Protokoll der Sitzung vom 12.01.2012

Ja, auch wir als Fraktion haben zu Beginn kein besonders gutes Bild abgegeben.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Aber täuschen Sie sich nicht! Die Grünen-Fraktion hat sich berappelt, die Grünen-Fraktion steht.

[Lachen bei der SPD]

Und sie wird ihre Verantwortung als größte Oppositionsfraktion hier im Hause auch wahrnehmen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

„Friede, Freude, große Koalition“, titelte die „BZ“ am 22. November. Das war wohl etwas voreilig. Bereits bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters fehlten min

destens zwei Stimmen. Die angeblich unsicheren Kantonisten von den Grünen können es nicht gewesen sein.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Das stimmt!]

Sie mussten wohl aus Ihren eigenen Reihen gekommen sein.

Die folgende Senatorensuche gestaltete sich etwas mühselig. Der „Tagesspiegel“ schrieb gar von der „Senatsreserve“. Insbesondere der Zuschnitt der Ressorts sorgt bis heute für Kopfschütteln. Hier zeigte sich bereits, dass bei Rot und Schwarz Proporz und Macht vor Inhalten und Sinnhaftigkeit gehen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Absurd ist die Trennung von Wissenschaft und Forschung, gegen die die gesamte Stadt Sturm lief. Aber wann hat sich Klaus Wowereit je von berechtigten Einwänden beeindrucken lassen? Eine vernünftige Erklärung für diese widersinnige Trennung gibt es bis heute nicht. Frau Scheeres hat aber zur Belohnung dafür einen weiteren Staatssekretär bekommen, der vermutlich diese Trennung die nächsten Monate wird koordinieren müssen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Joachim Esser (GRÜNE): Ja!]

Andere Ressortzuschnitte sind offensichtlich nur mit parteiinterner Logik von SPD oder auch CDU zu erklären. Michael Müller hat nun das alte Strieder-Superressort.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Der CDU können sie es ja nicht lassen!]

Wie es Herrn Strieder damit ergangen ist, wissen wir ja alle.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Damit haben Sie, Herr Müller, nahezu auch alle großen Probleme der Stadt zu lösen: vom Verkehr und der SBahn über die Stadtentwicklung mit Tegel und Tempelhof über die drängende soziale Frage der Mietentwicklung bis hin zum Umwelt- und Klimaschutz. Dass dabei wie eh und je bei den Sozialdemokraten der Umwelt- und Klimaschutz auf der Strecke bleiben, befürchten nicht nur wir. Es ist wohl bezeichnend, dass Sie bis heute keinen Staatssekretär dafür gefunden haben.

[Beifall bei den GRÜNEN – Bürgermeister Michael Müller: Was? Staatssekretär Gaebler!]

Ja, Herr Gaebler macht das ja kommissarisch mit, habe ich mitbekommen.

[Michael Schäfer (GRÜNE): Gaebler ist schlimmer als keiner! – Heiterkeit bei den GRÜNEN]

Und überhaupt die Staatssekretäre, deren Anzahl Sie um ein Viertel gewaltig erhöht haben: Man musste sich ja schon fragen, was man tun musste, um bei Ihnen nicht Staatssekretär zu werden.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Besonders absurd fand ich die Geschichte „aus eins mach drei“. Der arme Benjamin Hoff wundert sich vermutlich bis heute darüber, weil es im Vorgängersenat nur ihn als Staatssekretär für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz gab.

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Der war auch sehr fleißig!]

Jetzt gibt es einen Staatssekretär für Umwelt, einen Staatssekretär für Gesundheit und eine Staatssekretärin für Verbraucherschutz. Nun gut, das ist offensichtlich Rot-Schwarz-Logik und Unsinn.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das ist Arbeitsteilung!]

Trauen Sie, Herr Wowereit, Ihren eigenen Leuten gar nichts zu, dass Sie die Verwaltung dermaßen aufgebläht haben? Oder kriegen wir jetzt die Regierung der Abteilungs- und Verwaltungsleiter?

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Womit keiner so schnell gerechnet hätte, war, dass die große Koalition der 90er-Jahre mit ihrer unschönen Verquickung von Immobiliengeschäften und Politik so schnell wieder aufploppt in der Stadt, nicht einmal wir, die dieses Schreckgespenst im Wahlkampf wahrlich an jede Hauswand gemalt haben. Kaum im Amt, wurden die Vorwürfe gegen den neuen Justizsenator Michael Braun bekannt, er habe als sogenannter Mitternachtsnotar beim Verkauf von Schrottimmobilien mitgemacht. Er hat die Vorwürfe weder ausgeräumt noch sich in irgendeiner Art und Weise an der Aufklärung beteiligt. Er hat sogar im Parlament die Unwahrheit gesagt. Da war der Rücktritt das willkommene Ende einer würdelosen Darbietung. Wobei das ja gar kein richtiger Rücktritt war! Herr Braun kam in den Genuss der Entlassung und der damit verbundenen ordentlichen Übergangsgelder. Bei diesem unschönen Spiel mit der Entlassung haben Sie ganz vorne mitgespielt, Herr Wowereit, obwohl Sie sich sonst ja gerne wegducken, wenn es unschön wird.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das hat es wahrlich noch nie gegeben, den ersten Ministerrücktritt noch vor der Regierungserklärung. Nicht einmal bis zu dieser Regierungserklärung hat Ihre versprochene Stabilität gehalten.

Nun wurde heute Thomas Heilmann als Justizsenator vereidigt.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum man so lange suchen musste, um Thomas Heilmann zu finden. Er war doch wahrlich die ganze Zeit als CDU-Vize und als Mitverhandler des Koalitionsvertrags hier: Thomas Heilmann, der nicht Wirtschaftssenator werden wollte oder durfte. Und bei allem Respekt, Herr Heilmann, das sieht etwas nach Notlösung aus, aber respektabel, dass Sie sich das antun.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Reise nach Jerusalem!]

Meine Damen und Herren von der CDU! Ist Ihnen eigentlich schon aufgefallen, wer bei alldem auf der Regierungsseite am schlechtesten wegkommt? – Sie haben nach der gleichen Devise „Dabeisein ist alles“ wie die damalige PDS im Jahr 2001 gehandelt und haben einen Koalitionsvertrag in 90 Minuten auf Ihrem Parteitag abgenickt, der sehr nach SPD und ziemlich wenig nach CDU aussieht.

[Zurufe von Sven Kohlmeier (SPD) und Lars Oberg (SPD)]

Vom Mindestlohn, dem Verzicht auf das Wahlpflichtfach Religion bis hin zum Drug-Checking hat die CDU alles unterschrieben, was gestern noch des Teufels gewesen ist.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Frank Henkel hat sogar das vermasselte Besetzungsverfahren für den Polizeipräsidenten geschluckt und schluckt noch schwer daran. Jetzt stehen Sie allein im Regen da.

Die Linksfraktion kann vermutlich ein Lied davon singen, wie Klaus Wowereit alles Gute und Schöne in einer Koalition für sich beansprucht und der Koalitionspartner für die Probleme und Pannen geradestehen muss.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Das ist ja nun an Ihnen vorbeigegangen! – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Diese Koalition ist kein Modell für den Bund für 2013, diese Koalition ist ein Auslaufmodell, schon bereits zu Anfang. „Senat mit Bypässen“, kommentierte eine Berliner Tageszeitung. Nach diesen letzten Wochen fragen nicht nur wir, wie lange diese Bypässe wohl noch halten werden.

Herr Regierender Bürgermeister! Einiges, was Sie heute hier gesagt haben, teilen auch wir. Wenn Sie betonen, dass Berlin eine internationale, weltoffene und tolerante Stadt ist und bleiben soll, dann haben Sie uns auf Ihrer Seite. Ich möchte an unsere gemeinsame Erklärung „Rechtsextremistische Morde und Gewalttaten verurteilen“ vom 24. November erinnern. Die Morde und Anschläge der Gruppe des Nationalsozialistischen Untergrunds haben uns alle erschüttert. Die neuen Erkenntnisse der letzten Wochen erfüllen uns mit Sorge. Gerade bei Migrantinnen und Migranten herrscht eine große Unsicherheit. Sie fühlen sich nicht ausreichend geschützt. Meine Damen und Herren, Sie müssen in der Bekämp

fung des Rechtsextremismus den Koalitionsvertrag nacharbeiten. Die drei dürren Zeilen werden nicht ausreichen. Und jetzt sind Sie, Herr Wowereit, und auch Sie, Herr Henkel, in der Pflicht, das verlorene Vertrauen bei den Migrantinnen und Migranten zurückzugewinnen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Man mag sich über die richtige Balance von Vision und Pragmatismus ja trefflich streiten, aber ohne eine Idee, ohne ein Leitbild kann eine Metropole wie Berlin nicht regiert werden, ohne Potenziale einzubüßen oder auf Mittelmaß zurechtgestutzt zu werden. Von Aufbruchsstimmung ist nichts zu spüren. Das konnten wir am Montag im „Tagesspiegel“ lesen. Daran hat sich auch heute nichts geändert.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Lars Oberg (SPD): Aber in Ihrer Rede?]