Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

systeme in allen landeseigenen Unternehmen und Beteiligungen eingeführt werden sollen. Das ist in der Tat eigentlich eine normale Maßnahme des Compliance Managements. Ich weiß aus einer Anfrage von mir aus dem Jahr 2013 und einigen neueren Anfragen meines Kollegen Delius auch, dass die meisten Landesunternehmen Anlaufstellen für Whistleblower und Whistleblowerinnen haben, allerdings nicht alle. Was man sich im Zuge der Beratung dieses Antrags vielleicht einmal genauer angucken müsste, ist, wie die eigentlich arbeiten und unter welchen Bedingungen. Dann kann man vielleicht auch noch konkretisieren, was hier gefordert ist.

Alles in allem sind das vernünftige Ansätze, die wir konstruktiv besprechen sollten. Ich hatte bisher auch den Eindruck, dass wir, was den Aspekt der Stellen, an die man sich in solchen Fällen wenden kann – Vertrauensanwalt, Hinweisgebersystem –, angeht, in diesem Parlament ganz gut an einem Strang gezogen haben. Ich hoffe, dass das auch jetzt gilt und wir das entsprechend konstruktiv beraten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Kollege Dr. Weiß! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags und des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung, den Ausschuss für Verfassungsschutz sowie an den Hauptausschuss empfohlen. Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 6 bis 8 stehen auf der Konsensliste. Tagesordnungspunk 9 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Punkt 4.5.

Jetzt rufe ich auf

lfd. Nr. 10:

Kitaoffensive I: Bedarfsgerechte Kitaversorgung für Flüchtlingskinder

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 22. Januar 2015 Drucksache 17/2081

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1956

in Verbindung mit

lfd. Nr. 16:

a) Ankommen – Teilhaben – Bleiben. Flüchtlingspolitik für Berlin

(Dr. Simon Weiß)

Hier: Infrastruktur für Flüchtlingsarbeit in den Bezirken unterstützen

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2053

b) Ankommen – Teilhaben – Bleiben. Flüchtlingspolitik für Berlin Hier: Kitaplätze für Flüchtlingskinder

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2054

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Als Rednerin ist die Kollegin Möller benannt worden, der ich jetzt das Wort erteile. – Sie sind dran, Kollegin Möller, bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 325 Kinder von Geflüchteten werden aktuell in Berliner Kitas betreut. Diese Zahl zu bewerten, ist schwierig, denn der Senat kann derzeit keine Auskunft darüber geben, wie viele unter Sechsjährige in den Unterbringungseinrichtungen für Geflüchtete derzeit leben. In der Beantwortung meiner Anfrage 17/15246 vom 23. Januar heißt es, dazu gebe es keine Datenerhebung. Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe berate über die künftige Datenerhebung und deren Umfang. Ich meine, bei zirka 15 000 geflüchteten Menschen, angekommen in 61 Einrichtungen in dieser Stadt, deren Betreiber übrigens täglich die Zahlen an den Senat melden, sind 325 Kinder bei Weitem zu wenige, die es in eine Kita geschafft haben.

Dass die schnelle und gleichzeitig sensible Integration von Geflüchteten eine große Herausforderung ist, wissen wir alle, aber inzwischen ist das Thema nicht mehr neu, und es macht wütend, dass der Senat derart konzeptionslos und wortlos agiert und mit dem Finger auf die Bezirke zeigt. Dass er nicht einmal weiß, wie viele Kinder einen Anspruch auf Leistungen der Jugendhilfe und Bildung haben, ist nur ein Symptom für die anscheinend mehr als mangelhafte Kooperation zwischen den Ressorts, und ich glaube nicht, dass das an der Senatsverwaltung für Bildung liegt. Jedes Kind, bei dem klar ist, dass seine Familie erst einmal in Berlin bleiben wird, hat nach drei Monaten einen Rechtsanspruch auf Integration in unser Fördersystem.

Kollegin Möller! Ihre Kollegin Dr. Hiller hat eine Zwischenfrage. Gestatten Sie die?

Liebe Kollegin Möller! Ich finde, das Thema ist so wichtig, dass die Anwesenheit des zuständigen Senators notwendig wäre. Sind wir da einer Meinung, und wollen wir ihn hereinbitten?

Selbstverständlich sind wir da einer Meinung. Gerne! In diesem Fall ist es Herr Czaja, der für Soziales und damit unter anderem für das LAGeSo zuständig ist, wo die Flüchtlinge zuerst ankommen.

Gut! Dann warten wir einen Moment. Ich bitte, den Senator zu uns zu bitten! – Der Senator befindet sich jetzt im Plenarsaal. Sie können fortfahren Kollegin Möller. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Czaja, dass Sie uns beehren! Wir waren gerade dabei, uns zu fragen, warum es nicht möglich ist, in den Unterbringungseinrichtungen für Geflüchtete herauszufinden, wie viele Kinder unter sechs Jahren dort angekommen sind. Uns geht es darum, so früh wie möglich alle Kinder in unsere Regelförderangebote zu bringen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Dazu gehört allerdings nicht nur die Kita, sondern auch die Angebote der Jugendfreizeiteinrichtungen, der Familienzentren, der Sportvereine – vom Regelschulbesuch mal ganz abgesehen. Dazu gehören alle Angebote außerhalb der Flüchtlingsunterkünfte. Das alles muss natürlich koordiniert und mit den Bezirken und Einrichtungen abgestimmt werden, und zwar rechtzeitig. Das alles muss passieren, bevor Unterkünfte aus dem Boden gestampft oder quasi über Nacht aufgestellt werden oder zumindest dann, wenn man weiß, wo und wann eine Unterkunft eingerichtet wird – wenn man schon nicht in der Lage ist, Wohnungen zu organisieren.

[Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Genau das passiert nicht. Diese Nichtkommunikation führt zur Überforderung der Strukturen vor Ort, und das, obwohl die übergroße Mehrheit der Menschen in dieser Stadt willens und bereit ist, diese Neuberliner bei einem guten Start in ihr neues Leben zu unterstützen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wie wir gestern im Berliner Beirat für Familienfragen erfuhren, wird an einem ressortübergreifenden Konzept gearbeitet. Wann es kommt, konnte man uns nicht sagen. Meine Fraktion hat bereits ein flüchtlingspolitisches

(Vizepräsident Andreas Gram)

Konzept vorgelegt. Daran könnte man sich orientieren. Derweil verstreicht nämlich die Zeit. Täglich kommen nach unglaublichen Strapazen neue Menschen an, die sofort Betreuung brauchen. Die Bezirke und Einrichtungen bleiben weiterhin ohne Unterstützung oder mit zu wenig Unterstützung zurück. Das ist völlig inakzeptabel.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Klare Forderungen formulierte gestern im Familienbeirat auch ein Vertreter der Betreiber von Einrichtungen für Geflüchtete. Er sagte: Wir brauchen dringend und endlich ein ressortübergreifendes Konzept. Wir brauchen die Überarbeitung der Leitlinien für Aufnahmeeinrichtungen. Das muss dringend passieren, damit endlich Mindeststandards überall gelten und die teilweise unzumutbaren Unterbringungszustände aufhören.

Was nützen uns die sicher guten und gut gemeinten, in neun Sprachen übersetzten Papiere darüber, warum eine Kitabetreuung eine gute Sache ist und wie man zu einem Kitaplatz kommt, wenn diese in den völlig überforderten oder schlecht organisierten Aufnahmeeinrichtungen gar nicht bekannt sind bzw. nicht kommuniziert werden und wenn vor allem keiner mit den Kitas in der Nachbarschaft neuer Unterkünfte spricht, sodass diese dann auch noch unvorbereitet mit desinformierten, verängstigten Eltern und radikalen Bürgerinitiativen konfrontiert sind, noch bevor das erste Flüchtlingskind den Gruppenraum betreten hat?

Geklärt werden konnte auch nicht, warum es nicht möglich ist, mal schnell kreative Lösungen zu entwickeln, und warum es nicht geht, dass Kinder mit Bussen in Kitas oder Schulen transportiert werden, vorübergehend, wo freie Plätze zur Verfügung stehen und die Einrichtungen auch willens und bereit sind, diese Kinder aufzunehmen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Bezugnehmend auf das vorliegende Flüchtlingskonzept der Linken schlagen wir mit unseren Anträgen zwei Sofortmaßnahmen vor. Für die verlässliche und schnelle Versorgung von Flüchtlingskindern mit Kitaplätzen soll mit den Bezirken und Kitaträgern vereinbart werden, dass erstens bei der Bedarfsplanung für den Kitaausbau im Sozialraum befindliche oder geplante Flüchtlingseinrichtungen als Kriterium für besondere Dringlichkeit anerkannt werden, dass zweitens die bezirklichen Jugendämter auf ein bestimmtes Kontingent von freien und flexibel belegbaren Plätzen für Flüchtlingskinder zugreifen können und dass drittens die Kitas für traumatisierte Flüchtlingskinder zusätzliche Personalmittel beanspruchen können, da diese, wie wir uns vorstellen können, eine intensivere Betreuung benötigen.

Außerdem muss sofort die Infrastruktur für Flüchtlingsarbeit in den Bezirken unterstützt werden, und zwar mit verlässlichen Finanzmitteln in Höhe von, wie wir vorschlagen, 150 000 Euro pro Jahr und Bezirk. Damit sol

len zusätzliches Personal, Honorare und Sachmittel für die Beratungs- und Koordinierungsarbeit und die Unterstützung der vielen Initiativen für eine bessere Willkommenskultur finanziert werden.

[Beifall bei der LINKEN]

Von der Bundesregierung wurden ja Finanzmittel für die Versorgung von Geflüchteten in Aussicht gestellt. Es ist zu prüfen, ob diese dafür eingesetzt werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Kollegin Möller! – Für die SPDFraktion hat das Wort erneut heute der Kollege Eggert. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Ja, ich finde es sehr wichtig, dass wir heute zu diesem Aspekt reden und dass wir uns für die Themen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen in Berlin ausreichend Zeit nehmen. Leider kommt diese Debatte auch in unserem Ausschuss manchmal zu kurz, so auch am 22. Januar 2015, wo wir bereits über diese Fragestellungen gesprochen haben.

Ich möchte aber kurz in Erinnerung rufen: Bereits vor über einem Jahr haben wir fraktions- und parteiübergreifend einen Antrag in dieser Richtung beschlossen. Wir haben in diesem Bereich schon einiges gemacht. Ich persönlich habe in mehreren Einrichtungen, die ich besucht habe, genau diese mehrsprachigen Zettel gesehen und habe dort auch nachgefragt, inwieweit sie verwendet und genutzt werden. Die Rückmeldungen waren positiv. Es gibt auch eine positive Rückmeldung zu dem Film, den die Senatsverwaltung produziert hat. Wir werden alle Gelegenheit haben, uns den beim nächsten Mal im Bildungsausschuss anzugucken. Alle Kolleginnen und Kollegen, die in den Bildungsausschuss kommen möchten, sind herzlich eingeladen. Im Übrigen ist er auch im Internet abrufbar. Ich glaube, dass das sehr wichtig ist.

Warum haben wir dort gehandelt, und zwar schon vor über einem Jahr? – Weil bei einer Kleinen Anfrage der Piratenfraktion herausgekommen ist, dass der Anteil der Kinder unter sechs Jahren, die in Flüchtlingsunterkünften untergebracht sind und auch in eine Kita gehen, gravierend gering ist. Wir haben versucht, herauszufinden, was die Hemmnisse dafür sind und ob es wirklich so ist, dass diese Kinder nur deshalb die Kita nicht besuchen, weil es zu wenig Plätze gibt. Nein! Es liegen – so auch die Expertinnen und Experten zu diesem Thema – ganz andere, teilweise viel tiefergreifende Probleme zugrunde. Ein Problem ist, dass wir es hier zum Teil mit traumatisierten, von ihren Fluchterfahrungen geprägten Familien zu tun

(Katrin Möller)