Protokoll der Sitzung vom 15.01.2015

[Beifall bei der LINKEN – Oliver Friederici (CDU): Das ist jetzt aber überzogen! Unnötige Schärfe! Wie die A 100!]

Jetzt kommt schon wieder eine unnötige Schulgesetzänderung, kaum dass wir die Bußgeldeinführung zur Durchsetzung der Sprachstandsfeststellung und anderen Unsinn verdaut haben. Und warum? Wegen eines Kuhhandels mit der CDU im Tausch gegen Bürgermeister Müllers Umwandlungsverordnung für Mietwohnungen muss das geplagte Land mit Riesenaufwand eine Gesetzesänderung umsetzen für eine Stichtagsverschiebung für den Einschulungstermin um drei Monate.

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Sie wollen die Einschulung mit fünfeinhalb Jahren kassieren, das bereits eingeführte und nachgebesserte Verfahren der Rückstellung von der Einschulung fallenlassen. Und dafür gibt es dann ein neues Verfahren, bei dem die Eltern zukünftig die jetzt noch geltende Früheinschulung beantragen können. Das ist einfach nur ein anderes Verfahren. Was hat das mit der Stärkung des Elternwillens zu tun, Herr Saleh? Das verstehe ich nicht.

[Beifall bei der LINKEN]

Es hätte völlig gereicht, den Eltern die volle Wahlfreiheit bei den jetzt praktizierten Rückstellungen zu lassen, ohne das Datum der Schulpflicht zu ändern. Die Entbürokratisierung des Rückstellungsprozesses passiert schon und soll weitergehen. Es ist schon ein Fortschritt. Warum geben Sie das auf? Wozu brauchen wir einen anderen Stichtag? – Alles nur, um auch diese von Ex-Senator Böger initiierte und unter Rot-Rot umgesetzte Reform zu canceln, bevor sie Zeit hatte, ihre Wirkung zu entfalten, Rückschritt, anstatt einen Schritt weiterzugehen und die Grundschulen fit für die kleinen Kinder zu machen und sie adäquat mit qualifiziertem Personal auszustatten. Das ist eine Verschiebung des Qualitätsproblems von der Grundschule auf die Kita.

Die Gesetzesänderung geht völlig an den tatsächlichen Problemen im Bereich Frühförderung vorbei und schafft noch neue, da durch die Verschiebung des Einschulungsdatums mindestens – das haben Sie selbst geschrieben – 5 000 Kitaplätze mehr, als ohne hin schon gebraucht werden, fehlen. Das so lax hinzunehmen, ist hochrangig verantwortungslos.

[Beifall bei der LINKEN]

Und es wirft Fragen auf. Sie kündigen 10 000 neue Plätze an. Sind da die zusätzlichen 5 000 aus der Konsequenz für die Terminverschiebung schon mit drin? Und woher sollen die alle kommen? Wer soll die bauen? Planen Sie jetzt ein substanzielles Sofortausbau- und Investitionsprogramm für die Kitas? Das bräuchte es nämlich. Der Kitaausbau lastet schon jetzt überwiegend auf den Schultern der Träger, die diesen seit Jahren zu zwei Dritteln aus Eigenmitteln, meist aus Krediten, finanzieren, weil die Förderung aus Bundes- und Landesmitteln hinten und vorne nicht reicht. Deren Ausbaukapazitäten sind gerade in den Innenstadtbereichen am Ende. Und unsere landeseigenen Kitabetriebe sind völlig außen vor, weil sie, wie wir wissen, keine Kredite aufnehmen können und komplett auf öffentliche Förderung angewiesen sind. Aber vor allem: Was sagen Sie den Eltern, die heute schon mit unter einjährigen Kindern darum bangen müssen, ob und wie sie jemals einen oder besser irgendeinen Kitaplatz finden werden? Fragen Sie Berliner Eltern, wie es ihnen geht, und denken Sie noch einmal positiv über eine Ombudsstelle nach! Sie werden eine brauchen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Möller! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Eggert. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Möller! Sie sehen mich fast fassungslos hier, weil ich gar nicht genau weiß, zu welchem der von Ihnen eben gerade angeregten Themen ich reden soll.

[Beifall von Roman Simon (CDU) – Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Das glaube ich Ihnen!]

Zu Ihrem eigentlichen Antrag haben Sie relativ wenig gesagt.

[Beifall bei der SPD]

Das liegt auch daran, dass er relativ substanzlos ist. Wir haben das im Ausschuss relativ gut diskutiert, dass es keinen Sinn hat, eine solche Einrichtung noch zusätzlich zu machen. Wenn Sie jetzt aber der Ombudsstelle, was in keiner Diskussion und in keiner Begründung jemals Thema war, die Aufgabe geben wollen, Eltern, die von Veränderungen, die kommen werden, die der Senat jetzt erst beschlossen hat in seiner Klausur, die noch gar nicht Bestand des Antrags und der Diskussion gewesen sind, zukünftig helfen soll, einen Kitaplatz zu finden, dann könnte man noch einmal neu darüber diskutieren. Das war und ist aber auch gleich gar nicht Aufgabe einer Ombudsstelle. Sie wollten es hier nur einmal gesagt haben, finde ich in Ordnung, nehmen wir zu Protokoll, haben die Kolleginnen und Kollegen hier vorne ja auch schon gemacht.

Ich probiere, zurück zu Ihrem Antrag zu kommen, und erkläre hier gerne auch noch mal, was wir im Ausschuss auch schon erklärt haben, sowohl ich als auch Herr Simon, warum wir aus den Koalitionsfraktionen es nicht für sinnvoll halten, eine Ombudsstelle einzurichten. Eine Ombudsstelle haben wir für die Jugendarbeit bereits eingerichtet, das haben Sie auch gesagt. Sie ist auch regelfinanziert, durch den Senat, durch uns in den Haushaltsverhandlungen abgesichert. Wir haben dort dafür gesorgt, dass das umgesetzt wird. Eine sehr sinnvolle Sache! Aber vielleicht sollten wir uns auch noch mal angucken, wie da die Ergebnisse sind. Wird das gebraucht? Wie wird das angenommen? Und wie wird das in Zukunft sein? Das würden wir gerne testen und die Evaluationsergebnisse auch in eine solche Beratung mit reinnehmen.

Warum brauchen wir aber jetzt im Kitabereich keine weitere Ombudsstelle? – Das ist relativ einfach. Es gibt bereits eine zahllose Fülle – das haben Sie auch selber

(Katrin Möller)

gerade dargestellt – von Gremien und Personen, die damit beschäftigt sind, sich in einem Beschwerdesystem um die Qualität und die Qualitätssicherung der Kitas zu kümmern.

[Zuruf von Dr. Manuela Schmidt (LINKE)]

Da wollen wir nicht noch eine weitere Struktur dazuhaben. Wir wollen nicht noch eine weitere Struktur haben, damit die eben von Ihnen schon von Zeitnot bedrängten Erzieherinnen und Erzieher, die sich um die Kinder kümmern sollen, noch mehr Zeit damit verbringen, denn all das, was Sie angeführt haben, löst doch eine Ombudsstelle nicht auf. Eine Ombudsstelle muss trotzdem mit den Eltern, den Erziehern, der Kitaleiterin, der Kitaaufsicht und all diesen Gremien kommunizieren. Es ist doch nicht so, dass der Diskussionsbedarf über die Qualität, die Erwartungen der Eltern und ihre Sorgen einfach wegkommt, weil das die Ombudsstelle übernimmt.

[Beifall von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Das wird nicht helfen. Das ist zu wenig. Ich bin der Meinung, wir sollten hier erst mal die Ergebnisse abwarten, was mit der Ombudsstelle Jugendhilfe passiert. Dann können wir gerne in ein oder zwei Jahren noch mal darüber nachdenken. Jetzt zum aktuellen Zeitpunkt haben wir ein sehr gutes System.

[Zurufe von der LINKEN]

Wir haben eine hervorragende Kitaaufsicht, die sehr gut arbeitet. Und wenn Sie die ganze Zeit behaupten, dass sie das nicht tut, legen Sie bitte Zahlen und Daten vor, wo das nachweisbar ist! Das sieht die Koalition nicht so. Wir lehnen Ihren Antrag auch heute wieder ab.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Eggert! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Remlinger. – Bitte!

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Eggert und liebe Frau Möller! Ich weiß, ich brauche Sie eigentlich nicht gegen Herrn Eggert in Schutz zu nehmen, aber ich tue es trotzdem ein bisschen,

[Benedikt Lux (GRÜNE): Der böse Eggert!]

indem ich sage, dass wir als Bündnis 90/Die Grünen Ihrem Antrag zustimmen wollen und ihn sinnvoll finden. Lieber Herr Eggert! Es gibt in verschiedenen Bereichen – da haben Sie ja nicht unrecht – bereits Ombudsstellen, es gibt Schlichter, Beauftragte in verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Und in allen diesen Tätigkeitsfeldern wurde die Arbeit von allen Beteiligten als hilfreich und als Entlastung empfunden, konnten viel Zeit, Geld, Nerven und Energie gespart werden dadurch, dass man eben über eine

kommunikative Vermittlung zu Einigungen gefunden hat, statt immer Gerichte und Juristen zu bemühen und eine Streiteskalationskultur zu fahren. Deshalb möchten wir dem Antrag der Linken hier zustimmen, denn auch für den Bereich der Kitas und der Tagespflegestellen halten wir eine Ombudsstelle für sinnvoll.

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eggert?

Ausnahmsweise nicht, Herr Eggert, weil ich an dieser Stelle meine Kollegin Marianne Burkert-Eulitz herzlich grüße und eher das vortrage, was sie mir gesagt hat, und nicht mit Ihnen jetzt in die Diskussion über die Jugendhilfe einsteigen möchte.

Ich möchte aber noch mal die Kollegin Möller an der Stelle in Schutz nehmen, Herr Eggert, wo Sie ihr unterstellt haben, sie habe jetzt nur mit den Verschiebungen bei der Früheinschulung argumentiert. Das hat sie mitnichten getan, sondern sie hat gesagt – und auch das Argument teilen wir –, dass z. B. der akute Kitaplatzmangel, den wir immer noch haben, oder die sehr angespannte Situation, in der es für Eltern ausgesprochen schwierig sein kann, aufwendig ist, einen Kitaplatz zu finden, sie möglicherweise eben auch die Auseinandersetzung an einer Stelle, an der sie unzufrieden sind, scheuen, aus Angst, dass das dann wieder eine neue Kitaplatzsuche nach sich zieht.

Umgekehrt kann man nicht nur auf die Kitaaufsicht verweisen. Ich weiß, dass da die Stellen aufgestockt worden sind, aber ich weiß auch, dass die Zahl der Kitas noch schneller wächst und dass die Kitaaufsicht über 2 000 Kitas beaufsichtigen und begleiten soll. Da kann sie sicher nicht diese doch meist bei Ombudsstellen kleineren kommunikativen Probleme, kleineren Konflikte im Einzelnen lösen, so wie es auch die Einrichtungen, die, wie Sie auch gesagt haben, personell angespannt sind, vielleicht nicht schaffen, immer gleich hinterherzugehen, wenn sich ein Konflikt andeutet. Und da kann sich eben was entwickeln, da kann sich etwas hochschrauben, wo es sehr nützlich sein kann, wenn da eine Ombudsperson zur Verfügung steht, die zwischen den Beteiligten vermittelt. Ich sage es noch einmal:

[Oliver Friederici (CDU): Nein, nicht noch mal!]

Ich habe immer den Eindruck, wenn es um die Diskussion von Ombudsstellen oder Ähnliches geht, dass Sie das als Kritik am Senat, an der Verwaltung oder gar an den Erzieherinnen und Erziehern in den Kitas verstehen. Das ist doch mitnichten der Fall. Es geht nicht um eine Stelle,

(Björn Eggert)

die sich allein als Anwalt der Kundinnen und Kunden gegen die Verwaltung und die Kitas versteht, sondern es ist eben etwas, im richtigen Sinne verstanden, das beide Seiten entlasten kann, wo beide Seiten froh sind. Es ist etwas, womit man ausdrückt, wir möchten eine Gesellschaft, die nicht immer alles über Eskalation, Streit, Gerichte und Juristen klärt, sondern die glaubt, dass über vertrauensvolle Kommunikation Konsense gefunden werden, über die sich alle freuen, am Ende sogar der Senat. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Remlinger! – Der Kollege Eggert hat eine Zwischenbemerkung angemeldet.

[Unruhe]

Ich möchte allerdings vorher darum bitten, dass im Saal wieder die angemessene Ruhe und Aufmerksamkeit für die redende Person einkehrt. Vielleicht können Sie bitte Ihre Nebengespräche aus den Gängen nach draußen verlegen. – Herr Eggert, bitte!

Es ist als ein positives Zeichen zu sehen, dass gerade der Gang zwischen den Koalitionsfraktionen so belebt ist und da eine offene Vernetzung, eine Agora sozusagen stattfindet. Ich begrüße das.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von den GRÜNEN]

Nichtsdestotrotz möchte ich auf das, was Frau Remlinger für Frau Burkert-Eulitz vorgetragen hat, antworten. Das war meine einzige Zwischenfrage. Ich möchte mit einer Mär aufräumen – es wird ja nicht besser, wenn man etwas, das nicht stimmt, immer wiederholt. Wir haben die Kitaaufsicht aufgestockt. Das haben Sie gesagt, das ist positiv zu sehen. Jetzt wurde wieder gesagt, Sie haben allgemein über Ombudsstellen gesagt, dass die bei vielen laufenden juristischen Verfahren helfen könnten. Dann legen Sie doch bitte auch einfach mal Zahlen vor, oder bitten Sie Frau Burkert-Eulitz, die Zahlen abzufragen oder so, wie viele juristische Verfahren es mit der Kitaaufsicht, dem Senat, Trägern von Kitas und Eltern gibt! Und wenn die so hoch und steigend sind, sind wir gerne bereit, mit Ihnen über neue Verfahren zu reden. Aber bis jetzt ist das, außer dass Sie das immer wiederholen und sagen, dass das angeblich schlimmer und nicht besser wird, gar nicht der Fall.

Niemand, auch Herr Simon, ich nehme das einfach vorweg, wird die Sinnhaftigkeit von Ombudsstellen infrage stellen. Wir waren uns doch auch übergreifend einig, dass das in der Jugendhilfe durchaus Sinn macht. Aber warum soll das, weil es in einem Bereich Sinn macht, einfach auf

alle Sachen übertragen werden? Dann brauchen wir demnächst noch eine Ombudsstelle der Ombudsstellen usw. Das wird nicht besser, wenn man einfach mehr Institutionen schafft. Ich finde, wir haben gut argumentiert, sowohl in den Ausschüssen als auch hier. Vielleicht stimmen wir dann einfach ab. – Ich danke Ihnen!