Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Kita hat für uns Priorität. Das ist gut so, denn bei diesem Thema brennt es in Berlin an allen Ecken. Die Realität hat die Senatorin eingeholt. Statt der von ihrer mantrahaft verkündeten Poleposition haben wir deutschlandweit die rote Laterne bei den Kleinsten. Das ist schon peinlich. Berlin braucht schnell Tausende zusätzliche Kitaplätze, Jahr um Jahr. Die wachsende Stadt hat den Senat überrascht. Wie konnte das geschehen? In Teilen der Stadt, zum Beispiel in besonders armen Quartieren Neuköllns, ist die Versorgung katastrophal. Selbst für Kinderschutzfälle stehen nicht wohnungsnah Plätze bereit, und die Kinder angekommener Flüchtlinge hat der Senat auch nur halb im Blick. Die geplante Verschiebung
des Einschulungsalters erfordert Tausende zusätzliche Plätze. Wir sind von einer guten und bedarfsgerechten Versorgung meilenweit entfernt.
Die Schaffung neuer Plätze wird nun komplizierter. Bis jetzt konnte sich der Senat darauf verlassen, dass die Kitaträger mit geringer Förderung Plätze schaffen, die sich der Senat dann als Erfolg ans Revers heften konnte. Jetzt kommt der Ausbau bestehender Einrichtungen an seine Grenzen. Die letzten Besenkammern sind längst zu Gruppenräumen umgebaut worden. Deutlich gestiegene Gewerbemieten verhindern weitere Anmietungen in größerer Zahl, im Gegenteil, erste Kitas mussten wegen Mietsteigerungen bereits aufgeben.
An einem verstärkten Neubau kommt nun auch die Koa nicht mehr vorbei. Wir fordern seit Längerem ein Kitaneubauprogramm. Neubau ist teuer. Da reichen die vorhandenen Fördersummen – zusammen etwa 47 Millionen Euro – nicht weit. Sie bekommen 3 000 neue Plätze, wenn der Neubauanteil wächst. Gebraucht werden und versprochen wurden aber 10 000. Wer soll den Rest stemmen? Wieder die Träger? Die erhalten für den Betrieb der Kitas nur 93 Prozent der Kosten erstattet. Die restlichen 7 Prozent müssen sie irgendwie erwirtschaften, sollen aber die Qualität hochhalten und dürfen keine Zusatzbeiträge erheben, wie das freie Schulen können. Wie die gemeinnützigen Kitaträger das Neubauprogramm umsetzen und Investitionen in Millionenhöhe erwirtschaften sollen, bleibt rätselhaft. Es fehlen die geeigneten Flächen in den Wohngebieten, und bei den Flächenübertragungen an Kitaträger hat sich Berlin, allen voran der Hauptausschuss, bisher nicht bewegt.
In den Kitas fehlt das Personal. Wie wichtig eine gute Personalausstattung besonders für die Sprachentwicklung der Kinder wäre, darüber sind sich alle einig. Aber daraus folgt nichts. Der Senat und die Koalition propagieren die Wichtigkeit der Kita für die Sprachförderung ständig und überall. Sie überziehen die Kitakinder mit zweifelhaften Tests und bedrohen die Eltern mit Bußgeldern. Sinnvoller wäre es, in die Qualität der Förderung in den Kitas zu investieren. Aber auch das ist teuer. Bereits ein erster Schritt zur Verbesserung des Personalschlüssels würde etwa 100 Millionen Euro kosten. Eine wirklich gute Personalausstattung würde 250 Millionen Euro mehr pro Jahr kosten. Wir sind schon sehr auf die Haushaltsanmeldungen für den nächsten Doppelhaushalt gespannt. Aber selbst wenn Berlin bereit wäre, diese Summen aufzubringen, gibt es nicht genug Fachkräfte. Die Ausbildung wurde jahrelang vernachlässigt. Trotz Fachkräftemangels müssen Auszubildende noch immer Schulgeld bezahlen. Wann das wegfällt, konnte heute nicht beantwortet werden. Die Bezahlung der Fachkräfte ist mäßig und schlecht.
Wir sind uns alle einig, wie wichtig eine gute frühkindliche Bildung für die Kitakinder ist. In Berlin werden gute
und richtige Rahmenbedingungen propagiert, etwa die Garantie der Plätze ab dem ersten Lebensjahr, das Fachkräftegebot, inhaltliche Qualität durch das wirklich gute Berliner Bildungsprogramm. Die Pläne und Ansprüche sind gut und richtig. Zwischen Ansprüchen und rauer Wirklichkeit klafft eine große Lücke. Diese Lücke wollen Senat und Koalitionsfraktionen einfach nicht zugeben. Sie stellen sich lieber nicht der Realität. Sie wird sie einholen, etwa beim Betreuungsschlüssel für die Kleinsten. Deshalb werden auch alle Anträge der Opposition, die darauf zielen, die Mängel zur Kenntnis zu nehmen und an ihrer Beseitigung zu arbeiten, reflexhaft abgelehnt. Stattdessen werden seriös nicht unterlegte Zahlen für den Ausbau und weitere Schritte zur Kitakostenfreiheit verkündet. Das sollten Sie, liebe Koalitionäre, lassen! Machen Sie erst einmal die Plicht gut, eine qualitativ gute Kita für alle Kinder! Danach können wir uns gemeinsam an die Kür, völlige Kostenfreiheit, machen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Kollegin Burkert-Eulitz! – Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt dem Kollegen Eggert das Wort. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine Herausforderung, der sich die jugend- und familienpolitischen Sprecher aller Fraktionen, glaube ich, sehr gerne stellen, weil das wichtige Punkte sind. Wir reden aber gleichzeitig zu sechs und zum Teil sehr unterschiedlichen Bereichen. Wir haben das eben als Komplex gehört. Ich probiere, das sehr strukturiert zu machen und abzuarbeiten, damit wenigstens ansatzweise nachvollzogen wird, über welche Anträge wir reden und was eigentlich ihr Inhalt ist.
Ich fange mit Tagesordnungspunkt 9 a an, den flexiblen Betreuungsangeboten im Vorschulalter: Für den Senat hat es hohen Stellenwert – da haben wir die Realität schon seit Langem erkannt; sie braucht uns gar nicht einzuholen, wir waren da die ganze Zeit auf der richtigen Höhe –, dass wir bedarfsgerecht ausstatten und vor allem flexible Angebote machen. Denn – und das wissen wir alle, und wir sind uns einig; darüber haben wir im Ausschuss diskutiert, und dazu hatten wir auch eine Anhörung – es ist sehr wichtig, dass gerade Alleinerziehende, die in unserer Stadt auf die flexiblen Bedarfe angewiesen sind, diese auch bekommen. Nichtsdestotrotz darf es nicht sein, dass wir in einem großen Umfang sogenannte 24-StundenKitas bereitstellen, die nicht nachgefragt werden. Wir haben – und das haben wir gemeinsam im Ausschuss festgestellt – eine Diskrepanz, die dadurch entsteht, dass es einen gefühlten Bedarf und eine hohe Nachfrage gibt,
die sich aber leider nicht in der Nachfrage direkt bei den Trägern widerspiegeln, die diese Angebote machen könnten. Natürlich ist es weder für den Senat noch für freie Träger möglich und finanzierbar, wenn wir in diesem Bereich ein Angebot vorhalten, das nicht genutzt wird. Unsere Linie als Koalition ist klar: Überall da, wo Eltern und Pflegeverantwortliche für ihre Kinder einen Betreuungsbedarf haben, sollte dieser nach Möglichkeit gegeben und ausgeschöpft werden.
Ich muss mich beeilen; die Zeit rennt, ich bin gerade bei 9 b: Fördern statt testen, Sprachförderung für alle. – Sie wissen, es ist nicht das erste Mal, dass wir hier zu diesem Thema reden. Das ist ein wichtiger Aspekt, den wir in der Koalition haben: Immer mehr Kinder sollen die deutsche Sprache sehr gut beherrschen, wenn sie in die Schule kommen. Folgender Hintergrund zu diesem Antrag: Es gibt einen erhöhten Personalanteil in den Kitas, wo ein Anteil nichtdeutscher Herkunft von mindestens 40 Prozent herrscht. Wichtig ist: Das hat nichts mit der Sprachförderung und dem Sprachförderbedarf zu tun. Denn es geht darum, dass die Elternarbeit umfangreicher wird und es deswegen eine Erhöhung des Personalschlüssels gibt. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Unterschied. Ich kann es aus meinem eigenen Umfeld nennen: Ich kenne sehr viele Kinder, die laut Statistik einen NdH-Anteil haben, deren Eltern aber Akademikergrade haben und seit Jahren und Jahrzehnten in Deutschland leben. Diese Kinder haben alles, aber keinen Sprachförderbedarf. Nichtsdestotrotz: Wenn eine große Gruppe da ist und es Kommunikationshemmnisse mit den Eltern gibt, ist das ein wichtiger Punkt. Für uns gilt, natürlich vor allem für die SPD: Nur weil ein Kind zu Hause eine andere Sprache als Deutsch spricht, heißt es nicht, dass ein Sprachförderbedarf da ist. – In diesem Fall einen Gruß an die CSU, die das leider ja bekanntlich anders sieht.
Kitabedarfsprüfung abschaffen: Das mache ich ganz kurz. Das ist ein Teil, den wir in den Haushaltsberatungen besprechen wollen, denn das kostet jede Menge Geld. Nichtsdestotrotz ist das ein wichtiger Punkt.
Den Eigenanteil der Kitaträger in einem Stufenplan abschaffen: Auch das ist ein haushaltsrelevanter Punkt, der sehr wichtig ist. Nichtsdestotrotz hat der Senat auch hier schon gehandelt und ist vielleicht der Realität schon einen Schritt voraus: Er hat nämlich mit den Trägern in den Verhandlungen darüber gesprochen, dass man prüft, wie man den Eigenanteil abbauen kann. Das brauchen wir also auch nicht; der Antrag ist gegenstandslos.
Kita als Partnernetz für Kinderschutz stärken: Die Überschrift des Antrags liest sich gut. Das habe ich schon gesagt, als wir ihn das erste Mal beraten haben. Leider ist das in der Umsetzung nicht ganz so gut. Denn es ist in Berlin kein Fall bekannt, in dem eine Kindeswohlgefährdung nicht durch die Bereitstellung eines Kitaplatzes hätte abgewandt werden können.
Entschuldigung, meine Herrschaften! Würden Sie bitte dem Redner die Aufmerksamkeit zukommen lassen? Hier ist ein Geräuschpegel im Raum, der nicht sein muss!
Nichtsdestotrotz haben wir eine ganze Menge Möglichkeiten geschaffen, dass da etwas passiert. Die Eigenbetriebe halten einige Kitaplätze in diesem Bereich vor.
9 f; qualitätsgerechte Personalausstattung für die Kitabetreuung: Das ist nicht der erste Antrag hierzu, mit dem wir uns befassen, der eine solche Forderung aufstellt und – wie immer – behauptet, der Senat handle konzeptlos, schaffe es nicht und komme nicht in der Realität an. Das haben wir alles schon gehört. Dass dem nicht so ist, wurde mehrfach auch im Ausschuss dargestellt. Die Senatorin hat sehr detailliert dargelegt, warum wir jede Menge machen. Wir probieren auch, was man in der Demokratie so lernt, nämlich nicht immer das gleiche Spiel zu spielen und zu schreien: Katastrophe; es brennt, es brennt!, um dann im Nachgang festzustellen, dass es eigentlich doch ganz gut läuft. Wir haben dies sowohl bei der Einschulung gehabt, wo es doch ziemlich gut in diesem Jahr gelaufen ist, als auch im Kitajahr im Vollzug, wo es auch ziemlich gut gelaufen ist. Wir haben deutlich mehr Plätze als angekündigt geschaffen und sind damit eigentlich ziemlich zufrieden.
Lieber Kollege Eggert! Sie haben gesagt, dass Sie die Realität sehen und der Senat und die Koalition alles, was notwendig ist, machen. Sie haben aber zur Kenntnis genommen, dass Berlin bei der Betreuung der unter Dreijährigen den schlechtesten Betreuungsschlüssel hat. Dass das Realität ist, ist Ihnen bekannt. Sehen Sie da auch keinen Handlungsbedarf?
Ich gucke meine umfangreiche Zettelsammlung hier an und die verschiedenen Anträge, zu denen wir reden: Es sind sechs Stück und ein sehr breites Feld. Das deckt fast den gesamten Bereich der Kita ab, den von Ihnen gerade angesprochenen Aspekt aber nur ganz am Rande. Nichtsdestotrotz antworte ich Ihnen gerne darauf: Ich bin der Meinung, dass eine bessere Personalausstattung im U-3Bereich aus fachlicher Sicht mehr als wünschenswert ist. Der Kollege Simon und ich – das haben wir Ihnen schon gesagt; ich sage es aber gern noch einmal – werden uns darum bemühen, diese in den nächsten Haushaltsberatungen zu unterlegen. Meine Fraktion hat auf der Klausurtagung bereits beschlossen, dass wir dies in Stufen mitmachen wollen. Wir wollen sowohl die Betreuung und die Qualität in den Kitas verbessern als auch gucken, dass die Kita beitragsfrei wird. Das sind uns wichtige Anliegen; wir versuchen, beides zu machen.
Ich muss eine kurze Bemerkung zuvor machen: Schade, dass der Großteil der Piratenfraktion jetzt nicht da ist! Es kann in einer Abgeordnetenhausdebatte qualifiziert so laufen, dass man die Gespräche so führt, dass sich beide an die Regeln halten. Sagen Sie es den Kollegen einfach, oder twittern Sie es rüber! Das wäre total nett, dass sie einfach eine nette Zwischenfrage stellen sollen, die fachlich etwas mit der Rede zu tun hat.
Dann wird sie beantwortet. Und man kommt hier zu einer Art von Diskurs und vielleicht zu einem Erkenntnisgewinn für alle, die noch da sind. – Vielen Dank!
Ich hätte die Frage zur Abwägung Kitakostenfreiheit auch für unter Dreijährige oder Verbesserung des Betreuungsschlüssels: Welche Priorität hätten Sie denn?
Meine persönliche Priorität und auch als Sprecher liegt auf dem Qualitätsausbau. Das ist, glaube ich, ziemlich klar.
[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Wir auch! – Ülker Radziwill (SPD): Ich stehe auch ohne Applaus zu dir, Björn!]
Danke! Ich hoffe, der Zwischenruf ist im Protokoll. – Ganz ehrlich gesagt Folgendes: Ich finde, die Abwägung ist ganz richtig, wir sollten beides machen. Ich finde, wir müssen es angucken, wir dürfen aber auch nicht der Illusion aufliegen – und ich glaube, das tun wir nicht, weil wir uns da fachlich einig sind, und die Haushälter werden es uns bestätigen können –, nur die Beiträge im U-3-Bereich reichten aus, um den Anteil an Qualität, den wir uns wünschen, zu finanzieren.
Ich glaube, eine Mischung aus beidem ist gerecht: Absenkung der Elternbeiträge, aber gleichzeitig einen Aufbau der Qualität. Ich hoffe, ich werde mich damit durchsetzen.
Ansonsten bin ich jetzt zu Ende. Steter Tropfen höhlt bekanntermaßen den Stein. Wir kommen bald in den Haushaltsberatungen wieder zu diesem Thema. Mehr Geld für Berlins Jugend, ob in Kita oder Jugendheimen, wäre wünschenswert. Liebe Haushälter! Bedenkt das! – Danke!
Danke schön, Kollege Eggert! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Möller das Wort. – Bitte sehr, Frau Kollegin!