränderung der Auswahlkriterien! –, sondern wir werden sie nur nochmals untergliedern, damit dann im Sinn dieser Unterkriterien diese Überprüfung leichter fällt. Das ist kein Kurswechsel, sondern nur eine andere Darstellung des Ganzen.
Sie haben auch oft das Thema Verzögerung angesprochen. Die Finanzverwaltung würde über Tricks das Verfahren verzögern. Da sage ich Ihnen: Zur Wahrheit gehört, dass die GASAG zuerst gegen das Kartellamt geklagt hat, also die schenken sich da auch nichts.
Und zur Klassifizierung einer Verschlusssache als „vertraulich“, da fragen Sie mal Ihre Fraktionsmitarbeiter, ob sie sicherheitsüberprüft sind oder nicht. Ich finde, es gehört sich, dass das Kartellamt, das die gesamten Daten der deutschen Wirtschaft vorliegen hat, natürlich sicherheitsüberprüft ist. – Vielen Dank!