Protokoll der Sitzung vom 27.11.2014

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Magalski. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Die Berlinerinnen und Berlin haben den Pferden

viel zu verdanken. Sie leisteten und leisten auch heute noch wertvolle Arbeit in unserer Gesellschaft. In Deutschland sind es mittlerweile vornehmlich Aufgaben im Bereich des Sports, die auch diskutabel sind und die leider immer noch dazu führen, dass sie oft mit dem Missbrauch der Pferde einhergehen. Bei therapeutischen Aufgaben unterstützen sie die Gesundung von Erwachsenen und besonders von Kindern und Jugendlichen.

[Unruhe]

Die Aufgaben in der Landwirtschaft und der Personenbeförderung spielen in Deutschland seit der Motorisierung zu Recht keine Rolle mehr. Dennoch werden sie mancherorts weiter dazu gezwungen, entgegen ihrer Natur gehalten, um als Zugpferde ausgenutzt zu werden.

[Unruhe]

Darf ich Sie kurz unterbrechen, Herr Abgeordneter! – Meine Damen und Herren! Könnten Sie bitte ein wenig leiser sein. Der Abgeordnete hat das Wort! – Danke!

Das direkt vor unserer Haustür, allein zum Amüsement gut betuchter Touristen! Aber eine Touristenattraktion ist das nicht, sondern schlicht Tierquälerei.

Was vor hundert Jahren noch als Notwendigkeit bezeichnet werden konnte, ist heute unter tierschutzpolitischen Gesichtspunkten nicht mehr hinnehmbar. Der dauerhafte Einsatz von Pferden als Zugtiere für Fuhrwerke respektive Kutschen führt bei den Pferden zu dauerhaften Belastungen. Gerade der Innenstadtverkehr mit seinen Abgasen und dem Feinstaub ist den Pferden nicht zuzumuten.

[Daniel Buchholz (SPD): Den Menschen auch nicht!]

Pferde als Fluchttiere werden durch den starken Verkehr zusätzlich und unnötig geängstigt und unter Stress gesetzt. Das kann zudem zu gefährlichen Verkehrssituationen führen. Die allein in diesem Jahr dokumentierten Unfälle mit Pferdefuhrwerken, auch mit Personenschäden und schweren Verletzungen, zeugen davon. Hinzu kommt, dass Asphalt für Kraftfahrzeuge konstruiert wurde, nicht für Huftiere, die hier mit jedem weiteren Meter ihrem Körper schaden. Zwar sind Auswirkungen wie zäh fließender Verkehr und Staus noch das geringste Übel dieser überholten Unsitte, aber verkehrspolitisch sind sie nicht außer Acht zu lassen. Dies ist bereits mehrfach von Vertretern aller Fraktionen kritisiert worden. Aber mehr als die Leitlinien für Pferdefuhrwerkbetriebe ist dabei nicht herumgekommen. Diese erhöhen den Aufwand der Bezirksämter, die ohnehin zu wenig Personal haben, um effektive Kontrollen durchführen zu können. Das ist uns und den hier engagierten Akteuren einfach zu wenig.

[Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Herr Buchholz! Herr Herrmann! Frau Seibeld! Zeigen Sie uns, dass auch Ihre Fraktionen ein Herz für Tiere haben! Helfen Sie uns bei der Beendigung des Leids der Pferde!

Liebe Verkehrspolitiker! Für Sie dürfte diese Angelegenheit eigentlich noch klarer sein. Aber hier noch ein Beispiel aus der selbst erlebten Verkehrspraxis: Erst neulich musste der Bus M 41 minutenlang an die Geschwindigkeit eines Pferdefuhrwerks angepasst werden, da es keine Überholmöglichkeit gab. Eine minutenlange Verspätung war die Folge und der nachfolgende Verkehr staute sich entsprechend. Auch Pferdeäpfel und Dung auf den Straßen sind ein Ärgernis und bieten Gefahren für Verkehr und Mensch – gerade auch für Fahrradfahrer.

Dies allein hätte die Piratenfraktion aber nicht dazu motiviert, diesen Antrag zu stellen. Deshalb möchte ich noch einmal ausdrücklich herausstellen, dass hier das im Grundgesetz verankerte Tierwohl ausschlaggebend ist, dem die Fuhrwerke in mehrfacher Hinsicht entgegenstehen.

Zum Antrag unter der Nr. 18 b, die Ständerhaltung, nur so viel: Sie ist in allen Bundesländern verboten. Nur in den Stadtstaaten ist dies versäumt worden. Diese Gesetzeslücke gilt es jetzt im Sinne von § 2 Tierschutzgesetz zu schließen. Lassen Sie die Klientelpolitik für einen Moment ruhen, und beraten Sie mit uns im Rechtsausschuss diese Lösungen! – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Udo Wolf (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Magalski! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Buchholz. – Bitte sehr, Herr Buchholz!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Verehrter Kollege Magalski! Ich fange mit dem zweiten Antrag der Piratenfraktion an. Nun habe ich gemerkt, dass noch einige Kolleginnen und Kollegen nicht wissen, was Ständerhaltung von Pferden ist. Darf ich es zunächst erklären?

[Burgunde Grosse (SPD): Ja! – Wolfgang Brauer (LINKE): Ja, bitte!]

Sehr gut, ich sehe hier, mehrere wollen es wissen.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Man spricht von einer Ständerhaltung, wenn ein Pferd dauerhaft, man kann sagen, an einem Pflock, an einem Pfahl, an irgendetwas angebunden ist und sich dabei eben nicht wirklich bewegen kann, vor allem mit dem Kopf nicht weiter als nur bis zum Boden gehen kann und keine Bewegungsfreiheit hat,

[Wolfgang Brauer (LINKE): Ah!]

wenn es in einer Box angeständert bzw. angeleint ist – dauerhaft und so, dass es eben extrem wenig Bewegungsmöglichkeiten hat. Und darauf kann ich gleich inhaltlich eingehen.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Hat man das auch bei Ponys?]

Kollege Magalski! Es ist völlig unstrittig, Sie haben die Bundesregelung zitiert, dass das auch in Berlin nicht stattzufinden hat. Die Pferde sollen, wenn sie sich erholen wollen und sollen, natürlich auch die Freiheiten haben, die dafür notwendig sind. Sie haben die Bundesleitlinien angesprochen. Ich habe eben noch mal nachgefragt. Es ist völlig klar, dass das auch in Berlin verboten ist. Wir sollten tatsächlich im Rechtsausschuss darüber reden, ob es den Regelungsbedarf einer eigenen Verordnung gibt. Wir glauben, dass das die Bezirke, die das vollziehen können, auch schon jetzt machen können. Und wir haben diesen einen Fall, der vor Kurzem durch die Presse geisterte, zu rekapitulieren versucht. Da war es wirklich ein Sonderfall, zwei Pferdegeschwister, die bewusst und tatsächlich in dieser Form zusammen gehalten werden sollten und wollten.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Eine Möglichkeit!]

Also das war tatsächlich etwas ganz Besonderes, was dort vermeintlicher als große Tierschutzfrevelei aufgedeckt wurde, offensichtlich sehr gut begründet. Und auch das Veterinäramt hat vor Ort gesagt, dass ist in diesem Spezialfall gerechtfertigt. Trotzdem, mit dem grundsätzlichen Ansatz sind wir bei Ihnen, lassen Sie uns das zusammen im Rechtsausschuss beraten!

Ich komme zum zweiten Antrag der Piratenfraktion „Keine Pferdefuhrwerke mehr in Berlins Innenstadt“. Das ist ein Thema. Sollen, können, müssen Fuhrwerke – also Kutschen – durch die Innenstadt fahren, ja oder nein? Da kann man sich auf verschiedenen Wegen diesem Thema annähern, zunächst einmal, wenn wir selbst in einer Stadt als Touristinnen und Touristen zu Besuch sind. Sie haben eben sehr despektierlich von gut betuchten Touristen gesprochen, die zu Besuch sind, ich glaube, es gibt auch ganz normale Touristen, die, wenn sie sich die schöne Stadt Wien anschauen oder viele andere Städte auf der ganzen Welt, es durchaus genießen, mit einer Kutsche in Ruhe durch die Stadt zu fahren.

[Philipp Magalski (PIRATEN): In 20 Minuten 40 Euro!]

Da ist übrigens auch eine Form von Entschleunigung, wenn man sich so bewegt. Das ist eine Seite, wie man sich dem Thema nähern kann.

Der zweite Weg, da haben Sie völlig recht, ist natürlich, bei den Tieren, bei den Pferden zu schauen, inwieweit müssen wir aus Tierschutzgesichtspunkten, aus sicherheits- und verkehrspolitischen Gründen sagen, Pferde

(Philipp Magalski)

kutschen haben nichts mehr in der Innenstadt zu suchen. Nur da sagen die Verkehrspolitiker, sie sind eher ein Verkehrshindernis, führen zur Entschleunigung. Ich dachte, dass das auch ein Anlass für die Piraten wäre, zu sagen, das wäre gar nicht so schlecht an einigen Stellen. Da sagen sie jetzt, das wollen sie nicht mehr.

Aber dann stellt sich natürlich die Frage: Ist es den Pferden zuzumuten? – Und da kommt es tatsächlich darauf an, mit welchem Experten und mit welcher Expertin Sie sprechen. Dass Pferde als domestizierte Pferde, wie wir sie heute nur noch haben, dafür abgerichtet sind, Arbeit zu verrichten, und das auch relativ gerne tun, vielleicht lieber auf einem Acker und mit einem Naturboden als auf einem Asphaltboden,

[Christopher Lauer (PIRATEN): Auf den Straßen von Berlin mit dem Pflug!]

da bin ich bei Ihnen, aber viele sagen, es ist ihnen zumutbar. Da muss man das ausdiskutieren, inwieweit es tatsächlich zumutbar ist.

Aber es stellt sich eben auch die Frage: Ist das, was wir 2009 in den Leitlinien definiert haben, vernünftig definiert worden, ja oder nein? Ich habe das damals über eine Kleine Anfrage mit aufgedeckt, ich habe jetzt gerade übrigens auch wieder eine umfangreiche Anfrage zu dem Thema eingereicht. Schauen wir mal, was die Antworten sind! Es gab Anfang 2013 eine kleine Evaluationsrunde mit den Veterinärämtern, mit den Bezirksvertretern, mit den Kutschbetreibern und auch mit der Verwaltung. Und siehe da, alle drei Seiten waren der Meinung, es hat sich bisher im Wesentlichen bewährt, diese Leitlinien zu haben, und sie haben zu einer echten Marktbereinigung geführt. Die schwarzen Schafe, die Betreiber, die sich nicht an die Tierschutzregelungen halten, die sich nicht an die Pferdekutschenleitlinien halten, die sind vom Markt weggenommen worden. Da haben die Veterinäre gesagt: Schluss, aus – und das ist dann auch eingestellt worden. Erste Feststellung.

Zweite Feststellung, dass, wenn wir uns das genau anschauen, wollen wir das noch in der Stadt, dann natürlich auch die Leitlinien voll eingehalten werden müssen. Und da gibt es einen Punkt, da weisen Tierschützerinnen und Tierschützer völlig zu Recht darauf hin, dass es offensichtlich bisher keinen einzigen Standplatz gibt, wo die Pferde mal in ihrer Pause naturbelassen auf naturbelassenem Boden stehen können, geschützt vor der Sonne zum Beispiel, wenn wir uns das im Sommer vorstellen, pralle Sonne, und sie müssen dann mit ihren Hufen auch noch auf dem Asphalt stehen. Das ist nicht so gedacht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Magalski?

Bitte schön!

Herr Kollege Buchholz! – In Ihren Ausführungen meine ich zu erkennen, dass Sie die momentanen Haltungsbedingungen, wie sie durchgeführt werden, für akzeptabel halten. Habe ich das richtig verstanden?

Meinen Sie die Haltungsbedingungen der Pferde, bevor sie im Einsatz sind oder wenn sie im Einsatz sind?

[Philipp Magalski (PIRATEN): Sowohl als auch! – Uwe Doering (LINKE): Nur nach dem Einsatz!]

Also, was ich persönlich nicht besonders gut finde, ist, dass eben viele Tiere tatsächlich täglich mit Hängern erst mal in die Innenstadt gefahren werden und abends wieder zurück. Das ist auch eine Belastung für die Pferde – unstrittig.

Die Frage ist aber: Was erleben sie dann in der Innenstadt? Nun sagen mir auch Tierfreunde, das ist für Pferde, die mit Scheuklappen – darum gibt es diese Erfindung – durch die Stadt fahren, durchaus ein erträgliches Maß, was sie annehmen können. Darüber können wir uns gerne noch mal im Ausschuss unterhalten.

Ich habe aber auch eine Bitte. Herr Magalski! Wenn Sie nächstes Mal Anträge formulieren, dann vielleicht auch so, dass sie in ihrer Zielrichtung eindeutig sind. Ich lese mal etwas vor und lasse nur einige Worte weg, aber der eigentlich Inhalt ist: „Der Senat wird aufgefordert, ein Verbot … zu prüfen.“ Das wäre also ein Prüfauftrag, aber Sie schreiben:

wird aufgefordert, ein Verbot … zu prüfen und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten auch durchzusetzen.

Soll er nun nur prüfen, oder soll er es gleich durchsetzen, oder wissen Sie dann schon die Antwort? Da wäre meine Bitte: Formulieren Sie nächstes Mal doch eindeutige Parlamentsanträge! – Vielen Dank!